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Renatus-Verlag in Lorch (Württemberg) Alle Rechte vorbehalten Copyright by Renatus-Verlag, Lorch (Württ.) 1929

Aus Friedrich Funcke : Christentum als Weltanschauung und Lebenskunst, 17. Kapitel, Fussnote 19

Zum Wesen und Zweck des Spiritismus

Der Spiritismus will weder eine neue Religion sein noch die alten Religionen bekämpfen, er ist nur Mittel, unsere Erkenntnis zu vermehren und zu vertiefen und den Wahrheitskern der Religionen besser zu begründen. Wer sich in seinem Glauben wohl fühlt und die Bedürfnisse von Vernunft und Gemüt durch ihn befriedigt sieht, wer sich nicht nach höherer Erkenntnis sehnt, der bleibe in seinem Glauben, er ist für ihn der richtige, und es ist kein Grund vorhanden, sich von ihm abzuwenden. Wenn er die von Christus gegebene Lehre der Liebe tatkräftig befolgt, wird er dereinst an den ihm gebührenden Ort kommen, und es macht wenig aus, ob er an Geister geglaubt hat oder nicht.
Es gibt aber zahllose Menschen, denen die Lehren der Kirchen nicht genügen. Ihnen soll der Spiritismus geben, was sie in den Kirchen nicht finden. Der Autor des Schöpfungsberichtes [Ein hoher Geist aus dem Jenseits; Anm.d.Erf.] sagt über Wesen und Zweck des Spiritismus:

