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Naturwissenschaften - Parapsychologie
(Anm.d.Erf.: Der Artikel stammt von Prof. Dr. W. Schiebeler aus der Zeitschrift "Wegbegleiter" vom Januar 1996, Nr. 1, I. Jahrgang, S. 17 ff. und vom März 1996, Nr. 2, S. 51 ff)
Anmerkungen des Erfassers stehen in []-Klammern.)

Parapsychologische Probleme, physikalische Forschungsmethoden und Forschungsergebnisse

- Das Ziel einer physikalischen Erforschung parapsychologischer Phänomene -

red. - Der folgende, umfassende Beitrag unseres lieben Mitarbeiters Prof. Dr. Werner Schiebeler stellt eine sehr gute Einführung in die Parapsychologie dar, die für das Verständnis der Parapsychologie als Wissenschaft dringend zu empfehlen ist. Alle nicht unbedingt notwendigen mathematische Formeln wurden gekürzt, um eine unnötige Belastung oder gar Abschreckung einiger Leser zu vermeiden. [Der Beitrag wird in zwei Teilen abgedruckt.]

ÜBERBLICK: Die Physik war die Grundwissenschaft der unbelebten Natur. Physiker beobachteten Vorgänge aber nicht nur in Bezug auf die Art ihres Ablaufes, sondern sie stellten vor allen Dingen Messungen an und versuchten die Messergebnisse mathematisch darzustellen.
Heute wird die Physik in zunehmendem Masse auch zur Grundwissenschaft der belebten Natur. Der folgende Aufsatz soll aufzeigen, dass die Physik in entsprechend erweiterter Form obendrein wahrscheinlich auch einmal die Grundwissenschaft der Parapsychologie werden wird.
In diesem Zusammenhang wird die Bildung von Theorien und Hypothesen in Physik und Parapsychologie erörtert und dabei die "Beweisfrage" in beiden Gebieten angeschnitten. Insbesondere wird die "Beweisbarkeit" oder "Unbeweisbarkeit" der sog. spiritistischen Hypothese in der Parapsychologie untersucht.

1. Qualitative (Fussnote 1) Untersuchung physikalischer Phänomene der Parapsychologie

Als vor rund 150 Jahren Ereignisse, die wir heute der Parapsychologie zuordnen, einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurden, erregten sie sehr bald weltweites Interesse, und man versuchte auch, sie in gewissem Rahmen mit wissenschaftlichen Methoden zu untersuchen und zu deuten.
Da die Wörter Wissenschaft und wissenschaftlich häufig gebraucht werden, ist es wichtig zu sagen, was sie eigentlich bedeuten:
Unter Wissenschaft und wissenschaftlich versteht man objektives, wertfreies Sichten und, soweit möglich, Verstehen der Erscheinungen unserer Welt. Eine Wissenschaft ist ein geordnetes, folgerichtig aufgebautes, in sich zusammenhängendes Gebiet von Erkenntnissen. Jede Wissenschaft enthält durch Erfahrung oder Denken gesicherte Erkenntnisse (Tatsachen, Sachverhalte), die durch Theorien oder Hypothesen miteinander verknüpft werden. Nach diesen Gesichtspunkten versuchte man auch parapsychologische Erscheinungen zu erforschen und die neuen Sachverhalte in die bestehenden Wissensgebiete einzuordnen.
Unter den im vorigen Jahrhundert bekannt gewordenen parapsychologischen Phänomenen waren wieder die von ganz besonderem Interesse, die sich in physikalischen Erscheinungen äusserten, ohne dass man jedoch ihre physikalische Ursache angeben konnte. Es handelte sich dabei um das Auftreten von Kräften, Bewegungen von Körpern, Auflösung und Bildung von Materie, den sog. Materialisationen.
Diese Vorgänge lassen sich bis heute nicht in das Lehrgebäude und in die bislang bekannten Gesetzmässigkeiten der Physik einordnen. Die Kausalkette ist nicht lückenlos erkennbar. Man spricht von Parapsychophysik oder kurz Paraphysik.
Eine Reihe von bedeutenden Naturwissenschaftlern befasste sich mit den Phänomenen. Um nur einige Namen zu nennen: Crookes, Lodge, Richet, Zöllner, Fechner usw. Crookes studierte u. a. sehr gründlich telekinetische Vorgänge und Materialisationen. Z. B. hatte er das Glück, über lange Zeit unter sehr günstigen Umständen Vollmaterialisationen in grosser Anzahl beobachten zu können. Lodge widmete sich dagegen u. a. der Frage des Weiterlebens nach dem Tode. Richet wiederum experimentierte hauptsächlich mit physikalischen Medien. Zöllner hatte sich auf die Untersuchung von Vorgängen spezialisiert, bei denen Gegenstände in verschlossene Behältnisse hinein oder aus ihnen heraus transportiert wurden oder geschlossene Bindfadenschlingen mit Knoten versehen wurden.

