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Geisteswissenschaften - Religion - Dogma

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2. Vatikanisches Konzil

Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung "Dei Verbum"

Vorwort

1. Gottes Wort voll Ehrfurcht hörend und voll Zuversicht verkündigend, folgt die Heilige Synode den Worten des heiligen Johannes: "Wir künden euch das ewige Leben, das beim Vater war und uns erschien. Was wir gesehen und gehört haben, künden wir euch, damit auch ihr Gemeinschaft habt mit uns und unsere Gemeinschaft. Gemeinschaft sei mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus" (1 Joh 1,2-3). Darum will die Synode in Nachfolge des Trienter und des Ersten Vatikanischen Konzils die echte Lehre über die göttliche Offenbarung und deren Weitergabe vorlegen, damit die ganze Welt im Hören auf die Botschaft des Heiles glaubt, im Glauben hofft und in der Hoffnung liebt 1.

1. Kapitel: Die Offenbarung in sich

2. Gott hat in seiner Güte und Weisheit beschlossen, sich selbst zu offenbaren und das Geheimnis seines Willens kundzutun (vgl. Eph 1,9): dass die Menschen durch Christus, das fleischgewordene Wort, im Heiligen Geist Zugang zum Vater haben und teilhaftig werden der göttlichen Natur (vgl. Eph 2,18; 2 Petr 1,4). In dieser Offenbarung redet der unsichtbare Gott (vgl. Kol 1,15; 1 Tim 1,17) aus überströmender Liebe die Menschen an wie Freunde (vgl. Ex 33,11; Joh 15,14-15) und verkehrt mit ihnen (vgl. Bar 3,38), um sie in seine Gemeinschaft einzuladen und aufzunehmen. Das Offenbarungsgeschehen ereignet sich in Tat und Wort, die innerlich miteinander verknüpft sind: die Werke nämlich, die Gott im Verlauf der Heilsgeschichte wirkt, offenbaren und bekräftigen die Lehre und die durch die Worte bezeichneten Wirklichkeiten; die Worte verkündigen die Werke und lassen das Geheimnis, das sie enthalten, ans Licht treten. Die Tiefe der durch diese Offenbarung über Gott und über das Heil des Menschen erschlossenen Wahrheit leuchtet uns auf in Christus, der zugleich der Mittler und die Fülle der ganzen Offenbarung ist 2.
3. Gott, der durch das Wort alles erschafft (vgl. Joh 1,3) und erhält, gibt den Menschen jederzeit in den geschaffenen Dingen Zeugnis von sich (vgl. Röm 1,19-20). Da er aber den Weg übernatürlichen Heiles eröffnen wollte, hat er darüber hinaus sich selbst schon am Anfang den Stammeltern kundgetan. Nach ihrem Fall hat er sie wiederaufgerichtet in Hoffnung auf das Heil, indem er die Erlösung versprach (vgl. Gen 3,15). Ohne Unterlass hat er für das Menschengeschlecht gesorgt, um allen das ewige Leben zu geben, die das Heil suchen durch Ausdauer im guten Handeln (vgl. Röm 2,6-7). Später berief er Abraham, um ihn zu einem grossen Volk zu machen (vgl. Gen 12,2), das er dann nach den Patriarchen durch Moses und die Propheten erzog, ihn allein als lebendigen und wahren Gott, als fürsorgenden Vater und gerechten Richter anzuerkennen und auf den versprochenen Erlöser zu harren. So hat er dem Evangelium den Weg durch die Zeiten bereitet.
4. Nachdem Gott viele Male und auf viele Weisen durch die Propheten gesprochen hatte, "hat er zuletzt in diesen Tagen zu uns gesprochen im Sohn" (Hebr 1,1-2). Er hat seinen Sohn, das ewige Wort, das Licht aller Menschen, gesandt, damit er unter den Menschen wohne und ihnen vom Innern Gottes Kunde bringe (vgl. Joh 1,1-18). Jesus Christus, das fleischgewordene Wort, als "Mensch zu den Menschen" gesandt 3, "redet die Worte Gottes" (Joh 3,34) und vollendet das Heilswerk, dessen Durchführung der Vater ihm aufgetragen hat (vgl. Joh 5,36; 17,4). Wer ihn sieht, sieht auch den Vater (vgl. Joh 14,9). Er ist es, der durch sein ganzes Dasein und seine ganze Erscheinung, durch Worte und Werke, durch Zeichen und Wunder, vor allem aber durch seinen Tod und seine herrliche Auferstehung von den Toten, schliesslich durch die Sendung des Geistes der Wahrheit die Offenbarung erfüllt und abschliesst und durch göttliches Zeugnis bekräftigt, dass Gott mit uns ist, um uns aus der Finsternis von Sünde und Tod zu befreien und zu ewigem Leben zu erwecken. Daher ist die christliche Heilsordnung, nämlich der neue und endgültige Bund, unüberholbar, und es ist keine neue öffentliche Offenbarung mehr zu erwarten vor der Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus in Herrlichkeit (vgl. 1 Tim 6,14 und Tit 2,13).
5. Dem offenbarenden Gott ist der "Gehorsam des Glaubens" (Röm 16,26; vgl. Röm 1,5; 2 Kor 10,5-6) zu leisten. Darin überantwortet sich der Mensch Gott als ganzer in Freiheit, indem er sich "dem offenbarenden Gott mit Verstand und Willen voll unterwirft" 4 und seiner Offenbarung willig zustimmt. Dieser Glaube kann nicht vollzogen werden ohne die zuvorkommende und helfende Gnade Gottes und ohne den inneren Beistand des Heiligen Geistes, der das Herz bewegen und Gott zuwenden, die Augen des Verstandes öffnen und "es jedem leicht machen muss, der Wahrheit zuzustimmen und zu glauben" 5. Dieser Geist vervollkommnet den Glauben ständig durch seine Gaben, um das Verständnis der Offenbarung mehr und mehr zu vertiefen.
6. Durch seine Offenbarung wollte Gott sich selbst und die ewigen Entscheidungen seines Willens über das Heil der Menschen kundtun und mitteilen, "um Anteil zu geben am göttlichen Reichtum, der die Fassungskraft des menschlichen Geistes schlechthin übersteigt" 6. Die Heilige Synode bekennt, "dass Gott, aller Dinge Ursprung und Ziel, mit dem natürlichen Licht der menschlichen Vernunft aus den geschaffenen Dingen sicher erkannt werden kann" (vgl. Röm 1,20); doch lehrt sie, seiner Offenbarung sei es zuzuschreiben, "dass, was im Bereich des Göttlichen der menschlichen Vernunft an sich nicht unzugänglich ist, auch in der gegenwärtigen Lage des Menschengeschlechtes von allen leicht, mit sicherer Gewissheit und ohne Beimischung von Irrtum erkannt werden kann" 7.

