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Religion - Christentum

Buchauszug von Friedrich Funcke, erschienen in der Zeitschrift 'Wegbegleiter' Nr. 4/2006, S. 36-54.

Christentum als Weltanschauung und Lebenskunst – Auszüge

Von Friedrich Funcke (Adelma Vay zugedacht)

Diverses

Ich sah, dass das Wunder nicht in Widerspruch steht mit den Naturgesetzen, sondern dass es nach den Gesetzen einer anderen, der geistigen Welt geschieht, und diese geistige Welt ist der materiellen Welt übergeordnet.

Gar nicht wunderlich für den, der da weiss, dass die Theologie in erster Linie ein Amt, ein Geschäft ist. Jedes Amt hat seine Ehre, seinen Stolz, und der Stolz des Gelehrten besteht in seiner Wissenschaft und Wissenschaftlichkeit und in dem Bestreben und dem Schein, recht zu haben, nicht zu irren. Man ist der gelehrte Herr, hat Ehren und Titel und Würden, und da versteht es sich von selbst, dass man auch im Besitz der Wahrheit ist. Die Wissenschaftlichkeit ist die empfindliche Stelle des Gelehrten, die man nicht unsanft berühren darf, am besten gar nicht berührt, wenn man den Frieden liebt. Den Beweis des Jenseits würde man sich ja gern gefallen lassen, aber damit ist die Sache nicht abgetan; der Beweis hat ernste Folgerungen, die man scheut.

Unser Urteil über eine Sache, welche es auch sei, hängt ab von dem, was wir von ihr wahrnehmen und wie wir sie wahrnehmen. [Siehe Arbeit des Philosophen Immanuel. Kant 1724-1804]

Die Grenzen sind weiter hinausgerückt, aber hinter jeder Grenze liegt unbekanntes, vielleicht unermessliches Gebiet, auch auf der Seite des Kleinen und Kleinsten.

Der Mensch hat 5 Sinne, die ihm ermöglichen, sich zurecht zu finden in der materiellen Welt. Er hat nur die Sinne, die er braucht, mehr nicht. Hätten wir aber sechs oder sieben Sinne, so würden wir mehr und andere Schwingungen wahrnehmen, und unser Weltbild wäre reicher in einer Art und Weise, die wir uns nicht vorstellen können.

...es gibt eine verborgene Welt aus unendlich feinem Stoff, aus Stoff, viele millionenmal feiner als die Luft, so fein, dass unsere Sinnesorgane und die feinsten Instrumente der Physiker diesen ätherischen Stoff nicht ohne weiteres wahrnehmen.
Wir leben also zugleich in zwei Welten, von welchen wir aber nur den gröberen Teil wahrnehmen, und nur unter besonderen Umständen haben gewisse Menschen eine Wahrnehmung eines beschränkten Teiles der andern Welt.

Jede Kraft muss aber einen Träger haben, wie du als Ingenieur weisst, und wenn kein Träger vorhanden ist, kann keine Kraft übertragen werden. Wenn also der Heilmagnetiseur einen Kranken heilt, so überträgt er ihm eine Kraft, und zwar eine Kraft, die den Physikern noch unbekannt ist. Wäre eine solche Kraft nicht vorhanden, so hätten wir eine Wirkung ohne Ursache, was gegen Vernunft und Erfahrung spräche. Wenn die Ärzte die Heilungen mit Einbildung erklären, was sie gern tun, so kommen sie damit nicht weiter, denn auch die Einbildung, wenn sie materielle Veränderungen bewirkt, muss dann selber eine Kraft sein und bedarf als solche eines Trägers, einer Substanz oder wie wir den Überträger oder Vermittler der Kraft sonst noch benennen wollen. Ich versteife mich nicht auf Worte.

...denn von nichts kommt nichts.

Diese Leugnung liegt einerseits in der Richtung der materialistischen Hochschulmedizin, die so feine, ätherische Kräfte nicht gelten lassen will und nur chemische, physikalische und mechanische Kräfte kennt. Zum anderen liegt es an der geistigen Steifheit der Gelehrten, die nicht umlernen mögen.

Ich vermute schon lange, dass sie gewisse Tatsachen nicht sehen wollen, weil die Folgerungen ihnen unbequem sind.

Ein kluger Mann sagte: Die Wahrheit von heute ist der Irrtum von morgen, und die Geschichte der Wissenschaften ist die Geschichte von Irrtümern.

Bedenke doch, dass sie von Kindheit an bis zum Abschluss des Studiums immer der Autorität eines anderen folgten, folgen mussten, weil sie sonst die Examina nicht bestanden oder die erstrebten Vorteile nicht erreicht hätten.

Hellfühlen und Hellsehen sind nur verschiedene Formen des sechsten Sinnes.

„Wir wissen jetzt“, begann Friedmar, „dass unsere Sinne nicht die ganze Welt wahrnehmen, sondern nur einen Teil von ihr, den Teil, der die grobmateriellen Dinge umfasst. Zu den grobmateriellen Dingen rechne ich auch Luft und Gase, denn sie können verflüssigt werden. Wir wissen, dass die Welt der Materie nicht bei den Atomen aufhört, sondern dass jenseits der Atome eine Welt feinmaterieller Dinge, eine ätherisch-geistige Welt beginnt, eine Welt, die wir mit unseren Sinnen gewöhnlich nicht wahrnehmen, die aber von Menschen mit feinen, empfindlichen Sinnen gefühlt und gelebt wird. Das Jenseits ist also nicht ein anderer Ort irgendwo über den Wolken oder unter der Erde, sondern der andere Teil der Welt jenseits der Wahrnehmungsfähigkeit unserer Sinne. Wir wissen, dass diese feine, fluidische Materie auch im Menschenkörper vorhanden ist, ihn umhüllt und durchdringt, und nun stehen wir vor der Frage, ob dieses Fluidum, von Reichenbach Od genannt, die Seele selbst ist oder ihr angehört, einen Bestandteil von ihr bildet.
Wenn die Seele wirklich das ist, was der unbefangene Verstand von ihr behauptet, nämlich Träger und Erhalter des Lebens zu sein, so muss sich das in ihrer Tätigkeit zeigen. Das eigentliche Leben des Menschen besteht im Denken, Wollen, Empfinden und Bewegen. Alle vier Tätigkeiten geben Anlass zu interessanten Betrachtungen über das Wesen der Seele, aber um nicht weitschweifig zu werden und die Damen nicht zu ermüden, will ich mich auf einen Kernpunkt beschränken. Der Streit dreht sich darum, ob die Seele ein selbständiges, vom Körper unabhängiges, von ihm trennbares, mit eigenem Leben begabtes Wesen sei, wie die Spiritualisten, die Anhänger der Geistlehre behaupten, oder ob sie nur das Produkt des Körpers sei, mit ihm entstehe und vergehe, wie die Materialisten behaupten. Es gilt also nachzuweisen, dass die Seele intelligent ist, dass sie eine Kraft ist, und dass sie als Kraft intelligent wirkt und unabhängig vom Körper existieren kann.