2. Quantitative (Fussnote 2) Untersuchung parapsychophysikalischer Phänomene

Wenn man diese zunächst nur quantitativ beobachteten parapsychophysikalischen Erscheinungen in das Lehrgebäude der Physik einordnen will, muss man bedenken, dass die Physik die Lehre von den Naturvorgängen ist, die der experimentellen Erforschung, der messenden Erfahrung und der mathematischen Darstellung zugänglich sind. Ihre Aufgabe ist es, wie es Kepler, der berühmte Astronom und Mitbegründer der neuzeitlichen Naturwissenschaften, einmal formuliert hat: "Von den Erscheinungen des Seins zu den Ursachen des Seins zu gelangen (Fussnote 3)." Das heisst vor jeder tieferen Erkenntnis steht zuerst einmal die Messung.
Messungen wurden bei paraphysikalischen Versuchen in vereinzelten Fällen vorgenommen. So experimentierte Prof. Crookes 1869 - 1872 mit dem schottischen Medium Home. Dieser konnte u. a. auf Gegenstände oder Apparaturen ohne direkte körperliche Berührung mechanische Kräfte ausüben. Wir nennen diesen Vorgang heute Psychokinese, zu deutsch etwa Bewegung durch den Geist. Dabei ist aber nicht ohne weiteres anzugeben, in welcher Weise Home dabei in Aktion trat, also ob er beispielsweise nur ein Vermittler oder Übertrager von Kräften war oder in welcher Weise die Kraftübertragung überhaupt zustande kam.
Home vermochte es also, aus 1 m Entfernung bei festgehaltenen Händen und Füssen auf ein an einer Federwaage befestigtes Brett Kräfte bis zu 3 Kilopond auszuüben. Crookes registrierte den zeitlichen Verlauf dieser Kräfte auf einer bewegten, mit Russ geschwärzten Glasplatte.
Ähnliche Versuche unternahm um 1920 der Berliner Ingenieur Grunewald. Er fertigte zwei automatisch registrierende Waagen an, auf die er je ein Medium setzte. Von diesen war das eine Medium hellsichtig, in der Art, dass es bei den Versuchen Phantome beobachten konnte, die auf die Waagen zusätzliche Kräfte ausübten, dabei aber normalen Menschen unsichtbar waren. Die registrierten Zusatzkräfte lagen in der Grössenordnung von 5 Kilopond. Das Erstaunliche bei diesen Messungen war, dass in dem Masse, wie die eine Waage eine Gewichtsvermehrung anzeigte, zeitlich vollkommen synchron die Waage mit dem hellsichtigen Medium eine betragsgleiche Gewichtsverminderung anzeigte.
Aus diesen und anderen spärlichen quantitativen Untersuchungen konnten nun allerdings keine weitgehenden Schlüsse gezogen werden. Es war nicht möglich, aus ihnen mathematisch formulierte Gesetze zu erkennen.
Es ist aber das Wesen und die Aufgabe der Physik als der Lehre von den Naturvorgängen, als der Grundwissenschaft aller anderen Naturwissenschaften, die von ihr beobachteten Vorgänge mathematisch zu formulieren, mathematische Gesetze aufzustellen, aus denen gegenwärtiges, vergangenes und vor allem zukünftiges Geschehen vorhersagbar und berechenbar wird.
Die Physik konnte im Verlaufe ihrer Entwicklung erst dann nennenswerte Fortschritte machen, als es gelang, die ersten einfachen, mathematisch formulierten Gesetze aufzustellen. Eingeleitet wurde diese Entwicklung durch Galilei und Kepler. Von diesen und anderen einfachen Gesetzen ausgehend entwickelte sich die Physik zu einem grossen Gebäude mathematischer Theorien, von denen der englische Physiker Dirac sagt: "Es scheint ein Grundzug der Natur zu sein, dass physikalische Grundgesetze durch mathematische Theorien von grosser Schönheit und Kraft beschrieben werden, die zu ihrem Verständnis ein beträchtliches Mass an mathematischer Schulung verlangen. Sie werden sich fragen: Warum ist die Natur gerade so gebildet? Man kann nur antworten, dass unsere gegenwärtigen Kenntnisse zu zeigen scheinen, sie sei so gebaut. Wir müssen das einfach hinnehmen. Vielleicht kann man die Situation charakterisieren, indem man sagt, Gott sei ein Mathematiker von hohem Rang und er habe bei der Konstruktion des Universums sehr hohe Mathematik benutzt. Unsere schwachen mathematischen Bemühungen setzen uns imstand, ein Zipfelchen des Universums zu verstehen, und wir können hoffen, dass es im Zuge einer Weiterentwicklung unserer Mathematik zu einem besseren Verständnis kommen wird."