2. Kapitel: Die Weitergabe der göttlichen Offenbarung

7. Was Gott zum Heil aller Völker geoffenbart hatte, das sollte so hat er in Güte verfügt - für alle Zeiten unversehrt erhalten bleiben und allen Geschlechtern weitergegeben werden. Darum hat Christus der Herr, in dem die ganze Offenbarung des höchsten Gottes sich vollendet (vgl. 2 Kor 1,20; 3,16 - 4,6), den Aposteln geboten, das Evangelium, das er als die Erfüllung der früher ergangenen prophetischen Verheissung selbst gebracht und persönlich öffentlich verkündet hat, allen zu predigen als die Quelle jeglicher Heilswahrheit und Sittenlehre 1 und ihnen so göttliche Gaben mitzuteilen. Das ist treu ausgeführt worden, und zwar sowohl durch die Apostel, die durch mündliche Predigt, durch Beispiel und Einrichtungen weitergaben, was sie aus Christi Mund, im Umgang mit ihm und durch seine Werke empfangen oder was sie unter der Eingebung des Heiligen Geistes gelernt hatten, als auch durch jene Apostel und apostolischen Männer, die unter der Inspiration des gleichen Heiligen Geistes die Botschaft vom Heil niederschrieben 2. Damit das Evangelium in der Kirche für immer unversehrt und lebendig bewahrt werde, haben die Apostel Bischöfe als ihre Nachfolger zurückgelassen und ihnen "ihr eigenes Lehramt überliefert" 3. Diese Heilige Überlieferung und die Heilige Schrift beider Testamente sind gleichsam ein Spiegel, in dem die Kirche Gott, von dem sie alles empfängt, auf ihrer irdischen Pilgerschaft anschaut, bis sie hingeführt wird, ihn von Angesicht zu Angesicht zu sehen, so wie er ist (vgl. 1 Joh 3,2).
8. Daher musste die apostolische Predigt, die in den inspirierten Büchern besonders deutlichen Ausdruck gefunden hat, in ununterbrochener Folge bis zur Vollendung der Zeiten bewahrt werden. Wenn die Apostel das, was auch sie empfangen haben, überliefern, mahnen sie die Gläubigen, die Überlieferungen, die sie in mündlicher Rede oder durch einen Brief gelernt haben (vgl. 2 Thess 2,15), festzuhalten und für den Glauben zu kämpfen, der ihnen ein für allemal überliefert wurde (vgl. Jud 3) 4. Was von den Aposteln überliefert wurde, umfasst alles, was dem Volk Gottes hilft, ein heiliges Leben zu führen und den Glauben zu mehren. So führt die Kirche in Lehre, Leben und Kult durch die Zeiten weiter und übermittelt allen Geschlechtern alles, was sie selber ist, alles, was sie glaubt. Diese apostolische Überlieferung kennt in der Kirche unter dem Beistand des Heiligen Geistes einen Fortschritt 5: es wächst das Verständnis der überlieferten Dinge und Worte durch das Nachsinnen und Studium der Gläubigen, die sie in ihrem Herzen erwägen (vgl. Lk 2,19.51), durch innere Einsicht, die aus geistlicher Erfahrung stammt, durch die Verkündigung derer, die mit der Nachfolge im Bischofsamt das sichere Charisma der Wahrheit empfangen haben; denn die Kirche strebt im Gang der Jahrhunderte ständig der Fülle der göttlichen Wahrheit entgegen, bis an ihr sich Gottes Worte erfüllen. Die Aussagen der heiligen Väter bezeugen die lebenspendende Gegenwart dieser Überlieferung, deren Reichtümer sich in Tun und Leben der glaubenden und betenden Kirche ergiessen. Durch dieselbe Überlieferung wird der Kirche der vollständige Kanon der Heiligen Bücher bekannt, in ihr werden die Heiligen Schriften selbst tiefer verstanden und unaufhörlich wirksam gemacht. So ist Gott, der einst gesprochen hat, ohne Unterlass im Gespräch mit der Braut seines geliebten Sohnes, und der Heilige Geist, durch den die lebendige Stimme des Evangeliums in der Kirche und durch sie in der Welt widerhallt, führt die Gläubigen in alle Wahrheit ein und lässt das Wort Christi in Überfülle unter ihnen wohnen (vgl. Kol 3,16).
9. Die Heilige Überlieferung und die Heilige Schrift sind eng miteinander verbunden und haben aneinander Anteil. Demselben göttlichen Quell entspringend, fliessen beide gewissermassen in eins zusammen und streben demselben Ziel zu. Denn die Heilige Schrift ist Gottes Rede, insofern sie unter dem Anhauch des Heiligen Geistes schriftlich aufgezeichnet wurde. Die Heilige Überlieferung aber gibt das Wort Gottes, das von Christus dem Herrn und vom Heiligen Geist den Aposteln anvertraut wurde, unversehrt an deren Nachfolger weiter, damit sie es unter der erleuchtenden Führung des Geistes der Wahrheit in ihrer Verkündigung treu bewahren, erklären und ausbreiten. So ergibt sich, dass die Kirche ihre Gewissheit über alles Geoffenbarte nicht aus der Heiligen Schrift allein schöpft. Daher sollen beide mit gleicher Liebe und Achtung angenommen und verehrt werden 6.
10. Die Heilige Überlieferung und die Heilige Schrift bilden den einen der Kirche überlassenen heiligen Schatz des Wortes Gottes. Voller Anhänglichkeit an ihn verharrt das ganze heilige Volk, mit seinen Hirten vereint, ständig in der Lehre und Gemeinschaft der Apostel, bei Brotbrechen und Gebet (vgl. Apg 8,42 griech.), so dass im Festhalten am überlieferten Glauben, in seiner Verwirklichung und seinem Bekenntnis ein einzigartiger Einklang herrscht zwischen Vorstehern und Gläubigen 7. Die Aufgabe aber, das geschriebene oder überlieferte 8 Wort Gottes verbindlich zu erklären, ist nur dem lebendigen Lehramt der Kirche anvertraut 9, dessen Vollmacht im Namen Jesu Christi ausgeübt wird. Das Lehramt ist nicht über dem Wort Gottes, sondern dient ihm, indem es nichts lehrt, als was überliefert ist, weil es das Wort Gottes aus göttlichem Auftrag und mit dem Beistand des Heiligen Geistes voll Ehrfurcht hört, heilig bewahrt und treu auslegt und weil es alles, was es als von Gott geoffenbart zu glauben vorlegt, aus diesem einen Schatz des Glaubens schöpft. Es zeigt sich also, dass die Heilige Überlieferung, die Heilige Schrift und das Lehramt der Kirche gemäss dem weisen Ratschluss Gottes so miteinander verknüpft und einander zugesellt sind, dass keines ohne die anderen besteht und dass alle zusammen, jedes auf seine Art, durch das Tun des einen Heiligen Geistes wirksam dem Heil der Seelen dienen.