"Verschieden ist eure Ansicht und verschieden muss sie sein infolge der Verschiedenheit eurer geistigen Stufe. Dem einen ist er Beweis der Unsterblichkeit des Geistes, dem andern ist er Unterhaltung und Interesse, wieder anderen dünkt er vom Bösen auszugehen und scheu ziehen sie sich von ihm zurück. Aber es gibt auch Menschen, die ihn erkannt haben als das, was er ist, als das Wort unseres Gottes, und schon auf Erden finden sie Frieden und Seligkeit in ihm. Solchen ist der Tod ein seliges Heimfliegen in alte, liebe Heimat, ein Entgegenjauchzen dem Vater, der ihnen die Aufgabe gegeben und zu dessen Füssen sie die fertige Arbeit niederlegen dürfen, um das beseligende Gefühl seiner Liebe dafür zu empfangen.
Liebe Menschen! Der Spiritismus ist der Beweis der Zeit der Reife, die über euch gekommen, der Zeit, wo die Grenze des Fleisches verschwindet und Gutes das Gute und Böses das Böse findet und sich damit verbindet in Mensch und Geisterreich. Das ist der wichtigste Grundsatz, den ihr Spiritisten euch zu eigen machen sollt: Gleiches zieht Gleiches an. Also kann nur eure höchste Reinheit hohe Geister anziehen und es ihnen ermöglichen, mit euch zu verkehren. Darum leget ab alles Niedere, Kleinliche, ringet mit der ganzen Kraft eures Willens, rein zu werden und frei von Sünde, denn diese Freiheit allein ist ewig und wahr, jede andere Freiheit enthaltend. Ihr seid ja bestimmt zur Seligkeit, darum ringt und jagt die ganze Menschheit nach Glück, und dennoch erkennen nur wenige, dass es nur ein wahres Glück, nur eine wahre Freude gibt: in der Reinheit, in der Grösse, in der in ihnen liegenden Gottähnlichkeit. Der Zweck des Spiritismus ist, den Menschen die Lehre der vollkommenen Liebe, der Gerechtigkeit Gottes zu bringen, direkt aus Gottes Liebe eine Antwort zu sein auf all das klagende "Warum?" der leidenden Menschheit. Eine Verbindung der Wissenschaft und der Religionen, indem er aus allen die Wahrheit nimmt, denn in ihr müssen Widersprüche schwinden. Den Menschen durch geistige Wahrheit geistige Freude zu geben, denn Gottes Liebe möchte dem Menschen auch in der Leidenszeit seiner Sühne Frieden und geistige Freude geben, denn dieser so unverstandenen, so oft verkannten Liebe ist ein Dankeslächeln eines Menschen auch eine Freude. Sagte nicht der Sohn: "Und ich sage nicht, dass ich für euch bitte, denn Er selbst, der Vater, hat euch lieb!" Also Erkenntnis bringt euch der Spiritismus, die Erkenntnis Gottes, den Beweis seiner Gerechtigkeit, seiner Liebe, den Beweis eurer Unsterblichkeit. Und indem hohe Geister euch von eurem Geisterheim erzählen, lernt ihr es lieben und dem Tod ist der Stachel genommen. Durch den Verkehr mit armen, gefallenen Geistern aber lernt ihr, welches Leiden die unabwendbare Folge der Sünde ist, lernt ihr das Reich der Finsternis (das Reich der Sünde) im Weltall kennen, und indem ihr Mitleid und Liebe für diese Geister habt und ihnen helft durch Gebet und durch die Lehre der hohen Geister, die euch geworden, werdet ihr eurem Zweck gerecht als Bindeglied zwischen Hoch und Nieder. So lernt ihr, um zu lehren, so empfangt ihr das Gute, um es weiter zu geben, denn das Licht ist göttlich in seiner Eigenschaft: Je mehr ihr von ihm weitergebt, desto heller brennt es euch.
Darum bleibet nicht am Niedern hängen, nehmet und verwertet den Spiritismus zu seinem eigentlichen, gottbestimmten Zweck. Alle Kundgebungen der Geisterwelt regen eure Neugier an, aber gebet euch nicht zufrieden mit Wenigem, wenn der Spiritismus euch den ganzen reichen Schatz von Gottes Wahrheit eröffnet. Er soll euch den Beweis der Unsterblichkeit eures Geistes geben - doch bleibet dabei nicht stehen, strebet vorwärts, aufwärts. Lernet nun von Gott, aus dessen Ewigkeit eure Unsterblichkeit hervorging, aus dessen Gerechtigkeit euer Leiden, aus dessen Gnade die Umwandlung des Leidens zur Sühne hervorgeht; aus dessen Liebe die endliche Heimkehr aller seiner Kinder und aus dessen Unwandelbarkeit endliche Vollkommenheit des ganzen grossen Weltalls hervorgehen wird. Die Antwort ist euch gegeben auf alle fragende Klage, und also verwandelt sich die Frage zum Dank und zum Jubel. Das ist der Zweck des Spiritismus. Menschenbrüder, hindert nicht die Erfüllung, indem ihr in den Staub zieht, was euch aus dem Staub erheben soll. In der Schöpfungsparabel verbindet sich Gottes Hauch mit dem Staub, und der Mensch ist geschaffen; nun verbindet sich Gottes Geist mit eurem Geist, und aus dieser Verbindung soll Wahrheit hervorgehen, die, wieder euch umwandelnd, zu Kindern des Lichtes euch umbilden soll." -