3. Suche nach einfachen Grundgesetzen in der Parapsychophysik

In der Parapsychologie und in Bezug auf die physikalischen Phänomene der Parapsychologie kennen wir noch nicht eine einzige mathematische formulierbare Gesetzmässigkeit. Die Parapsychophysik befindet sich also in einem Stadium, in dem sich die Physik vor Galilei und Kepler befand.
Wenn wir uns aber nicht mit einer nur oberflächlichen Betrachtungsweise der parapsychophysikalischen Phänomene begnügen wollen, muss eine zukünftige Forschung mit aller Energie bestrebt sein, mathematisch formulierte oder formulierbare Grundgesetze zu finden.
Wer aber von der Natur Aufschluss über ihr innerstes Wesen, über ihr Grundgefüge erhalten will, muss mit ihr reden, muss sie befragen.
Dieses Befragen kann selbstverständlich nicht in der natürlichen, akustischen Sprache erfolgen. Die Verständigungssprache mit der Natur ist das Experiment. In besonders ausgewählten, sinnvollen Experimenten verlangen wir von der Natur Auskunft über spezielle Fragen. Dabei ist Experiment dem bisherigen Wissensstande gemäss so einfach anzulegen, dass wir die Antwort, die wir erhalten, auch verstehen können. Ist die Deutung der Antwort durch das Experiment zweifelhaft oder lässt sich keinerlei Deutung finden, so sind neue, einfacherer Experimente zu ersinnen. Dieses Verfahren ist in den Naturwissenschaften bislang mit grösstem Erfolg angewandt worden. Auch in der Parapsychologie und Parapsychophysik ist in der gleichen Weise vorzugehen. Auch hier sind grundlegende, einfache Experimente zu ersinnen, deren Antwort verständlich und nicht verwirrend ist und die es uns ermöglichen, die primären Ursachen des Geschehens in einer möglichst kleinen Zahl von Faktoren zu erkennen, aus deren Zusammenwirken sich die Vielzahl der Erscheinungsformen gesetzmässig verstehen lässt. Als Ausgangsmaterial für diese grundlegenden Experimente wird man zweckmässigerweise die physikalischen Phänomene der Parapsychologie verwenden, weil sie in die uns schon bekannte Physik einmünden.

4. Bildung von Hypothesen und Theorien in der Parapsychophysik

Alle bekannten Vorgänge in der Parapsychologie enden in Erscheinungen der uns bekannten Physik. Dazu gehört z. B. auch die aussersinnliche Wahrnehmung mit Telepathie und Hellsehen. Hierbei handelt es sich um paranormale Informationsübertragung, die zuletzt zur physikalischen, d. h. elektrischen Reizung von Nervenzellen in einem lebenden Menschen führt und quasisinnliche Eindrücke hervorruft. Solche Reizung kommt nur durch Zufuhr von etwas zustande, das man in der Physik Energie nennt. Die Zwischenglieder in der Kausalkette sind aber unbekannt.
Bei der paranormalen Heilung werden letzten Endes ebenfalls organische, d. h. materielle oder energetische Veränderungen physikalischer Natur in einem lebenden Organismus hervorgerufen. Auf welche Weise sie verursacht werden, ist unbekannt. Die Verhältnisse bei der Psychokinese sind bereits erwähnt worden.
Wenn man nun in der Parapsychologie und Parapsychophysik zu mathematisch formulierten Gesetzmässigkeiten gelangen will und wenn man dazu sinnvolle Versuche anstellen will, muss man zunächst eine oder mehrere Hypothesen aufstellen.