3. Kapitel: Die göttliche Inspiration und die Auslegung der Heiligen Schrift

11. Das von Gott Geoffenbarte, das in der Heiligen Schrift enthalten ist und vorliegt, ist unter dem Anhauch des Heiligen Geistes aufgezeichnet worden; denn aufgrund apostolischen Glaubens gelten unserer heiligen Mutter, der Kirche, die Bücher des Alten wie des Neuen Testamentes in ihrer Ganzheit mit allen ihren Teilen als heilig und kanonisch, weil sie, unter der Einwirkung des Heiligen Geistes geschrieben (vgl. Joh 20,31; 2 Tim 3,16; 2 Petr 1,19-21; 3,15-16), Gott zum Urheber haben und als solche der Kirche übergeben sind 1. Zur Abfassung der Heiligen Bücher hat Gott Menschen erwählt, die ihm durch den Gebrauch ihrer eigenen Fähigkeiten und Kräfte dazu dienen sollten 2, all das und nur das, was er - in ihnen und durch sie wirksam 3 - geschrieben haben wollte, als echte Verfasser schriftlich zu überliefern 4. Da also alles, was die inspirierten Verfasser oder Hagiographen aussagen, als vom Heiligen Geist ausgesagt zu gelten hat, ist von den Büchern der Schrift zu bekennen, dass sie sicher, getreu und ohne Irrtum die Wahrheit lehren, die Gott um unseres Heiles willen in heiligen Schriften aufgezeichnet haben wollte 5. Daher "ist jede Schrift, von Gott eingegeben, auch nützlich zur Belehrung, zur Beweisführung, zur Zurechtweisung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, damit der Gott gehörige Mensch bereit sei, wohlgerüstet zu jedem guten Werk" (2 Tim 3,16-17 griech.).
12. Da Gott in der Heiligen Schrift durch Menschen nach Menschenart gesprochen hat 6, muss der Schrifterklärer, um zu erfassen, was Gott uns mitteilen wollte, sorgfältig erforschen, was die heiligen Schriftsteller wirklich zu sagen beabsichtigten und was Gott mit ihren Worten kundtun wollte. Um die Aussageabsicht der Hagiographen zu ermitteln, ist neben anderem auf die literarischen Gattungen zu achten. Denn die Wahrheit wird je anders dargelegt und ausgedrückt in Texten von in verschiedenem Sinn geschichtlicher, prophetischer oder dichterischer Art, oder in anderen Redegattungen. Weiterhin hat der Erklärer nach dem Sinn zu forschen, wie ihn aus einer gegebenen Situation heraus der Hagiograph den Bedingungen seiner Zeit und Kultur entsprechend - mit Hilfe der damals üblichen literarischen Gattungen - hat ausdrücken wollen und wirklich zum Ausdruck gebracht hat 7. Will man richtig verstehen, was der heilige Verfasser in seiner Schrift aussagen wollte, so muss man schliesslich genau auf die vorgegebenen umweltbedingten Denk-, Sprach- und Erzählformen achten, die zur Zeit des Verfassers herrschten, wie auf die Formen, die damals im menschlichen Alltagsverkehr üblich waren 8. Da die Heilige Schrift in dem Geist gelesen und ausgelegt werden muss, in dem sie geschrieben wurde 9, erfordert die rechte Ermittlung des Sinnes der heiligen Texte, dass man mit nicht geringerer Sorgfalt auf den Inhalt und die Einheit der ganzen Schrift achtet, unter Berücksichtigung der lebendigen Überlieferung der Gesamtkirche und der Analogie des Glaubens. Aufgabe der Exegeten ist es, nach diesen Regeln auf eine tiefere Erfassung und Auslegung des Sinnes der Heiligen Schrift hinzuarbeiten, damit so gleichsam auf Grund wissenschaftlicher Vorarbeit das Urteil der Kirche reift. Alles, was die Art der Schrifterklärung betrifft, untersteht letztlich dem Urteil der Kirche, deren gottergebener Auftrag und Dienst es ist, das Wort Gottes zu bewahren und auszulegen 10.
13. In der Heiligen Schrift also offenbart sich, unbeschadet der Wahrheit und Heiligkeit Gottes, eine wunderbare Herablassung der ewigen Weisheit, "damit wir die unsagbare Menschenfreundlichkeit Gottes kennenlernen und erfahren, wie sehr er sich aus Sorge für unser Geschlecht in seinem Wort herabgelassen hat" 11. Denn Gottes Worte, durch Menschenzunge formuliert, sind menschlicher Rede ähnlich geworden, wie einst des ewigen Vaters Wort durch die Annahme menschlich-schwachen Fleisches den Menschen ähnlich geworden ist.

4. Kapitel: Das Alte Testament

14. Der liebende Gott, der um das Heil des ganzen Menschengeschlechtes besorgt war, bereitete es vor, indem er sich nach seinem besonderen Plan ein Volk erwählte, um ihm Verheissungen anzuvertrauen. Er schloss mit Abraham (vgl. Gen 15,8) und durch Moses mit dem Volke Israel (vgl. Ex 24,8) einen Bund. Dann hat er sich dem Volk, das er sich erworben hatte, durch Wort und Tat als einzigen, wahren und lebendigen Gott so geoffenbart, dass Israel Gottes Wege mit den Menschen an sich erfuhr, dass es sie durch Gottes Wort aus der Propheten Mund allmählich voller und klarer erkannte und sie unter den Völkern mehr und mehr sichtbar machte (vgl. Ps 21,28-29; 95,1-3; Jes 2,1-4; Jer 3,17). Die Geschichte des Heiles liegt, von heiligen Verfassern vorausverkündet, berichtet und gedeutet, als wahres Wort Gottes vor in den Büchern des Alten Bundes; darum behalten diese von Gott eingegebenen Schriften ihren unvergänglichen Wert: "Alles nämlich, was geschrieben steht, ist zu unserer Unterweisung geschrieben, damit wir durch die Geduld und den Trost der Schriften Hoffnung haben" (Röm 15,4).
15. Gottes Geschichtsplan im Alten Bund zielte vor allem darauf, das Kommen Christi, des Erlösers des Alls, und das Kommen des messianischen Reiches vorzubereiten, prophetisch anzukündigen (vgl. Lk 24,44; Joh 5,39; 1 Petr 1,10) und in verschiedenen Vorbildern anzuzeigen (vgl. 1 Kor 10,11). Die Bücher des Alten Bundes erschliessen allen entsprechend der Lage, in der sich das Menschengeschlecht vor der Wiederherstellung des Heils in Christus befand, Wissen über Gott und Mensch und erschliessen die Art und Weise, wie der gerechte und barmherzige Gott an den Menschen zu handeln pflegt. Obgleich diese Bücher auch Unvollkommenes und Zeitbedingtes enthalten, zeigen sie doch eine wahre göttliche Erziehungskunst 1. Ein lebendiger Sinn für Gott drückt sich in ihnen aus. Hohe Lehren über Gott, heilbringende menschliche Lebensweisheit, wunderbare Gebetsschätze sind in ihnen aufbewahrt. Schliesslich ist das Geheimnis unseres Heiles in ihnen verborgen. Deshalb sollen diese Bücher von denen, die an Christus glauben, voll Ehrfurcht angenommen werden.
16. Gott, der die Bücher beider Bünde inspiriert hat und ihr Urheber ist, wollte in Weisheit, dass der Neue im Alten verborgen und der Alte im Neuen erschlossen sei 2. Denn wenn auch Christus in seinem Blut einen Neuen Bund gestiftet hat (vgl. Lk 22,20; 1 Kor 11,25), erhalten und offenbaren die Bücher des Alten Bundes, die als Ganzes in die Verkündigung des Evangeliums aufgenommen wurden 3, erst im Neuen Bund ihren vollen Sinn (vgl. Mt 5,17; Lk 24,27; Röm 16,25-26; 2 Kor 3,14-16), wie sie diesen wiederum beleuchten und deuten.

