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Spiritualismus - Erlebnisbericht
Beitrag von Dipl.-Chem. Joachim Winckelmann, erschienen in der Zeitschrift 'Wegbegleiter' Nr. 1/2004, S. 22-27.

Eine Warnung aus dem Jenseits

von Dipl.-Chem. Joachim Winckelmann

Genau so, wie man in den exakten Naturwissenschaften, der Chemie, der Physik oder der Biologie immer wieder Neues durch neue Versuche erfahren kann, ist es auch im Spiritualismus eine 'conditio sine qua non' (Bedingung, ohne die es nicht geht), immer wieder neue Versuche zu unternehmen im Rahmen von 'Sitzungen', in denen, je nach der Veranlagung der Medien, bestimmte Gebiete weiter erforscht werden können. Einen Stillstand kann es hier ebenso wenig geben wie etwa in der Physik oder Chemie. Und wie dort, beweisen ja auch die Ergebnisse, dass wir immer weiter kommen und Neues erleben und erfahren.

Schon ein kurzer Rückblick auf die Phänomenik zeigt, wie sich der Verkehr mit der jenseitigen Welt von primitiven Anfängen heraus entwickelt und gesteigert hat. Anfangs kannte man kaum etwas anderes als die klopfenden Tische, das Tischrücken, das dann im Laufe von etwa 50 Jahren millionenfach geübt wurde. Es ermöglichte eine – wenn auch primitive – Verständigungsmethode mit Jenseitigen, wurde dann aber, des vielen Unfugs wegen, der damit getrieben wurde, mehr berüchtigt als berühmt.

Später lernten die Geister offenbar, sich der Hand oder des Mundes der Medien zu bedienen. Damit war ein grosser Schritt vorwärts getan. Auch andere Phänomene steigerten sich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt, bis hin zur Materialisation ganzer Gestalten, die sich bei vollem Licht zeigten und von lebenden Menschen nicht mehr zu unterscheiden waren. Und schliesslich 'erfanden' die Jenseitigen das Phänomen der 'direkten Stimme', an deren Echtheit schlechthin nun nicht mehr zu zweifeln ist. Man hat geradezu den Eindruck, als ob die Jenseitigen selber das grösste Bestreben hätten, immer wieder neue Methoden zu erfinden, um uns von ihrer Existenz und ihrer Umwelt zu überzeugen.

Es ist nur erstaunlich, dass sich der menschliche Geist immer wieder so weit erniedrigt, diese Bestrebungen in den Schmutz zu ziehen, nur weil sie ihm nicht in den armseligen Kram seiner kümmerlich primitiven Weltanschauung passen.

Eine der eindrucksvollsten Sitzungen, zu der ich durch eine beinahe zwangsvolle Kette von Umständen geradezu gedrängt wurde, war folgende:
Diese Sitzung fand mit dem medialen Max Rautenberg bei unserem beiderseitigen Freund M. in Berlin statt. Sie hat noch eine Vorgeschichte, die weder Rautenberg noch mir bekannt war und die uns von unserem Freunde M. erst später, als Ergänzung des Vorgefallenen, erzählt wurde.

Folgendes hatte sich zugetragen: M. kannte einen Kunsthändler, zu dem er jahrelang in Geschäftsbeziehung stand und der ihm manchen schönen Gegenstand für seine Wohnung geliefert hatte. Der Kunsthändler kam eines Sonntags ganz aufgeregt zu M. und sagte: "Hier bringe ich Ihnen etwas, das müssen Sie haben, das ist für Sie bestimmt. Sehen Sie her!"

Er zeigte M. ein altes Armband mit einem schönen grünen Stein. M. kannte den Händler sehr gut und wusste, dass er ihm bestimmt nicht irgend etwas aufschwatzen wollte, vielleicht um nur schnell ein Geschäft zu machen. Er wunderte sich deshalb sehr über die grosse Bestimmtheit, mit der der Händler ihm das Armband förmlich aufdrängte. Er hatte zur Zeit gar keine Verwendung dafür. Der Händler wurde jedoch immer erregter und erzählte, das Armband gehöre einer Baronin, die er schon lange kannte und immer hätte er es gern von ihr haben wollen, um es ihm zu bringen. Aber sie habe es nicht herausgeben wollen, bis es ihm endlich gelungen sei, sie zur Hergabe zu überreden. Nun aber müsse es M. ihm auch abnehmen.

