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Diederichs New Science - Herausgeber Franz-Theo Gottwald, Ervin Laszlo, Stefan Schuhmacher
Alle Rechte vorbehalten Copyright by Heinrich Hugendubel Verlag, Kreuzlingen/München 1999

Jochen Kirchhoff - Räume, Dimensionen, Weltmodelle : Impulse für eine andere Naturwissenschaft

Teil l

Prolog und Erstes Kapitel

Wer glaubt den Kosmologen? Eine ketzerische Betrachtung

Himmelswüste und kosmisches Exil
Die herrschende Kosmologie - hat sie nicht, philosophisch gesehen, etwas Naives, Kurzgedachtes, geradezu Impressionistisch-Flaches? Wer glaubt im Ernst, dass das Universum so aussieht? Wer hält den Urknall, die Schwarzen Löcher, die jagende Fahrt ins Nirgendwo (»Expansion des Weltalls«) und all das andere, was einer staunenden Öffentlichkeit präsentiert wird, für wirklich, für die kosmische Wirklichkeit? Es hilft ja wenig, wenn einschränkend und relativierend von Modellen gesprochen wird, die so oder auch anders sein könnten. Die monströsen Bilder haben mittlerweile einen festen Platz in den Köpfen unzähliger Menschen. Und nicht nur in den Köpfen, auch in den unbewussten Kellern der Psyche.
Natürlich gilt das nicht für alle. Viele machen den Vorhang überhaupt zu: Mag der Kosmos sein, wie er wolle, die Alltagswirklichkeit wird davon nicht berührt. Manche laufen mit einer ganz eigenen und durchaus privaten Kosmologie im Kopf herum, andere hängen mythischen oder magischen Kosmosbildern an. Wieder andere sind fast rührend bemüht, das herrschende Bild vom Universum mit religiösen oder spirituellen Vorstellungen zu verbinden (da wird dann der Urknall zum Akt der Weltschöpfung durch Gott). Und es gibt Astrologie, es gibt Ufologie und Science-Fiction...
Wer also glaubt den Kosmologen? Glauben heisst: für wahr halten, für wirklich halten, und zwar auch dann oder gerade dann, wenn der unmittelbare Erfahrungszugang fehlt. Kosmologie ist die Lehre vom Ganzen, von der Totalität des Universums; jeder Kosmologe glaubt ernsthaft, dass es möglich und sinnvoll sei, ein Bild vom Ursprung und vom Bau des Weltalls und der Gestirne zu gewinnen, und sei es auch in abstraktester, also rein mathematischer Form. Schon diese Annahme ist staunenswert. Wieso sollte das Geistwesen Mensch denn in der Lage sein, so etwas wie >das Ganze< in den wissenschaftlichen, den objektivierenden Blick zu nehmen? Wird da nicht dem menschlichen Geist eine geradezu göttliche Funktion zugestanden? Könnte nicht nur ein Gott die Gesamtheit des Seienden überblicken einschliesslich aller Regeln und Gesetze des grossen Spiels? Und die Kosmologen sollten dies können?
Ich weiss, dass Fragen und Bedenken dieser Art längst als obsolet gelten. Wer so fragt, habe schlicht das Eigentliche und Wesentliche gar nicht verstanden. Man glaubt, gute Gründe dafür zu haben und mehr oder weniger sichere Indizien, dass der Röntgenblick auf das gesamte Weltenspiel möglich ist. Wenigstens im Prinzip! Das setzt naturgemäss voraus, dass das, was in diesem Winkel des Universums beobachtet und gemessen wird, hochgerechnet und verallgemeinert werden kann, und zwar weil die sogenannten Naturgesetze eben überall und immer gelten, in jeder noch so fernen oder verborgenen Nische des Weltenabgrunds, Es liegt auf der Hand, dass dies durchaus nicht so sein muss; dafür gibt es keinen Beweis. Es ist eine durch und durch metaphysische Prämisse, an der buchstäblich alles hängt. Aber ich will zunächst auf etwas anderes hinaus.
Im nachkopernikanischen Universum, wir wissen es, ist die Würde des Menschen radikal demontiert worden; der Mensch wurde zum Quasi-Nichts in einer Leere, deren Unbegrenztheit und schauerliche Gleichgültigkeit all das negierte, was er für sein Eigentliches und eben Menschliches hielt (und noch immer hält). Das Universum bekam unmenschliche, ja bösartige Züge; durch seine pure Grösse und Leblosigkeit schien es den Menschen zu verspotten. Die irdische Oase oder Plattform einschliesslich all dessen, was das Leben überhaupt ausmacht in seinem Glück und Weh, geriet zur Farce, zum absurden Zufallsspektakel. Irgendwann war alles dahin: Sinn und Ziel und Würde und Einzigartigkeit. Wozu Liebe, wozu Gott, wozu überhaupt irgend etwas? Das nachkopernikanische Universum als leblose Wüste und absurde Maschine, das »Gott ist tot«-Universum, war gleichsam die Inkarnation des Nihilismus.
Die Himmelswüste wurde zur Domäne der Rechenmeister, und das relevante philosophische Denken ging in die kosmische Emigration. Die Denkenden überliessen den Rechnenden das Feld. Und das ist auch heute nicht wesentlich anders, ungeachtet der allenthalben zu vernehmenden Behauptung, die Physik des 20. Jahrhunderts habe das mechanistische Denken endgültig überwunden. So wird viel vom »Holismus« (der Ganzheitlichkeit) der Quantentheorie geredet, als sei damit auch nur ein Quentchen gewonnen an Lebendigkeit und Sinn. Auch das Quanten-Universum ist ein Abgrund des Un-Sinns oder Ohne-Sinns, der Leere, die eben nicht die Fülle ist, auch wenn dies ständig behauptet wird. Das Urknall-Weltall ist nicht lebendiger als das sogenannte mechanistische Weltall davor.
