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Grenzwissenschaften - Parapsychologie
(Anm.d.Erf.: Der Artikel von Prof. Dr. Peter Hohenwarter stammt ursprünglich aus: 'Das Geistige Reich', Nr. 7/8 1958, S. 179-181 und ist wiedergegeben in der Zeitschrift "Wegbegleiter" vom Juli 1997, Nr. 4, II. Jahrgang, S. 182 ff.
Anmerkungen des Erfassers stehen in []-Klammern.)

Über die Bedeutung der Parapsychologie

In der Tat ist es etwas ungemein Eindrucksvolles, wenn man, wie wir, in den Sitzungen bei Frau Silbert oder gar bei dem Dänen Einar Nielsen oftmals das Erscheinen von Phantomgestalten beobachten konnte. Beachtet man, dass diese äusserst seltenen Materialisationsphänomene in einen zweckbestimmten, geistigen Rahmen eingespannt sind, dann versteht man, dass Driesch mit der spiritistischen Erklärungstheorie des amerikanischen Psychologen William James (1910) sympathisierte und schrieb:
"Die Frage des Überlebens der Person bleibt nun einmal das Hauptproblem aller Wissenschaft, mögen auch unsere offiziellen Philosophen und Psychologen fast alle einen weiten Bogen um sie machen und tun, als ob sie [ die Frage ] überhaupt nicht sehen."
Die grosse Bedeutung der Parapsychologie erkannte schon Schopenhauer: "Die in Rede stehenden Phänomene aber sind, wenigstens vom philosophischen Standpunkt aus, unter allen Tatsachen, welche die gesamte Erfahrung uns darbietet, ohne allen Vergleich die wichtigsten; daher sich mit ihnen gründlich vertraut zu machen, die Pflicht eines jeden Gelehrten ist."
Der Münchner Mediziner Rudolf Tischner hat eine wertvolle "Einführung in die Parapsychologie" unter dem Haupttitel: "Ergebnisse okkulter Forschung" geschrieben (1950). Der gesund-kritische und sorgfältige Forscher schliesst sein Werk, indem er auf die physischen und parapsychischen Erscheinungen zurückblickt: "Beide Erscheinungsgruppen hängen eng miteinander zusammen und sprechen in entscheidender Weise gegen die materialistische und naturalistische Weltauffassung, die beide etwas Seelisches als ein dem Materiellen gegenüber mehr oder weniger Selbständiges nicht kennen. Kein Wissenschaftsgebiet hat einen solch anregenden Wert für Philosophie und Weltanschauung wie die Parapsychologie; sowohl die Erkenntnistheorie wie die Psychologie und die Naturphilosophie, als auch die Religionsphilosophie und Ethik sowie schliesslich die Metaphysik haben viel von ihr zu erwarten. Ein ganzer aus dem Ozean des Nichtwissens aufsteigender Erdteil wartet auf seine Erforschung." Schon früher schreibt Tischner: "Als erstes stellt die Parapsychologie einen neuen grossen Flügel am Gebäude der Psychologie mit vielen neuen Einsichten und Fragen dar." Trotzdem muss auch er klagen: "Man schläft noch immer in Deutschland, obwohl mittlerweile die Forschung, zumal in den USA, stark aufgeblüht ist, und Dutzende von Forschern mit grossem Erfolg auf diesem Gebiet arbeiten. Bei uns aber fällt man darüber noch ahnungs- und verantwortungslose Urteile." (Auch heute noch! Anm.d.red.)
Und wir?
"Auf katholischer Seite schenkt man diesen Fragen jedoch mehr Aufmerksamkeit. Tritt doch deren Bedeutung auf dem Gebiete der katholischen Theologie (Dogmatik und Moral), und nicht zuletzt der christlichen Philosophie ... immer mehr hervor", so schreibt P. Gatterer in seinem hochbedeutsamen Okkultismusbuch. Wir müssen P. Gatterer sehr dankbar sein, dass er sich mit dem Okkultismusproblem theoretisch und praktisch beschäftigt hat. Hören wir den kundigen Führer durch das leider auch vielen Priestern noch fast unbekannte Gebiet in seiner "Zusammenfassung": Die Tatsachenfrage des physikalischen Mediumismus ist wahrlich kein einfaches, sondern im Gegenteil ein sehr schwieriges und kompliziertes Problem. Das unbestimmt Schalkhafte, Verschwommene der okkulten Phänomene erschwert auch bedeutend ihre streng wissenschaftliche Feststellung. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der berichteten Erscheinungen trägt ... nicht den Charakter der Echtheit, beruht oft auf unexakter Beobachtung oder auf bewusster, respektive unbewusster Täuschung von Seiten der Medien.