Der Spiritismus soll uns also belehren über das Jenseits und über die Folgen unseres Erdenwandels nach dem Tode, und tatsächlich hat er tausende von Menschen zum Glauben an Gott, Unsterblichkeit und Gerechtigkeit geführt, und dieser Glaube war ihnen Stütze im Leben und Trost im Sterben. Wenn nun die Kirchen - allen voraus die römische - den Spiritismus als dämonisch, als Teufelswerk bezeichnen, so stehen sie mit dieser Behauptung vor der seltsamen Tatsache, dass dann der Teufel für Gott arbeitet, und zwar bewusst. Gewiss sind die Teufel töricht, dass sie sich gegen Gott auflehnen, aber so töricht, dass sie bewusst für Gott arbeiten, indem sie die Menschen zu reinem, sittlichem Lebenswandel, zum Glauben an Gott und zum Gebet auffordern, so töricht sind sie nun doch nicht. Wohl kann Gott in seiner Weisheit auch die Werke der Gegensatzgeister für seine Zwecke verwenden und Gutes aus ihnen hervorgehen lassen, aber das ist doch etwas ganz anderes als die bewusste Arbeit der Bösen für Gott. Wenn die Kirchen weiter sagen: die Teufel verstellen sich, hüllen sich in das Gewand scheinbarer Wahrheit, sprechen mit Engelzungen, um für ihre Irrlehre leichter Glauben zu finden, so kann man fragen: wenn die Teufel als Engel des Lichts erscheinen, wie wollen dann die Kirchen sie von den wahren Engeln unterscheiden, und welche Gewähr haben sie, dass nicht auch die Geistlichen von solchen verkleideten Teufel inspiriert und getäuscht werden und getäuscht worden sind bei der Aufstellung von Dogmen, sodass also das ganze Dogmengebäude auf Täuschung beruhen könnte? Die Dogmen sollen massgebend sein für Lehre und Leben, aber wie können sie das sein, wenn ihre Wahrheit selbst zweifelhaft ist? In dem blinden Eifer, den Spiritismus als Teufelswerk hinzustellen, greifen die Kirchen zu bedenklichen Behauptungen, übersehen aber, dass diese Behauptungen sich auch gegen die Dogmen der Kirchen wenden, und so geraten die Kirchen selbst in die Schlinge, die sie andern gelegt haben. So geht es, wenn man gar zu schlau sein, wenn man durchaus recht haben will, wenn man in andern geistigen Bewegungen nur das Schlechte sieht und das Gute nicht anerkennen darf, damit die eigenen Schäfchen nicht darauf aufmerksam werden.
Es ist hier nicht der Ort, einzugehen auf die aus Unkenntnis, Vorurteil und Angst vor der Wahrheit entspringenden Angriffe auf den Spiritismus, ich beschränke mich auf die Abwehr einer der übelsten Verleumdungen. Wer seine Vernunft nicht hat benebeln lassen, durch Vorurteil und Dogma, urteile selbst, ob es wahrscheinlich ist, dass z.B. die Kundgebungen "an die Gemeinde der Liebe" einen Dämon zum Urheber hat. Um das Urteilen zu erleichtern und auf eine breitere Grundlage zu stellen, gebe ich von den vielen schönen Gebeten, welche die Geister uns mitgeteilt haben, das folgende:

"Mein Gott und Vater, der du die eine grosse Liebe bist, dein ist die Welt und dein bin ich. Erfülle deinen heiligen Willen an mir, an allem, was ich habe. Erkenntnis gib du mir, mein Gott, Erkenntnis deiner Liebe, Erkenntnis deiner Weisheit, Erkenntnis meiner Pflichten, Erkenntnis meiner selbst. Jeden Tag bringe mich dir näher, jede Stunde führe, segne mich, mit deiner Liebe, Vater, halte mich. Dein ist mein Leben, dein ist alles, was ich bin und habe; nicht lichtleer, nicht freudlos kann es sein, wenn du in ihm enthalten bist, wenn es mich emporzieht zu deinem Throne. Und nimm hinweg von mir Müdigkeit und Schwäche; mit deiner Kraft durchdringe mich und gib mir volles Verständnis der leisen Jubelmelodie, die da und dort hervorbricht aus deiner Schöpfung und hervorbrechen muss, weil du sie bestimmt hast zu Vollkommenheit und Seligkeit. Und allen, allen gib Erkenntnis, Erkenntnis deiner Grösse, deiner Wahrheit, Erkenntnis ihrer Sünde, und Erkenntnis, dass in der Sünde allein ihr Leiden liegt. Dies gib, mein Vater, allen meinen verirrten Brüdern in der Geisterwelt, auf dass alle deine Liebe fühlen und alle in das eine Jubellied mit einstimmen können. Und nimm meinen Dank, mein Vater, für alles, was du mir gegeben, für alles, was du mir getan, für deine verstandene und unverstandene Liebe. Nimm du, mein Heiland, Meister, meinen Dank und trage ihn zum Vater, um deiner Liebe willen." -