Der moderne Kosmologe vollzieht nun einen Schritt, den als Salto mortale des Geistes zu bezeichnen fast zu harmlos ist: Das Quasi-Nichts Mensch, verängstigt und vereinsamt sitzend in den Trümmern seiner Würde, wird zum Quasi-Gott. Das muss nicht bedeuten, dass die ganze Weltveranstaltung nun auf den Menschen als Telos (Ziel) zugeschnitten ist (anthropisches Prinzip), obwohl etliche diese Denkfigur favorisieren. Aber Kosmologie, als Strukturwissenschaft vom Ganzen, wurde zum Gegengift der Selbstverkleinerung und Selbstauslöschung: Der Kosmologe nimmt die Werkstatt des Demiurgen in Augenschein, er vermisst die kosmischen Räume und Bauformen. Er kündet von Anfang und Ende des Universums, er spricht aus der intimen Kennerschaft des Weltgeistes heraus. Und dieser Weltgeist ist noch immer (oder wieder) das, was er schon in der verallgemeinerten Newtonschen Himmelsmechanik war: ein Mathematiker.
Geist wird als abstrakter, als mathematischer Geist imaginiert. Wer den Kosmos erkennen will, muss rechnen, und er muss extrapolieren und verallgemeinern. Das >Pfingstwunder< der Kosmologen wäre die Weltaufhebung durch die Weltformel oder die Totalsimulation des Universums.
Das Quasi-Nichts schwingt sich zum Quasi-Gott auf, das ist die Pointe der modernen Kosmologie. Implizit (das muss nicht offen gesagt werden) liegt dem immer das anthropische Prinzip zugrunde. Der Kosmologe als Speerspitze irdischer, ja kosmischer Intelligenz. Das Universum ist da, damit der Kosmologe möglich wird. Man könnte das Ganze ja auch umkehren und sagen: Das durch und durch winkelhafte, durch und durch erbärmlich-winzige Wesen Mensch, heraufgewirbelt ins Sein aus der blinden Nacht, ist auch erkenntnisblind, ist unfähig, jemals eine zutreffende oder zureichende Vorstellung vom Ganzen zu gewinnen. Da liegt der Zirkelschluss. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder kann der Mensch wirklich erkennen, wer er ist und wo er ist, welchen Stand er hat im All, und dann besitzt er, eben dadurch, Würde und Sinn, oder er kann es eben nicht. Man kann aber nicht beides haben, nicht beides wollen. Die moderne Naturwissenschaft, nicht nur als Kosmologie, will aber stets beides und propagiert beides. Sie will und propagiert den Menschen zugleich als Quasi-Nichts und Quasi-Gott. Das kann nicht scharf genug zurückgewiesen werden. Und es bleibt merkwürdig, dass die wenigsten überhaupt diesen Punkt sehen.
Wer glaubt den Kosmologen? Glauben die Kosmologen sich selbst? Sicher beschleicht viele hin und wieder der Verdacht, das ganze abstrakte Gebäude sei im letzten unwirklich. Denn alles, was gemessen wird, muss interpretiert werden; die Messungen interpretieren sich nicht selbst. Auch das wird häufig übersehen. Und keine Messung beweist zweifelsfrei die Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer kosmologischen These.
Wirklichkeit hat mit Lebendigkeit zu tun, mit Bewusstsein. Es gibt keine Wirklichkeit als pures Es, als pures Objekt. Um dies festzustellen, muss man kein philosophischer Idealist sein. Jüngst hat der Philosoph Ken Wilber überzeugend deutlich gemacht, dass der Kosmos im eigentlichen und umfassenden Sinne kein Es sein kann. Den Kosmos zu degradieren zum blossen Objekt ohne Subjekt, zur blossen Aussenwelt ohne Innenwelt, ist nicht nur erkenntnistheoretisch naiv, ja unhaltbar, sondern auch desaströs. Damit wird die Wirklichkeit des Kosmos gleichsam planiert. Und da liegt ein weiterer Widerspruch im Mainstream-Denken über Natur und Kosmos: Theorien werden aufgestellt von lebendigen Subjekten, sie werden aufgenommen von anderen lebendigen Subjekten, aber diese Theorien selbst schalten das Subjekt konzeptionell aus, eliminieren es. Und da hilft es wenig, wenn gesagt wird, Naturwissenschaft sei nicht dazu da, Sinn und Bedeutung oder gar die Wirklichkeit des Spirituellen zu beweisen, sie sei lediglich angetreten, die Phänomene dieser Welt in einen geordneten, einen funktionalen Zusammenhang zu bringen bzw. diesen bereits existierenden funktionalen Zusammenhang theoretisch bzw. modellhaft abzubilden. Schon dieser funktionale Zusammenhang ist ohne das lebendige Subjekt gar nicht denkbar; er ist ein geistiges Etwas, kein Ding oder Gegenstand da draussen in der Sinnenwelt oder Objektwelt.
Auch Quantentheorie und Systemtheorien - so Ken Wilber - haben keineswegs den genannten Widerspruch aufgelöst. Der Kosmos ist kein Es, sondern gleichsam ein Ich-Wir-Es. Die Innenseite gehörtimmer zum Kosmos. Jede Physik, die diesen Namen verdient, muss Psycho-Physik sein, jede Kosmologie Psycho-Kosmologie. Kein Kunstgriff führt vom Es zum Ich oder Wir. Ganzheitlich denken kann nur bedeuten: Das Ich-Wir-Es,
das ich selbst bin, denkt das Ich-Wir-Es des Kosmos. Was heute als Kosmologie in hohem Ansehen steht, hat mit dem Kosmos im eigentlichen Sinn nichts zu tun. Das primär materiell oder energetisch verstandene Universum ist ein blutleeres, ein traurig-bizarres Gebilde, mit dem der Mensch als Mensch, als Leib-Seele-Geist-Einheit, gar nichts gemeinsam hat. Er kommt darin nicht vor. Dass es ihn dennoch gibt, wird zum Mysterium oder zum Zufall aller Zufälle. Wie kommt nur das Lebendige in diese erschreckende Wüste hinein?
