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Parapsychologie

Artikel von Prof. Dr. Werner Schiebeler erschienen in der Zeitschrift 'Wegbegleiter' Nr. 3/2004, S. 5-21.

Das Ansehen der Parapsychologie in der deutschen Öffentlichkeit
und die Gegner alles Paranormalen

von Prof. Dr. rer. nat. Werner Schiebeler

Prof. Bender als Vertreter der deutschen Parapsychologie

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, also die Zeit, die ich als Erwachsener bewusst miterlebte, wurde der Begriff "Parapsychologie" in der breiten Öffentlichkeit gleichgesetzt mit dem Namen von Prof. Hans Bender (1907 - 1991). Wer Parapsychologie sagte, meinte Bender und umgekehrt. Er war es, der in Deutschland versuchte, der Parapsychologie akademisches Ansehen zu verleihen. Und so kam es, dass in der Öffentlichkeit die Meinung vorherrschte, dass er in Deutschland den einzigen Universitätslehrstuhl für Parapsychologie innehabe, was in dieser Form aber gar nicht stimmte. Wer war dieser Hans Bender? Er hatte in Bonn Psychologie studiert und dort mit einer Doktorarbeit mit dem Titel "Psychische Automatismen" promoviert. Er war am Psychologischen Institut der Universität Bonn eine Reihe von Jahren Assistent und befasste sich dort zehn Jahre mit Grenzphänomenen der Psychologie und paranormalen Erscheinungen. Weiterhin studierte er Medizin und machte im Sommer 1939 in Freiburg das Medizinische Staatsexamen. Er gab später an, in dieser Zeit auch eine Dissertation mit dem Titel "Die Arbeitskurve unter Pervitin" angefertigt zu haben und bei seinem Doktorvater Prof. Beringer die mündliche Doktorprüfung abgelegt zu haben. Leider konnte er das aber später nicht nachweisen, was ihm beträchtlichen Ärger einbrachte.
Nach der Eroberung Frankreichs wurde in Strassburg eine Reichsuniversität gegründet und dort ein Extraordinariat für Psychologie und klinische Psychologie eingerichtet. Mit ihm wurde Bender betraut. Im Sommersemester 1942 hielt er seine erste Vorlesung und sollte fakultätsverbindende Psychologie lehren. Nebenher betrieb er aber in starkem Masse parapsychologische Studien.

Prof. Benders Wirken in Freiburg

Bei Kriegsende wurde die Reichsuniversität Strassburg natürlich aufgelöst, und Bender siedelte nach einer kurzen Haft in einem amerikanischen Internierungslager mit seiner Familie (er hatte inzwischen Frau und Kinder) in seine Heimatstadt Freiburg i/Brsg. über. 1946 bekam er an der Universität Freiburg innerhalb der Psychologischen Fakultät einen Lehrauftrag für Psychologie. Das gab ihm die Gelegenheit zu ausgiebigen parapsychologischen Untersuchungen. Seine Hauptarbeitsgebiete waren von da an bis zu seinem Tod die Untersuchung von Wünschelruten-Phänomenen, von Träumen, von Heilern, der Astrologie, der Präkognition, der Psychokinese und ganz besonders des Spuks. Letztere Untersuchungen waren in starkem Masse für seine Bekanntheit in der Öffentlichkeit massgebend. Er war für Freund und Feind der Spuk-Professor.

Bender in seinem Institut
Bender am Schreibtisch in seinem Institut

Wofür Bender sich überhaupt nicht interessierte, waren die physikalischen Phänomene des Mediumismus, die Materialisationserscheinungen und das Fortleben nach dem Tod. Für ihn waren, zumindest nach aussen hin, alle paranormalen Erscheinungen Ausflüsse der menschlichen Psyche und kamen aus dem Steigrohr des Unterbewusstseins. Diese Auffassung bezeichnet man als animistisch im Gegensatz zur spiritistischen Auffassung, dass manche Erscheinungen durch Einwirkung von Verstorbenen zustande kommen. Im persönlichen Gespräch sagte mir Prof. Bender einmal: "Ich stimme mit Ihnen überein, dass die physikalischen Phänomene besonders wichtig sind, aber man muss es doch nicht gleich wie dieser Dr. Gerloff machen und zu Einer Nielsen fahren, um dort mit seiner eigenen Grossmutter zu frühstücken." Auf diese Weise hat er Einer Nielsen (1894 - 1965), der das bedeutendste europäische Materialisationsmedium des 20. Jahrhunderts war, in Kopenhagen nie besucht. Dr. Gerloff hat dagegen Nielsen vielmals geprüft und untersucht und Bücher darüber geschrieben.