Darf man sagen: je kunstvoller ein Gebilde, um so intelligenter sein Bildner?

Hallerstede überlegte. „Was die mechanische Seite seines Wesens betrifft, so ist der Mensch allerdings eine Maschine, eine sehr kunstvolle sogar, wie ich zugebe. Aber er ist noch mehr als eine Maschine, denn in ihm sind auch chemische, physikalische und geistige Kräfte tätig, er ist ein Organismus.“

Also ein Organismus! Sehen wir nun zu, was dies Wort bedeutet. Organismus kommt her vom griechischen organon, d.h. Werkzeug; ein Organismus bedeutet also eine Vereinigung von Werkzeugen. Dass diese Werkzeuge auch chemische und physikalische Arbeit verrichten - die geistige Arbeit möge zunächst ausser Betracht bleiben - ändert nichts an der Tatsache, dass sie Werkzeuge sind, und als solche sind sie, nach euren eignen Worten, nicht von selbst entstanden, sondern sie sind nach einem vorbedachten Plan und für einen bestimmten Zweck gebaut worden. Und der Bildner dieser Werkzeuge ist um so intelligenter, je kunstvoller das Werkzeug, sagten wir.
Dafür gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder die Moleküle ordnen sich selbst, oder sie werden geordnet. Die erstere Möglichkeit setzt voraus, dass die Moleküle den Plan und Zweck eines Organes kennen, und dass jedes Molekül weiss, an welchen Platz es sich zu begeben habe; andernfalls würden sie sich gegenseitig behindern, es wäre ein Durcheinander, ein Chaos, und es könnte keine Ordnung, kein zweckmässig gebautes Organ entstehen. Noch mehr: da die Moleküle im Kreislauf der Stoffe durch Pflanzen, Tiere und Menschen wandern, müssten sie von allen diesen Lebewesen die Ordnung ihres Baues kennen, weil sie sich sonst nicht richtig ordnen könnten. Stelle dir dies alles recht deutlich vor, und dann sage mir, ob du den Molekülen ein solches Wissen zutraust.

Ich muss wohl, sonst kommst du mir wieder mit dem Beispiel von der Mauer, deren Steine von selbst herbeifliegen und sich von selbst ordnen. Aber ich habe ein anderes Bedenken. Wenn ich den Atomen und Molekülen die Kenntnis der Formen und Ordnungen der Organe und Organismen nicht zuschreiben kann, so muss ich diese Kenntnis der vielen Formen und Ordnungen jener unsichtbaren Kraft beilegen, welche die Organe baut.
Wie der Schöpfer früher ist als das Geschöpf, also ein von dem Schöpfer unabhängiges Dasein hat, so existieren auch die intelligenten, unsichtbaren Kraftwesen, welche die sichtbaren Lebewesen bauen, früher als diese und unabhängig von ihnen, ansonst sie die Organe und Organismen nicht bauen könnten. Wie diese unsichtbaren Kraftwesen im besonderen beschaffen sind, wie gross oder wie klein ihre Intelligenz ist, das brauchen wir nicht zu wissen, uns genügt, dass sie vorhanden sind wie die Werkleute, die ein Haus bauen.

Aus der Betrachtung des Entstehens der Organe und Organismen ergibt sich weiter, dass die Bildner nicht nur früher existieren müssen als ihre Gebilde, sondern dass mit dem Bauen der Lebewesen auch ein Zweck beabsichtigt wird, gleichwie wir Menschen unsere Werke nicht ohne Zweck und Absicht bilden. Zwecke aber setzen einen Zwecksetzer voraus,

„Hast du schon darüber nachgedacht, wie es zugeht, dass dein Wille deine Glieder bewegt?“
„Aber das ist doch ganz natürlich“

Aus der Verbundenheit der Willenskraft mit Denken oder Absicht schliesse ich nun, dass die Willenskraft eine geistige Kraft ist, die der geistigen Welt angehört, aber in die materielle Welt hineinwirkt und solchermassen schlagend die Herrschaft des Geistes über den Stoff beweist.

...denn in Wahrheit ist die Welt nicht etwas Selbstverständliches, sondern "ein Wunder, das nie wird ausgewundert", ein Wunder, das man nur darum nicht als Wunder ansieht, weil man es alle Tage erlebt und sich daran gewöhnt hat.

Hervorragende Naturforscher gestehen, dass das Leben aus dem Stoff allein nicht zu erklären sei, und es ist nur eine Frage der Zeit, wann der Materialismus als Lebensanschauung endgültig stürzt.

Beim Menschen ist der Körper das Gewand der Seele, beim Geiste ist die Seele sein Gewand, seine Erscheinungsform. Wie beim Menschen die Seele den Körper belebt und erhält und gestaltet, so gestaltet und bildet der Geist die Seele. Der Mensch ist eine Dreiheit von Geist, Seele und Körper oder eben Geist, Kraft und Stoff; der Geist ist eine Zweiheit von Seele und Geist. Im Menschen wirkt der Geist auf die Seele, die Seele auf den Körper, das Feinere wirkt in stufenweisen Übergängen auf das Nächstgröbere.

Und wieder frage ich; dieses Wunderwerk soll von selbst entstanden sein, ohne Plan und Ordnung und ohne Zweck und Absicht, wie man annehmen muss nach der Theorie des Materialismus, der ja ordnende, überstoffliche, geistige Kräfte nicht gelten lässt?

...sie zerlegten das Problem nicht in seine Ur-Teile und kamen deshalb auch nicht zu einem richtigen Urteil.

Bei Geburt und Tod ändert der Geist nicht sein Wesen, sondern nur seine Art der Wahrnehmung,

Wenn ich aber glauben muss, dann wähle ich den Glauben, der meine Vernunft am meisten befriedigt, der es mir ermöglicht, mit einfachen Mitteln auf einfache Weise die meisten Rätsel zu lösen, und das ist der Glaube an einen gütigen, weisen und gerechten Schöpfer.

Ist es denkbar, dass der Zweck des Daseins gar nicht in dieser sichtbaren, sondern in jener unsichtbaren Welt liegt?

„Freudlos war der grosse Weltenmeister,
Fühlte Mangel, darum schuf er Geister,
Sel'ge Spiegel seiner Seligkeit.“ ( Schiller)

[Anm.d.Erf.: Von Gott heisst es, er sei ewig, wissend und glückselig! Wo sollte da ein Mangel sein? Ich halte die Schöpfung von Geistern als ein Gott innewohnendes Prinzip oder besser Ausdruck Seiner Urlebendigkeit. Für mich bleibt dies ein grosses paradoxes Geheimnis. Über die Motive Gottes, die winzigen Lebewesen zu schaffen, kann ich bisher nur rätseln. ]

Die Bestimmung der Geister zur Seligkeit allein kann darum die Erschaffung der Geister rechtfertigen. Nur Liebe, vollkommene Liebe durfte den Schöpfer veranlassen, die Geister zu erschaffen.