Wenn es uns nicht gelingt, den Kosmos aus der Substanz unseres Menschseins heraus neu zu denken, aus unserer ganzheitlich-lebendigen Grundbeschaffenheit heraus, ist alles Gerede von einer neuen Kosmologie müssig.
Der Philosoph Jacob Needleman hat es prägnant formuliert: »Gibt es irgendeinen Zweifel, dass die moderne wissenschaftliche Ansicht über den Platz des Menschen im Universum einfach nur ein Ausdruck des Wahnsinns ist?« Und: »Ein Universum, das nur von unvorstellbarer Grösse ist, schliesst den Menschen aus und zermalmt ihn. Aber ein Universum als Manifestation eines grossen Bewusstseins und einer grossen Ordnung weist dem Menschen einen Platz und verlangt daher nach ihm. Soviel ist klar, denn ein bewusstes Universum ist die einzige Realität, die das menschliche Bewusstsein aufnehmen kann. Und nur wenn ich voll und ganz in etwas aufgenommen werde, ergibt sich für mich die Notwendigkeit, meine Beziehung zu ihm in allen Aspekten meines inneren und äusseren Lebens zu verstehen. Nur ein bewusstes Universum ist für das menschliche Leben im Ganzen von Bedeutung.«
Man macht es sich zu leicht, wenn man diese oder ähnlich gelagerte Aussagen aus der Unfähigkeit erklärt, die wahre Dimension des nachkopernikanischen Universums zu begreifen, so als ginge es darum, das an kosmischer Weite Errungene zurückzunehmen und sich wieder einzunisten in eine überschaubare geozentrische Weltstruktur. Die Klage von Needleman ist nur allzu berechtigt. Existentiell haben wir uns herauskatapultiert ins nihilistische Irgendwo; wir wissen nicht, wer wir sind und wo wir sind. Und der Verdacht erhebt sich, ob nicht ein erheblicher Teil dessen, was uns die moderne Kosmologie präsentiert, Projektionen sind, Heraussetzungen aus unserer im Weglosen und Wesenlosen treibenden Psyche: die Gespenster des äusseren Universums - überall fressende Monster und irrwitzige Katastrophen - als Gespenster unserer selbst. Ahnen nicht viele, dass es genau so sein könnte?
Nun kann es in keiner Weise darum gehen, unsere Wünschbarkeiten zu ontologisieren, das heisst, aus dem Unbehagen über die Trostlosigkeit des modernen Universums ein >menschenfreundliches< Universum zu erfinden, in dem wir dann unseren Platz finden und in dem wir wirklich >zu Hause< sein können. Um diese Art Anthropomorphismus ist es nicht zu tun, wohl aber um den leidenschaftlichen Versuch, den ganzheitlich verstandenen Menschen als integralen Teil eines ganzheitlich verstandenen Kosmos zu begreifen; und zu dieser Ganzheitlichkeit gehört notwendig und zentral: Bewusstsein und Seele - nicht Bewusstsein als abstrakte Struktur, als toter Geist, sondern als ich-hafte und wir-hafte Gestalt. Diese ich-hafte und wir-hafte Gestalt übersteigt jedes denkbare Ökosystem. Der Kosmos im eigentlichen Wortsinn ist kein abstrakt fassbares System, kein Ökonetzwerk, kein von lebensfernen Naturgesetzen eisern dominiertes Ding oder Es oder Objekt. Dies könnte niemand ernsthaft ertragen oder verkraften, und ein wissenschaftlicher Heroismus an dieser Stelle kann nur ein verzweifelter Versuch sein, den Nihilismus zu stilisieren, ihm eine menschliche Komponente zu verleihen. Wenn so etwas wie eine andere Naturwissenschaft, eine andere Art Kosmologie überhaupt sinnvoll ist, dann muss sie sich verabschieden von allen Versuchen, den Menschen, die menschliche Wirklichkeit und Seinserfahrung aus dem grossen Spiel herauszunehmen. Das gerade war und ist der sicherste Weg in die Katastrophe. Wer den Menschen konzeptionell ausschaltet, wird ihn auch irgendwann in seinem Menschsein aushöhlen und zum technischen Konstrukt herabwürdigen, zum Biocomputer, zur intelligenten Maschine. Das Programm der »künstlichen Intelligenz« wurzelt genau hierin.
Die moderne Naturwissenschaft - von Galilei über die »Newtonsche Himmelsmechanik« bis zur heutigen Kosmologie - ist ein zutiefst subjektblindes, subjektvergessenes Unterfangen. Wie besessen hat sich der Homo scientificus hineingestürzt in abstrakte Geisterreiche, vorangepeitscht von dem Bestreben, das strahlende Antlitz Gottes aus dem Dunkel der Materie in die Erscheinung zu zwingen. Die Zauberlehrlinge des toten Geistes und der Mathematik, die sich als Pythagoreer bzw. Platoniker verstanden, sahen nur einen Weg, der Herausforderung des nicht mehr erdzentrierten Weltalls zu begegnen: die Schaffung einer neuen Physik, einer Physik der Skelettierung der natürlichen Phänomene und Gestalten zugunsten des eigentlich und allein Wirklichen, der toten Materie, der toten Kräfte und der toten Mathematik. Wie in diese leblose Himmelswüste sich das Leben hineinverirren konnte, blieb - und bleibt - das quälende Rätsel, das viele Systemtheoretiker unserer Tage nur angehen, indem sie eine neue Abstraktionsstufe dazuerfinden, die aber auch nichts rettet. Es ist nur ein neues Es, eine neue (wenn auch modisch verchromte) Oberfläche; auch in der systemtheoretisch begriffenen Welt ist der Mensch im Exil. Wie in jedem Weltentwurf und theoretischen Weltgebäude, das abstrakte, es-hafte Heraussetzung ist.
