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Erlebnisbericht

Beitrag von Rudolf Passian/Carl Rennhofer, erschienen in der Zeitschrift 'Wegbegleiter' Nr. 3/2004, S. 47+48.

Die Weine des Herrn Wesiak

von Carl Rennhofer

red. (R.P.) – Carl Rennhofer, damals in Mattsee (Land Salzburg) wohnend, gab viele Jahre lang (zusammen mit seinem Sohn Raimund, meinem Freund) die hervorragende spiritualistische Monatszeitschrift DAS GEISTIGE REICH heraus. In der Nr. 4/1952 brachte Carl Rennhofer ein Erlebnis aus seiner Jugendzeit, aus welchem er einen sehr trefflichen Vergleich zieht zur Situation des heutigen Christentums, das in hunderte Gruppierungen zersplittert ist; doch lassen wir unseren verdienstvollen Vorkämpfer selber erzählen:

Zur Zeit der alten Donaumonarchie gab es in einem viel besuchten Kurorte der Südsteiermark einen Wirt namens Wesiak, der durch seinen besonders guten Tropfen weithin bekannt war. Es sprach sich herum, dass nach einem Seidel (veraltetes Flüssigkeitsmass=ca 0,35 Liter) seines wunderbar schmeckenden Weines sich der Geist löste und es einem ganz leicht zumute wurde; nach einem Krügel (kleiner Krug) jedoch fing die sonst so graue Welt an, rosarot zu schimmern.

Ausserdem hatte dieser Wirt noch eine andere Spezialität: für "feine" Kurgäste hatte er alle erdenklichen Markenweine in Flaschen vorrätig, und jeder dieser Gäste behauptete allen Ernstes, es habe ihm noch nirgends der jeweils verlangte "Mailberger", "Gumpoldskirchner" oder "Lacrimae Christi", "Haute Souterne", "Rüdesheimer" usw. so gut geschmeckt wie gerade bei Herrn Wesiak.

Eines Tages jedoch kam ich zufälligerweise hinter dieses von ihm so streng gehütete Geheimnis. Mit einer dringenden persönlichen Botschaft an den Herrn Wirt beauftragt, wies mir der Hausknecht den Weg in das Kellerkammerl, welches ansonsten niemand betreten durfte, und dort traf ich Herrn Wesiak gerade damit beschäftigt, etwas vergilbt aussehende Weinetiketten auf eine Reihe von Flaschen zu kleben, die er gerade von einem Fasse seines "Besten" abgezogen hatte. In einer offenstehenden Schublade erblickte ich, schön eingereiht, eine grosse Anzahl verschiedener Etiketten, die anscheinend von den Originalflaschen abgelöst waren. Rasch drängte mich der Wirt nach oben, nicht ohne zweifelnden Seitenblick auf mich damals zehnjährigen Knaben, ob ich den Sinn seines Tuns erfasst hätte. Ich schaute jedoch ganz unschuldig drein und hätte diese Angelegenheit vergessen, wenn ich nicht den nach dem Ersten Weltkrieg nach Graz übersiedelten Herrn Wesiak zufällig getroffen hätte.
Gesprächsweise berührten wir auch die obige Episode, worauf er auf meine diesbezügliche Bemerkung antwortete: "Schau, der Wein stammte aus den Gütern 'Allerheiligen' und 'Jerusalem' in der Nähe von Friedau, wo man den Wein noch nach guter alter Vätersitte unverfälscht herstellte. Dort kaufte ich stets das Beste um einen guten Preis. Ich bin in meiner Jugend weit herumgewandert und habe nirgends einen besseren Wein getrunken. Meine Leidenschaft war das Sammeln von Weinetiketten, und so konnte ich später jedem Gast jene Sorte vorsetzen, auf die er erpicht war. Und jeder bildete sich ein, er habe seinen als beste Marke erkannten Wein getrunken, und war zufrieden, wenn das hervorragend mundende Getränk die Stimmung hob."

Carl Rennhofer schreibt weiter: "Während meiner Militärzeit hatte ich Gelegenheit, mit den Besitzern der vorgenannten Weingüter 'Allerheiligen' und 'Jerusalem' in Berührung zu kommen und fand, dass der dort gezogene Wein noch immer die gleiche Qualität hatte. In dem mir gastfreundlich vorgesetzten Trunke entdeckte ich die Wahrheit, die im Weine liegt (In vinum veritas est). Dabei dachte ich auch nach, wie der im Geist gewandelte, als sein Blut symbolisierte Wein Christi von den verschiedenen Lehrmeinungen seiner Nachfolger mit deren Etiketten versehen und ihren Anhängern als alleingültige Wahrheit verkündet wird... Ob es nicht in erster Linie mehr auf die Reinheit und Güte des dargebotenen Weines ankommt als auf die Etikette des Gefässes, aus dem er gereicht wird? –

Wie oft denke ich heute noch an jene guten alten Zeiten, wo es in jenen Gegenden noch kein Filtern, Schönen und Verschneiden des Weines gab, als noch keine mit giftigen Spritzmitteln verunreinigte Trauben samt Stängel, Balg und Kern in hydraulischen Pressen verarbeitet wurden. Wohl gibt es noch sonnenbestrahlte Gelände, wo der gleich gute Wein von kundigen Händen betreut heranwächst, der – zur richtigen Zeit gelesen – gekeltert und liebevoll gepflegt wird, doch ist es nur wenigen Kennern und Eingeweihten beschieden, an diese Quellen heranzukommen..."

Soweit Carl Rennhofer. – Und ist es mit den vielen christlichen Glaubensgemeinschaften nicht ebenso wie mit dem Wein von ursprünglicher Qualität? Wo erfahren wir denn, was Jesus wirklich gesagt hat?

R. Passian


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"Letzte Änderung dieser Seite am 10. Juni 2014"