Wir können die Frage, warum Gott geschaffen habe, auch noch von einer anderen Seite aus betrachten. Wenn Gott ist, so muss er Leben sein – ein toter Gott ist kein Gott – und Leben muss ihn umgeben, muss von ihm ausgehen wie das Licht von der Flamme. Und wenn er vollkommen ist – ich bin geneigt, ihn für vollkommen zu halten, da ich die Vollkommenheit seiner Werke sehe; das scheinbar Unvollkommene aber ist nur vorübergehend und Übergang – wenn er vollkommen ist, sage ich, so müssen selbstverständlich auch Plan und Zweck seiner Schöpfung vollkommen sein und nur die edelste Absicht durfte der Grund seines Schaffens sein. Weisst du nun einen edleren Grund als die Glückseligkeit der geschaffenen Geister?

Wenn man mit der Nase auf einem Gemälde liegt, sieht man nur ein sinnloses Nebeneinander von Farben, das sich aber in Harmonie auflöst, wenn man es aus gehörigem Abstand betrachtet. Je höher die Erkenntnis, der Standpunkt, um so grösser der Gesichtskreis, um so klarer erkennbar die Ordnung. Die Weltordnung denke ich mir so: Gott schafft aus vollkommener Liebe, dass jeder Geist die höchstmögliche Seligkeit erlange, und dass er sie auf die möglich angenehmste Art und Weise erlange, also ohne Leid. Gott schafft nach vollkommener Gerechtigkeit, dass jeder Geist bekomme, was ihm gebührt und keiner benachteiligt wird. Und Gott schafft in vollkommener Weisheit, dass die Mittel dem Zweck entsprechen und ihn auch bewirken.

Weiter. Aus der Freiheit ergibt sich auch, warum Gott das Leid und das Böse duldet. Die Geister und die Menschen haben das Böse in die Welt gebracht durch ihr Abweichen vom Gesetze Gottes; das Leid und das Böse ist ihr Werk, und da sie es aus eigenem Willen geschaffen haben, so müssen sie, wenn sie davon loskommen wollen, es aus eigenem Willen beseitigen, indem sie, wie der verlorene Sohn im Gleichnis, wieder zu Gott zurückkehren, wo es kein Leid, kein Böses gibt. Das ist ein langer, ein mühsamer Weg, aber er ist möglich, und er führt an's Ziel, allerdings nicht in einem Erdenleben, wie ja auch der Geist oder Mensch seine Untugenden nicht auf einmal erworben hat.
...denn es gibt im Jenseits Zustände, die wir uns nicht vorzustellen vermögen, ja sie können uns nicht einmal getreu beschrieben werden, da unserer Sprache die Worte, unserem Denken die Begriffe und Vorstellungen dafür fehlen.

In dem Worte Charakter liegt ein tiefer Sinn: es bedeutet nämlich das "Eingegrabene", also das, was der Mensch in sein innerstes Wesen eingegraben hat, das, was er aus sich gemacht hat. So führt der Geist sein Sündenregister, sein Soll und Haben immer bei sich; er ist sein eigener Buchhalter ...

Die fluidische Hülle des Geistes – seine Seele – gleicht der Phonographenplatte; wie hier die Tonwellen, so graben dort Denken und Tun ihre Spuren getreu ein; hat der Geist hässliche Gedanken und Taten in seine Seelenplatte eingegraben, so tönen sie ihm später unangenehm zurück.

Die Zukunft der Kirchen

Wie denkst du dir die Zukunft der Kirchen? Sie können in dieser Form doch nicht ewig bestehen bleiben, wenn immer mehr Menschen, und gerade die intelligentesten, sich von ihr abwenden.

Ich kann nur einige vorsichtige Vermutungen aussprechen, und bin mir wohl bewusst, dass auch diese Vermutungen vielleicht noch zu kühn sind. Aber soweit man aus der Gegenwart auf die Zukunft folgern darf, könnte man in anbetracht der Zustände, Hemmungen und wirkenden Kräfte etwa folgendes sagen: Die römische Kirche wird sich wahrscheinlich nicht ändern. Nachdem sie sich Unfehlbarkeit zugesprochen hat, ist nicht einzusehen, wie da eine durchgreifende Änderung stattfinden kann, ohne dass sie ihre Grundlage preisgibt. Durch die vermeintliche Unfehlbarkeit hat die Kirche sich selbst zu Starrheit und Stillstand verurteilt, hat sie sich ihre künftige Bahn genau vorgezeichnet, und so, nach einem bekannten Wort, wird sie sein wie sie ist, oder sie wird nicht sein. Aber so lange es noch so viele geistig unselbständige Menschen gibt, die andere für sich denken und sich gern führen lassen, die einen reichen, prunkvollen Formendienst für Gottesdienst halten und in ihm ihre Gemütsbedürfnisse befriedigen, so lange braucht die römische Kirche für ihren Bestand nicht zu fürchten, auch wenn die Zahl ihrer Anhänger im Laufe der Zeit sich erheblich vermindern sollte. Vielleicht gewinnt sie dafür auf der andern Seite durch Vereinigung mit der griechischen Kirche. Die andern Kirchen befinden sich in besserer Lage, da die Hindernisse des Fortschritts weniger in einer für unfehlbar ausgegebenen Lehre bestehen als in der Starrheit der Kirchenbehörden. Wenn eine Anzahl ehrlicher, mutiger Pfarrer sich darauf besinnen, dass sie "Protestanten" sind und gegen unhaltbare Dogmen und halsstarrige Behörden protestieren nach dem Vorbild Luthers, so ist der Bann gebrochen und die Bahn frei für den Fortschritt. Diese Pfarrer müssten sich aber vorher zu Schutz und Abwehr vereinigen, denn sie haben es mit einem rücksichtslosen Gegner zu tun, an dem der Einzelne zerbrechen würde. Ob diese mutigen Männer aufstehen werden, darüber sage ich nichts, ich würde es aber bedauern, wenn es nicht geschähe. Einmal, früher oder später, müssen die Kirchen Stellung nehmen zur Geisterlehre, die das Christentum verjüngen und neu beleben soll auf Gottes Gebot. (Fussnote 19, siehe weiter unten) Da gibt es kein Ausweichen. Die Geisterlehre wird wachsen und sich ausbreiten, Christus und die hohen Geister sind ihre Träger, reine Medien und ehrliche Geistforscher ihre Werkzeuge. Menschentorheit wird ihre Ausbreitung wahrscheinlich erschweren und verzögern, und ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass Orthodoxe und Materialisten sich verbinden werden, sie gemeinsam zu bekämpfen und auszurotten, aber das Ziel werden die Gegner nicht erreichen, denn Wahrheiten lassen sich nicht auf ewig unterdrücken. Hohe Geister sagen, das Christentum werde wieder auferstehen, keine Macht der Erde könne dies verhindern; es sei nicht Kirchentum, sondern ewige Wahrheit, es sei Philosophie, Religion und Wissenschaft zugleich. Und es ist, sage ich, praktische Lebenskunst, da es uns zeigt, wie wir zu leben haben, um aus Sünde und Leid herauszukommen und ein höheres Leben zu erlangen als die Erde bieten kann. Eilen wir nun im Geiste einige Jahrhunderte voraus, so werden wir das religiöse Gemeinschaftsleben in vielleicht drei Hauptgruppen geteilt sehen: erstens die katholische Kirche, nicht oder nur wenig verändert gegen heute; zweitens die Gruppe der Gleichgültigen und Ungläubigen; drittens die Geistergläubigen in verschiedenen Untergruppen. Diese dritte Gruppe wird an Zahl vermutlich die kleinste sein, dafür aber die feinsten Köpfe umfassen.