In anderem Kontext habe ich den Begriff der integralen Tiefenökologie geprägt (und ihn abgegrenzt gegen die eher flache Form der tiefenökologischen Schule oder Strömung), und so mag es hier geboten sein, eine integrale Naturwissenschaft bzw. Naturphilosophie sowie eine integrale Kosmologie >anzumahnen<, deren Grundzüge in dem vorliegenden Buch umrissen werden sollen.' Eine integrale Bewusstseinsform ist eine solche, die die eigenen Quellstufen genauso umfasst wie die höheren, transmentalen Stufen: also Erde, Pflanze und Tier bzw. die entsprechenden Äquivalente im Menschen sowie das Archaische, Magische und Mythische (nach Jean Gebser und Ken Wilber) auf der einen Seite und jene entwickelten, hohen Formen des Seins/Bewusstseins, die das Mentale/Rationale/Egoische überschreiten, aber beinhalten. Nur der ganzheitlich integrierte Mensch kann eine wirklich ganzheitliche, integrierte, eine wirklich integrale Naturwissenschaft und Kosmologie »betreiben«.
Hören wir den »noblen« Ralph Waldo Emerson (wie ihn Wilber nennt), der das, um was es hier geht, vielleicht naiv, aber gleichwohl treffend ausspricht: »Der Verfall und die Leere, die wir sehen, wenn wir auf die Natur blicken, liegt in unserem eigenen Auge. Die Achse des Sehens fällt nicht mit der Achse der Dinge zusammen, und darum erscheinen sie als nicht durchscheinend, sondern als undurchsichtig. Der Grund, warum der Welt die Einheit mangelt und sie zerbrochen und in Trümmern daliegt, ist der, dass der Mensch mit sich uneins ist. [...] Und es gibt geduldige Naturforscher, die aber ihren Gegenstand in der Winterkälte ihres Verstandes einfrieren lassen.« Und: »[...] der Mensch ist Analogist und sucht nach Beziehungen unter den Dingen. Er ist in das Zentrum der Wesen hineingestellt, und Beziehungen strahlen von allem anderen Sein zu ihm herüber. Weder kann der Mensch ohne diese Objekte, noch können diese Objekte ohne den Menschen verstanden werden.«' Und in dem berühmten Essay »Natur« von 1836, aus dem hier zitiert wurde, findet sich auch der schlichte, aber tiefe Satz: »Nur was wir sind, können wir sehen.«Auf die Kosmologie übertragen, hiesse das: Wir können nur das aus dem Kosmos »heraussehen«, was wir existentiell und substantiell sind. Der Mathematikerblick ins All zeigt primär mathematische Strukturen, der Blick des Ingenieurs zeigt Maschinen; der Neurotiker sieht auch »draussen« in erster Linie neurotische Wesenheiten, das Weltall bevölkert sich für ihn mit absurden und aberwitzigen Figuren. Und so weiter.
In seinem Erinnerungsbuch »Der Teil und das Ganze« berichtet Werner Heisenberg von einem Gespräch mit Albert Einstein im Jahr 1926, in dem dieser den denkwürdigen Satz geäussert haben soll: »Erst die Theorie entscheidet darüber, was man beobachten kann.«" Und wodurch, so könnte man den Gedanken weitertreiben, wird das bestimmt, was wir für eine Theorie halten? Was sind denn die Bestimmungsstücke, und was ist der anthropologische, kulturelle und ideologische Grund einer Theorie? Theorien, die den Menschen eliminieren, werden gleichwohl von konkreten Menschen aufgestellt; sie spiegeln einen bestimmten Weltbildzusammenhang, der nicht einfach zu entfernen ist. Die Phänomene sprechen sich nicht einfach als sie selbst aus; wir begegnen ihnen mit einem bestimmten Bewusstsein, und im Zusammenspiel von Phänomen und Bewusstsein bzw. Bewusstseinsebene entscheidet sich das Schicksal einer Theorie, eines Modells.
Ist der Kosmos absurd? Oder: In was für einem Universum leben wir?
Naturwissenschaftler vertreten in der Regel die Ansicht, dass ihnen þ durch die Natur gleichsam aufgezwungen werde, welche Struktur ihre Theorien haben; das betrifft nicht nur das alte Repräsentations-Paradigma (menschliches Forschen bildet eine Welt >da draussen< im wesentlichen so ab, wie sie eben ist), sondern auch das erkenntnistheoretisch subtilere Konstrukt der relativistischen und der Quantenphysik. In letzter Zeit wird gern auf die Absurdität und Paradoxie der Natur verwiesen, die sich der aristotelischen Logik grundsätzlich entziehe. Darauf . lässt sich entgegnen, dass der menschliche Leib jedenfalls alles andere als absurd oder paradox ist und dass die vertiefte Selbstwahrnehmung durchaus einen sinnvoll geordneten Kosmos enthüllt, der offenbar stärker ist als alle Chaos-Faktoren, die da und dort einschiessen.
In meinem Buch »Was die Erde will« habe ich (im Kontext der Entstehungsgeschichte des mentalen Selbst) von dem »imperialen Wahn der Nur-halb-Geborenen« gesprochen", und dies lässt sich an der technischen Naturwissenschaft beispielhaft aufzeigen. Wohlgemerkt: Hier ist von dem Mainstream die Rede, von einem kollektiven Strom; das heisst nicht, dass es nicht auch im Bereich der neuzeitlichen Naturwissenschaft grossartige und noble Gestalten, grossartige und fruchtbare Erkenntnisse gegeben hätte."