5. Kapitel: Das Neue Testament

17. Das Wort Gottes, Gottes Kraft zum Heil für jeden, der glaubt (vgl. Röm 1,16), kommt zu einzigartiger Darstellung und Kraftentfaltung in den Schriften des Neuen Bundes; denn als die Fülle der Zeit kam (vgl. Gal 4,4), ist das Wort Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, voll Gnade und Wahrheit (vgl. Joh 1,14). Christus hat das Reich Gottes auf Erden wiederhergestellt, in Tat und Wort seinen Vater und sich selbst geoffenbart und sein Werk durch Tod, Auferstehung, herrliche Himmelfahrt und Sendung des Heiligen Geistes vollendet. Von der Erde erhöht zieht er alle an sich (vgl. Joh 12,32 griech.); denn er allein hat Worte des ewigen Lebens (vgl. Joh 6,68). Anderen Geschlechtern ward dieses Geheimnis nicht kundgetan, wie es nun geoffenbart worden ist seinen heiligen Aposteln und Propheten im Heiligen Geist (vgl. Eph 3,4-6 griech.), damit sie das Evangelium verkünden, den Glauben an Jesus als Christus und Herrn wecken und die Kirche sammeln. Dafür sind die Schriften des Neuen Bundes das unvergängliche und göttliche Zeugnis.
18. Niemandem kann es entgehen, dass unter allen Schriften, auch unter denen des Neuen Bundes, den Evangelien mit Recht ein Vorrang zukommt. Denn sie sind das Hauptzeugnis für Leben und Lehre des fleischgewordenen Wortes, unseres Erlösers. Am apostolischen Ursprung der vier Evangelien hat die Kirche immer und überall festgehalten und hält daran fest; denn was die Apostel nach Christi Gebot gepredigt haben, das haben später unter dem Anhauch des Heiligen Geistes sie selbst und Apostolische Männer uns als Fundament des Glaubens schriftlich überliefert: das viergestaltige Evangelium nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes 1.
19. Unsere heilige Mutter, die Kirche, hat entschieden und unentwegt daran festgehalten und hält daran fest, dass die vier genannten Evangelien, deren Geschichtlichkeit sie ohne Bedenken bejaht, zuverlässig überliefern, was Jesus, der Sohn Gottes, in seinem Leben unter den Menschen zu deren ewigem Heil wirklich getan und gelehrt hat bis zu dem Tag, da er aufgenommen wurde (vgl. Apg 1,1-2). Die Apostel haben nach der Auffahrt des Herrn das, was er selbst gesagt und getan hatte, ihren Hörern mit jenem volleren Verständnis überliefert, das ihnen aus der Erfahrung der Verherrlichung Christi und aus dem Licht des Geistes der Wahrheit 2 zufloss 3. Die biblischen Verfasser aber haben die vier Evangelien redigiert, indem sie einiges aus dem vielen auswählten, das mündlich oder auch schon schriftlich überliefert war, indem sie anderes zu Überblicken zusammenzogen oder im Hinblick auf die Lage in den Kirchen verdeutlichten, indem sie schliesslich die Form der Verkündigung beibehielten, doch immer so, dass ihre Mitteilungen über Jesus wahr und ehrlich waren 4. Denn ob sie nun aus eigenem Gedächtnis und Erinnern schrieben oder auf Grund des Zeugnisses jener, "die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes waren", es ging ihnen immer darum, dass wir die,Wahrheit" der Worte erkennen sollten, von denen wir Kunde erhalten haben (vgl. Lk 1,2-4).
20. Der neutestamentliche Kanon umfasst ausser den vier Evangelien auch die Briefe des heiligen Paulus und andere apostolische Schriften, die unter der Eingebung des Heiligen Geistes verfasst sind. In ihnen wird nach Gottes weisem Ratschluss die Botschaft von Christus dem Herrn bestätigt, seine echte Lehre mehr und mehr erklärt, die heilbringende Kraft des göttlichen Werkes Christi verkündet; die Anfänge der Kirche und ihre wunderbare Ausbreitung werden erzählt und ihre herrliche Vollendung vorausverkündet. Denn der Herr Jesus ist bei seinen Aposteln geblieben, wie er verheissen hatte (vgl. Mt 28,20), und hat ihnen als Beistand den Geist gesandt, der sie in die Fülle der Wahrheit einführen sollte (vgl. Joh 16,13).

6. Kapitel: Die Heilige Schrift in Leben der Kirche

21. Die Kirche hat die Heiligen Schriften immer verehrt wie den Herrenleib selbst, weil sie, vor allem in der heiligen Liturgie, vom Tisch des Wortes Gottes wie des Leibes Christi ohne Unterlass das Brot des Lebens nimmt und den Gläubigen reicht. In ihnen zusammen mit der Heiligen Überlieferung sah sie immer und sieht sie die höchste Richtschnur ihres Glaubens, weil sie, von Gott eingegeben und ein für alle Male niedergeschrieben, das Wort Gottes selbst unwandelbar vermitteln und in den Worten der Propheten und der Apostel die Stimme des Heiligen Geistes vernehmen lassen. Wie die christliche Religion selbst, so muss auch jede kirchliche Verkündigung sich von der Heiligen Schrift nähren und sich an ihr orientieren. In den Heiligen Büchern kommt ja der Vater, der im Himmel ist, seinen Kindern in Liebe entgegen und nimmt mit ihnen das Gespräch auf. Und solche Gewalt und Kraft west im Worte Gottes, dass es für die Kirche Halt und Leben, für die Kinder der Kirche Glaubensstärke, Seelenspeise und reiner, unversieglicher Quell des geistlichen Lebens ist. Darum gelten von der Heiligen Schrift in besonderer Weise die Worte: "Lebendig ist Gottes Rede und wirksam" (Hebr 4,12), "mächtig aufzubauen und das Erbe auszuteilen unter allen Geheiligten" (Apg 20,32; vgl. 1 Thess 2,13).
22. Der Zugang zur Heiligen Schrift muss für die an Christus Glaubenden weit offenstehen. Darum hat die Kirche schon in ihren Anfängen die älteste Übersetzung des Alten Testamentes, die griechische, die nach den Siebzig (Septuaginta) benannt wird, als die ihre übernommen. Die anderen orientalischen und die lateinischen Übersetzungen, besonders die sogenannte Vulgata, hält sie immer in Ehren. Da aber das Wort Gottes allen Zeiten zur Verfügung stehen muss, bemüht sich die Kirche in mütterlicher Sorge, dass brauchbare und genaue Übersetzungen in die verschiedenen Sprachen erarbeitet werden, mit Vorrang aus dem Urtext der Heiligen Bücher. Wenn die Übersetzungen bei sich bietender Gelegenheit und mit Zustimmung der kirchlichen Autorität in Zusammenarbeit auch mit den getrennten Brüdern zustande kommen, dann können sie von allen Christen benutzt werden.
23. Die Braut des fleischgewordenen Wortes, die Kirche, bemüht sich, vom Heiligen Geist belehrt, zu einem immer tieferen Verständnis der Heiligen Schriften vorzudringen, um ihre Kinder unablässig mit dem Worte Gottes zu nähren; darum fördert sie auch in gebührender Weise das Studium der Väter des Ostens wie des Westens und der heiligen Liturgien. Die katholischen Exegeten und die anderen Vertreter der theologischen Wissenschaft müssen in eifriger Zusammenarbeit sich darum mühen, unter Aufsicht des kirchlichen Lehramts mit passenden Methoden die göttlichen Schriften so zu erforschen und auszulegen, dass möglichst viele Diener des Wortes in den Stand gesetzt werden, dem Volke Gottes mit wirklichem Nutzen die Nahrung der Schriften zu reichen, die den Geist erleuchtet, den Willen stärkt und die Menschenherzen zur Gottesliebe entflammt 1. Die Heilige Synode ermutigt die Söhne der Kirche, die Bibelwissenschaft treiben, das glücklich begonnene Werk mit immer neuen Kräften und ganzer Hingabe im Geist der Kirche fortzuführen 2.
24. Die heilige Theologie ruht auf dem geschriebenen Wort Gottes, zusammen mit der Heiligen Überlieferung, wie auf einem bleibenden Fundament. In ihm gewinnt sie sichere Kraft und verjüngt sich ständig, wenn sie alle im Geheimnis Christi beschlossene Wahrheit im Lichte des Glaubens durchforscht. Die Heiligen Schriften enthalten das Wort Gottes und, weil inspiriert, sind sie wahrhaft Wort Gottes: Deshalb sei das Studium des heiligen Buches gleichsam die Seele der heiligen Theologie 3. Auch der Dienst des Wortes, nämlich die seelsorgliche Verkündigung, die Katechese und alle christliche Unterweisung - in welcher die liturgische Homilie einen hervorragenden Platz haben muss - holt aus dem Wort der Schrift gesunde Nahrung und heilige Kraft.
25. Darum müssen alle Kleriker, besonders Christi Priester und die anderen, die sich als Diakone oder Katecheten ihrem Auftrag entsprechend dem Dienst des Wortes widmen, in beständiger heiliger Lesung und gründlichem Studium sich mit der Schrift befassen, damit keiner von ihnen werde zu "einem hohlen und äusserlichen Prediger des Wortes Gottes, ohne dessen innerer Hörer zu sein" 4, wo er doch die unübersehbaren Schätze des göttlichen Wortes, namentlich in der heiligen Liturgie, den ihm anvertrauten Gläubigen mitteilen soll. Ebenso ermahnt die Heilige Synode alle an Christus Glaubenden, zumal die Glieder religiöser Gemeinschaften, besonders eindringlich, durch häufige Lesung der Heiligen Schrift sich die "alles übertreffende Erkenntnis Jesu Christi" (Phil 3,8) anzueignen. "Die Schrift nicht kennen heisst Christus nicht kennen." 5 Sie sollen deshalb gern an den heiligen Text selbst herantreten, einmal in der mit göttlichen Worten gesättigten heiligen Liturgie, dann in frommer Lesung oder auch durch geeignete Institutionen und andere Hilfsmittel, die heute mit Billigung und auf Veranlassung der Hirten der Kirche lobenswerterweise allenthalben verbreitet werden. Sie sollen daran denken, dass Gebet die Lesung der Heiligen Schrift begleiten muss, damit sie zu einem Gespräch werde zwischen Gott und Mensch; denn "ihn reden wir an, wenn wir beten; ihn hören wir, wenn wir Gottes Weisungen lesen" 6. Die kirchlichen Vorsteher, "bei denen die Lehre der Apostel ist" 7, sollen die ihnen anvertrauten Gläubigen zum rechten Gebrauch der Heiligen Bücher, namentlich des Neuen Testamentes und in erster Linie der Evangelien, in geeigneter Weise anleiten durch Übersetzungen der heiligen Texte, die mit den notwendigen und wirklich ausreichenden Erklärungen versehen sind, damit die Kinder der Kirche sicher und mit Nutzen mit den Heiligen Schriften umgehen und von ihrem Geist durchdrungen werden. Darüber hinaus sollen mit entsprechenden Anmerkungen versehene Ausgaben der Heiligen Schrift geschaffen werden, die auch Nichtchristen gebrauchen können und die ihren Verhältnissen angepasst sind. Die Seelsorger und die Christen jeden Standes sollen auf jede Weise klug für ihre Verbreitung sorgen.
26. So möge durch Lesung und Studium der Heiligen Bücher "Gottes Wort seinen Lauf nehmen und verherrlicht werden" (2 Thess 3,1). Der Schatz der Offenbarung, der Kirche anvertraut, erfülle mehr und mehr die Herzen der Menschen. Wie das Leben der Kirche sich mehrt durch die ständige Teilnahme am eucharistischen Geheimnis, so darf man neuen Antrieb für das geistliche Leben erhoffen aus der gesteigerten Verehrung des Wortes Gottes, welches "bleibt in Ewigkeit" (Jes 40,8; vgl. 1 Petr 1,23-25).

