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Psychologie - Erfahrungsbericht

Erfahrungsbericht einer Wegbegleiter-Leserin, erschienen in der Zeitschrift 'Wegbegleiter' Nr. 3/2001, S. 96-98.
Anmerkungen des Erfassers stehen in [ ]-Klammern.

Ein lebensverändernder Unfall

Zunächst möchte ich mich für das Interesse bedanken, meine Erlebnisse als Leserbrief zu veröffentlichen.
Ich bin heute ein glücklicher Mensch. Ich weiss jetzt endlich, wie sich wirkliches Glück anfühlt. Und dieses Gefühl habe ich heute tagtäglich im Herzen, und nicht nur wenn ich mich bei einem ganz bestimmten Anlass glücklich fühlen sollte. Heute bin ich reich, nicht an Geld, sondern an Wissen. Wissen ist, Erklärungen zu haben. Nicht mehr im Ungewissen zu leben bedeutet für mich, reich zu sein oder einfach: glücklich sein.
Mein halbes Leben habe ich damit verbracht, so zu leben, wie ich glaubte, wie man leben muss, wie alle leben, wie es sich gehört, wie die anderen es erwarten und wie das Leben nun mal so ist. Pflichterfüllung. Ärger zeigen, unzufrieden sein, damit man interessant ist. Nur nicht glücklich sein, da könnten ja andere denken, mir würde es gut gehen. Dieser Eindruck darf nicht entstehen, denn Menschen, die glücklich sind, brauchen keine Hilfe, sind langweilig, da passiert ja nichts, da kann man sich ja über gar nichts aufregen. Da fehlt das nötige Adrenalin, damit man spürt, dass man lebt, zwar negativ, aber immerhin. Wenn man das Glück nicht sehen will, kann man es auch nicht finden und für sich in Anspruch nehmen.
Ich fand mein Glück nicht, solange ich nicht wusste, dass ich es suchte.
Andere, andere, immer das gleiche, immer anderen entsprechen, am besten abschauen, wie die es machen. Ich habe immer nur abgeschaut, weil ich mir selber gar nichts zugetraut habe. Ich wollte immer so sein wie andere. Nur tief im Innern nicht. Tief im Innern wollte ich ein besonderer, guter Mensch sein. Habe aber aufgrund meines mangelnden Selbstwertgefühls und meiner erdachten Schlechtigkeit immer geglaubt, es nicht sein zu können, und mich damit zufrieden gegeben, ein Mensch zu sein, der so sein muss wie andere. Kann das jemand verstehen?! Ich nicht mehr.
Gleichzeitig war ich natürlich immer damit beschäftigt zu kontrollieren, ob auch andere richtig über mich dachten. Dazu musste ich natürlich ständig den richtigen Eindruck vermitteln. Und das ist anstrengend, wenn ich unter permanenter Anstrengung die totale Kontrolle über mich, meine Gedanken und über die Gedanken der anderen haben wollte. Jeder Satz und jede Ausrede war vorher genau durchdacht. Und in Ausreden war ich nie verlegen. Das musste ja auch so sein. Jeder Ansatz, schlecht über mich zu denken, musste im Keim erstickt werden. Und diese Anstrengung sah man mir auch an. Mein Gesicht ewig streng prüfend, jedes Lächeln wirkte eher wie ein Grinsen, meine Launen sehr schwankend. Aber all das merkte ich selber gar nicht. Es war normal für mich.
Und dann mein Anstoss (Überschlag), mein Leben zu verändern:
Ich hatte am 16.07.1994 einen schweren Autounfall. Ich war inzwischen bereits 36 Jahre alt, verheiratet und Mutter einer 16-jährigen Tochter. Hatte gerade meine Ausbildung als Fortbildung vom Arbeitsamt abgeschlossen und eine Ganztagsstelle als kfm. Angestellte [gefunden]. Mein Mann und ich hatten bereits unser zweites Haus renoviert, und das Leben bestand eigentlich nur aus arbeiten und bezahlen. Ich hatte immer das innere Gefühl, für alles verantwortlich zu sein und die Last des Lebens ertragen zu müssen.