Ich will einen lange gehegten Verdacht nicht verschweigen, der ins Zentrum der kosmologischen Problematik führt; dieser Verdacht geht von der (vielleicht naiven oder arroganten) Frage aus: Sind die Erdbewohner intelligent? Mit dem Hinweis auf die Nicht-Intelligenz oder auch Dummheit der Erdlinge kann man leicht Zustimmung erwerben, wenn man ihn in der Öffentlichkeit vorträgt. Ich habe das in vielen Vorträgen getan und häufig beobachtet, dass Menschen, in einem fröhlichen Zynismus, die Intelligenz der Menschheit überhaupt anzweifeln. Und natürlich nimmt sich derjenige, der >die Menschheit< für nicht eben intelligent hält, gerne dabei aus. Man landet dann schnell bei dem berühmten Satz »Alle Kreter sind Lügner« - ausgesprochen von einem Kreter. Aber diesen Selbstwiderspruch einmal beiseite gelegt, ist die Frage doch naheliegend und auch berechtigt: Kann eine Menschheit, die augenscheinlich ihre eigene Selbstauslöschung ins Werk setzt (und dass dies so ist, kann nicht ernsthaft entkräftet werden), wirklich, mehrheitlich oder auch nur, was ihre >Elite< anlangt, intelligent sein? Was immer Intelligenz genau ist, sicher wird der unbewusste Wille zur Selbstausrottung nicht dazu gehören. Intelligenz, auf einer entwickelten Bewusstseinsstufe, kann doch wohl nur darin bestehen, sich selbst und die eigene Stellung auf der Erde und im Universum zu erkennen, ohne den Ast inbrünstig anzusägen, der die eigene physisch-sinnliche Existenz trägt.
Noch einmal sei Jacob Needleman zitiert, den gleichfalls die Frage der Intelligenz oder Nicht-Intelligenz (in diesem Fall der Wissenschaft, der Kosmologie) umtreibt: In seinem erhellenden Buch »Vom Sinn des Kosmos« schreibt er, es bedürfe »vielleicht eines aussergewöhnlichen Bewusstseinszustands«, »damit der Mensch überhaupt in der Lage ist, auf intelligente Weise über einen nicht-geozentrischen Kosmos nachzudenken«."
Dem liegt die These zugrunde, dass wir genau dies nicht geleistet haben: über den nachkopernikanischen Kosmos »auf intelligente Weise nachzudenken«. Darum aber geht es. Und es scheint heute weniges zu geben, das wichtiger wäre. Und viele spüren das auch mehr oder weniger deutlich. Sie spüren, dass irgend etwas nicht stimmt in der Mainstream-Kosmologie, der Mainstream-Naturwissenschaft, ohne dass immer deutlich wäre, worin genau dieses besteht. So erleben wir eine hohe Zeit alternativer Entwürfe und Konzepte und Forschungen.
Was fehlt in der herrschenden Kosmologie bzw. Naturwissenschaft, warum ist sie so zutiefst unbefriedigend, ja partiell gar empörend in ihrer eindimensionalen Enge, die seltsam kontrastiert mit ihrer vollmundig vorgetragenen Universalität? Dieser Frage will dieses Buch nachgehen, und es will den Versuch unterbreiten, einige Antworten zu finden, insbesondere was das Rätsel der Gestirnbewegung, des Äthers und der Gravitation anlangt.
Irgend etwas ist fundamental schiefgelaufen in der neuzeitlichen Naturwissenschaft, in dem denkenden und forschenden Bemühen, den nachkopernikanischen Kosmos und unsere Stellung in ihm zu verstehen. Irgend etwas in den Fundamenten stimmt nicht. Die abstrakte Naturwissenschaft des Abendlandes, deren Speerspitze die Kosmologie, die Elementarteilchenphysik sowie die reduktionistische Biologie darstellen, läuft auf Kollisionskurs mit der lebendigen Wirklichkeit.
Und so ist es verständlich, wenn es in dem Drama »Die Physiker« von Friedrich Dürrenmatt (von 1962) heisst (der Physiker Möbius sagt dies zu zwei anderen Physikern im Irrenhaus, die als Newton und als Einstein auftreten): »Wir wissen einige genau erfassbare Gesetze, einige Grundbeziehungen zwischen unbegreiflichen Erscheinungen, das ist alles, der gewaltige Rest bleibt Geheimnis, dem Verstande unzugänglich. Wir haben das Ende unseres Weges erreicht. Aber die Menschheit ist noch nicht soweit. Wir haben uns vorgekämpft, nun folgt uns niemand nach, wir sind ins Leere gestossen. Unsere Wissenschaft ist schrecklich geworden, unsere Forschung gefährlich, unsere Erkenntnis tödlich. Es gibt für uns Physiker nur noch die Kapitulation vor der Wirklichkeit. Sie ist uns nicht gewachsen, sie geht an uns zugrunde. Wir müssen unser Wissen zurücknehmen, und ich habe es zurückgenommen. [...] Entweder bleiben wir im Irrenhaus, oder die Welt wird eines. Entweder löschen wir uns im Gedächtnis der Menschen aus, oder die Menschheit erlischt.«
In was für einem Universum leben wir'? Und wie können wir unseren Standort in ihm bestimmen, ohne in die Falle der (ohnehin verlogenen), radikalen Selbstauslöschung oder Selbstverkleinerung zu laufen, was uns auch der Notwendigkeit enthöbe, nun in einem Willensakt der Überkompensation den Grössenwahn zu füttern, der ohnehin dicht unter der Oberfläche liegt? Wenn es stimmt, dass nur ein bewusstes Universum von Bedeutung sein kann für das menschliche Leben (Needleman), dann müssten wir uns auf die Suche nach diesem bewussten Universum machen. Aber wie können wir das anfangen? Sind nicht alle Wege blockiert, begegnen uns nicht allenthalben vorgestanzte Formen und Formeln, Wissensbehauptungen (ob von Ufologen, Astrologen oder Kosmo-Theologen) und echte oder vermeintliche Erkenntnisgrenzen? Wir haben uns in eine Sackgasse hineinmanövriert und wissen vorderhand nicht, wie wir da rauskommen sollen. Und wenn wir uns der Mainstream-Kosmologie ganz entziehen - und diese Versuchung liegt nahe -, entziehen wir uns damit einer Diskursebene, die heute das öffentliche und allgemeine Bewusstsein prägt wie weniges sonst.