Da kam meinem Freunde plötzlich ein Gedanke. Eine Nichte von ihm hatte ihr Abitur gemacht und sollte als Belohnung ihn in Berlin besuchen. Ihr wollte er nun das Armband für ihren Fleiss schenken. Er nahm es also, und als kurz darauf die Nichte kam, die noch niemals in Berlin gewesen, gab er ihr das Armband, worüber sie überglücklich war.

Das alles trug sich wenige Tage vor der Sitzung zu, an dem Rautenberg zum letzten Male unser Medium war. Es war an einem Sonntag – meine Frau war verreist – als ich plötzlich das Gefühl hatte, meinen Freund M. aufsuchen zu müssen. Es traf sich damals Sonntagnachmittags in seiner schönen grossen Wohnung immer ein Kreis geistig nach den verschiedensten Richtungen hin interessierter Leute, und man konnte ein paar amüsante und anregende Stunden dort verleben.

Aber der Tag war sehr heiss, so dass ich mein Fortgehen aus meiner kühlen Wohnung immer wieder verschob. Je weiter die Zeit vorschritt, desto stärker wurde der Drang in mir: du musst heute zu M. gehen. Ich kann mich heute noch auf dieses Gefühl, man könnte sagen eines Geschobenwerdens, besinnen. So machte ich mich – es mag gegen 18 Uhr gewesen sein – auf den Weg. Es war eine ganze Anzahl Besucher da, unter ihnen auch Rautenberg. Nach einiger Zeit machte es sich so, dass wir beide etwas zusammen plauderten, einige andere kamen hinzu und bald waren wir wieder bei einem metaphysischen Thema angelangt. Es wurden einige Fragen gestellt, die wir nach Möglichkeit beantworteten. Im Laufe des Gespräches sagte dann plötzlich Rautenberg:

"Ich wollte eigentlich nicht kommen, aber irgend etwas trieb mich förmlich her. Es scheint aber nichts zu bedeuten, denn ich bin schon ein paar Stunden hier und habe nichts Besonderes bemerkt."
"Mir ging es gerade so", konnte ich ihm beipflichten, "aber ich war eben fauler als Sie und bin der Hitze wegen erst jetzt gekommen." So sprachen wir noch hin und her, bis R. in seiner Redeweise immer unruhiger wurde und immer wieder darauf zurückkam, unter einem bestimmten Zwang gekommen zu sein.
"Wissen Sie", sagte ich, "wenn hier jetzt nicht so viele Gäste wären, würde ich vorschlagen, eine kleine Sitzung zu machen. Wir werden dann schon erfahren, ob ein Grund vorlag, dass wir hierher kommen sollten."
"Das ist eine gute Idee", fiel er sofort ein, "das müssen wir unbedingt machen."
"Aber wo und wie?"
"Und mit wem?"

R. dachte einen Augenblick nach. "Ich weiss es: kein anderer soll dabei sein als das junge Mädchen, das heute hier ist." In der Tat war die vorstehend erwähnte Nichte gekommen. Aber ausser einer kurzen Vorstellung hatten wir noch keine Gelegenheit gehabt, mit ihr zu sprechen. Wir nahmen unseren Freund M. beiseite und trugen ihm unsere Bitte vor. Wir kamen ihm natürlich zuerst ziemlich verdreht vor, weil die Situation so gar nicht passte. Aber da er selbst grosses Interesse hatte, willigte er ein. Jetzt musste die Nichte vorbereitet werden. Man denke, sie kam als junges Mädchen zum ersten Mal nach Berlin, hatte so etwas wie diesen Nachmittag mit den vielen Menschen, Gesprächen von tausend verschiedenen Dingen usw. noch nie erlebt und nun wollten zwei ihr gänzlich unbekannte Herren plötzlich mit ihr eine "Sitzung" machen. Es ging natürlich Zeit damit hin, bis wir sie einigermassen aufgeklärt hatten, aber da ihr Onkel einverstanden, war es endlich soweit.