Aber der erwähnte Verkehrsunfall veränderte mein ganzes Leben grundlegend. Eine Radfahrerin nahm mir die Vorfahrt. Auf einer Landstrasse mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h, die wir auch fuhren, sahen wir schon von Ferne eine Radfahrerin an der Einmündung anhalten. Bis wir sie erreichten, setzte sie jedoch zur Fahrt an. Sie hatte uns gar nicht wahrgenommen. Wahrscheinlich wurde sie von der Sonne geblendet, die wir im Rücken hatten. Beim Ausweichen geriet der Wagen derart ins Schleudern, dass er ausbrach und dem Gegenverkehr in die Quere kam und sich nach dem Aufprall überschlug. Bei dem Aufprall handelte es sich um einen zweifachen Aufprall. Erstens steuerte ich den Wagen auf einen Randhügel, weil ich dem Gegenverkehr nicht frontal begegnen wollte, und zweitens der Aufprall des uns entgegenkommenden Fahrzeugs, welches uns an der rechten Hinterradachse noch erwischte. Der damalige Freund meiner Tochter wurde samt Verdeck aus meinem Jeep heraus katapultiert, er wurde schwer verletzt und musste sofort mit einem Hubschrauber ins Spezialkrankenhaus gebracht werden, nachdem man ihn in ein künstliches Koma gelegt hatte. Die beiden Fahrerinnen des auf uns zukommenden Wagens wurden zum Glück nur leicht verletzt, meine Tochter Lisa und ich waren ebenfalls nur leicht verletzt. Der damalige Freund meiner Tochter, Karsten, hat sehr lange unter den Folgen der Verletzungen gelitten. Er war nicht angeschnallt, weil er gerade wegen einer Blinddarmentzündung operiert worden war.
Ich wollte die beiden ins Kino fahren. Sie hatten den ganzen Tag Lisas Zimmer tapeziert und gestrichen. Damit sie sich noch ein wenig erfreuen konnten, wollte ich es ihnen ersparen, noch stundenlang auf den Bus zu warten. Vielleicht wäre der Bus die richtige Entscheidung gewesen? Doch ich glaube, es sollte so kommen. Karsten hatte mir noch im Garten, beim Essen, erzählt, dass er schon einige Unfälle hatte, dass er annehme, er würde Unfälle anziehen. Er hatte den eigentlichen Wunsch, mit dem Bus zu fahren. Meine Tochter und ich überzeugten ihn noch, dass sie wahrscheinlich den nächsten Bus schon längst verpasst hätten und nun lange auf den nächsten warten müssten. Weil wir so abgelegen wohnen, haben wir leider dieses Problem. Karsten willigte ein, obwohl er wahrscheinlich schon eine Vorahnung hatte.
Während des Überschlags lief der bekannte Lebensfilm vor meinem inneren Auge ab, der mich innerlich schreien liess: „NEIN“, das soll alles gewesen sein!? Meinem inneren Auge wurde gezeigt, wie ich bisher gelebt hatte – mit einer Emotion noch nie richtig glücklich gewesen zu sein. Alle Bilder schienen mir so verkrampft. Alles habe ich nur über mich ergehen lassen. Ich hatte es bisher nicht fertig gebracht, vom Innern heraus glücklich zu sein. Alles, was bisher geschehen war, musste alles sein. Aber nichts wollte ich davon so haben, wie es war. Das Auto drehte sich wie in Zeitlupe. Und dann, nachdem der Wagen liegen blieb, einen schnellen Blick auf Lisa gerichtet, die da lag, als hätte sie das Genick gebrochen. Ich schrie unaufhörlich ihren Namen, wie von Sinnen. Dann mein Blick nach hinten. Hinten sass niemand mehr. Karsten war weg. Er konnte sich doch nicht einfach in Luft aufgelöst haben. Wir waren auf der Beifahrerseite zum Liegen gekommen. Ich hing in dem Gurt fest. Durch mein eigenes Gewicht, welches den Gurt weiterhin anspannte, konnte ich ihn nicht sofort öffnen. Mein ganzes bisheriges Leben erschien mir so sinnlos wie noch nie. Ich schrie immer noch, bis ich fast keine Luft mehr bekam. „Lisa, Karsten!“ Auf einmal hörte ich die Stimme meiner Tochter. „Mama, Mama, hier, Mama.“ Ich kam langsam zu mir, hörte auf zu schreien. Jetzt sah ich, wie sie sich bewegte. Wir redeten durcheinander. „Wo ist Karsten“, schrie meine Tochter. Wir kamen weiter zur Besinnung. Er musste hinaus geschleudert worden sein. „Mama, wenn er tot ist.“ Wir versuchten uns so schnell wie möglich aus den Gurten, aus dem Wagen zu befreien.