Ein weiterer Teil entzieht sich, wenigstens heute, einer definitiven wissenschaftlichen Beurteilung und fällt unter die Kategorie des "Non liquet". Der Rest - er scheint meines Erachtens nicht gerade klein zu sein - begreift endlich jene Phänomene in sich [ beinhaltet endlich jene Phänomene ], die den gerechten Forderungen wissenschaftlicher Kritik standhalten, und ist daher als echt anzusprechen [ anzusehen ]. Auch hier noch von wirklichem oder wahrscheinlichem Betrug zu sprechen, tut den Tatsachen Gewalt an und verrät modernen, ungesunden Hyperkritizismus. Ausserkirchliche Vertreter einer solchen Geistesrichtung sind verständlich, sonderbarer berühren solche aus dem katholischen Lager. Ob sich solche kritikbeflissene Katholiken nicht mit ihren eigenen Waffen schlagen?
Man könnte fast auf solche Gedanken kommen. Denn wenn sie solche übermässigen, durch keine Beobachtung zu befriedigenden Anforderungen an die wissenschaftliche Feststellung okkulter Erscheinungen erheben, wie werden sie die historische und philosophische Sicherheit der christlichen Offenbarungswunder wirksam verteidigen können? (vgl. hierzu auch: Rudolf Passian, Neues Licht auf alte Wunder, Reichl-Verlag, D - 56329 St. Goar.) Ich wäre mit einer Antwort in Verlegenheit, denn dieselbe Hyperkritik wird mit jedem übernatürlichen Ereignis aufräumen. P. Gatterers mahnende Worte sind auch heute noch aktuell, denn man glaubt, dem Reiche Gottes einen Dienst zu tun, wenn man möglichst alles leugnet oder masslos die Schädigungen übertreibt.
Gatterer schliesst sich übrigens seinem englischen Mitbruder Herbert Thurston S.J. [ vermutlich senior ] an, der einmal in einem Brief an ihn schrieb: "Meiner Ansicht nach ist die Meinung, alle physikalischen Phänomene seien der Betrügerei zuzuschreiben, sowohl unwahr als auch der gesunden Apologetik gefährlich." H. Thurston hat auch ein interessantes Buch über "Ghosts und Polterghosts" geschrieben, das 1955 ins Deutsche übersetzt wurde (Räber, Luzern). Das wertvolle Vorwort verfasste der Schweizer Philosophieprofessor Pater Dr. Gebhard Frei (Bruder-Klausen-Seminar, Beckenried). Ich kann es mir nicht versagen, eine humorvolle Stelle zu zitieren: "Gewiss, nicht alles ist für alle gut. Wer mit den Nerven zu tun hat, wer seelisch nicht ganz im Gleichgewicht ist, wessen Phantasie so wenig nüchtern ist, dass sie ihm bei jedem Strauch im Herbstabend etwas Unheimliches vorgaukelte und ihn wegen jedes knarrenden Fensterladens nicht schlafen lässt, lasse doch um seines eigenen Wohles willen die Hand von einem solchen Buch.
Wer aber möglichst umfassend die Frage stellt, was es denn eigentlich auf der Welt gibt, welch verschiedene Seiten die Wirklichkeit hat, ob über das Leben nach dem Tode etwas aus der Erfahrung ausgesagt werden kann oder nicht, der kann an den Phänomenen des Spuks nicht vorbeigehen ... Man müsste eine Beschäftigung der Gebildeten, besonders der Seelsorger, mit einem Werk wie demjenigen von Thurston begrüssen."
P. Gatterer bucht [ sieht ] als Hauptergebnis seiner sorgfältigen Untersuchungen:
"Die Welt das Okkulten lässt sich ungezwungen in das christliche Weltbild einreihen, und ein einigermassen tiefes und befriedigendes Verständnis der Jahrtausende alten Rätsel scheint nur auf dem Boden der christlichen Weltanschauung möglich." - Das grosse Gebiet der okkulten Erscheinungen nötigt die christliche Philosophie in keinem wesentlichen Punkt zu einer grundlegenden Korrektur. Sie ist vielmehr auch an diesem Tatsachenbericht emporgewachsen und gross geworden. -
Was die Erlaubtheit der Beschäftigung mit dem Okkulten betrifft, meint P. Gatterer: "Wird die Bedingung (dass nämlich jedes vorwitzige, gefährliche und zwecklose Spiel mit transzendenten geistigen Wesenheiten unterbleibt) erfüllt, so hat die kirchliche Wissenschaft sicherlich nichts gegen einen derartigen wissenschaftlichen Okkultismus einzuwenden, ja, es dürfte wohl ganz ihrem Wunsch entsprechen, dass derartige Untersuchungen auch von gewissenhaften katholischen Fachgelehrten ausgeführt werden, da es auf die Dauer traurig und gefährlich wäre, das ganze Feld dem antichristlichen Okkultismus zu überlassen."

Prof. Dr. Peter Hohenwarter in:
Das Geistige Reich, Nr. 7/8 1958, S.179-181


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Letzte Änderung am 25. Juli 2000