Anmerkungen:

Vorwort/Kapitel 1:
1 Vgl. Augustinus, Büchlein vom ersten katechetischen Unterricht, 4: PL 40,316.
2 Vgl. Mt 11,27; Joh 1,14.17; 14,6; 17,1-3; 2 Kor 3,16; 4,6; Eph 1,3-14.
3 Brief an Diognet VII., : F. X. Funk, Patres Apostolici I (Tübingen 1901) 403.
4 I. Vat. Konzil, Dogm. Konst. über den katholischen Glauben Dei Filius, Kap. 3: Denz. 1789 (3008).
5 II. Konzil von Orange, can. 7: Denz. 180 (377); I. Vat. Konzil, a. a. O.: Denz. 1791 (3010).
6 I. Vat. Konzil, Dogm. Konst. über den katholischen Glauben Dei Filius, Kap. 2: Denz. 1786 (3005).
7 Ebd.: Denz. 1785 und 1786 (3004 und 3005).
Kapitel 2:
1 Vgl. Mt 28,19-20 und Mk 16,15. Konzil von Trient, Dekret über die kanonischen Schriften: Denz. 783 (1501).
2 Vgl. Konzil von Trient, a. a. O.; I. Vat. Konzil, Dogm. Konst. über den katholischen Glauben Dei Filius, Kap. 2: Denz. 1787 (3006).
3 Irenäus, Adv. Hær. III.,3, 1: PG 7, 848; Harvey 2,9.
4 Vgl. II. Konzil von Nicæa: Denz. 303 (602). IV. Konzil von Konstantinopel, Sess. X. can. 1: Denz. 336 (650-652).
5 Vgl. L Vat. Konzil, Dogm. Konst. über den katholischen Glauben Dei Filius, Kap. 4: Denz. 1800 (3020).
6 Vgl. Konzil von Trient, Dekret über die kanonischen Schriften: Denz. 783 (1501).
7 Vgl. Pius XII., Apost. Konst. Munificentissimus Deus, 1. Nov. 1950: AAS 42 (1950) 756. Vgl. die Worte Cyprians: "die Kirche, das mit dem Priester vereinte Volk und die ihrem Hirten anhängende Herde", Ep. 66, 8: CSEL 3, 2, 733.
8 Vgl. I. Vat. KonziI., Dogm. Konst. über den katholischen Glauben Dei Filius, Kap. 3: Denz. 1792 (3011).
9 Vgl. Pius XII., Enz. Humani generis, 12. Aug. 1950: AAS 42 (1950) 568-569; Denz. 2314 (3886).
Kapitel 3:
1 Vgl. I. Vat. Konzil, Dogm. Konst. über den katholischen Glauben Dei Filius, Kap. 2: Denz. 1787 (3006); Bibelkommission, Dekret, 18. Juni 1915: Denz. 2180 (3629) und Ench. Bibl. 420; Hl. Officium, Brief, 22. Dez. 1923: Ench. Bibl. 499.
2 Vgl. Pius XII., Enz. Divino afflante, 30. Sept. 1943: AAS 35 (1943) 314; Ench. Bibl. 556.
3 In und durch den Menschen: vgl. Hebr 1,1; 4,7 (in); 2 Sam 23,2; Mt 1,22 und passim (durch); I. Vat. Konzil, Schema über die katholische Lehre, Note 9: Coll. Lac. VII., 522.
4 Leo XIII., Enz. Providentissimus Deus, 18. Nov. 1893: Denz. 1952 (3293); Ench. Bibl. 125.
5 Vgl. Augustinus, De Gen. ad litt. 2, 9, 20: PL 34, 270-271; CSEL 28, 1, 46-47 und Brief 82,3: PL 33,277; CSEL 34, 2, 354; Thomas v. Aquin, De ver. q. 12, a. 2, C; Konzil von Trient, Dekret über die kanonischen Schriften: Denz. 783 (1501); Leo XIII., Enz. Providentissimus Deus: Ench. Bibl. 121.124.126-127; Pius XII., Enz. Divino afflante: Ench. Bibl. 539.
6 Augustinus, De Civ. Dei XVII., 6, 2: PL 41, 537; CSEL 40, 2, 228.
7 Augustinus, De Doctr. Christ. III., 18, 26: I, L 34, 75-76; CSEL 80, 95.
8 Pius XII., a. a. O.: Denz. 2294 (3829-3830); Ench. Bibl. 557-562.
9 Vgl. Benedikt XV., Enz. Spiritus Paraclitus, 15. Sept. 1920: Ench. Bibl. 469; Hieronymus, In Gal. 19-21: PL 26, 417 A.
10 Vgl. I. Vat. Konzil, Dogm. Konst. über den katholischen Glauben Dei Filius, Kap. 2: Denz. 1788 (3007).
11 Johannes Chrysostomus, ln Gen. 3,8 (hom. 17, 1): PG 53, 134: "herabgelassen", lateinisch "attemperatio", griechisch "synkatábasis".
Kapitel 4:
1 Pius XI., Enz. Mit brennender Sorge, 14. März 1937: AAS 29 (1937) 151.
2 Augustinus, Quæst. in Hept. 2, 73: PL 34, 623.
3 Irenäus, Adv, Hær. III., 21, 3: PG 7, 950 (- 25, 1: Harvey 2, 115); Cyrill von Jerusalem, Catech. 4, 35: PG 33, 497; Theodor von Mopsuestia, In Soph. 1, 4-6: PG 66, 452 D-453 A.
Kapitel 5:
1 Irenäus, Adv. Hær. III., 11, 8: PG 7, 885; Ausg. Sagnard, 194.
2 Vgl. Joh 14,26; 16,13.
3 Vgl. Joh 2,22; 16,16; vgl. 14,26; 16,12-13; 7,39.
4 Vgl. die Instruktion Sancta Mater Ecclesia der Päpstlichen Bibelkommission: AAS 56 (1964) 715.
Kapitel 6:
1 Vgl. Pius XII., Enz. Divino afflante: Ench. Bibl. 551.553.567; Päpstl. Bibelkommission, Instruktion über die rechte Art, in Klerikalseminarien und Ordenskollegien über die Bibel zu dozieren, 30. Mai 1950: AAS 42 (1950) 495-505.
2 Vgl. Pius XII., ebd. 569.
3 Vgl. Leo XIII., Enz. Providentissimus Deus: Ench. Bibl. 114; Benedikt. XV., Enz. Spiritus Paraclitus: Ench. Bibl. 483.
4 Augustinus, Serm. 179, 1: PL 38, 966.
5 Hieronymus, Comm. in Jes., Prol.: PL 24, 17; vgl. Benedikt XV., Enz. Spiritus Paraclitus: Ench. Bibl. 475-480; Pius XII., Enz. Divino afflante: Ench. Bibl. 544.
6 Ambrosius, De officiis ministrorum I, 20, 88; PL 16, 50.
7 Irenäus, Adv. Hær. IV, 32, 1: PG 7, 1071 (= 49, 2: Harvey 2, 255).