Ihr legt grossen Wert auf die Freiheit und sagt, dass die hohen Geister Freiheit lehren, die Kirchen aber Unterordnung. Mir ist nicht ganz klar, wie Ihr das meint. Eine gewisse Ordnung muss doch sein, wenn eine religiöse Gemeinschaft bestehen soll.

Ordnung und Führung und Belehrung muss sein, so lange die Menschen geistig schwach und unwissend sind. Aber die Führung darf nicht in offenen oder geheimen Zwang ausarten, und die Belehrung darf nicht Irreführung sein. Darum sollen die Führer ihr Amt nicht als Herrschen, sondern als Dienen auffassen, wie Christus gebot. Den ehrlichen Führer und Lehrer erkennt man an einem untrüglichen Merkmal: er sucht sich so bald wie möglich entbehrlich zu machen, indem er den Schüler zu geistiger Selbständigkeit erzieht. Dies ist freilich ein Ideal; ein Ideal, das leider zu wenig beachtet wird, das daher immer wieder aufgestellt werden muss als Leuchtturm im Meer des Zweifels und des Irrtums. Es handelt sich hier also nicht um die äussere Ordnung, die mögen die Menschen einrichten nach Belieben; es handelt sich um die Freiheit des Denkens in dem Sinne, ob und wie weit ein Geist oder Mensch den andern in seinem Denken beeinflussen und beschränken darf. Am meisten sündigt in der Beschränkung der geistigen Freiheit die römische Kirche, die ohne ihren Gewissenszwang nie ihre grosse Macht und äussere Einheitlichkeit erlangt hätte, aber auch orthodoxe protestantische Geistliche erliegen der Versuchung, die geistige Freiheit zu beschränken.

Die geistige Freiheit

Ein hoher Geist sagte über die geistige Freiheit:

„Es ist schön, zu beobachten, wie die Wahrheit sich Bahn bricht, wie das Wirken der herrlichen Gesetze Gottes jeden Geist umbildet zu einem Wesen, dem es zuerst gesetzlich möglich, dann gesetzlich notwendig ist, die Wahrheit zu erfassen, sich an ihr zu freuen, sich durch sie zu sättigen.

Wir Geister, denen eine Teilaufgabe in der Kundgebung solcher Wahrheit wurde, wir blicken in solche Tiefen menschlichen und geistigen Elends, dass euer kurzsichtiges Menschenauge sich trüben würde und nimmer fähig wäre, die grossen, einfachen Umrisse der grossen Liebe und Gerechtigkeit Gottes zu unterscheiden. Aber wir durchblicken diese Hülle verschiedener Leiden, die sich wie ein Nebelkreis um jeden gefallenen Geist legt, verursacht durch seine Sünde und verursachend die Befangenheit im Urteil des Geistes über Wahrheit und falsche Auffassung. Wir durchblicken diese Hülle, wissen ihre Ursache, berechnen die Tragweite ihrer Folgen, und nicht einen Augenblick ist unser Blick getrübt, nicht einen Augenblick vermögen wir anders als ein lebendiges Dankes-Halleluja zu empfinden beim Anblick dieser grossen Liebe und Gerechtigkeit. Und um in euch dieses Empfinden anzuregen, suchten wir euch die grossen, einfachen Umrisse dieser Gotteseigenschaften zu zeigen und zu beweisen. Wenn ein Mensch einen schönen Aussichtspunkt gefunden, so wird sich wohl niemand weigern, von diesem Menschen sich den Weg zeigen zu lassen, damit auch er sich erfreuen könne an dem herrlichen Bild. Und dies ist alles, was wir Geister von euch verlangen.

Wir wissen, dass der Fortschritt eines jeden Geistes seine Bestimmung ist und infolgedessen von keinem Geiste auf ewig zurückgewiesen werden kann, aber die Zeit, wo er diese Bestimmung erkennen und dieser Erkenntnis leben will, die ist dem gottgegebenen freien Willen des Geistes anheimgestellt. Wir wissen, dass dieser gesetzliche Fortschritt wie ein Berg hinaufragt in den Äther der Gotteserkenntnis, daher mit jedem Schritt, den der Geist aufwärtssteigt, der umgebende Äther klarer, reiner wird und dem Blick des Geistes sich immer weitere Bilder zeigen werden, sodass seine Kenntnis der Erdkunde sich durch das Schauen mehrt, d.h. dass sich seinem, durch den Fortschritt erstarkten Verstande die Gesetze der Materie zeigen, und er, seiner Erkenntnis gemäss, Gesetz mit Gesetz vergleichend und verbindend, die Materie vom Geist geleitet sieht. Um dies gesetzlich zu ermöglichen, ist es notwendig, dass die Materie auch geistdurchwebt sei und dass der Geist, der sich einer materiellen Welt offenbart, Materie an sich habe, wenn auch nicht, was ihr Menschen unter Materie versteht, aber immerhin Stoffliches.

Denn es ist ein Gesetz, dass nur Ähnliches sich Ähnlichem kundgebe, Ähnliches durch Ähnliches geheilt werde, Ähnliches von Ähnlichem belehrt werde. Denn nur Ähnliches kann sich Ähnlichem zeigen wie es ist; Gezeigtsein und Verstandensein ist gleichbedeutend nur Ähnliches Ähnlichem gegenüber.

Es gibt ein Gesetz der notwendigen Speise. Und wie das Tier jene Speise zu finden versteht, die ihm notwendig ist zur Erhaltung seines Lebens, wie der Pflanzenkeim im Erdenschoss das Licht zu finden versteht, dessen er bedarf zu seiner Entfaltung, zu seinem Leben, so findet der Geist jene Wahrheit, die als gesetzliche Wahrheit ihm notwendig ist zu seinem Fortschritt. Da gibt es kein Zurückhalten, kein Verbergen einer Wahrheit, die dem Geiste notwendig ist wie das Licht der Pflanze.