Hans Benders Todesanzeige des Instituts

Besondere Energie verwandte Bender für die Errichtung und den Bau eines eigenen Instituts. Dafür sammelte er Geld, kaufte in Freiburg an der Eichhalde ein Grundstück und brachte es fertig, dass dieses Institut, das er "Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene" nannte, 1950 eingeweiht werden konnte. Dieses Institut, dem Bender vorstand, war aber nicht der Universität angegliedert, sondern rein privat.
1954 erhielt Bender an der Freiburger Universität als Extraordinarius einen Lehrauftrag für "Psychologie und Grenzgebiete der Psychologie." Dieses Extraordinariat wurde 1966 in einen ordentlichen Lehrstuhl umgewandelt, dem Bender bis zu seiner Emeritierung 1975 vorstand. Danach war er nur noch Direktor des privaten Instituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene an der Eichhalde.
Ich selbst nahm mit Prof. Bender erstmals im März 1954 Verbindung auf, indem ich bei ihm anfragte, ob von ihm eine Institutszeitschrift herausgegeben werde. Das war aber damals noch nicht der Fall. Seitdem ist eine lockere Verbindung zu ihm nicht abgerissen. Ich bereitete 1961 Versuche zur psychokinetischen Beeinflussung von Zufallsprozessen vor. Damit ist die geistige, gedankliche Einwirkung auf Vorgänge des Zufalls gemeint. Ein so genannter Zufallsgenerator ist zum Beispiel der bekannte sechsflächige Spielwürfel mit den Zahlen 1 bis 6. Versuche zur Beeinflussung eines solchen Würfelvorganges hatte seinerzeit in den U.S.A. der damals sehr bekannte Biologe und Parapsychologe Prof. Joseph B. Rhine (1895 - 1980) mit zahlreichen Versuchspersonen erfolgreich vorgenommen. Es wurde dabei versucht, durch rein gedankliche Anstrengung z. B. die Zahl fünf bevorzugt zu erwürfeln, d.h. über die Wahrscheinlichkeit von 1/6 hinaus. Das gelang bei einzelnen Versuchspersonen tatsächlich. Dadurch wurde Rhine in einschlägigen Kreisen sehr berühmt.

Prof. Rhine bei einem Psychokinese-Versuch

Prof. Rhine bei der Überwachung eines Psychokinese Versuches zur Beeinflussung eines rollenden Spielwürfels. Der Würfel wird über eine schiefe Ebene herabrollen gelassen, wobei er über zwei Hindernisse rollen muss. Die Versuchsperson muss dabei versuchen, durch geistige Anstrengung den Rollvorgang zu beeinflussen, damit eine vorgegebene Augenzahl bevorzugt erwürfelt wird.

Ich entwickelte in den 50er Jahren beruflich für Fernschreibverschlüsselungszwecke einen elektronischen Würfel, der unter Benutzung des radioaktiven Zerfalls von Cäsium Zufallszahlen von 0 bis 31 erzeugte. Da dieses Gerät für militärische Zwecke hergestellt und in der NATO eingeführt wurde, baute ich für private Zwecke einen kleineren elektronischen Würfel, der nicht mit Radioaktivität arbeitete und nur die Zahlen 0 und 1 zufallsmässig erzeugen konnte. Er verwendete einen nicht sehr frequenzkonstanten Multivibrator, dessen Schwingungszahl intervallmässig auf Geradzahligkeit oder Ungradzahligkeit abgefragt wurde. Mit diesem kleinen Gerät stellte ich mit medialen und nichtmedialen Personen Versuche an, ob sie die zufallsmässige Zahlenverteilung gedanklich beeinflussen konnten. Von diesen Versuchen unterrichtete ich Prof. Bender, da er an seinem Institut ähnliche Versuche vorhatte und sich deshalb für meine Versuchsanordnung interessierte.
Meine Versuche blieben leider erfolglos, da ich weder geeignete noch genügend Versuchspersonen gewinnen konnte und auch gar nicht die Zeit hatte, riesige Reihenversuche durchzuführen. Ob sie im Benderschen Institut Erfolg hatten, entzieht sich meiner Kenntnis. Sie scheinen aber in den U.S.A. Erfolg gehabt zu haben.