Unter Mitarbeit von Christoph Overkott und Josef Spindelböck wurde der bereits im Internet durch Stefan Vukits zugänglich gemachte Konzilstext durch Sprungziele vor jedem Absatz im Internet zitierbar gemacht und im HTML-Layout verbessert. Bei Fehlern ersuchen wir um Mitteilung. Zuletzt aktualisiert am 18. Oktober 1997.

[Anmerkung des Erfassers: Beachten Sie auch F. Funckes Bemerkungen zum kirchlichen Dogma in 'Christentum', Kapitel 5  bis Kapitel 7.]


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Der Papst ändert mit einem "Motu proprio" das Kirchenrecht

"Den Glauben gegen Irrtümer verteidigen"

Papst Johannes Paul II. hat am 29. Juni ein "Motu proprio" mit dem Titel "Ad tuendam fidem" (Zur Verteidigung des Glaubens) veröffentlicht, in dem er in mehreren Canones das Kirchenrecht ändert. Die Katholische Internationale Presseagentur (Kipa) dokumentiert den Wortlaut des Textes in einer eigenen nichtautorisierten Übersetzung:
 Apostolischer Brief Motu Proprio "Ad tuendam fidem" Papst Johannes Pauls II., durch den einige Normen in das Kirchliche Gesetzbuch und in den Kodex des Orientalischen Kirchenrechts eingefügt werden.
Einleitende Bemerkung
Die Kongregation für die Glaubenslehre veröffentlichte unter dem Datum des 9. Januar 1989 die neuen Formeln der Professio fidei et Iusiurandum fidelitatis in suscipiendo officio nomine Ecclesiae exercendo (AAS, 81/1989, 104-106), die die vorhergehende Formel von 1967 ersetzen. Diese Formeln wurden vom Papst in einem eigenen Reskript (Rescriptum ex Audientia SS.mi Quod attinet, Formulas professionis fidei et iuris iurandi fidelitatis contingens foras datur, 19 septembris 1989, in: AAS, 81/1989, S. 1169) approbiert. Der neue Kodex des Kirchenrechts, der bereits am 25. Januar 1983 promulgiert worden war, enthielt in seinem in den Acta Apostolicae Sedis enthaltenen authentischen Text jedoch nicht die neue Formel der Professio Fidei, die über das nicäno-konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis hinaus drei Kategorien von Wahrheit festlegt. Es wurde deutlich, dass im Kodex des Kirchenrechts (CIC) und nachfolgend im Kodex des Orientalischen Kirchenrechts (CCEO) die juridische, disziplinäre und strafrechtliche Bestimmung der zweiten Kategorie der Wahrheit fehlte.
Folglich hat - nachdem in angemessener Weise auf die Lücke in der universalen Gesetzgebung der Kirche hingewiesen wurde und angesichts der dringenden Notwendigkeit, Meinungen von Theologen, die gegen diese zweite Kategorie von Wahrheiten gerichtet sind, zuvorzukommen und sie zurückzuweisen - der Heilige Vater den Apostolischen Brief "Ad tuendam fidem" promulgiert, durch den präzise Normen, die sich auf die zweite Kategorie von Wahrheiten beziehen, wie sie im 2. Absatz der abschliessenden Formel der Professio fidei ausgedrückt werden, durch eine Ergänzung der Canones 750 und 1371, Nr. 1 des CIC und der Cann. 598 und 1436 des CCEO in die kirchliche Gesetzgebung eingeführt werden.


JOHANNES PAUL II.

Apostolischer Brief Motu proprio "Ad tuendam fidem", durch den einige Normen in den Kodex des Kirchenrechts und in den Kodex des Orientalischen Kirchenrechts eingeführt werden.

Um den Glauben der katholischen Kirche gegen die Irrtümer zu verteidigen, die bei einigen Gläubigen, insbesondere bei denen auftreten, die sich ernsthaft mit den Disziplinen der heiligen Theologie beschäftigen, schien es Uns, deren Hauptaufgabe es ist, die Brüder im Glauben zu stärken (vgl. Lk 22,32), absolut notwendig, dass in die geltenden Texte des Kodex des Kirchenrechts und des Kodex des Orientalischen Kirchenrechts Normen eingefügt werden, durch die ausdrücklich die Pflicht auferlegt wird, die vom Lehramt der Kirche in definitiver Weise dargelegten Wahrheiten zu beachten, und die auch die kirchenrechtlichen Sanktionen auf diesem Gebiet erwähnen.

1. Seit den ersten Jahrhunderten bis zum heutigen Tag bekennt die Kirche die Wahrheiten über den Glauben an Christus und über das Geheimnis seiner Erlösung, die in der Folgezeit in den Glaubensbekenntnissen zusammengefasst wurden; sie werden heute gewöhnlich von den Gläubigen bei der Messfeier als Apostolisches Glaubensbekenntnis oder als Nicäno-Konstantinopolitanisches Glaubensbekenntnis bekannt und proklamiert.
Eben dieses Nicäno-Konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis ist auch in dem kürzlich von der Kongregation für die Glaubenslehre ausgearbeiteten Glaubensbekenntnis enthalten, das in besonderer Weise von bestimmten Gläubigen verlangt wird, wenn diese ein Amt übernehmen, das sich direkt oder indirekt auf intensivste Forschung im Bereich der Wahrheiten über Glaube und Sitten bezieht oder mit einer besonderen Vollmacht in der Leitung der Kirche verbunden ist.