Der Physiker Amit Goswami, der bemüht ist, die bekannten Quantenrätsel mit einem Rückgriff auf den spiritualistischen Monismus der Vedanta-Philosophie zu lösen, schreibt in seinem Buch »Das bewusste Universum«: »Das Universum ist kreativ; wir sind der lebende Beweis dafür. Die Weltmaschine des Determinismus lässt unsere Entfaltung nur nach seinem Bild zu, als Geist-Maschinen. Aber in Wirklichkeit ist die Welt keine Maschine. In unserem Verlangen nach Harmonie und nach Vorhersage- und Kontrollmöglichkeiten für unsere Umwelt haben wir die Idee der Welt-Maschine geboren und dieses deterministische Bild auf die Natur projiziert. Ein statisch harmonisches, gesetzmässiges Universum wäre jedoch ein totes Universum; das Universum ist nicht tot, weil wir nicht tot sind. Aber wir haben die Tendenz zu einer tödlichen inneren Blockierung: Hinter dieser Tendenz steckt das Ego.«
»Das Universum ist nicht tot, weil wir nicht tot sind.« Ein grossartiger Satz, nur ist - und diese Einschränkung muss gemacht werden - auch das Quanten-Universum, das Goswami favorisiert, ein substantiell totes Universum. Die Quantentheorie macht die Welt nicht lebendiger; und auch die bekannten holistischen und mystischen Deutungen der Quantenphänomene verbleiben im abstrakten Raum, im abstrakten Gitter der Formeln, Fiktionen und Apparate. Die »Quanten-Mystik« erfreut sich grosser Beliebtheit, aber mit ihr kommen wir nicht weiter. Das lebendige Bewusstsein hat mit all dem nichts zu tun. Den mathematischen Formalismus auf der Quantenebene zur metaphysischen Wirklichkeit emporzustilisieren ist schon deswegen abwegig, weil die Quantenphysik nicht einmal die elementarsten Prozesse und Gestalten der biologischen Sphäre erklären kann, ja nicht einmal sich selbst. Was hierzu zu sagen ist, hat der wohl scharfsinnigste Kritiker solcher Art Quanten-Mystik, Ken Wilber, einprägsam formuliert. Die Quantentheorie in ihrer derzeitigen Form ist ein Symptom des Dilemmas, um das es geht, kein Lösungsansatz. Das gilt - analog - auch für den Grossteil der Systemtheorien."
Wer glaubt den Kosmologen? Davon waren wir ausgegangen. Das Misstrauen gegenüber den abstrakten Gespenstern ist verbreitet, nur regt sich kaum öffentlicher Widerstand (keiner will sich lächerlich machen oder die eigene Reputation gefährden). Viele glauben nicht ernsthaft daran, dass die funkelnde Kälte der Mathematik das All beherrscht, auch wenn die Physiker und Kosmologen genau diesen Eindruck erwecken; die Voraussetzungen und meist unausgesprochenen Prämissen, die diesen Rechenoperationen zugrunde liegen, werden gleichwohl kaum gesehen. So trifft das haarscharfe Urteil Bertrand Russells über die Physik im Grunde den gesamten Komplex kosmologischer Spekulationen: »Die Physik ist nicht deswegen mathematisch, weil wir so viel über die physikalische Welt wissen, sondern weil wir so wenig wissen.«
Wie kommen wir weiter, wie kommen wir in den Vorhof echten Wissens? Was ist der eigentliche und wahre Königsweg, wenn es denn die Mathematik (jedenfalls so, wie sie gemeinhin betrieben wird) nicht ist oder sein kann? Es scheint, dass wir nicht umhin kommen, (fast) alle grundlegenden, alle essentiellen Fragen noch einmal neu und wie zum erstenmal zu stellen. »Fragezeichen für solche, die Antwort haben«, lautet eine Nietzsche-Formel für derlei Basisfragen."
Das Universum ist wirklich lebendig, und zwar in toto. Es gibt wohl nur wenige tote Winkel. Vielleicht ist der herrschende abstrakte Geist eine dieser nun wirklich leblosen Nischen. Vielleicht. Sicher ist es nicht. Je lebloser die Dinge sind oder zu sein scheinen, um so mehr zu Hause fühlt sich der abstrakte Geist. Zu Massenpunkten verdampfte Felsbrocken sind sein liebstes Betätigungsfeld. Und er ruht nicht und rastet nicht, bevor es ihm nicht gelungen ist, auch den letzten Rest von widerborstigem Eigenwillen des Lebendigen auf das zurückzuführen, was er für das eigentlich Wirkliche (und Wesentliche) hält: sich selbst.
Die Frage drängt sich auf: Wie kommt der tote Geist in eine Welt hinein, die doch Ausdruck und Manifestation des lebendigen Geistes ist? Ist der tote Geist der ewige Widersacher, vielleicht gar ewig notwendige Widerpart des lebendigen Geistes? Waltet hier gar eine kosmosweite Dialektik?
Abschliessend zu diesem Prolog und ersten Kapitel möchte ich einige dieser Basisfragen stellen. Dies soll hier ganz bewusst ohne logische Konsequenz und Systematik geschehen. Nicht alle Fragen mögen jedem Leser sinnvoll oder fruchtbar erscheinen, aber es sind existentielle und kosmologische (auch psycho-kosmologische) Fragen, keine Scheinfragen.
42 Basisfragen zur Kosmologie (und Psycho-Kosmologie)
1. Sind wir heimatlose Zigeuner in einem sinnleeren, monströsen Universum, oder hat unsere Existenz einen (kosmischen) Sinn, haben wir gar eine wie immer beschaffene kosmische Verantwortung?