5. Hypothesen und Theorien in der Physik

Eine Hypothese ist eine wissenschaftlich begründete Annahme, die so formuliert ist, dass sie durch Erfahrung oder Experiment bestätigt oder widerlegt werden kann. Hypothesen sind Vorentwürfe für wissenschaftliche Theorien. Sie weisen der Forschung den Weg. Das Übergeordnete ist eine Theorie. Sie ist als Gedankengebäude oder Modellvorstellung eine Zusammenfassung von Hypothesen oder Gründen zur einheitlichen Erklärung von Tatsachen, Vorgängen oder Gesetzmässigkeiten. Theorien müssen eine Erklärung möglichst aller vorliegender Tatsachen abgeben und neue Tatsächlichkeiten im voraus bestimmen können. Theorien, deren Leistung für die Erklärung und Deutung der Tatsachen unzulänglich sind, müssen durch Einführung besserer Hypothesen umgewandelt werden.
Das Wort Erklärung bedeutet in diesem Zusammenhang: Zurückführung auf Einfacheres. Dies führt schliesslich zu einfachen BestandteiIen, die sich nicht mehr auf einfachere zurückführen lassen. Es sind dies teils fundamentale Begriffe, die durch die Struktur unseres erkennenden Geistes gegeben sind (z. B. Raum, Zeit) oder Begriffe, die durch jahrtausendalte Erfahrung oder durch historische Zufälligkeiten entstanden sind (z. B. Begriffe wie Kraft, Masse, Temperatur).
Aus den einfachen Bestandteilen setzt sich das Bild des Physikers von der ihn umgebenden Wirklichkeit zusammen. Es werden aus ihnen Bilder und Modelle der physikalischen Vorgänge aufgestellt, die stets so beschaffen sein müssen, dass die denknotwendigen Folgen dieser Bilder stets wieder Bilder von den naturnotwendigen Folgen der abgebildeten Gegenstände sind (Fussnote 4). Dadurch ist der Naturforscher in der Lage, Zukünftiges vorauszusagen, und das Eintreffen der Voraussage ist wieder eine Prüfung der Bilder auf ihre Richtigkeit.
Eine Erklärung der einfachen Bestandteile der Physik, man nennt sie physikalische Grundgrössen, ist nicht möglich. So kann man z. B. Zeiten nur messen, aber man kann nicht erklären, was Zeit ist, erklären im Sinne der Zurückführung auf Einfacheres. Wenn wir z. B. sagen: "Zeit ist die Möglichkeit, Ereignisse der Reihe nach zu ordnen", so ist das keine Erklärung des Begriffes Zeit. Zunächst mussten wir ja die Begriffe "Ereignis", "ordnen" und "der Reihe nach" erklären. Dabei kommen wir nicht umhin, das Wort "Zeit" zu verwenden, z. B. "ordnen" bedeutet in diesem Zusammenhang: "etwas der zeitlichen Reihenfolge nach aufzuführen". Man darf aber nicht einen Begriff mit sich selbst "erklären".
In der Wissenschaft, auch in der Physik, können mehrere, sich sogar widersprechende Theorien, zumindest zeitweise, nebeneinander existieren. Als Beispiel seien die Theorien über die optischen Erscheinungen angeführt. Der englische Physiker Isaac Newton bildete 1669 die sog. Emissionstheorie aus, nach der das Licht aus einem feinsten Stoff bestehen soll, dessen Bestandteile, die Lichtkorpuskeln (Massenpunkte im Sinne der klassischen Mechanik), von der Lichtquelle fortgeschleudert werden. Christian Huygens, ein niederländischer Physiker, entwickelte dagegen 1677 die Wellentheorie des Lichtes, nach der das Licht ebenso wie der Schall, auf einer Wellenbewegung beruhen soll. Beide Theorien konnten die Erscheinungen der Reflexion und Brechung des Lichtes richtig erklären. Erst Augustin Fresnel, ein französischer Physik, brachte 1815 durch den Nachweis der Beugung und der Interferenzerscheinungen des Lichtes die Entscheidung für die Wellentheorie. Diese Erscheinungen waren durch die Korpuskulartheorie Newtons nicht erklärbar.
Man konnte nun dem Licht Frequenz (Schwingungszahl je Zeiteinheit), Wellenlänge, Amplitude (Schwingungsweite) und Ausbreitungsgeschwindigkeit zuteilen und jetzt sogar Reflexion und Brechung als auch Beugung und Interferenz erklären. Damit war das Problem aber nun nicht ein für alle Male erledigt. 1887 wurden durch Heinrich Hertz und Wilhelm Hallwachs der äussere lichtelektrische Effekt (Fussnote 5) beobachtet und seine Natur 1902 von Philipp Lenard genauer untersucht. Es zeigte sich, dass dieser äussere lichtelektrische Effekt mit den Begriffen der Wellentheorie nicht erklärbar war. Darauf führte Albert Einstein 1905 eine neue Korpuskulartheorie des Lichtes ein mit folgenden Annahmen: Einfarbiges Licht der Frequenz v besteht aus einzelnen Korpuskeln oder Energiequanten oder Photonen, die sich mit der Lichtgeschwindigkeit c im allgemeinen gradlinig fortbewegen, wobei jedes Photon als Korpuskel seine Energie beibehält. Ein Photon hat zwar eine Masse m = h v / c x c, ist aber trotzdem nicht als Massenpunkt der klassischen Mechanik im Sinne der Newtonschen Emissionstheorie aufzufassen, denn eine Ruhemasse m0 ist nicht vorhanden,
Man erkannte zu Beginn dieses Jahrhunderts, dass man beim Licht mit einer einzigen Modellvorstellung oder Theorie nicht auskommt. Man benötigt ausser dem Wellenmodell auch noch das Quantenmodell im Sinne einer Emissionstheorie. Die Wellentheorie ist immer dann zuständig, wenn es sich um die Frage der Ausbreitung des Lichtes im Raum handelt. Die Quantentheorie hingegen gibt Auskunft aber die Entstehung des Lichtes und seine Wechselwirkungen mit den Atomen und Molekülen. Sie betrifft optische Elementarvorgänge und die dabei auftretenden Umsetzungen von Energie und Impuls. Licht verhält sich also einmal wie ein Wellenvorgang, ein anderes Mal, in einem anders angelegten Experiment wie ein Quantenvorgang. Im Jahre 1924 kam nun der französische Physiker Louis de Broglie auf den Gedanken, dass es umgekehrt auch nötig sein könne, für die Materie, also für die Atome und Elektronen, zwei verschiedene Modellvorstellungen zu benutzen. Es könne nämlich vielleicht erforderlich werden, neben das bisherige Korpuskel- oder Teilchenbild ein Wellenbild der Atome und Elektronen zu setzen. Das war zunächst nur eine Voraussage oder Hypothese, die aber bald (1927) durch Beugungsversuch mit Elektronenstrahlen von den Physikern C. J. Davisson und L. H. Germer bestätigt wurde. Man nannte solche Elektronenstrahlen dann Materiewellen und sprach hinfort vom Dualismus von Wellen und Korpuskeln.
Diese zunächst scheinbar unüberwindlichen Schwierigkeiten, zwei Modellvorstellungen sowohl für das Licht als auch die Materie nebeneinander gebrauchen zu müssen, haben zu der Erkenntnis geführt, dass die Welt nicht, wie man früher glaubte, rein mechanisch anschaulich vollkommen verstanden werden kann. Mechanisch ist dabei im Sinne von Bewegungsvorgängen oder Kräftegleichgewichten gemeint, wie wir sie aus dem täglichen Leben kennen, und an die wir uns so sehr gewöhnt haben, dass wir meinen, sie zu verstehen.
Die elektrischen und die optischen Erscheinungen sind jedoch nicht mechanischer Art. Es liegt aber in der Natur des menschlichen Geistes, dass er um forschen und "verstehen", d. h. die Vorgänge gedanklich handhaben, zu können, eine innere "Anschauung" der Dinge haben muss. Er braucht ein vorstellbares, mechanisches Modell der nichtmechanischen Vorgänge. Dieses Modell hat mit den in Frage stehenden Erscheinungen im Grunde oft sehr wenig zu tun. Es hat, im Gegensatz zu älteren Anschauungen, keinerlei "Erklärungswert". Die Modellvorstellung sagt also oft über das "wahre Wesen" der Erscheinungen überhaupt nichts aus. Sie ist nur ein unentbehrliches gedankliches Hilfsmittel, eine Art Eselsbrücke, die uns die Handhabung der mathematischen Gleichungen erleichtern soll, um die Vorgänge unserer Welt zu beschreiben. Aus den Modellvorstellungen und den mathematischen Gleichungen soll man richtige Voraussagen ableiten können, nicht mehr und nicht weniger. Nur in diesem Sinne ist eine Modellvorstellung oder Theorie richtig oder falsch. Zusammenfassend: Licht, Materie, Elektrizität sind etwas, das einer "anschaulichen" Beschreibung unzugänglich ist, anschaulich im Sinne von Vorgängen, an die wir von klein auf gewöhnt sind.
(Schluss folgt)