Orthodoxe Theologen müssen nach ihrer Theorie dies Gebet als das Gebet eines Dämons bezeichnen. Ob wirklich jemand so beschränkt ist, es auch zu tun, weiss ich nicht, ich möchte es nicht glauben. Sollte es aber doch der Fall sein, so möchte ich wissen, worin das Dämonische bestehen soll und was man sonst an dem Gebet auszusetzen findet.
Vorsichtige Theologen werden vielleicht sagen, dass sie die Herkunft dieser Kundgebungen vom Teufel nicht behaupten, sie könnten auch aus dem Unterbewusstsein des Mediums stammen. Lassen wir die Behauptung von der Herkunft der Kundgebungen aus dem Unterbewusstsein - diesem "Mädchen für alles" - einmal gelten, so wäre zu erwidern: auch die Theologen haben ein Unterbewusstsein, wie wollen sie nun einwandfrei beweisen, dass die Inspirationen, die sie dem heiligen Geist zuschreiben, wirklich von ihm und nicht aus ihrem Unterbewusstsein kommen? Woran soll man die göttliche Wahrheit ihrer Inspirationen erkennen? Etwa daran, dass der Inspirator sich weislich hütet, etwas zum Nachteil der Priesterkaste zu sagen? Unbefangene Kritiker schliessen aus diesem Merkmal auf die menschliche Quelle der angeblich göttlichen Inspirationen.
Die Geisterkundgebungen sind schon zu Bibliotheken angewachsen und sollen auch künftig reich fliessen. Sie sind nicht gleichwertig. Nur ein Teil genügt höhern, philosophischen Ansprüchen, und nur nach diesen besten Leistungen darf die geistige Bedeutung des Spiritismus beurteilt werden, nicht nach den minderen. Aber auch diese minderen Kundgebungen, die jedoch nicht immer schlecht sind, dienen einem Zweck, nicht nur, indem sie Menschen mit mässigem Verstande belehren, - die ja auch der Belehrung bedürfen und die guten philosophischen Kundgebungen wahrscheinlich nicht verstehen würden - sondern auch, indem sie den kläglichen Zustand der Geister offenbaren, die als Menschen nicht nach Erkenntnis und Tugend strebten, die gleichgültig, leichtsinnig dahinlebten oder sich auf die Versprechungen der Kirchen verliessen und - sich nun bitter getäuscht sehen. Man darf von Geistern auf niederer und mittlerer Stufe keine hohen Lehren erwarten, niemand kann mehr geben als er hat, aber was sie uns über ihren Zustand sagen, verdient Beachtung, weil diese Aussagen bei aller Verschiedenheit doch darin übereinstimmen, dass es eine grundfalsche Ansicht ist, dass der Geist sofort nach dem Ablegen des Körpers ein weises, vollkommenes Wesen sei und dass der "verzeihende, schenkende Vatergott" ihm aus Gnade und um des Glaubens willen die Seligkeit gebe. Nichts dergleichen. Wie wenig der Tod unser Wesen ändert, zeigt sich u.a. darin, dass viele Geister, die als Menschen sehr materiell dachten und lebten, nicht einmal wissen, dass sie gestorben sind; sie leben weiter in ihrer Gedankenwelt, wähnen noch Menschen zu sein und müssen über ihren neuen Zustand belehrt werden, was besonders bei Materialisten nicht immer leicht ist.

[Die Erkenntnis, dass die Kirchen über das Jenseits nicht die Wahrheit lehren, wird sich mehr und mehr verbreiten und langsam, aber unaufhaltsam die Grundlagen der evangelischen Kirchen unterhöhlen, auch der römischen Kirche viele Mitglieder entziehen und so die Scheidung der Menschen in die schon genannten drei Hauptgruppen bewirken. Diese Entwicklung braucht Zeit, man muss mit Jahrhunderten rechnen und heute ist das Problem noch nicht akut. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass unerwartete Ereignisse die Entwicklung beschleunigen werden, und früher oder später wird an die Theologen aller Kirchen die Frage herantreten, ob sie Öl auf ihren Lampen haben.]"

Anmerkung des Erfassers: Die in []-Klammern angegebene Bemerkung gehört nicht mehr zum Thema des Artikels, ist aber Bestandteil der Fussnote 19. Die Bemerkung bezieht sich auf vorhergehende Ausführungen des Autors über die Haltung der Kirchen zum Spiritismus.


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"Letzte Änderung dieser Seite am 10. Juni 2014"