Die Gegner alles Paranormalen

Da Bender in der Öffentlichkeit so überaus bekannt war, schossen sich die Gegner alles Paranormalen hauptsächlich auf ihn ein. Dabei durchleuchteten sie auch seine Vergangenheit, ob sich darin nicht Schwachpunkte finden liessen. Und sie wurden fündig. Sie fanden nämlich seine medizinische Doktorarbeit nicht. Darüber veröffentlichte die Zeitschrift Stern in Ausgabe 10/1977 folgenden Artikel:

Der Doktor aus dem Jenseits? Der Freiburger Spuk-Professor Hans Bender muss sich mit einem neuen Rätsel herumschlagen: Wo kommt einer seiner zwei Doktor-Titel her?

In diesem längeren Bericht wird genüsslich dargelegt, dass sich bei Bender keine medizinische Dissertation oder Doktor-Urkunde nachweisen lässt. Der Bericht endet:
"Dass Bender überall auch als Doktor der Medizin geführt wird und es womöglich gar nicht ist, beweist jedenfalls: Das Paranormale existiert wirklich! Die Anhänger des Übersinnlichen werden sich die Hände reiben, denn Spuk, Hexerei und Wunder sind eben keine Hirngespinste aus dunklen Zeiten der Menschheit, sondern Tatsachen. Hier endlich gelingt es, das Unfassbare zu fassen, auch wenn Zweifler vorlaut behaupten: Es ist nicht zu fassen."
Das war für Bender natürlich ausserordentlich peinlich und für mich auch weitgehend unverständlich. Wenn er wirklich promoviert haben sollte, dann hätte er doch seine Promotionsurkunde sorgfältig aufheben müssen und dafür sorgen müssen, dass die Doktor-Arbeit auch pflichtgemäss an alle deutschen Universitäten verteilt oder in Zeitschriften veröffentlicht wurde. Auch sein Doktorvater hätte dafür sorgen müssen. Schliesslich hat er nicht in Königsberg promoviert, wo bei Kriegsende alles verloren gegangen ist, sondern in Freiburg, wo alles erhalten blieb.
Nun war Bender von Natur aus ausgesprochen unzuverlässig. Versprechungen hielt er nicht ein, bei Verabredungen kam er entweder zu spät oder überhaupt nicht. Ich habe das selbst bei ihm erlebt. Sein Biograph und zeitweiliger Mitarbeiter Elmar Gruber berichtet, dass Bender auch zu seinen Vorlesungen in der Universität notorisch zu spät erschien. Aber auch mit den Promotionsunterlagen derart schlampig umzugehen, ist doch ein starkes Stück, wenn es sie denn gegeben haben sollte.
Fazit: Er konnte seine medizinische Promotion nicht nachweisen, und die Staatsanwaltschaft begann, ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen unberechtigter Titelführung einzuleiten. In dieser Notlage fand sich ein ihm wohlwollender Professor, bei dem er eine eilends verfertigte neue Dissertation einreichen und im Schnellverfahren die Doktorprüfung ablegen konnte. Damit war er nun wirklich ein Doktor der Medizin.
Benders Gegner und die Gegner alles Paranormalen kamen aus den Reihen der Justiz, der Polizei, der Medizin und der evangelischen Theologie. Obwohl Bender überhaupt nichts von Geistern oder dem Fortleben nach dem Tode sagte, also ganz erdgebunden blieb, sahen sie in seinen Forschungen einen Angriff auf ihr atheistisches und materialistisches Weltbild, wenn sie das auch sicherlich öffentlich weit von sich weisen würden. Sie agierten gegen ihn mit einem Fanatismus, wie er sonst nur bei extremen Sekten vorkommt. Sie unterstellten ihm, dass er wieder ins finstere Mittelalter zurückführen wolle und Hexenverbrennungen und der Inquisition den Weg bereite.