[Parapsychologie
Parapsychologische Probleme, physikalische Forschungsmethoden und Forschungsergebnisse
- Das Ziel einer physikalischen Erforschung parapsychologischer Phänomene -
(2. Teil vom März 1996, Nr. 2, S. 51 ff, Fortsetzung und Schluss des 1. Teiles aus WB 1/96)]

Übertragung physikalischer Überlegungen auf die Parapsychologie

Warum ist die bisherige ausführliche Darstellung erforderlich? Bei der Aufstellung paraphysikalischer Gesetzmässigkeiten und bei der Entwicklung von Theorien der Parapsychologie und Parapsychophysik kann und wird es uns ähnlich gehen wie in der bisherigen Physik. Auch hier müssen wir damit rechnen, dass schon jetzt oder später einmal Theorien oder Modellvorstellungen nebeneinander bestehen, ohne dass man zunächst sagen kann, welche von ihnen die "richtige" ist. Vielleicht können solche Modelle für immer nebeneinander bestehen bleiben und sich scheinbar gegenseitig ausschliessen, wie es bei der Korpuskular- und der Wellentheorie des Lichtes der Fall ist.
In Abschnitt 2 wurde bereits angedeutet, dass man versuchen soll, die parapsychologischen und parapsychophysikalischen Erscheinungen nach entsprechender Forschung in das Lehrgebäude der Physik einzuordnen und letzteres dabei entsprechend zu erweitern. Das Ziel wäre es also, nach noch unbekannten Naturkräften und Energieformen zu suchen, die die parapsychologischen Erscheinungen hervorrufen. Darin steckt bereits eine Hypothese, nämlich die, dass es solche unbekannten Energieformen überhaupt gibt. Aber schliesslich hat man ja auch einmal elektrische Energieformen gesucht und gefunden und entdeckt, dass sie für die Entstehung des Blitzes, aber auch für die Denkvorgänge in unserem Gehirn verantwortlich sind. Sollte ähnliches nicht wiederum möglich sein? Doch darüber gehen bereits die Meinungen der Physiker auseinander, und zwar nicht der Physiker, die Gegner der Parapsychologie sind oder nichts von ihr verstehen, sondern von solchen, die ihr positiv gegenüber stehen. So schreibt der Hamburger Physiker Pascual Jordan 1947 in einer Arbeit aber parapsychologische Probleme ("Verdrängung und Komplementarität", S. 66): "Die Physik ist eine so ausgereifte und in sich so sichere Wissenschaft, dass sie auch negative Urteile wie dieses mit voller Sicherheit aussprechen kann: Es gibt keine unentdeckten Strahlungen, die zur Deutung unverstandener psychologischer oder biologischer Erscheinungen herangezogen werden könnten ... Die Theorie der Parapsychischen Erscheinungen hat also nicht nach unentdeckten physikalischen Kräften zu forschen, sondern sie hat die Physik als Erklärungsgrundlage aufzugeben."
In ähnlicher Weise äusserte sich 1976 der Northeimer Physiker Burkhard Heim ("Interview in Allg. Z. f. P" 3/1977): "Die Naturwissenschaften umfassen alle die Gebiete, die versuchen, die quantitativ erfassbare Seite der Welt quantitativ, also mathematisch, zu beschreiben. Diese Beschreibung kann gar nicht funktionieren, wenn es sich nicht um Quantitäten sondern um Qualitäten handelt. Die wahre Ursache der Psi-Phänomene ist aber qualitativer Art und entzieht sich somit dem logischen Zugriff der Naturwissenschaften. D. h. wenn ich versuche, Psi-Phänomene naturwissenschaftlich zu verifizieren, habe ich damit eine unzulässige Überschreitung der Kompetenzgrenze eines logischen Aspektes vollzogen."
Soweit die hypothetischen Meinungen zweier parapsychologisch versierter Physiker. Meine Hypothese ist genau entgegengesetzt. Ich meine, dass auch die parapsychologischen Phänomene letzten Endes quantitativer Natur sind und sich mathematisch beschreiben lassen. Ich meine, dass wir ein einheitliches Weltgebäude haben und nicht zwischen physikalischen, quantitativ beschreibbaren und parapsychologischen, nur qualitativ beschreibbaren Vorgängen unterscheiden müssen. Ich meine, dass man eine einheitliche Physik für alle Naturvorgänge aufstellen kann.

