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Grenzwissenschaften - Parapsychologie / Spirit(ual)ismus
(Anm.d.Erf.: Der folgende Artikel stammt von William T. Stead, wiedergegeben in der Zeitschrift "Wegbegleiter" vom Mai / Juni 1999, Nr. 3, IV. Jahrgang, S. 190 ff.)

Glaubt nicht blindlings an hochklingende Namen

red. - William T. STEAD (1849-1912) war ein bekannter englischer Journalist, parapsychologischer Forscher und Friedenskämpfer. Er besass die Begabung des Automatischen Schreibens. Als Passagier der "Titanic" starb er in der Nacht vom 14. auf den 15. April 1912. Zwei Tage danach soll Stead durch das Medium Mrs. WRIEDT, Detroit, detaillierte Angaben zu dem Unglück gemacht haben.
William Steads Tochter Estelle war ebenfalls stark medial veranlagt. Über sie und einige andere Medien übermittelte er aufschlussreiche Informationen, die zum Teil auch in deutscher Sprache erschienen. Um sie vor dem Vergessenwerden zu bewahren, und weil Steads Darlegungen sehr lehrreich und ernstzunehmen sind, folgt ab dieser Nummer auswahlweise eine Reihe von Fortsetzungen. In der 1949 in London erschienenen Schrift "Der Verkehr mit der nächsten Welt, ein Leitfaden" gibt W.T. Stead unter anderem folgende Ratschläge (Wiedergabe gekürzt):

Hypnotische Wirkung von Namen

Wenn die Fähigkeit entwickelt ist, sollte das Medium alle Verbindungen, die es (mit dem Jenseits) erzielt, strenger Prüfung unterziehen. Es darf sich nicht von grossen Namen hypnotisieren lassen. In 99 von 100 Fällen sind die imponierenden Unterschriften gefälscht. Das Medium muss auch auf der Hut sein, dass es sich nicht durch Schmeicheleien beeinflussen lässt. Es gibt immer einen Versucher, der bereit ist, einem Medium einzuflüstern, dass die Welt darauf gewartet hat, von ihm gerettet zu werden. Ein guter Führungsgeist (Fussnote 1) wird, wenn er es überhaupt erwähnt, von der Mission des Mediums in bescheidenen Ausdrücken reden, weil es viele Medien gibt und jedes eine schmale Furche auf einem ungeheuren Feld bearbeiten kann.
Ein gutes Medium ist schnell mit Kritik zur Hand und wird solche auch von anderen gern annehmen. Wer durch Kritik beleidigt ist oder eine strenge Kontrolle verweigert, erscheint entweder eines fehlenden guten Willens oder unguter geistiger Einflüsse verdächtig.
Ein Medium ist schliesslich ein Vermittler. Es sollte Kritik willkommen heissen, da sie ihm hilft, die Grenzen seiner Kraft zu erkennen und zu lernen, wie es sie beherrschen kann. Ein Medium, das unter guten Einflüssen steht, ist niemals eifersüchtig auf andere Medien oder darauf versessen, die besseren Kräfte zu besitzen. Es wird im Gegenteil danach trachten, durch Austausch und Vergleich seiner eigenen Erfahrungen mit denjenigen anderer Medien, seinen eigenen Entwicklungsgrad zu erkennen. Eifersucht ist immer ein Zeichen dafür, dass schlechte Einflüsse am Werke sind.
Ein Medium darf sich (auch) nicht der Magie ergeben. Gewisse okkulte Kräfte, die nicht zum irdischen Bereich gehören, haben schreckliche Wirkung auf diejenigen, die so unklug sind, sie zu wecken.

Hochklingende Namen

Wenn ein Medium unausgeglichen ist, so kann es passieren, dass es sich einbildet, es sei für eine grosse Sache auserwählt. Dies ist eine Form von Besessenheit, die zum Wahnsinn führen kann.
Jede (empfangene) Botschaft muss nach ihrem Inhalt beurteilt werden, und nicht nach dem Namen, der darunter steht. Mitteilungen, die aus Gemeinplätzen bestehen mit einem berühmten Namen als Unterschrift, bringen den Spiritualismus mehr in Misskredit, als eine authentische Botschaft von hohem Wert ihn vorwärtsbringt.
Es ist nicht gesagt, dass Menschen, die auf Erden hohe Stellungen innehatten, auch (im Jenseits) grosse Geister werden, denn sie haben oftmals ihre geistige Entwicklung vernachlässigt. Deswegen kann jemand, der auf der Erde Bewundernswertes leistete, nach seinem "Tode" ein Geist niederer Ordnung und vollständig unfähig sein, Belehrungen über grosse Wahrheiten zu geben. Alle Wünsche (von Medien), mit ehemaligen irdischen Grössen in Verbindung zu kommen, würden aufhören, wenn die Menschen diese in ihrem jetzigen miserablen Zustand sehen könnten; anstatt zu ihnen aufzusehen, würden sie erschreckt sein oder sie bemitleiden.
Glaubt nicht blindlings an hochklingende Namen, sondern beurteilt den Baum nach seiner Frucht. Ein Mensch, der ein ehrlicher bescheidener Arbeiter war, kann mehr befähigt sein, eine wertvolle Belehrung zu geben, als ein berühmter Schriftsteller von hohem Wissen und doch niederer spiritueller Entwicklung.
Wenn Ihr einen Führergeist sucht, so vermeidet Berühmtheiten, über deren spirituelle Entwicklung Ihr nichts wisst. Sucht Euch lieber einen, der - obwohl er nicht berühmt war - dafür eine gute moralische Haltung hat. Ein solcher wird Euch weisen Rat geben und gute Einflüsse anziehen.
Die Spiritualisten selbst schaden ihrer Sache mehr als ihre Gegner. Letztere können mit vernünftigen Argumenten bekehrt werden; aber es kann wenig getan werden gegenüber jenen Leuten, die Sitzungen veranstalten mit zuckenden oder hysterischen Medien, die Euch erzählen, Shakespeare sei ihr (jenseitiger) Führer. Sie schreiben ihm abscheuliche Darstellungen ohne Sinn und Verstand zu, und erzählen von unsinnigen Phänomenen, die nur in ihrer Phantasie existieren.