Artikel von Dr. Wolf Wimmer gegen die Parapsychologie

Einer von Benders Hauptgegnern war ein Dr. jur. Wolf Wimmer. Er war erst Staatsanwalt und danach Vorsitzender Richter am Landgericht in Mannheim. Das war er noch 1993. Ob er jetzt noch im Amt ist und noch lebt, weiss ich nicht. Seine Stossrichtung geht recht gut aus einem Artikel im Deutschen Ärzteblatt, Heft 10/1974 hervor. Die Arbeit hat den Titel "Eine andere Wirklichkeit? - Vom Unfug der Parapsychologie". Im Vorspann heisst es dort: "Zusammen mit einem unterstützenden Brief des weltberühmten Gerichtsmediziners Otto Prokop, der stets gegen okkulte "Vernebelungen" in der Wissenschaft eingetreten ist, wendet sich dieser Aufsatz gegen die Gefahren eines neuen Hexen- und Zauberglaubens. In den Vereinigten Staaten ist diese Entwicklung eines religiös gefärbten neuen Okkultismus vieler Spielarten bereits viel weiter gediehen, und es steht zu befürchten, dass Europa 'nachziehen' wird. Dafür gibt es viele Anzeichen. Als besonders gefährlich erscheinen nicht einmal die mit dem Okkulten stets verbundenen Betrügereien grossen Massstabes an den Gläubigen, die für dumm verkauft werden. Vielmehr steckt die Gefahr in dem Wissenschaftsanspruch der Parapsychologie, der auf moderne Weise einen alten zeitweise mörderischen Wahn rechtfertigt."
In diesem Aufsatz wird alles Paranormale einschliesslich Akupunktur für Trick und Schwindel erklärt und gipfelt in der Feststellung (Seite 738): "Schon einmal hat ein als getarnter Zauberglaube Millionen in den Tod getrieben. Ähnliche psychische Epidemien können sich jederzeit wiederholen. An den Verbrechen der Hexenverfolgungen, dieser Warnungstafel der Geschichte, erkennen wir, dass auch in der Wissenschaft nichts folgenlos bleibt, und sei es auch der grösste Blödsinn, wie es die Abbildung zeigt. Vernunft wird da wirklich Unsinn und Plage. Alle Einsichtigen haben deshalb die ernste Verpflichtung, durch Aufklärung und Warnung für eine Immunisierung zu sorgen. Die gegenwärtige kulturelle Regression ist ohnehin haarsträubend genug. Ein wiederaufflackernder Zauberwahn wäre das letzte, was dieses gequälte Jahrhundert noch zu ertragen verlangte. - Und wenn wir manche Produkte der Psi-Forschung ansehen, sind wir freilich eher geneigt, Schurkerei anzunehmen als Torheit oder einfache Geistesstörung, was viel näher liegt."
Ebenfalls im Jahre 1974 veröffentlichte dieser Dr. Wimmer in der Zeitung METALL (der Gewerkschaft Metall) eine Artikelserie, die sich über sieben Folgen (Ausgaben 4/74 bis 10/74) erstreckte, unter dem Titel "Parapsychologie - Zauberei und Massenwahn". Darin gibt es die Zwischenschlagzeilen: Aberglaube – auch bei Professoren. Wer Wahngeschichten nachdruckt, macht sich mitschuldig, Der Schreibtischtäter heizt den Hexenkessel, Hört nicht auf Scheingelehrte, Kampf den Dunkelmännern, Steuergelder für Hirngespinste?, Bücher von Geisteskranken, Irrsinn ist ansteckend, Seelenreisen zum Hexensabbat, Graf Dracula vor den Toren?, Fliegen wieder Hexen umher?, Einträgliche Volksverdummung, Bücherschreibende Massenmörder: "Wir wissen nun, dass Parapsychologie nichts Neues ist, sondern nur jenen gelehrten Zauberwahn fortsetzt, wie er uns bereits in der Hexen- und