Die animistische und spiritistische Hypothese in der Parapsychologie

In der Parapsychologie gibt es bereits seit langem zwei miteinander wettstreitende Hypothesen, die man vielleicht auch schon Theorien nennen kann. Die erste ist die sogenannte animistische Hypothese. Sie nimmt an, dass alle paranormalen Vorgänge ihren Sitz oder Ausgangspunkt oder tieferen Grund im Geist eines auf dieser "grobmateriellen" Welt lebenden materiellen Wesens (Mensch oder Tier) haben. Diese Wesen sollen in Ausnahmefällen über die ausserordentliche Fähigkeiten verfügen, insbesondere eine extrem gesteigerte "aussersinnliche Wahrnehmung" aufweisen. Sie befähigt diese Wesen, in der Regel sind es Menschen, auch an die verborgensten Informationen heranzukommen, z. B. auch an Informationen, die Tote mit ins Grab genommen haben, die also kein lebender Mensch mehr in seinem Gedächtnis hat und die auch in keinem Schriftstück festgehalten sind. Man spricht in diesem Zusammenhang von der Super-ASW-Theorie (ASW = aussersinnliche Wahrnehmung). Bei diesen Überlegungen geht die animistische Hypothese davon aus, dass der Mensch als persönliches Individuum mit all seinen Erinnerungen den materiellen Tod in keiner Form überlebt, d. h. als Persönlichkeit ausgelöscht wird.
Im Gegensatz dazu geht die spiritistische Hypothese davon aus, dass zwar ein Teil, aber nicht alle paranormalen Vorgänge ihre Ursache in einem auf dieser Welt lebenden Wesen haben. Die spiritistische Hypothese nimmt aber an, dass es ausser der uns bekannten "grobmateriellen" Welt noch eine - oder mehrere andere, anders strukturierte Welten gibt, von denen wir normalerweise nichts wahrnehmen. Sie nimmt weiter an, dass alle Lebewesen dieser Erde ihren Tod als Individuum überleben, dass ihre Persönlichkeitsstruktur in einem anders gearteten Leib, dem sog. Astralkörper fortbesteht. Von ihm wird in der Hypothese, dass er in der anderen, anders strukturierten, "feinstofflichen" Welt weiterlebt, die ihre eigenen Gesetzmässigkeiten aufweist.
Die Gründe und "Beweise", die zu dieser Hypothese führen, sollen wegen ihres Umfanges und ihrer Wichtigkeit einer gesonderten Arbeit vorbehalten bleiben. Wir gehen hier einfach davon aus, dass die spiritistische Hypothese begründet sei, dass z. B. die Informationen, die von Verstorbenen, ehemals auf dieser Erde lebender Menschen, durch sog. Medien auf diese Erde durchgegeben werden, wirklich von diesen "Verstorbenen" stammen. Wenn das so ist, deutet dieser Informationsaustausch darauf hin, dass zwischen unserer "grobmateriellen" Welt und der oder den "feinstofflichen" Welten Wechselwirkungen bestehen. Sie treten durch Medien, d. h. paranormal befähigte lebende Menschen unserer Erde in Erscheinung. Es wird oder muss eine Hauptaufgabe der parapsychophysikalischen Forschung sein, den Grundgesetzen dieser Wechselwirkungen auf die Spur zu kommen und später auch zu versuchen, sie losgelöst von Medien zu erzeugen. Es ist zu hoffen, dass das möglich ist. Eine gewisse Parallele haben wir bei der Synthese organischer Substanzen vor uns. Auch bei ihnen nahm man bis zur Harnstoffsynthese des Göttinger Chemikers Friedrich Wöhler 1828 an, dass sie nur mit Hilfe einer besonderen Lebenskraft, also nur im lebenden Organismus, herstellbar seien. Wöhler zeigte dann als erster, dass sie auch in der Retorte herstellbar sind.
Zwischen den Vertretern der animistischen Hypothese einerseits und den Verfechtern der spiritistischen Hypothese andererseits, im folgenden kurz Animisten und Spiritisten genannt, bestehen nun grosse Meinungsverschiedenheiten über die wissenschaftliche Berechtigung der spiritistischen Hypothese. Sie wird von den Gegnern häufig als "unwissenschaftlich" abgetan. So heisst es auf S. 26 des Lexikons der Parapsychologie von Bonin, 1976: Vielen erscheint die spiritistische Erklärung - meist in Form, der Geist eines Verstorbenen bewirke das Phänomen - jedoch leichter annehmbar als die animistische, tatsächlich müssen im konkreten Fall zur Verteidigung des Animismus oft recht gewagte Konstruktionen herhalten, andererseits bleibt die spiritistische Möglichkeit in der Sphäre des Glaubens und damit ausserhalb der Wissenschaft." Man fragt sich, warum eine einleuchtende, durch viele Indizien und "Erfahrungsbeweise" gestützte, in sich geschlossene Hypothese ausserhalb der Wissenschaft liegen soll? Aber hören wir uns noch einen weiteren Verfechter des Animismus an, der im deutschsprachigen Raum am bekanntesten unter ihnen geworden ist, und zwar den Freiburger Psychologen Prof. Hans Bender. Er schreibt um 1970 (im Vorwort zu Driesch ("Parapsychologie", S. 186): "Wenn eine Äusserung, die sich auf etwas bezieht, was nur ein Verstorbener wusste, überhaupt verifiziert werden kann, muss die Verifikationsquelle entweder telepathisch oder hellseherisch, also im Rahmen der 'animistischen Deutung' erreichbar sein. Ich halte einen strengen Beweis der spiritistischen Hypothese methodisch für ausgeschlossen."