2. Das Glaubensbekenntnis, dem in angemessener Weise das Nicäno-Konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis vorangestellt ist, enthält darüber hinaus drei Absätze, die diejenigen Wahrheiten des katholischen Glaubens darlegen sollen, die die Kirche unter der Führung des Heiligen Geistes, der sie "in die ganze Wahrheit führen wird" (Joh 16,13), im Lauf der Jahrhunderte erforscht hat und immer tiefer erforschen muss.
Der erste Absatz lautet: "Mit festem Glauben glaube ich auch all das, was im geschriebenen oder überlieferten Wort Gottes enthalten ist und von der Kirche durch feierlichen Entscheid oder durch ihr ordentliches, allgemeines Lehramt als göttliche Offenbarung zu glauben vorgelegt wird." Er hat seine entsprechende Bestimmung in der allgemeinen Gesetzgebung der Kirche in den Canones 750 des Kodex des Kirchenrechts und 598 des Kodex des Orientalischen Kirchenrechts.
Der dritte Absatz lautet: "Ausserdem hänge ich mit religiösem Gehorsam des Willens und des Verstandes den Lehren an, die der Papst oder das Kollegium der Bischöfe in Ausübung ihres authentischen Lehramtes darlegen, auch wenn sie diese nicht als definitiv verkünden wollen." Er findet seine Entsprechung in den Canones 752 des Kodex des Kirchenrechts und 599 des Kodex des Orientalischen Kirchenrechts.

3. Für den zweiten Absatz jedoch, in dem es heisst: "Fest nehme ich an und bewahre auch insgesamt und im einzelnen, was von der Kirche in der Glaubens- und Sittenlehre definitiv vorgelegt wird", gibt es keinen entsprechenden Canon in den Rechtsbüchern der katholischen Kirche. Dieser Absatz des Glaubensbekenntnisses ist jedoch von grösster Bedeutung, denn er betrifft die mit der göttlichen Offenbarung notwendigerweise verknüpften Wahrheiten. Diese Wahrheiten, die bei der Erforschung der katholischen Glaubenslehre eine besondere Inspiration des Heiligen Geistes für ein tieferes Verständnis einer bestimmten Wahrheit der Glaubens-oder Sittenlehre durch die Kirche zum Ausdruck bringen, sind sowohl aus historischen Gründen als auch als logische Folge verknüpft.

4. Von der erwähnten Notwendigkeit gedrängt, haben Wir deshalb beschlossen, diese Lücke im allgemeinen Kirchenrecht in der folgenden Weise zu schliessen:

A) Der can. 750 des Kodex des Kirchenrechts wird von nun an zwei Paragraphen haben, deren erster aus dem Text des geltenden Canons besteht und deren zweiter einen neuen Text enthält, so dass can. 750 zusammen lautet:

Can. 750 - Paragraph 1. Kraft göttlichen und katholischen Glaubens ist all das zu glauben, was im geschriebenen oder im überlieferten Wort Gottes als dem einen der Kirche anvertrauten Glaubensgut enthalten ist und zugleich als von Gott geoffenbart vorgelegt wird, sei es vom feierlichen Lehramt der Kirche, sei es von ihrem ordentlichen und allgemeinen Lehramt; das wird ja auch durch das gemeinsame Festhalten der Gläubigen unter der Führung des heiligen Lehramtes offenkundig gemacht; daher sind alle gehalten, diesen Glaubenswahrheiten entgegenstehende Lehren jedweder Art zu meiden.
Paragraph 2. Fest angenommen und bewahrt werden muss auch alles und jedes einzelne, was vom Lehramt der Kirche in der Glaubens-und Sittenlehre definitiv vorgelegt wird, also das, was zur heiligmässigen Bewahrung und zur getreuen Darlegung des Glaubensgutes erforderlich ist; es widersetzt sich daher der Lehre der katholischen Kirche, wer diese Sätze, die definitiv gehalten werden müssen, ablehnt.

Im can. 1371, Nr. 1, des Kodex des Kirchenrechts soll übereinstimmend die Zitation des can. 750 Paragraph 2 eingefügt werden, so dass der can. 1371 von nun an insgesamt lautet:
Can. 1371 - Mit einer gerechten Strafe soll belegt werden:
1.) wer ausser dem in can. 1364, Paragraph 1 genannten Fall eine vom Papst oder einem Ökumenischen Konzil verworfene Lehre vertritt oder eine Lehre, worüber can. 750 Paragraph 2 oder can. 752 handelt, hartnäckig ablehnt und, nach Verwarnung durch den Apostolischen Stuhl oder den Ordinarius, nicht widerruft;
2.) wer sonst dem Apostolischen Stuhl, dem Ordinarius oder dem Oberen, der rechtmässig gebietet oder verbietet, nicht gehorcht und nach Verwarnung im Ungehorsam verharrt.

B) Der can. 598 des Kodex des Orientalischen Kirchenrechts wird von nun an zwei Paragraphen haben, deren erster aus dem Text des geltenden Paragraphen besteht und dessen zweiter einen neuen Text darstellt, so dass der can. 598 insgesamt lautet:

Can. 598 - Paragraph 1. Kraft göttlichen und katholischen Glaubens ist all das zu glauben, was im geschriebenen oder im überlieferten Wort Gottes als dem einen der Kirche anvertrauten Glaubensgut enthalten ist und zugleich als von Gott geoffenbart vorgelegt wird, sei es vom feierlichen Lehramt der Kirche, sei es von ihrem ordentlichen und allgemeinen Lehramt; das wird ja auch durch das gemeinsame Festhalten der Gläubigen unter der Führung des heiligen Lehramtes offenkundig gemacht; daher sind alle gehalten, diesen Glaubenswahrheiten entgegenstehende Lehren jedweder Art zu meiden.
Paragraph 2. Fest angenommen und bewahrt werden muss auch alles und jedes einzelne, was vom Lehramt der Kirche in der Glaubens-und Sittenlehre definitiv vorgelegt wird, also das, was zur heiligmässigen Bewahrung und zur getreuen Darlegung des Glaubensgutes erforderlich ist; es widersetzt sich daher der Lehre der katholischen Kirche, wer diese Sätze, die definitiv gehalten werden müssen, ablehnt.

Im can. 1436 des Kodex des Orientalischen Kirchenrechts sollen entsprechend die Worte hinzugefügt werden, die sich auf can. 598 Paragraph 2 beziehen, so dass der can. 1436 insgesamt lauten wird:
Can. 1436 - Paragraph 1. Wer eine Wahrheit leugnet, die kraft göttlichen und katholischen Glaubens zu glauben ist, oder den christlichen Glauben in Zweifel zieht oder total ablehnt und nach legitimer Ermahnung nicht sein Unrecht einsieht, soll als Häretiker oder Apostat mit der grossen Exkommunikation bestraft werden; der Kleriker kann darüber hinaus mit anderen Strafen bestraft werden, die Absetzung nicht ausgeschlossen.
Paragraph 2. Ausser diesen Fällen soll derjenige, der eine Lehre vertritt, von der der Römische Papst oder das Kollegium der Bischöfe in Ausübung ihres authentischen Lehramtes sagen, sie sei definitiv irrig oder die sie als irrig verurteilen, und der nach legitimer Ermahnung sein Unrecht nicht einsieht, mit einer angemessenen Strafe belegt werden.