Alles kam mir immer noch so unwirklich vor. Meine inneren Bilder liessen mich nicht mehr los. Ein Gefühl der Traurigkeit überkam mich. Warum hatte diese Radfahrerin uns nicht gesehen? Was hatte ich bisher aus meinem Leben gemacht? Wurde sie so stark von der Sonne geblendet? Was hatte ich falsch gemacht? Wo war Karsten?! Konnte ich denn mein Leben selbst in die Hand nehmen? Was war der Sinn unseres Lebens? Wo war Karsten?! Warum musste uns das passieren? Er hatte ja gesagt, er ziehe Unfälle an. Was hatte ich falsch gemacht? Diese Fragen beschäftigten mich seitdem ständig.
Eine Stimme riss mich aus meinen Gedanken: „Sind sie in Ordnung? Nein, ich meine ja, es geht schon. Eine junge Frau war an den Wagen getreten. Sie sah ängstlich in das Auto. Wahrscheinlich hatte sie Angst, Schwerverletzte zu sehen. Sie half uns, den Wagen zu verlassen. Meine Tochter wurde sofort von ihr in die Arme genommen und an den Strassenrand gelegt. Ich war sehr wackelig auf den Beinen. Die junge Frau wollte mich ebenfalls stützend an den Strassenrand bringen. Ich schob sie etwas beiseite. Es geht schon wieder. Ich muss sehen wo Karsten ist. Wo ist die Radfahrerin? Nein, das konnte nicht sein. Waren sie etwa tot? Die Polizisten kamen auf mich zu. Wie ist das passiert? Ich weiss es nicht. Da war eine Radfahrerin, die wollte ... Hier ist aber keine Radfahrerin, sagte der Polizist. Welche Radfahrerin? Wie, welche Radfahrerin? Sie muss doch da sein. Habe ich sie denn doch noch getroffen? Der Polizist war sprachlos. Es ist aber auch kein Fahrrad zu sehen. Vielleicht haben sie sich die Radfahrerin nur eingebildet, meinte er. Ich wusste aber genau, dass sie da war. Wir vermuteten dann, sie sei ebenfalls hoch und über die Strasse auf das angrenzende, höher gelegene Grundstück geschleudert worden. War sie aber nicht. Nach etwa einer halben Stunde kam sie dann an den Unfallort zurück. Sie war vor lauter Angst schnell nach Hause gefahren, um mit ihrem Mann zu sprechen. Dieser schickte sie dann wieder zurück. Die Frau war Haftpflicht versichert, und so bekamen wir den finanziellen Schaden bezahlt. Aber alles in allem war es schlimm genug. Besonders für Karsten.
Ich habe durch diesen Unfall einen Denkzettel bekommen und erkannt, dass mein Leben bisher an mir vorbei gelaufen war und ich gar nicht gemerkt hatte, dass es mir gehört und ich etwas Besseres damit anfangen könnte, nur was? Ich wusste noch nicht was, und wusste noch nicht, was ich ändern könnte oder müsste, und wusste doch: „ALLES“.
Ich überlegte, wie ich mehr Freude in unser Leben bringen könnte. Erst einmal lachten mich alle aus, als ich anfing, Vollwertküche zu kochen. Es machte mir solch eine Freude, alleine schon das Zusammenstellen der Speisen. Das Einkaufen der ungewohnten Zutaten, das aufwendige Decken des Tisches. Mein Mann und meine Tochter waren aber gar nicht begeistert. Es kam zum Protest. Wir bekamen wieder Streit, wie immer. Wir hatten eine Art, uns in Hitze zu reden, dass es meistens in Streit endete. Ich wusste nicht, wie ich etwas verändern sollte, wo doch andere Menschen mit beteiligt waren, die sich ja schliesslich auch wohl fühlen sollten.