Dämonenlehre der so genannten Scholastiker, der Okkultforschung des Mittelalters entgegentritt. – Die Folgen sind bekannt: Massenwahn führte zum Massenmord. Millionen unschuldiger Frauen, Kinder und Greise starben eines grauenvollen Todes". Millionen glauben an Wahnvorstellungen: "Aber warum sich um solche Kinkerlitzchen kümmern? Wir haben doch Besseres zu tun, denken die meisten. Das Stehen im Abseits kann jedoch gefährlich werden. Wie wichtig diese Dinge sind, erkennen wir sofort, wenn wir hören, dass der genannte Professor Bender zur Zeit als prominentester Parapsychologe Deutschlands gilt. Auf seine 'Forschungen' und 'wissenschaftlichen Beweise' vor allem berufen sich die Okkultisten, die heute wieder an 'Hellsehen', 'Gedankenübertragung', 'Prophezeiungen', 'Spuk', 'Zauberei' und ähnliche mittelalterliche Wahnvorstellungen glauben. Und das sind Millionen."
In zahlreichen weiteren Zeitungen und Zeitschriften hat Dr. Wimmer gleichartige Artikel veröffentlicht. 1976 gab er zusammen mit dem Ostberliner (DDR) Gerichtsmediziner Prof. Dr. med. Otto Prokop sogar ein Buch heraus mit dem Titel "Der moderne Okkultismus – Parapsychologie und Paramedizin – Magie und Wissenschaft im 20. Jahrhundert". Der Inhalt des Buches ist in gleicher Weise abgefasst wie die schon erwähnten Artikel von Wimmer. Die Parapsychologie wird als Afterwissenschaft und als Bastard von Aberglauben und Pseudowissenschaft bezeichnet. Gleich im Vorwort heisst es u.a.: "Das vorliegende Buch ist ein Protest und eine Anklage, gerichtet gegen die Tätigkeit der Parapsychologen und Paramediziner, die mit Unterstützung einer bestimmten Presse nunmehr jahrelang ungestraft die Öffentlichkeit gründlichst fehlinformiert haben. – Fairness hat aus Gründen der Psychohygiene ihre Grenzen."
Ein weiterer fanatischer Gegner von Prof. Bender und der Parapsychologie war und ist der ehemals leitende Kriminaldirektor von Bremen Dr. Herbert Schäfer. Er hat den Begriff "Okkulttäter" erfunden und u.a. ein Buch geschrieben "Der kriminelle Aberglaube in der Gegenwart". In diesem Buch komme auch ich zweimal vor, allerdings ohne Namensnennung. Ausserdem war Schäfer Herausgeber einer Taschenbuchreihe für den Kriminalisten mit dem Titel: "Grundlagen der Kriminalistik". Er hatte sich vorgenommen, Prof. Bender den wissenschaftlichen Todesstoss zu versetzen. Er nannte ihn einen "Psytiot" (= Psychopath und Idiot). Zu Kollegen äusserte er (gemäss einem Zeitungsbericht): "Mir ist jedes Mittel recht, wenn ich den zu Fall bringe." Und dazu ergab sich ihm folgende Gelegenheit: 1965 ereignete sich in Bremen-Vahr in der Geschw.-Schollstrasse in dem Feinkost- und Porzellangeschäft des Ehepaars Surowitz ein Aufsehen erregender Spukfall. In dem Geschäft war damals ein 14 Jahre alter Lehrling namens Heiner Scholz beschäftigt. Von einem bestimmten Zeitpunkt an erfolgten in dem Geschäft zerstörerische Vorgänge. Ohne ersichtlichen Grund fielen Einmachgläser aus den Regalen, sprang eine wertvolle Kaffeekanne über anderes Porzellan hinweg und flog Geschirr durch die Luft. Der Lieferwagen-Fahrer Manfred Janssen erlebte z.B., wie beim Abstellen von Ware im Keller vor seinen Augen Geschirr klirrend aus den Regalen herausfiel und