Wir drei gingen in ein kleines unbenutztes Zimmer und schlossen uns dort ein. Die Vorhänge wurden zugezogen und somit die schwache Beleuchtung geschaffen, die R. am liebsten hat, wenn er Sitzungen macht. Es blieb immerhin so hell, dass wir uns alle drei gut erkennen konnten. Zuerst setzten wir uns um einen kleinen Tisch und bildeten eine Kette. Wir wissen, es ist nicht durchaus nötig, aber es gibt zum mindesten einen starken Ausgleich der einzelnen Teilnehmer, die am Anfang noch alle von den verschiedensten Gedanken beeindruckt sind. Die gegenseitige leichte Berührung nimmt auch sehr sensiblen Menschen besonders bei völliger Dunkelheit das Gefühl des Alleinseins oder die Hilflosigkeit irgendwelchen Phänomenen gegenüber. Günstig für das gegenseitige Einschwingen sind eine bestimmte, ruhig abwartende, am besten sogar fröhlich-ernste Grundstimmung, auch Gespräche, die natürlich nicht in laute Dispute ausarten dürfen. Leise Musik wirkt ähnlich, je nach Art und speziellem Wunsch der Medien. Wir hatten wenig von diesen Vorbereitungen nötig. Die verschiedenen Gespräche vorher und der kleine "Schulungskursus" mit der Nichte von M. hatten uns genügend vorbereitet.

Wieder war R. zuerst sehr unruhig, quälte sich, stöhnte, atmete tief. Seine Hände zitterten. Dann lehnte er sich zurück, unsere Hände loslassend. Dabei sprach er dauernd etwas, das wir nicht verstehen konnten. Es waren wohl auch keine richtigen Worte, sondern nur Laute, so, wie wenn jemand eine Geige stimmt, bevor er etwas vortragen will.

Plötzlich ergriff er die Hand des jungen Mädchens, blickte auf das Armband und rief, immer aufgeregter werdend: "Oh, was haben Sie da? – Das ist gut – das ist gut – der Stein gehört seit langem zu Ihnen. So lange Sie ihn tragen, kann Ihnen nichts passieren. Also geben Sie das Armband niemals fort. Hören Sie, niemals dürfen Sie sich von dem Stein trennen!"

Seine Stimme wurde wieder undeutlicher. Allmählich wurde die Stimmlage höher und höher. Man merkte, dass er sich anstrengte. Als er sich noch weiter zurücklehnte, fiel ein hellerer Lichtstrahl auf sein Gesicht, so dass wir es deutlich sehen konnten. Plötzlich rief das junge Mädchen laut und voll Erschrecken: "Was ist das? Das ist ja gar nicht Herr Rautenberg! Was ist denn mit seinem Gesicht? O Gott, er sieht ja aus wie meine Grossmutter!" Wirklich waren seine Züge völlig andere geworden. (1)
"Mein liebes, liebes Kind", sagte sie, "wie froh bin ich, dass ich Dich sehe und mit Dir sprechen kann – Dir droht eine grosse Gefahr – hüte Dich – hüte Dich – was will der Mann von Dir?"
"Welcher Mann? Drücke Dich deutlicher aus."
"Der Mann – o, er hat eine verletzte Hand – drei Finger fehlen ihm!"
"Mein Gott", rief das Mädchen in höchster Erregung, "das ist mein Chef!"
"Hüte Dich vor ihm – er hat Böses mit Dir vor."
"Hilf mir doch, sage mir, was er will."
"Du darfst die Kasse nicht nehmen! Wenn Du zurückkommst, wird er Dir die Kasse übergeben. Du darfst sie nicht nehmen, wenn Du allein mit ihm bist. Verstehst Du – nicht nehmen – nicht allein nehmen!"
"Ja, ja, ich verstehe."
"Willst Du bestimmt tun, was ich Dir sage?"
"Ja, ja, Grossmutter!"
"Dann ist alles gut, dann wird alles gut werden. Aber hüte Dich – hüte Dich!"

Dieses "hüte dich" war so erregt in qualvoller Angst hervorgestossen, dass ich es heute noch deutlich höre, wenn ich an diese dramatische Szene denke.
Die Stimme wurde leiser und leiser. R. sank völlig ermattet auf das Sofa, auf dem er gesessen hatte. Das junge Mädchen war sehr erregt. Sie rief: "O, da oben, seht doch, seht, da ist sie ja wieder."