Ich schaltete auf stur und kaufte mir Bücher über positives Denken. Wenn ich so leben würde, dann würde ich bald alleine sein. Dort standen Sätze wie: Behandle deine Mitmenschen, wie du selbst behandelt werden möchtest; alles, was passiert, ist vorherbestimmt; wie innen so aussen. – Sollen die mich doch erst so behandeln, wie sie behandelt werden wollen! Nein, so kam ich nicht weiter. Ich las und las. Aber ich konnte es gar nicht verstehen. Mein Denken war viel zu eingeschränkt
Dann kam der Tag, an dem meine Tochter auszog. Einfach so. Lisa wurde achtzehn und zog aus. Für mich brach jetzt der letzte Rest Leben zusammen. Ich brauchte Hilfe von aussen. Ich ging zu Profamilia. Dort war dann genau die richtige Therapeutin zur rechten Zeit. Sie machte mir begreiflich, was ich falsch gemacht hatte. Nämlich, dass ich viel zu streng an Prinzipien festhielt, die ihrer Ansicht nach längst überholt waren, und dass ich versucht hatte, meine Tochter mit Gewalt zu einem Menschen zu machen, wie ich sie haben wollte, was sie jedoch nie sein konnte. Ich ging zwar nach Hause wie bestraft. Aber ich sah ein, dass sie Recht hatte.
Ich beschäftige mich seitdem mit esoterischer Psychologie. Besuchte Rückführungskurse und ging in einige frühere Leben. Ich las ein Buch nach dem anderen. Mit dem Ergebnis, dass ich heute definitiv sagen kann, dass alles, was uns passiert, berechnet ist, und dass es ein Leben nach dem Tode gibt. Dass es uns vergönnt ist, hier auf Erden so oft zu inkarnieren, wie wir möchten, um das zu lernen, was uns weiter bringt, reifer macht. Wir haben immer zwei Wege offen, die wiederum immer in zwei Richtungen führen. Wir haben die Möglichkeit, mit freiem Willen zu entscheiden, in welche Richtung wir gehen möchten. Und für jede gewählte Richtung liegt bereits das Schicksal fest. Es kommt nur auf uns an, wie oft wir Umwege einschlagen, um zum Ziel zu kommen. Zu dem Ziel, wo wir alle hin wollen, wo wir uns geborgen, geliebt und angenommen, zu Hause fühlen können. Dieses Ziel, die höchste Stätte im Universum, der schönste Aufenthaltsort, den man sich nur vorstellen kann. Wenn ich aber zu oft die gleichen Umwege nehme oder dauernd im Kreis laufe, kann es dann natürlich auch mal geschehen, dass eine Weiche verstellt wird oder mir eine Fahrradfahrerin im Weg steht, damit ich anhalten muss, meine Landkarte ziehen muss und meine Route neu überdenken muss.
Und ich glaube fest daran, dass dies bei mir geschehen ist. Mit diesem unglücklichen Leben musste ich Schluss machen und einen neuen Weg einschlagen. Und ich habe es geschafft. Meine Familie und ich leben heute in harmonischem Einklang. Ich bin heute 42 Jahre und überglückliche Oma einer einjährigen Enkelin.
Meine Tochter versucht ebenfalls, ihre Tochter so zu formen, wie sie es für richtig hält, und das ist ja auch in Ordnung. Aber ich möchte sie so annehmen, wie sie wirklich sind. Wie ich heute jeden Menschen annehme, wie er wirklich ist. Weil ich mich jetzt selbst so annehmen kann, wie ich wirklich sein möchte und dann auch bin. Ich habe das Recht darauf, so zu werden, wie ich sein will. Und andere Menschen haben das ebenso. Für diese Erkenntnis bin ich meinem Schöpfer so unsagbar dankbar. Und für die kleine Korrektur meiner Lebensroute ebenso.

[ Eine Wegbegleiter-Leserin ]


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"Letzte Änderung dieser Seite am 10. Juni 2014"