aufeinander gesetzte Kästen mit gefüllten Flaschen ihm nach vorne entgegenkippten. Er hatte noch Glück, von ihnen nicht verletzt zu werden. Alle diese sich über Wochen erstreckenden Vorfälle ereigneten sich nur, wenn der Lehrling Heiner Scholz im Geschäft anwesend war und in der Nähe stand. Immer sah man aber genau, dass seine Hand dabei nicht im Spiel war. Polizei und Feuerwehr wurden zur Untersuchung der Vorgänge hinzugezogen. Auch in ihrer Gegenwart geschahen solche Vorgänge; jedoch konnten sie keine Ursache dafür ausfindig machen. Die Vorfälle hörten erst auf, als der Lehrling seine Arbeitsstelle verliess, einige Zeit in psychiatrische Behandlung kam und dann von Prof. Bender in seinem Freiburger Institut genauer untersucht wurde. Dort flog zwar kein Geschirr mehr durch die Gegend, weil es das dort nicht gab, aber es erfolgten andere beeindruckende paranormale Vorgänge. 13 Jahre später nun versuchte Dr. Schäfer Prof. Bender den Todesstoss zu versetzen. Zuerst verlangte er im Frühjahr 1978 von dem Ladenbesitzer Surowitz eine schriftliche Verzichtserklärung für die Schäden, die ihm durch den Spukfall seinerzeit entstanden waren. Surowitz sagte, dass er keine Forderungen an Heiner Scholz habe. Schäfer bestand aber auf einer schriftlichen Verzichtserklärung. Danach liess er seine Bombe platzen. Heiner Scholz erklärte auf einmal, dass er alle Vorgänge seinerzeit selbst hervorgebracht habe und gab dazu detaillierte Schilderungen ab. Insbesondere auch, wie er den einfältigen Prof. Bender getäuscht habe.
Das alles wurde in allen Zeitungen Deutschlands veröffentlicht und im Fernsehen genauestens dargestellt. Für jeden halbwegs Einsichtigen war aber sofort klar, dass dieses "Geständnis" frei erfunden war, weil diese Vorgänge, wie sie der Heiner Scholz beschrieb, so gar nicht stattgefunden haben konnten. Frau Herta Hansen, die Ehefrau eines Bremer Arztes, machte sich die Mühe, alle damaligen Zeugen eingehend zu befragen: Das Ehepaar Surowitz, den Lieferwagen-Fahrer Janssen, die Beamten von Polizei und Feuerwehr und die Mutter von Heiner Scholz Frau Ilse Kislath. Alle sagten, dass die Behauptungen von Heiner Scholz frei erfunden seien.
Prof. Bender hat dann in den Tageszeitungen und in Fachzeitschriften entsprechende Gegendarstellungen veröffentlicht. Ob das aber die Berichte von Dr. Schäfer neutralisieren konnte, vermag ich nicht zu entscheiden. Dr. Schäfer hat aber auch in einem anderen Fall, der 1974 bei einer Uri-Geller-Fernsehsendung grosses Aufsehen erregte, vier Jahre später versucht, Beteiligte durch Einschüchterung zu einem Geständnis zu bewegen, dass sie die Vorgänge selbst hervorgerufen hätten. In diesem Fall kam er aber nicht zum Ziel. Die Beteiligten weigerten sich, ein "Geständnis" abzulegen.
Dr. Schäfer ist 1986 in den Ruhestand getreten und seit dieser Zeit als Rechtsanwalt in Bremen tätig. 1994 hat er ein weiteres Buch geschrieben mit dem Titel "Poltergeister und Professoren". Auch in diesem Buch erklärt er alle Spukerscheinungen auf seine Weise, nämlich als Schabernack von Jugendlichen. In Bezug auf Prof. Bender spricht er von der traurigen Ballade eines bedauernswerten Mannes von der Eichhalde in Freiburg, des primus inter paras.