5. Wir ordnen an, dass all das, was wir in dem vorliegenden Apostolischen Brief Motu proprio dekretiert haben, geltend und ratifiziert sei, und schreiben vor, dass es wie oben gezeigt in die universale Gesetzgebung der katholischen Kirche, respektive in den Kodex des Kirchenrechts bzw. den Kodex des Orientalischen Kirchenrechts eingefügt werde, trotz allem, was dem entgegenstehen könnte.

Rom, bei St. Peter, 18. Mai 1998, im 20. Jahr Unseres Pontifikats
Johannes Paul II.

(kipa)
Katholische Internationale Presseagentur


[ Anmerkung des Erfassers: Beachten Sie auch F. Funckes Bemerkungen zum kirchlichen Dogma in 'Christentum', Kapitel 5  bis Kapitel 7. ]


[ Anm. d. Erf.: Zur in diesem Artikel dargelegten Haltung der katholischen Kirche passen (einige) Zitate aus dem SF-Roman "Die Ordensburg des Wüstenplaneten" von Frank Herbert:

Jemand, der sich des Banalen und Gewöhnlichen bemächtigt und es in neuem Licht erstrahlen lässt, kann Schrecken erzeugen. Wir wollen nicht, dass man unsere Vorstellungen verändert. Wir fühlen uns von derlei Ansinnen bedroht. "Was richtig ist, weiss ich schon!" sagen wir. Dann kommt der Veränderer und wirft unsere alten Vorstellungen über Bord.

Gewohnheiten errichten Festungswälle, hinter denen Kleingeister Satrapen produzieren. Dies ist in guten Zeiten ein gefährlicher Daseinszustand, in Krisenzeiten ein katastrophaler.

Wir neigen dazu, so zu werden wie die Schlimmsten unserer Gegenspieler.

Alle Regierungen leiden an einem ständig wiederkehrenden Problem: die Macht zieht pathologische Persönlichkeiten an. Den Korrumpierbaren ist keine Macht zu gewähren. Menschen dieser Art neigen dazu, sich an der Gewalt zu berauschen, ein Zustand, dem sie rasch verfallen.

Die Geschichtsschreibung ist in erster Linie ein Ablenkungsmanöver. Die meisten geschichtlichen Darlegungen lenken die Aufmerksamkeit von den heimlichen Einflüssen hinter den grossen Ereignissen ab.

Die Korruption kommt in zahllosen Verkleidungen daher.

Bildung ist kein Ersatz für Intelligenz. Diese schwer fassbare Eigenschaft wird nur teilweise durch die Fähigkeit des Lösens von Problemen gekennzeichnet. Sie liegt in der Kreation neuer Probleme, die die Sinneswahrnehmungen widerspiegelt und die Definition vervollständigt.

Vieles von dem, was wir ohne nachzudenken tun, wird erst dann kompliziert, wenn wir es auf intellektuelle Weise betrachten. Es ist möglich, soviel über eine Sache zu wissen, dass man völlig unwissend wird.

Religion umschliesst Mythen der Vergangenheit: Mutmassungen, insgeheimes Vertrauen in das Universum, feierliche Verkündigungen, die während des Strebens nach persönlicher Macht geäussert werden; all das vermischt mit Funken der Erleuchtung. Und stets ein unausgesprochenes Gebot: Du sollst nicht fragen! Wir brechen dieses Gebot täglich. Unsere Arbeit ist die Nutzbarmachung der menschlichen Vorstellungskraft für unsere grösste Kreativität.

Unterdrückungsgesetze neigen dazu, das zu stärken, was sie verbieten. Das ist eine feine List, derer sich sämtliche Gesetzgeber der Geschichte bedient haben, um ihre Position zu sichern.

Sämtliche Zustände sind Abstraktionen.

Manche nehmen niemals teil. Das Leben passiert ihnen einfach. Sie existieren nur aufgrund dummer Starrköpfigkeit und widerstehen mit Verärgerung oder Gewalt allen Dingen, die sie eventuell aus ihren grollerfüllten Illusionen der Sicherheit herausholen könnten.

Um ein Ding zu erfassen, muss man seine Grenzen kennen. Nur wenn man es über seine Widerstandsfähigkeit hinaus prüft, wird seine wahre Natur sichtbar.

Schlagartiges Begreifen ist oftmals eine Reaktion der Reflexe und die gefährlichste Form des Verstehens. Es legt einen trüben Filter über die Lernfähigkeit. Die richterlichen Gesetzespräzedenzen funktionieren auf diese Weise. Sie behindern deinen Weg mit Sackgassen. Sei gewarnt! Begreife nichts! Jegliches Verstehen ist provisorischer Natur.

Der Hauptfehler der Herrschenden besteht in der Angst vor der Inangriffnahme radikaler interner Veränderungen, selbst wenn man ihrer ganz offensichtlich bedarf.

Trenne deine Fragen von ihrer Grundlage, und man wird ihre baumelnden Wurzeln sehen. Weitere Fragen!

Die Menschen werden mit einer Anfälligkeit für die beständigste und schwächendste Krankheit des Intellekts geboren: der Selbsttäuschung. Die beste aller möglichen Welten bezieht daraus ebenso ihre Färbung wie die schlechteste. Soweit man es hat berechnen können, gibt es keine natürliche Immunität. Konstante Wachsamkeit ist erforderlich.

Gebt mir statt jedes neuen Gesetzes die Urteilsfähigkeit ausgeglichener Geister. Gesetzbücher und Satzungen rufen Modellverhalten hervor. Jegliches Modellverhalten neigt dazu, nicht mehr angezweifelt zu werden und sammelt destruktive Wucht.

Manche Formen der Bitterkeit kann kein Süssstoff kaschieren. Wenn es bitter schmeckt, spuck es aus! Unsere frühesten Vorfahren haben es genauso getan.

Wir sind Zeugen einer wechselnden Phase der Ewigkeit. Wichtige Dinge geschehen, doch manchen Menschen fällt nichts auf. Zufälle ereignen sich. Manchmal ist man nicht zugegen. Man ist von Berichten abhängig. Und die Menschen verschliessen ihr Bewusstsein. Zu was sind Berichte gut? Geschichte als zusammengefasste Kurznachrichten? Vorauswahl während der Redaktionskonferenz, verdaut und ausgeschieden aufgrund vorgefasster Meinungen? Nachrichten, die man benötigt, kommen selten von denen, die Geschichte machen. Tagebücher, Memoiren und Autobiographien sind subjektive Formen speziellen Bittens. Archive sind voll von dergleichem subjektivem Zeug.

Ein Buckliger sieht seinen eigenen Buckel nicht. - Volksweisheit.
Mit Hilfe von Spiegeln könnte er den Buckel sehen, aber Spiegel zeigen auch das gesamte Dasein. - Bene Gesserit-Kommentar.

Auch in einem Schmelztiegel von Falschmeldungen kann es zu brauchbaren Entscheidungen kommen. Auf diese Weise aktzeptiert Intelligenz Fehlbarkeit. Und wenn es zu keiner absoluten unfehlbaren Entscheidung kommen kann, geht die Intelligenz auch das Risiko begrenzter Daten ein, in der Arena, in der Irrtümer nicht nur möglich, sondern auch notwendig sind.

Am Ende weiss man alles, weil man glauben möchte, dass man alles weiss.

Antworten sind ein gefährlicher Angriff auf das Universum. Sie können verständlich erscheinen, ohne etwas zu erklären.

Was lehren uns heilige Ereignisse? Haltet aus! Seid stark! Seid für Veränderungen und für das Neue bereit! Sammelt viele Erfahrungen und beurteilt sie nach dem standhaften Charakter eures Glaubens. ]


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"Letzte Änderung dieser Seite am 10. Juni 2014"