Man fragt sich, warum muss eine Verifikationsquelle im Rahmen der animistischen Deutung erreichbar sein? Was ist denn, wenn das einmal nicht der Fall sein sollte? Wird hier vielleicht messerscharf geschlossen, dass nicht sein kann, was nicht sein darf? Und noch ein Zitat von Hans Bender ("Unser sechster Sinn" S. 96): "Das Bemühen um Vorurteilslosigkeit gebietet zugegeben, dass der Unbeweisbarkeit der spiritistischen Hypothese auch die Unbeweisbarkeit gegenübersteht, dass sie nicht richtig sein kann. Nach alledem, was die Parapsychologie bisher erarbeitet hat, ist aber die animistische Deutung viel naheliegender und wahrscheinlicher, doch ist andererseits die Unrichtigkeit der spiritistischen Hypothese nicht zwingend beweisbar."
Hierzu ist zu sagen, dass darüber die Ansichten sehr auseinander gehen, ob die animistische oder die spiritistische Hypothese nun die wahrscheinlichere ist. Der katholische Theologe Gebhard Frei stellt jedenfalls 1967 fest ("Probleme der Parapsychologie", S. 104): "Das Resultat der bisherigen Überlegungen ist, dass sicher der weitaus grössere Teil derer, die sich überhaupt ernstlich und eingehend mit parapsychologischen Fragen beschäftigt haben, oft nach langem Ringen, zum Schluss kamen, eine gewisse Summe von Phänomenen könne nur durch das Hereinwirken Jenseitiger erklärt worden. Also könne die Parapsychologie empirisch das Überleben des Todes, was begrifflich mit 'Unsterblichkeit' im strengen Sinne noch nicht identisch ist, beweisen."
Zu der Auffassung von H. Bender noch zwei Gesichtspunkte: 1. Hypothesen sollen der Forschung den Weg weisen, sie sollen zum sinnvollen Suchen anregen. Dazu ein Beispiel: Ware der deutsche Grosskaufmann Heinrich Schliemann entgegen der Meinungen der meisten Fachgelehrten nicht von der Hypothese ausgegangen, dass die Angaben des altgriechischen Dichters Homer in seinem Epos Ilias weitgehend auf Wahrheit beruhten, so hätte er nie an einem Hügel namens Hissarlik an der Küste Kleinasiens zu graben begonnen und hätte nie die Festung Troja wiedergefunden. Es stellte sich allerdings erst nach Schliemanns Tod heraus, dass der von ihm 1873 in diesem Hügel gefundene achttausendsiebenhundertteilige Goldschatz nicht der Schatz des Trojanerkönigs Priamus war, sondern einer früheren Epoche angehörte.
Für unser Thema bedeutet das: Wer von der spiritistischen Hypothese nichts hält, sie vielleicht sogar für unwissenschaftlich ansieht, wird z. B. nie auf den Gedanken kommen zu erforschen, wie denn das "Jenseits", diese andere Welt, beschaffen ist, und wie das "Fortleben" in ihr abläuft. Wer aber solche Forschungen betreibt, muss immer damit rechnen, dass anfängliche Forschungsergebnisse falsch oder nicht ganz korrekt gedeutet werden, so, wie es Schliemann mit seinem Goldschatz ergangen ist.
2. H. Bender vertritt die Auffassung, die spiritistische Hypothese sei prinzipiell nicht beweisbar. Das stimmt sogar, je nach dem, was man unter Beweis versteht. Die spiritistische Hypothese ist sicher nicht in der Art beweisbar wie etwa in der Mathematik der Satz des Pythagoras. Die Beweise für den Spiritismus sind sog. Erfahrungsbeweise. Aus diesem Grund hat auch Emil Mattiesen 1939 seine grosse Beweisführung ("Das persönliche Überleben des Todes") für das pers. Überleben des Todes mit dem Untertitel versehen: Eine Darstellung der Erfahrungsbeweise.
Was sind nun aber Erfahrungsbeweise? Es wird gerne übersehen, dass wichtigste Grundpfeiler der Physik überhaupt nicht exakt beweisbar sind. Und dabei gilt doch die Physik als exakte Naturwissenschaft. Aber auch sie kommt nicht ohne gewisse Annahmen aus. Man nennt das dann (L. Bergmann und Cl. Schäfer: ("Lehrbuch der Experimentalphysik", S. 451) "eine erkenntnistheoretische Voraussetzung, die auf keine Weise bewiesen werden kann, ohne die man indessen nicht weiterkommt". Dazu gehört beispielsweise das 1687 von Isaac Newton formulierte Trägheitsgesetz: "Jeder Körper verharrt in seinem Zustand der Ruhe oder der gleichförmig geradlinigen Bewegung, sofern er nicht durch einwirkende Kräfte gezwungen wird, seinen Zustand zu ändern." Auf diesem Trägheitsgesetz baut die gesamte Mechanik auf, obwohl man es nicht unmittelbar beweisen kann. Es ist nämlich unmöglich, einen Körper allen äusseren Einflüssen völlig zu entziehen. Das Trägheitsgesetz ist ein reiner Erfahrungssatz. Es ist nur durch Erfahrungsbeweise gesichert, d. h. die Schlussfolgerungen, die aus dem Gesetz zu ziehen sind, werden durch die Erfahrung bestätigt.
Eine ähnliche Lage liegt in der Wärmelehre vor. Bei der Temperaturfestlegung geht man nämlich von der nicht beweisbaren Annahme aus, dass Änderungen von Körpereigenschaften (z. B. Volumen, elektrische Eigenschaften usw.) in gesetzmässiger Weise von ihrem Körperzustand, den wir Wärme nennen, abhängen. Die Physiker L. Bergmann und CI. Schäfer sagen dazu (S. 451): "Will man diese Annahme nicht machen - und man kann auf logischem Wege nicht dazu gezwungen werden -, so muss man auf eine wissenschaftliche Behandlung der Wärmelehre verzichten."