2. Warum scheint die Sonne? Wie kommt der gleichmässige und dauerhafte Lichtstrom zustande? Das Standardmodell der Sonne, innerhalb dessen die Sonne als thermonuklearer Hexenkessel imaginiert wird, gibt darauf keine wirklich befriedigende Antwort. Kopfzerbrechen bereitet den »Sonnenforschern« schon seit längerem das Problem der Neutrinos; es geraten erheblich weniger in die raffiniert gebauten Fallen der Forscher als theoretisch erwartet; manche befürchten gar, das Standardmodell der Elementarteilchen, das auf der Sonnenofen-Fiktion aufbaut, könne ins Schwanken kommen. (Dass auf der Sonnenoberfläche nur 5500 Grad, in der Korona aber über eine Million Grad Hitze herrschen sollen, verletzt den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik: Wärme dürfte nicht von einer kühleren in eine heissere Region fliessen. Usw.)
3. Gibt es neben dem »physischen« Licht noch ein geistiges oder spirituelles Licht, oder sind beide identisch bzw. nur verschiedene Ausdrucksformen des einen Lichtes? Was hat die Erleuchtungserfahrung mit dem Sonnenlicht zu tun? Gibt es >äusseres< Licht ohne >inneres< Licht?
4. Warum sind die Dinge schwer? Was ist Gravitation? (Weder bei Newton noch bei Einstein kann man darauf eine Antwort finden.) Warum lässt sich Gravitation (im Normalfall jedenfalls) nicht abschirmen? Warum entzieht sich Gravitation jedweder Quantisierung? Wie schnell sind Gravitationswirkungen (unendlich schnell, »quasi-unendlich« schnell, schneller als Licht, so schnell wie Licht)?
5. Gibt es so etwas wie Anti-Gravitation? Ist die »Gravitationskonstante« wirklich konstant (vieles spricht doch eher für eine Variable)? Gibt es Elektro-Gravitation?
6. Warum bewegen sich die atomaren/subatomaren Teilchen? (Bisher wird ihre seltsame Perpetualbewegung als eine ursachelose bewertet. Dieses akausale Perpetuum mobile ist zutiefst unbefriedigend.) Ist atomare/subatomare Bewegung vielleicht ständiger Energieverbrauch, ständige Energieumwandlung? Und wenn ja, woher, woraus: aus dem Vakuum, der Raumenergie, dem Äthermeer?
7. Gibt es den (häufig totgesagten) Äther doch? (Alles deutet ja darauf hin, dass es so ist. Nur muss er subtiler und differenzierter als bisher gedacht werden.) War die Interpretation der Michelson-Morley-Versuche voreilig (zumal schon deren Ergebnisse keineswegs sicher sind)?
8. Woher wissen die Elektronen voneinander (u.a. im Sinn des »Ausschliessungsprinzips« von Wolfgang Pauli, aber auch im Sinne der Paradoxien des Doppelspaltversuchs)? Was ist ein Elektron? Durchläuft es real existierende Bahnen im »üblichen Raum-Zeit-Rahmen«, oder wo läuft es (wenn »laufen« denn überhaupt das richtige Wort ist)? Wie vermeiden wir die (rechnerisch gegebenen) Unendlichkeitswerte für das Elektron in der Quantenelektrodynamik?
9. Was sind die Felder der Physik, aber auch die Felder der Biologie oder des Bewusstseins? Gibt es nur ein Feld (eine Art Ur-Feld), von dem sich alle anderen Felder ableiten lassen, oder gibt es mehrere ineinander greifende, aber ontologisch verschiedene Felder? Wie wirken diese aufeinander? Kann z.B. ein Bewusstseinsfeld das Gravitationsfeld beeinflussen?
10. Ist der Raum leer? Wenn nicht, was enthält er (vielleicht ein universelles Energiefeld, das dann auch ein absolutes Bezugssystem der Bewegung wäre)? Ist dieses Feld der Raum selbst, oder befindet es sich nur im Raum? Ist der gesuchte Äther dieses universelle Energiefeld, und wie ist er bzw. wie ist es strukturiert? Wenn es Dichte-Unterschiede gibt, wie kommen diese zustande?
11. Warum stürzt nicht alles ineinander, was geschehen müsste, wenn die klassische Massenanziehung, bezogen auf ein unbegrenztes Universum, Wirklichkeit wäre?
12. Warum können lebende Systeme Elemente umwandeln? Laufen in lebenden Systemen überhaupt Prozesse ab, die mit denen der herkömmlichen oder der Quantenphysik beschreibbar bzw. erklärbar sind? Radikaler gefragt: Gilt in der blühenden Rose oder im lebenden Leib des Menschen überhaupt die Quantentheorie, oder gelten hier ganz andere, noch gänzlich unbekannte Gesetze?
13. Warum können Pflanzen Gefühle und Intentionen von ihnen verbundenen Menschen wahrnehmen?
14. Ist der Raum (logisch, erkenntnistheoretisch, spirituell, existentiell) begrenzbar? Muss er nicht aktual und real unendlich sein?
15. Wie ist die Morphogenese zu erklären, also die Formwerdung des Lebendigen? Was ist überhaupt Form (platonische Idee, aristotelische Entelechie, blosse Struktur, »Information« als In-Formation, morphisches Feld oder was)?
16. Wie erklären wir ausserkörperliche Erfahrungen, also Erfahrungen, in denen ein durchaus ich-haftes Bewusstseinswesen, eine lebendige, »feinstoffliche« Gestalt aus dem physischen Körper aussteigt und erinnerbare und kommunizierbare Erfahrungen macht? Gibt es Geist, Bewusstsein und Ichheit ausserhalb jedes leiblichen Zusammenhangs?
17. Wie viele Dimensionen hat die Zeit? (In transpersonalen Erfahrungen kann eine zweite und eine dritte Dimension der Zeit erlebt werden, was nichts mit den bekannten »Zeitreisen« zu tun hat und auch nichts mit mathematischen Fiktionen.)