Und bedeckst du die keimende Pflanze mit einer Steinplatte, so wird dieser Keim sich wohl nicht im Lichte der Sonne entfalten können, aber die Zeiten, jene Taglöhner Gottes, die in der Materie arbeiten, werden die Materie des Steines zerstören; zerbröckeln und zerfallen wird das, das dem Lichte den Zutritt verwehrt, und neues Leben wird sich regen an der langbedeckten Stelle und wird sich entfalten im Sonnenlicht, da dieses Licht alles Leben, das in der Materie schlummert, erweckt und zu sich emporzieht. Jene Geister, welche die deckende Hülle falscher Auffassungen auf den von Christus gegebenen Keim der Wahrheit gelegt und in Satzungen und Dogmen versteinert haben und dann diesen Stein vor dem Hinwegheben bewahrt haben durch das Verbot, ihn auch nur anzurühren – jene Geister werden nun in nächster Zeit belehrt werden, dass auch Steine den umbildenden Zeiten verfallen und von ihnen zerstört werden, dass das Licht von oben, als materielles Bild: Sonnenlicht, in Wirklichkeit Gotteswahrheit, hineindringen kann, um das Leben zu erwecken, um die Wahrheit, die unter diesem Stein ruht, zu verbinden mit der Wahrheit, die herabströmt von oben. Diese Verbindung soll dann der Menschheit Nahrung sein, d.h. jenem Teil der Menschheit, der sich sehnt nach einem Zeigen solcher Verbindung, der die Notwendigkeit einer solchen Verbindung erkennt, dem daher Zeigen und Verstehen gleichbedeutend ist.

Liebe Menschen, hütet euch zu sagen: ‚mir ist ein Sehnen und Verstehen gleichbedeutend, ich habe die Wahrheit erfasst.' Die ganze volle Wahrheit zu verstehen ist nur einer Weisheit möglich, deren Ausfluss diese Wahrheit ist.

Was ist Wahrheit? Das ist die Frage, die viele Geister bewegt und von wenigen beantwortet wurde. Wenn sie beantwortet wurde mit "Gott ist Wahrheit", so ist dies soweit richtig, dass es einen Gott gibt, aber das Wort "Gott" ist bei euch die Kleidung so vieler falscher Begriffe, die ihr alle für Wahrheit haltet, dass die Beantwortung der Frage mit diesen drei Worten unendlich viel Unwahres zulässt. Der eine hält Gott für ein rächendes, zorniges Wesen, der andere nimmt eine Eigenschaft Gottes, die Kraft, und nennt sie Gott. Ein dritter macht ein Dreiwesen aus ihm, das er selbst nicht verstehen kann, das er aber nicht anzutasten wagt, um seinen mühsam zusammengehaltenen Glauben an eine Unmöglichkeit nicht zu erschüttern. Was ist nun Wahrheit? Unsterblichkeit des Geistes? Fortschritt bis zum Erreichen der Vollkommenheit? Dies alles sind nur Bruchteile. Wahrheit ist das geistige Gesetz, das ein Ausfluss Gottes ist.

Gott ist! Diese Tatsache lässt sich euch nicht klar beweisen, denn nach dem Gesetz: Ähnliches Ähnlichem, ist nur solche Tatsache euch beweisbar, die ihren Widerhall in der Materie findet, d.h. die selbst, wenn auch das Geistigstofflichste nur, doch immerhin Stoffliches an sich hat. Die geistigen Gesetze, durch welche die Schöpfung entstanden, durch welche die Schöpfung geleitet wird, könnt ihr soweit erfassen, dass ein Bild sich euren Blicken zeigt, weil diese Gesetze von dem Urgeist Gott bis hinunter in die tiefste Materie reichen, aber dem Urheber dieser Gesetze fehlt die Materie, weshalb Er sich dieser Materie nicht beweisen lässt. Aber der prüfende Verstand, der jene Gesetze Gottes zu ergründen sucht, kann sagen: ‚ich glaube einen Gott, obwohl ich ihn euch nicht beweisen und nicht zeigen kann.' Erst wenn die Materie überwunden ist, vermag der Geist zu sagen: ‚ich sehe einen Gott', und erst nach dem Erreichen der Vollkommenheit vermag er zu sagen: ‚ich verstehe diesen Gott'; dieses Verstehen ist Seligkeit und ist doch nicht ein vollkommenes Ergründen.

Wahrheit also ist das geistige Gesetz, das ein Ausfluss Gottes ist. Gott aber ist Vollkommenheit, Vollkommenheit aber bedingt Liebe, Weisheit, Grösse; was also nicht im Einklang mit jenen ist, kann nicht eine Wahrheit sein, die ein Ausfluss Gottes ist. Dies also ist der Prüfstein. Sucht ihn richtig anzuwenden, aber wenn ihr ihn angewendet habt nach eurem besten Verständnis, dann hütet euch, das Resultat eurer Prüfung, in bestimmte Satzungen zusammengefasst, der Menschheit als eine Glaubenslehre aufzwingen zu wollen. Wir Geister, die wir die Aufgabe haben, der suchenden Menschheit finden zu helfen, wir wollen nicht, dass auch nur ein Mensch etwas glaube, weil wir es gesagt. Mit der Zeit werden viele Menschen sich unserer Autorität beugen wollen und werden sagen: ‚dies ist herrlich, diese Lehre befriedigt mich – ich glaube alles, was jene Geister lehren.' Dieser Nachsatz, liebe Menschen, ist ein Hindernis in der Reife eurer Erkenntnis. Gott, das höchste Wesen, gab den Geistern die Freiheit als herrlichste Eigenschaft. In der Freiheit sollten sie gross werden, stark in der Erkenntnis, stark in der Liebe, um in dem Erreichen ihrer Vollkommenheit den Schöpfer verstehen zu lernen.
Je höher also das Geistwesen, desto sorgsamer wird es sich hüten, die Freiheit des Bruders anzutasten. Grossziehen wollen wir eure Freiheit, denn sie ist jetzt noch eingeengt in den Fesseln eurer Sünde und der Folgen eurer Sünde, wie Mangel an Erkenntnis, Mangel an Interesse, Geistiges zu prüfen, Mangel an Mut, Befangenheit in der Materie.

Auch wir Apostel fehlten, als wir Apostel auf Erden waren, indem wir die Lehre des Meisters, nach unserer Auffassung in bestimmte Kleidung gehüllt, der Menschheit übergaben. Ich lebte als Paulus auf Erden, und obwohl ich in vollem Eifer, meinem so spät erkannten Meister zu dienen, meine ganze Kraft der Verbreitung seiner Lehre widmete, so irrte ich doch in manchem. Ich legte dem Gott, den ich nicht ergründen konnte, die Eigenschaft der Willkür bei, indem ich zur Erklärung der Verschiedenheit der Menschen die Prädestination als Lehre aufstellte.

Ihr fragt wohl, wie es möglich sein konnte, dass wir Apostel irrten, da uns doch der heilige Geist gegeben war?