Schein und Tatsachen

Viele Leute bilden sich ein, dass ihre Zugehörigkeit zu irgend einer esoterischen Gruppe ihnen eine grosse moralische und intellektuelle Überlegenheit gegenüber den übrigen Menschen gibt, und dass ihre Lehren unfehlbar seien. Sie vergessen, dass alles Orthodoxe eine tote Sache ist, und dass sie ihren Glauben mumifizieren, genau so wie die Anhänger jener Richtungen, die sie geringschätzen.
Fortgeschrittene Geister beurteilen den Wert eines Menschen nur nach der Leuchtkraft seines Geistkörpers. Die Bezeichnung "Spiritualist" oder "Theosoph" fügt nicht notwendigerweise dem geistigen Wert eines Individuums irgend etwas hinzu, sei er diesseitig oder jenseitig.
Es ist ein grosser Fehler sich einzubilden, dass der Stand des Fortgeschrittenseins eines Menschen durch sein Glaubensbekenntnis dokumentiert wird. Es gibt Materialisten oder Atheisten, die bewundernswerte Seelen sind, glühende Protestanten und ernsthafte Katholiken, die sehr fortgeschrittene Geister sind, während viele Spiritualisten und Theosophen (Fussnote 2) in der Skala ihrer Entwicklung weit zurückstehen.

Die Etikette macht nicht den Inhalt der Flasche

Nicht das Glaubensbekenntnis, sondern die Handlungen und die moralischen Tugenden zeigen die von einem Menschen erreichte Stufe. Es gibt arme Arbeiter, deren spirituelle Entwicklung diejenige eminenter Wissenschaftler, Autoren oder sogar psychischer Forscher weit überragt.
Wenn der Spiritualismus einen Menschen besser macht, ihn zum Nachdenken bringt, ihn mitleidiger und toleranter macht und ihn dazu leitet, dass er seine Pflichten besser versieht, so kann man sagen, dass er die Lehren versteht; wenn er ihn aber zum Sektierer werden lässt, ihn egoistisch und dünkelhaft macht, so könnt Ihr sicher sein, dass er vom Spiritualismus nicht mehr versteht als ein scheinheiliger Mensch von der christlichen Lehre.
Spiritualismus ist keine neue Religion. Es gibt nur eine Religion. Ihre Lehren werden vielleicht alle zweitausend Jahre neu "herausgegeben", wenn der alte Text anfängt, unverständlich zu werden. Alle Wahrheiten des Spiritualismus sind auch in der Heiligen Schrift, und sie existierten als Lehren, lange bevor die Heilige Schrift geschrieben wurde.
Jedes Medium, das glaubt, es sei ein Messias, ist entweder missleitet oder irre. Jeder Geist, der vorgibt, Euch unfehlbare Wahrheiten zu verkünden, ist unwissend oder ein Betrüger, der versucht, diejenigen zum Narren zu halten, die mit ihm in Berührung kommen. Ein Geist kann nur das lehren, was er selber weiss; und der Mensch kann nur das aufnehmen, was seiner Intelligenz entspricht.

(Fortsetzung im nächsten Heft)


Fussnote 1: Jeder von uns, der guten Willens ist, untersteht einer höheren geistigen Führung (Schutzengel und Schutz- bzw. Führungsgeister). Spirituell tätige Medien oder Kreise sollten auf keinen Fall versäumen, Gott um eine starke geistige Führung zu bitten, die "auf der anderen Seite" für Ordnung sorgt. Überhaupt sollte bei derlei Tätigkeiten nichts ohne ernsthaftes Gebet geschehen.
Fussnote 2: Damals verstand man unter "Theosophen" weniger bzw. nicht nur die Anhänger der Russin H.P. BLAVATSKY, sondern vor allem die unter der Bezeichnung "Bietigheimer Theosophen" bekannten Lorberianer, deren Zentrale sich noch heute in Bietigheim befindet.


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Letzte Änderung am 11. August 2000