Schlussfolgerungen

Ähnlich wie in der Physik ist die Lage in der Parapsychologie. Ohne einen gewissen Vorrat von nicht exakt beweisbaren Erfahrungssätzen wird sie stecken bleiben und unfruchtbar werden. Erfahrungssätze und Hypothesen sollen uns, auch ohne strengen Beweis, sowohl eine wissenschaftliche Forschung als auch ein sinnvolles tägliches Leben überhaupt erst ermöglichen. Unser ganzes Gerichtswesen beruht nur auf Erfahrungsbeweisen, die im Einzelfall auch einmal zu Fehlurteilen führen können. Kein Mensch aber wird wegen der Unmöglichkeit einer exakten Beweisführung im Sinne der Mathematik auf jede Rechtsprechung verzichten wollen.
Das Trägheitsgesetz der Mechanik ist zwar nicht streng beweisbar, aber in seinen Schlussfolgerungen unzählige Male bestätigt. Dadurch gibt es uns Richtlinien, für physikalisch sinnvolles zukünftiges Handeln.
Die spiritistische Hypothese oder Überlebenshypothese ist ebenfalls nicht streng beweisbar, sondern nur durch Indizien und Erfahrungsbeweise gestützt. Sie soll uns aber ebenso wie das Trägheitsgesetz in der Physik in die Lage versetzen, eine fruchtbare Forschung zu betreiben und uns auf künftige Verhältnisse einzustellen. Damit meine ich Verhältnisse unseres nachtodlichen Lebens. Die Überlebenshypothese kann uns auch bereits Verhaltensrichtlinien für unser jetziges Leben geben. Sie kann uns Einblick in Zusammenhänge geben, die wir sonst nicht durchschauen, die uns sonst sinnlos erscheinen.
Wenn wir das an Erkenntnis annehmen, was uns aus der Welt angeboten wird, in die wir nach unserem Tode möglicherweise eintreten, wenn wir es sorgfältig prüfen und verwerten, wenn wir die Richtschnur unseres Handelns darauf entsprechend ausrichten, können wir Menschen mit mehr Ruhe und Gelassenheit durch das Leben gehen. Auch Schicksalsschläge werden uns, wenn wir das irdische Leben ansehen, nicht in dem Masse umwerfen, wie sie es tun, wenn der Tod für uns unwiderrufliche Endstation ist.

Prof. Dr. Werner Schiebeler


Quellen Bender, H.: Unser sechster Sinn, Stuttgart 1971.
Bergmann, L./Schafer, CI.: Lehrbuch der Experimentalphysik, Band 1, Berlin 1965.
Dirac, P.A.M.: Die Entwicklung des physikalischen Naturbildes, in: Umschau in Wissenschaft und Technik, 1964, S. 5-7, 51-53.
Driesch, H.: Geist und Psyche, Parapsychologie, mit Nachwort von H. Bender, Kindler Taschenbuch o. J.
Frei, G.: Probleme der Parapsychologie IMAGO MUNDI, Bd. II, München 1971.
Grunewald, F.: Physikalisch-mediumistische Untersuchungen, Pfullingen/Württ.
Heim, B.: Interview in Allg. Z. f. Parapsychologie 3/1977, S. 108.
Jordan, P.: Verdrängung und Komplementarität, Hamburg-Bergedorf 1947.
Mattiesen, E.: Das persönliche Überleben des Todes, 3 Bde., Berlin 1962.
Richet C.: Grundriss der Parapsychologie und Parapsychophysik, Stuttgart 1923.
Tischner, R. (Hrsg.): Das Medium D. D. Home, Leipzig 1925.
Zöllner, F.: Wissenschaftliche Abhandlungen, 4 Bde., Leipzig 1878 - 1881.


Fussnote 1: d.h. in Bezug auf die Beschaffenheit
Fussnote 2: d.h. in Bezug auf die Menge.
Fussnote 3: Der Sonnenaufgang ist eine Erscheinung des Seins. Die Ursache dafür liegt in der Erddrehung.
Fussnote 4: Wenn z. B. eine Modellvorstellung ergäbe, dass bei dem zentralen Zusammenstoss zweier elastischer Kugeln diese sich nach dem Stoss mit der gleichen Geschwindigkeit fortbewegen müssen (denknotwendige Folge), sich bei einem Versuch in Wirklichkeit aber herausstellt (naturnotwendige Folge), dass diese Geschwindigkeiten unterschiedlich sind, ja sogar verschiedene Vorzeichen haben können, wäre die Modellvorstellung, das Bild falsch. Die denknotwendigen Folgen stimmten nicht mit den naturnotwendigen Folgen überein.
Fussnote 5: Das Herauslösen von Elektronen aus Metallflächen durch einfallendes ultraviolettes Licht.


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Letzte Änderung am 2. Mai 2000