Liebe Menschen, der heilige Geist, d.h. der Einfluss hoher Geister, war uns allerdings gegeben, aber ein hoher Geist nimmt nicht so Besitz vom Menschen, dass er dessen eigenen Geist betäube und nicht mehr sprechen lasse. Eine Besessenheit geht stets nur von niedern Geistern aus, denn je höher der Geist, um so mehr wahrt er die Freiheit des Bruders. Ich kam in das Menschenkleid, um Christo zu dienen, um seine freimachende Wahrheit der Menschheit verkünden zu helfen. Grossgezogen in der Lehre der Juden, die Erkenntnis getrübt durch die plumpe, knechtende Materie, wandte ich mich zuerst gegen die Anhänger des Meisters. Da ich aber voll guten Willens in die Materie gekommen war, wo wurde meine Erkenntnis geklärt durch eine Vision. Nicht auserwählt hat Gott mich, wie ich damals wähnte. Gott gibt nicht dem einen Menschen gute Eigenschaften, dem andern schlechte, um dann den mehrbegabten besonders zu belohnen. Wo wäre darin Gerechtigkeit? Nein, die Eigenschaften, d.h. die Fehler und die Tugenden der Menschen und Geister sind ihr eigenes Eigentum, ermöglicht durch die Freiheit ihres Willens und durch das göttliche Folgengesetz in gewisse Grenzen gehalten, welche die ganze Geisterschaffung in gleicher Gerechtigkeit umgeben und umgeben müssen, sonst wäre es nicht mehr Gerechtigkeit.

Daher sprach durch mich zuweilen der Geist meines Meisters, zuweilen andere hohe Geister, zuweilen aber mein eigener Geist, der befangen war und Erklärungen zu geben suchte, wo ihm selbst vollkommene Erkenntnis fehlte. Nun, wo die Zeit gekommen, dass wir wieder mit den Menschen reden dürfen, wollen wir vor allem diese Menschen warnen vor unbedingtem Glauben. Prüfet die Geister! Und prüfet die Lehre, welche Geister euch geben! Ein hoher Geist wird euch nie eine Lehre aufzwingen wollen, wird nie sagen: dies ist die ganze Wahrheit – denn die Wahrheit, wie ich sie zu definieren versuchte, lässt sich den Erdbewohnern nur in grossen Umrissen geben. Wer daher von solchem Umriss sagt: ‚seht her, ich zeige euch ein fertiges Bild', dem fehlt es an Erkenntnis. Wer aber dies angeblich fertige Bild den Menschen aufzwingen will, dem fehlt es an aller Erkenntnis des göttlichen Willens. Gott zwingt keinen Geist, er lässt nur die Folgen der Handlungen des Geistes, welche die Folgen seiner Freiheit sind, an ihm wirken. Wenn ein Mensch seine Hand ins Feuer legt: ist dann der Urheber der Brandwunden jener, der das Feuer angezündet hat?

So suchet logisch zu denken, vorurteilslos zu prüfen, und ihr werdet jenen Teil der Wahrheit finden, den ihr eurer Stufe gemäss aufzunehmen imstande seid. Durch höchste Reinheit, durch fleckenlose Tugend sollt ihr den Menschen zeigen, wes Geistes Kind ihr seid. Und so zieht ihr hohe Geister an und diese reden von dem ihren. Und wenn ihr ihnen ähnlich seid, so werdet ihr ihre Sprache verstehen. Und ihr werdet euch vereint freuen über die Umrisse der Wahrheit, die sich euren Blicken zeigen, weil euer freier Wille den Nebel zerteilt, welchen eure Sünde und Sündenfolge um diese Umrisse gelegt hat. Das ist unser Wunsch, und dieser kann nur erfüllt werden, wenn ihr prüfet, suchet, strebet.“

Über den Spiritismus/Spiritualismus

Der Spiritismus will weder eine neue Religion sein noch die alten Religionen bekämpfen, er ist nur Mittel, unsere Erkenntnis zu vermehren und zu vertiefen und den Wahrheitskern der Religionen besser zu begründen. Wer sich in seinem Glauben wohl fühlt und die Bedürfnisse von Vernunft und Gemüt durch ihn befriedigt sieht, wer sich nicht nach höherer Erkenntnis sehnt, der bleibe in seinem Glauben, er ist für ihn der richtige, und es ist kein Grund vorhanden, sich von ihm abzuwenden. Wenn er die von Christus gegebene Lehre der Liebe tatkräftig befolgt, wird er dereinst an den ihm gebührenden Ort kommen, und es macht wenig aus, ob er an Geister geglaubt hat oder nicht.

Es gibt aber zahllose Menschen, denen die Lehren der Kirchen nicht genügen. Ihnen soll der Spiritismus geben, was sie in den Kirchen nicht finden. Der Autor des Schöpfungsberichtes sagt über Wesen und Zweck des Spiritismus:

Verschieden ist eure Ansicht und verschieden muss sie sein infolge der Verschiedenheit eurer geistigen Stufe. Dem einen ist er Beweis der Unsterblichkeit des Geistes, dem andern ist er Unterhaltung und Interesse, wieder anderen dünkt er vom Bösen auszugehen und scheu ziehen sie sich von ihm zurück. Aber es gibt auch Menschen, die ihn erkannt haben als das, was er ist, als das Wort unseres Gottes, und schon auf Erden finden sie Frieden und Seligkeit in ihm. Solchen ist der Tod ein seliges Heimfliegen in alte, liebe Heimat, ein Entgegenjauchzen dem Vater, der ihnen die Aufgabe gegeben und zu dessen Füssen sie die fertige Arbeit niederlegen dürfen, um das beseligende Gefühl seiner Liebe dafür zu empfangen.