Wirklich sah ich über dem Medium in einiger Höhe eine helle Wolke mit einem deutlichen Gesicht darin. – Dann verschwand alles. – Wir zogen die Vorhänge zurück und das milde Licht des Abends leuchtete in das Zimmer. Wir öffneten die Fenster und freuten uns über die kühle, frische Luft, die zu uns hereindrang.

Dann erzählten wir R., der sich langsam erholte, das Vorgefallene, von dem er nichts wusste. Wir klärten auch das junge Mädchen weiter auf, denn sie konnte sich gar nicht darüber beruhigen, dass das Medium etwas gesagt hatte über ihre Verhältnisse, von denen es doch keine Ahnung hatte. Denn alles stimmte genau. Nach dem Abitur hatte sie eine Stellung angenommen, was wir nicht wussten. Ihr Chef hatte tatsächlich die Verletzung an der Hand und wollte längere Zeit verreisen, aber sie wusste noch nicht, dass er die Absicht hatte, ihr die Kasse zu übergeben. Wie konnte R. das alles wissen? Oder war es wirklich ihre Grossmutter? Sie hatte sie doch deutlich gesehen. Konnte es denn so etwas geben in dieser Welt? So sprachen wir hin und her und erzählten ihr noch manches, bis sie schliesslich ganz beruhigt war. Wir nahmen ihr das Versprechen ab, sich unbedingt nach dem zu richten, was heute gesagt worden war. Sie versprach es uns, selbst wenn sie ihre Stellung dabei verlieren sollte. Wir wollten allen gegenüber, mit Ausnahme von unserem Gastgeber, strengstes Schweigen bewahren. Nach etwa 14 Tagen fuhr sie fort, ohne dass wir sie noch einmal gesehen hatten.

Einige Wochen später schrieb sie einen langen Brief an ihren Onkel. Alles hatte sich genau so zugetragen, wie es die Grossmutter gesagt hatte. Ihr Chef hatte sie beiseite genommen und ihr die Kasse übergeben wollen. Sie hatte darauf bestanden, dass ein Dritter hinzugezogen würde. Der Chef war sehr böse geworden, aber es gelang ihr irgendwie, ihren Willen durchzusetzen. In der Kasse hatte eine grössere Summe gefehlt, die in der Abrechnung angegeben war. Sie wäre später als Diebin hingestellt worden und hätte keinen Beweis für ihre Unschuld gehabt.

Welch ein Gefüge von 'Weisungen' müsste an uns ergehen und von uns erfüllt werden, damit – animistisch gedeutet – alles den Verlauf nahm, der hier geschildert wurde. Oder es müssten ein paar Dutzend 'Zufälle' sich programmgemäss aneinandergereiht haben, was ebenfalls nicht möglich war, da es dann keine 'Zufälle' mehr wären!

Das junge Mädchen musste nach Berlin kommen zu einer Zeit, in der Rautenberg und ich öfters Gäste bei ihrem Onkel waren. Wir mussten uns beide an den betreffenden Tagen dort treffen, was, wie erwähnt, nur unter einem ziemlich starken unterbewussten Zwang erreicht wurde. Die Gespräche mussten die richtige Wendung nehmen, was auch nicht ohne weiteres gegeben war, da mindestens 20 Gäste anwesend waren. Der ganze Ablauf hätte durch zahlreiche Kleinigkeiten auf ein ganz anderes Gleis geschoben werden können. Aber es kam eben alles so, wie es kommen musste.

Und wie wunderbar war doch die Wanderung des Steines zu ihr: Zur 'rechten Zeit' entschloss sich die frühere Besitzerin, ihn fortzugeben. Sie gab ihn dem einzig richtigen Mittler, jenem Händler, der ihn zu M. brachte. Dieser schenkte ihn seiner Nichte, die den Stein bis heute getragen hat in dem unzerstörbaren Gefühl, dass dieser Stein vielleicht irgendwie zu ihr gehört und sie tatsächlich wie ein Talisman beschützt.


Fussnoten

(1) Transfiguration: Zumeist im Tieftrancezustand besitzen manche Medien die Fähigkeit, vorübergehend die Gesichtszüge eines Jenseitigen anzunehmen (vgl. Passian, "Neues Licht auf alte Wunder", Reichl-Verlag, S. 193 f).


[ Anm.d.Erf.: Einige Textpassagen wurden von der Gegenwartsform in die Vergangenheitsform geändert. ]


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"Letzte Änderung dieser Seite am 10. Juni 2014"