18. Wie viele Dimensionen hat der Raum? (Die »normalen« drei Dimensionen sind im Grunde fragwürdig; schon Oswald Spengler weist darauf hin, dass der Anschauungsraum nur eine Dimension hat: die - unbegrenzbare - Tiefe. Die in transpersonalen, holotropen Erfahrungenerlebbaren weiteren Raumdimensionen haben nichts mit mathematischen Fiktionen gemein. Es geht hier um die lebendige Existenz und nicht um abstrakte Rechenmodelle.)
19. Was ist Farbe? Wie viele qualitativ verschiedene Farben gibt es (sind es gar unendlich viele)?
20. Warum bewegen sich die Gestirne? (Die herkömmliche Physik hat keine kausale Bewegungslehre.)
21. Gibt es eine Weltseele? Ist diese unendlich wie der Weltenraum? Ist sie gar der Raum selbst? Wie stehen Weltäther und Weltseele zueinander?
22. Wie viele Seins- und Wirklichkeitsstufen hat der Kosmos? Welchen Rang hat die physisch-sinnliche Welt, welchen die energetische, welchen die gedankliche-mentale, welchen die kausale Welt? Besteht ein Zusammenhang zwischen der physikalisch fassbaren Kausalität und der nur spirituell zu begreifenden bzw. zu erfahrenden Kausalsphäre? Gibt es nur eine ontologisch wirkliche und wirksame Kausalform?
23. Gibt es einen bis dato unerforschten Faktor in der Materie selbst, der so etwas wie Freiheit oder freien Willen zulässt (also ausserhalb quantentheoretischer Konstrukte)? Ist die Möglichkeit zur Freiheit schon in der Materie gegeben?
24. Wie viele Körper hat der Mensch? Welchen ontologischen Rang hat etwa der - abspaltbare - Doppelgängerkörper (den auch die Psychiatrie kennt) oder der Traumkörper oder der »zweite Körper« Robert Monroes (der ausserkörperliche Reisen unternimmt)?
25. Was ist Energie? Welche Energien und Energie-Ebenen gibt es? Wie erfahren wir das Spektrum der Energien bzw. Energie-Ebenen? Weisen Begriffe wie Chi (chinesisch), Prana (Sansküt) oder Orgon (Wilhelm Reich) auf das gleiche? Wie abschirmbar sind die jeweiligen Energien, wie weit reichen sie, woher stammen sie, sind sie ineinander umwandelbar? Gibt es Hierarchien (Holarchien) hierin?
26. Welche Rolle spielen Klänge im Weltenbau? Gibt es einen kosmischen Quellgrund der Musik?
27. Warum ist der Urknall so beliebt? Welche Vorstellungen, Bilder, Assoziationen werden durch ihn heraufbeschworen? Wie konnte es geschehen, dass sich die (rein fiktive) primordiale Explosion in die Köpfe und Herzen unzähliger Menschen eingenistet hat? Hat dies vielleicht mit den explosiven Schichten der Seele zu tun? Wie projektiv sind Kosmologien?
28. Was hat der unendliche Raum mit dem Tod zu tun?
29. Ist die Erde ein typisches Gestirn im Universum oder eher ein untypisches? Ist sie die Regel oder eher die Ausnahme? Wie wahrscheinlich sind die Erdbewohner?
30. Wieviel Wirklichkeit gestehen wir dem Universum zu? Ist das Universum für uns mehr als nur eine phantastische, uns unvorstellbar überwölbende Kulisse? Wieviel Sonne, wieviel Sirius, wieviel Aldebaran ist in uns (den Erdlingen)?
31. Ist der Kosmos unserem Glück und Leid gegenüber gleichgültig?
32. Was würde es für uns bedeuten, wenn wirwüssten (also nicht bloss vermuteten), dass wir umgeben sind von unzähligen bewohnten, belebten Gestirnen?
33. Glauben wir ernsthaft an eine Unermesslichkeit, die angefüllt ist mit unzähligen thermo-nuklearen Höllen in Form von glühenden Gaskugeln? Welche existentielle Relevanz hat das für uns?
34. Wenn wir einen Weltenschöpfer annehmen oder ihn für eine wie immer geartete Wirklichkeit halten, für wie intelligent halten wir ihn? Oder gibt es, wie einige Gnostiker glaubten, einen eher bösartigen Demiurgen, während der »gute Gott« gar nicht der Weltenschöpfer ist?
35. Wie wirklich sind jene Objekte, Phänomene, Erscheinungen oder ähnliches, die als UFOs gelten?
36. Wie wirklich sind transpersonale bzw. holotrope Erfahrungen?
37. Ist irdische Intelligenz in der Lage, hinter die »Masken des Universums« zu schauen?
38. Wie »kosmisch« ist das Ich? Oder ist es überhaupt eine Illusion? 39. Worin besteht (bestünde) unsere kosmische Identität?
40. Wissen die Gestirne von Gott? Bewegen sie sich in »seinem Lichte«? Oder fallen sie umeinander in gottferner Nacht?
41. Was sind sogenannte Naturgesetze, und warum ist die Sinnenwelt so »festgezurrt«, während die seelische, die geistige Welt so fluktuierend wirkt?
42. Was trägt die Erde, was trägt den Sirius, was trägt die Sonne im Raum'? Ist es der Raum selbst, oder sind es die Gestirne umhüllende und durchdringende Felder?

Diese Fragen sind auf verschiedenen Ebenen angesiedelt, sie sind auch logisch verschieden gebaut, und doch haben sie alle mit uns zu tun, mit unserem Ort im Kosmos. Welche Fragen sind die wichtigsten, welche scheinen uns weniger wichtig, welche sind ganz entbehrlich? Alle Fragen berühren die Frage der Wirklichkeit. Und damit wollen wir uns jetzt beschäftigen.


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"Letzte Änderung dieser Seite am 10. Juni 2014"