Liebe Menschen! Der Spiritismus ist der Beweis der Zeit der Reife, die über euch gekommen, der Zeit, wo die Grenze des Fleisches verschwindet und Gutes das Gute und Böses das Böse findet und sich damit verbindet in Mensch und Geisterreich. Das ist der wichtigste Grundsatz, den ihr Spiritisten euch zu eigen machen sollt: Gleiches zieht Gleiches an. Also kann nur eure höchste Reinheit hohe Geister anziehen und es ihnen ermöglichen, mit euch zu verkehren. Darum leget ab alles Niedere, Kleinliche, ringet mit der ganzen Kraft eures Willens, rein zu werden und frei von Sünde, denn diese Freiheit allein ist ewig und wahr, jede andere Freiheit enthaltend. Ihr seid ja bestimmt zur Seligkeit, darum ringt und jagt die ganze Menschheit nach Glück, und dennoch erkennen nur wenige, dass es nur ein wahres Glück, nur eine wahre Freude gibt: in der Reinheit, in der Grösse, in der in ihnen liegenden Gottähnlichkeit. Der Zweck des Spiritismus ist, den Menschen die Lehre der vollkommenen Liebe, der Gerechtigkeit Gottes zu bringen, direkt aus Gottes Liebe eine Antwort zu sein auf all das klagende "Warum?" der leidenden Menschheit. Eine Verbindung der Wissenschaft und der Religionen, indem er aus allen die Wahrheit nimmt, denn in ihr müssen Widersprüche schwinden. Den Menschen durch geistige Wahrheit geistige Freude zu geben, denn Gottes Liebe möchte dem Menschen auch in der Leidenszeit seiner Sühne Frieden und geistige Freude geben, denn dieser so unverstandenen, so oft verkannten Liebe ist ein Dankeslächeln eines Menschen auch eine Freude. Sagte nicht der Sohn: „Und ich sage nicht, dass ich für euch bitte, denn Er selbst, der Vater, hat euch lieb!“ Also Erkenntnis bringt euch der Spiritismus, die Erkenntnis Gottes, den Beweis seiner Gerechtigkeit, seiner Liebe, den Beweis eurer Unsterblichkeit. Und indem hohe Geister euch von eurem Geisterheim erzählen, lernt ihr es lieben und dem Tod ist der Stachel genommen. Durch den Verkehr mit armen, gefallenen Geistern aber lernt ihr, welches Leiden die unabwendbare Folge der Sünde ist, lernt ihr das Reich der Finsternis (das Reich der Sünde) im Weltall kennen, und indem ihr Mitleid und Liebe für diese Geister habt und ihnen helft durch Gebet und durch die Lehre der hohen Geister, die euch geworden, werdet ihr eurem Zweck gerecht als Bindeglied zwischen Hoch und Nieder. So lernt ihr, um zu lehren, so empfangt ihr das Gute, um es weiter zu geben, denn das Licht ist göttlich in seiner Eigenschaft: Je mehr ihr von ihm weitergebt, desto heller brennt es euch.

Darum bleibet nicht am Niedern hängen, nehmet und verwertet den Spiritismus zu seinem eigentlichen, gottbestimmten Zweck. Alle Kundgebungen der Geisterwelt regen eure Neugier an, aber gebet euch nicht zufrieden mit Wenigem, wenn der Spiritismus euch den ganzen reichen Schatz von Gottes Wahrheit eröffnet. Er soll euch den Beweis der Unsterblichkeit eures Geistes geben – doch bleibet dabei nicht stehen, strebet vorwärts, aufwärts. Lernet nun von Gott, aus dessen Ewigkeit eure Unsterblichkeit hervorging, aus dessen Gerechtigkeit euer Leiden, aus dessen Gnade die Umwandlung des Leidens zur Sühne hervorgeht; aus dessen Liebe die endliche Heimkehr aller seiner Kinder und aus dessen Unwandelbarkeit endliche Vollkommenheit des ganzen grossen Weltalls hervorgehen wird. Die Antwort ist euch gegeben auf alle fragende Klage, und also verwandelt sich die Frage zum Dank und zum Jubel. Das ist der Zweck des Spiritismus. Menschenbrüder, hindert nicht die Erfüllung, indem ihr in den Staub zieht, was euch aus dem Staub erheben soll. In der Schöpfungsparabel verbindet sich Gottes Hauch mit dem Staub, und der Mensch ist geschaffen; nun verbindet sich Gottes Geist mit eurem Geist, und aus dieser Verbindung soll Wahrheit hervorgehen, die, wieder euch umwandelnd, zu Kindern des Lichtes euch umbilden soll. –

Der Spiritismus soll uns also belehren über das Jenseits und über die Folgen unseres Erdenwandels nach dem Tode, und tatsächlich hat er tausende von Menschen zum Glauben an Gott, Unsterblichkeit und Gerechtigkeit geführt, und dieser Glaube war ihnen Stütze im Leben und Trost im Sterben. Wenn nun die Kirchen – allen voraus die römische – den Spiritismus als dämonisch, als Teufelswerk bezeichnen, so stehen sie mit dieser Behauptung vor der seltsamen Tatsache, dass dann der Teufel für Gott arbeitet, und zwar bewusst. Gewiss sind die Teufel töricht, dass sie sich gegen Gott auflehnen, aber so töricht, dass sie bewusst für Gott arbeiten, indem sie die Menschen zu reinem, sittlichem Lebenswandel, zum Glauben an Gott und zum Gebet auffordern, so töricht sind sie nun doch nicht. Wohl kann Gott in seiner Weisheit auch die Werke der Gegensatzgeister für seine Zwecke verwenden und Gutes aus ihnen hervorgehen lassen, aber das ist doch etwas ganz anderes als die bewusste Arbeit der Bösen für Gott. Wenn die Kirchen weiter sagen: die Teufel verstellen sich, hüllen sich in das Gewand scheinbarer Wahrheit, sprechen mit Engelzungen, um für ihre Irrlehre leichter Glauben zu finden, so kann man fragen: wenn die Teufel als Engel des Lichts erscheinen, wie wollen dann die Kirchen sie von den wahren Engeln unterscheiden, und welche Gewähr haben sie, dass nicht auch die Geistlichen von solchen verkleideten Teufel inspiriert und getäuscht werden und getäuscht worden sind bei der Aufstellung von Dogmen, sodass also das ganze Dogmengebäude auf Täuschung beruhen könnte? Die Dogmen sollen massgebend sein für Lehre und Leben, aber wie können sie das sein, wenn ihre Wahrheit selbst zweifelhaft ist? In dem blinden Eifer, den Spiritismus als Teufelswerk hinzustellen, greifen die Kirchen zu bedenklichen Behauptungen, übersehen aber, dass diese Behauptungen sich auch gegen die Dogmen der Kirchen wenden, und so geraten die Kirchen selbst in die Schlinge, die sie andern gelegt haben. So geht es, wenn man gar zu schlau sein, wenn man durchaus recht haben will, wenn man in andern geistigen Bewegungen nur das Schlechte sieht und das Gute nicht anerkennen darf, damit die eigenen Schäfchen nicht darauf aufmerksam werden.

Es ist hier nicht der Ort, einzugehen auf die aus Unkenntnis, Vorurteil und Angst vor der Wahrheit entspringenden Angriffe auf den Spiritismus, ich beschränke mich auf die Abwehr einer der übelsten Verleumdungen. Wer seine Vernunft nicht hat benebeln lassen, durch Vorurteil und Dogma, urteile selbst, ob es wahrscheinlich ist, dass z.B. die Kundgebungen "an die Gemeinde der Liebe" einen Dämon zum Urheber hat. Um das Urteilen zu erleichtern und auf eine breitere Grundlage zu stellen, gehe ich von den vielen schönen Gebeten, welche die Geister uns mitgeteilt haben, das folgende:

„Mein Gott und Vater, der Du die eine grosse Liebe bist, Dein ist die Welt und Dein bin ich. Erfülle Deinen heiligen Willen an mir, an allem, was ich habe. Erkenntnis gib Du mir, mein Gott, Erkenntnis Deiner Liebe, Erkenntnis Deiner Weisheit, Erkenntnis meiner Pflichten, Erkenntnis meiner selbst. Jeden Tag bringe mich Dir näher, jede Stunde führe, segne mich, mit deiner Liebe, Vater, halte mich. Dein ist mein Leben, Dein ist alles, was ich bin und habe; nicht lichtleer, nicht freudlos kann es sein, wenn Du in ihm enthalten bist, wenn es mich emporzieht zu Deinem Throne. Und nimm hinweg von mir Müdigkeit und Schwäche; mit Deiner Kraft durchdringe mich und gib mir volles Verständnis der leisen Jubelmelodie, die da und dort hervorbricht aus Deiner Schöpfung und hervorbrechen muss, weil Du sie bestimmt hast zu Vollkommenheit und Seligkeit. Und allen, allen gib Erkenntnis, Erkenntnis Deiner Grösse, Deiner Wahrheit, Erkenntnis ihrer Sünde, und Erkenntnis, dass in der Sünde allein ihr Leiden liegt. Dies gib, mein Vater, allen meinen verirrten Brüdern in der Geisterwelt, auf dass alle Deine Liebe fühlen und alle in das eine Jubellied mit einstimmen können. Und nimm meinen Dank, mein Vater, für alles, was Du mir gegeben, für alles, was Du mir getan, für Deine verstandene und unverstandene Liebe.
Nimm du, mein Heiland, Meister, meinen Dank und trage ihn zum Vater, um deiner Liebe willen.“ –

Orthodoxe Theologen müssen nach ihrer Theorie dies Gebet als das Gebet eines Dämons bezeichnen. Ob wirklich jemand so beschränkt ist, es auch zu tun, weiss ich nicht, ich möchte es nicht glauben. Sollte es aber doch der Fall sein, so möchte ich wissen, worin das Dämonische bestehen soll und was man sonst an dem Gebet auszusetzen findet.

Vorsichtige Theologen werden vielleicht sagen, dass sie die Herkunft dieser Kundgebungen vom Teufel nicht behaupten, sie könnten auch aus dem Unterbewusstsein des Mediums stammen. Lassen wir die Behauptung von der Herkunft der Kundgebungen aus dem Unterbewusstsein – diesem "Mädchen für alles" – einmal gelten, so wäre zu erwidern: auch die Theologen haben ein Unterbewusstsein, wie wollen sie nun einwandfrei beweisen, dass die Inspirationen, die sie dem heiligen Geist zuschreiben, wirklich von ihm und nicht aus ihrem Unterbewusstsein kommen? Woran soll man die göttliche Wahrheit ihrer Inspirationen erkennen? Etwa daran, dass der Inspirator sich weislich hütet, etwas zum Nachteil der Priesterkaste zu sagen? Unbefangene Kritiker schliessen aus diesem Merkmal auf die menschliche Quelle der angeblich göttlichen Inspirationen.

Die Geisterkundgebungen sind schon zu Bibliotheken angewachsen und sollen auch künftig reich fliessen. Sie sind nicht gleichwertig. Nur ein Teil genügt höhern, philosophischen Ansprüchen, und nur nach diesen besten Leistungen darf die geistige Bedeutung des Spiritismus beurteilt werden, nicht nach den minderen. Aber auch diese minderen Kundgebungen, die jedoch nicht immer schlecht sind, dienen einem Zweck, nicht nur, indem sie Menschen mit mässigem Verstande belehren, – die ja auch der Belehrung bedürfen und die guten philosophischen Kundgebungen wahrscheinlich nicht verstehen würden – sondern auch, indem sie den kläglichen Zustand der Geister offenbaren, die als Menschen nicht nach Erkenntnis und Tugend strebten, die gleichgültig, leichtsinnig dahinlebten oder sich auf die Versprechungen der Kirchen verliessen und – sich nun bitter getäuscht sehen. Man darf von Geistern auf niederer und mittlerer Stufe keine hohen Lehren erwarten, niemand kann mehr geben als er hat, aber was sie uns über ihren Zustand sagen, verdient Beachtung, weil diese Aussagen bei aller Verschiedenheit doch darin übereinstimmen, dass es eine grundfalsche Ansicht ist, dass der Geist sofort nach dem Ablegen des Körpers ein weises, vollkommenes Wesen sei und dass der "verzeihende, schenkende Vatergott" ihm aus Gnade und um des Glaubens willen die Seligkeit gebe. Nichts dergleichen. Wie wenig der Tod unser Wesen ändert, zeigt sich u.a. darin, dass viele Geister, die als Menschen sehr materiell dachten und lebten, nicht einmal wissen, dass sie gestorben sind; sie leben weiter in ihrer Gedankenwelt, wähnen noch Menschen zu sein und müssen über ihren neuen Zustand belehrt werden, was besonders bei Materialisten nicht immer leicht ist.

Die Erkenntnis, dass die Kirchen über das Jenseits nicht die Wahrheit lehren, wird sich mehr und mehr verbreiten und langsam, aber unaufhaltsam die Grundlagen der evangelischen Kirchen unterhöhlen, auch der römischen Kirche viele Mitglieder entziehen und so die Scheidung der Menschen in die schon genannten drei Hauptgruppen bewirken. Diese Entwicklung braucht Zeit, man muss mit Jahrhunderten rechnen und heute ist das Problem noch nicht akut. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass unerwartete Ereignisse die Entwicklung beschleunigen werden, und früher oder später wird an die Theologie aller Kirchen die Frage herantreten, ob sie Öl auf ihren Lampen haben.


(Red.: Obige Auszüge sind dem Buch "Christentum als Weltanschauung und Lebenskunst – Ein Beitrag zur Lösung der Frage: Wie kam das Leid und das Böse in die Welt und wie wird es überwunden?" von Friedrich Funcke, Renatus-Verlag in Lorch (Württemberg), 1929, entnommen. Es erschien zum Gedenken an Adelma von Vay, die 1925 gestorben war.
Herr Berndt Högsdal von der UNICON-Stiftung hatte vor einiger Zeit meine Abschrift dieses Buches auf die für ihn wesentlichen Stellen reduziert. Es sind dies die Passagen unter dem Titel 'Diverses'.
Das Buch ist erhältlich bei:
Buchhandlung und Versand Irmgard Herrmann, Alte Dorfstr. 4C, D-21444 Vierhöfen, Tel. 04172 9000878, Fax 04172 9000877,
eMail: archangelos@onlinehome.de, Website: www.greber-christen.de
Achtung: Das Buch ist in alter deutscher Schrift (Fraktur oder Sütterlin genannt) gedruckt. Für jüngere Leser gibt es die Internet-Ausgabe des Buches unter: ../werke/funcke/funckidx.htmT.F.)



Allen gehört, was du denkst,
dein eigen ist nur, was du fühlest.

Soll Er dein Eigentum sein,
fühle den Gott, den du denkst.

Schiller


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"Letzte Änderung dieser Seite am 10. Juni 2014"