Nun ist es unbestritten, dass es in der Esoterik-Szene ein Heer von Scharlatanen und Schwindlern gibt. Darunter auch solche, die sich den schmückenden Titel "Parapsychologe" zulegen. Aber das benutzen die fanatischen Gegner, um alles Paranormale insgesamt zu verteufeln und als kriminellen Aberglauben oder bewusste Täuschung hinzustellen. Die ernsthaften parapsychologischen Forscher aber bezeichnen sie dabei entweder als Irre oder als Schwindler. Prof. Bender dagegen beschrieb seine Haltung wie folgt: "Was Not tut, ist eine positive Kritik des Aberglaubens als Grundlage einer wirkungsvollen Aufklärung und Verhütung von Schäden, eine Bereitschaft, vorurteilsfrei die nicht sanktionierten Randphänomene unserer Erfahrungen zu untersuchen, Gesichertes zuzugeben und phantastischen Vorstellungen und Erwartungen entgegenzutreten" (geäussert gegenüber Frau Herta Hansen aus Bremen).

Der nächste heftige Gegner alles Paranormalen ist eine Frau, die Professorin Dr. med. Irmgard Oepen, geb. 25.2.1929. Sie habilitierte sich an der Universität Marburg für das Fach Rechtsmedizinische Serologie und Rechtsmedizinische Anthropologie. 1974 wurde sie für dieses Fach an dem Institut für Rechtsmedizin zur Professorin ernannt (Planstelle H2). Ihr Hauptarbeitsgebiet waren Vaterschaftsgutachten. Daneben, also privat, war sie die Präsidentin der GWUP, der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V.. Diese Gesellschaft gibt eine Zeitschrift Der Skeptiker heraus, in der alles Paranormale ad absurdum geführt wird, also alles zu Trick und Schwindel erklärt wird. Frau Oepen selbst wendet sich in Vorträgen und Veröffentlichungen aggressiv und hasserfüllt vor allem gegen alle Heilverfahren ausserhalb der Schulmedizin, also gegen Neuraltherapie, Homöopathie, Irisdiagnostik, Geistheilen und alle sonstigen alternativen Heilmethoden, sowie gegen Erdstrahlen und Wünschelruten-Gehen. Da sie in ihren öffentlichen Vorträgen Ärzte dieser Richtungen feindselig und herabsetzend angreift, wehren diese sich entsprechend und lassen ihrerseits an Frau Prof. Oepen kein gutes Haar.
Im November 1985 hielt Prof. Oepen vor dem Ärztlichen Verein Hamburg im Rahmen der "Wissenschaftlichen Abende" einen Vortrag über "Aussenseitermethoden in der medizinischen Diagnostik und Therapie". Ein ärztlicher Zuhörer und Berichterstatter dieses Abends schrieb in einer längeren Abhandlung u.a.: "Der Ton der Ausführungen war nicht sachlich – sich auseinandersetzend mit der Materie –, wie an sich bei wissenschaftlichen Ausführungen einer habilitierten Hochschullehrerin zu erwarten wäre, sondern voreingenommen, aggressiv, herabsetzend, untermischt mit Verachtung und Häme. Über weite Strecken blieb unklar, ob sich der Zorn der Vortragenden mehr gegen Heilpraktiker, von denen sie häufig sprach, richtete, oder gegen Ärzte, die sich erlauben, auch Methoden jenseits der offiziellen Schulmedizin ihr Interesse zuzuwenden."
Ausgehend von diesen Äusserungen richtete nun ein Hamburger Arzt Dr. med. Hahn-Godfroy heftige Anschuldigungen gegen Frau Prof. Oepen, welche ihrerseits dagegen vor Gericht durch zwei Instanzen klagte. Letztenendes hat aber das Oberlandesgericht Hamburg in einem Urteil vom 18.12 1986 die nachstehenden Tatsachenbehauptungen als erweislich wahr erachtet: "Frau Prof. Dr. Oepen sei nur papierärztlich tätig, sei eine praxisfremde Theoretikerin, verfüge nur über angelesenes Wissen und könne nur Papierwissen vortragen."
Und als Werturteil sei erlaubt: "Frau Prof. Dr. Oepen sei inkompetent, verbreite einen täuschenden Eindruck von Wissenschaftlichkeit oder juristischer Fundiertheit. Ihre Ausführungen in ihren Arbeiten und Vorträgen seien unausgewogen in der Darstellung, aggressiv, unfair und unkollegial, sie stelle ein 'Kuckucksei im Nest der Rechtsmedizin' dar. – Ihre Arbeiten seien nicht Gegenstand der Rechtsmedizin in Marburg, sondern ihr Privathobby. Es sei eine Peinlichkeit für die Hochschulmedizin, sich von Frau Oepen vertreten lassen zu müssen, peinlich auch für das Institut für Rechtsmedizin der Universität Marburg und die Bundesärztekammer, persönlicher Umgang und Gespräche mit Frau Oepen seien sehr zu bedenken."
Ich selbst kam mit ihr am 26. März 1993 bei einer Fernsehsendung über Geistheilung im Sender Südwest 3 (Nachtcafé) in Berührung. Sie griff mich an und ich schlug zurück, indem ich ihr das zitierte Urteil des Oberlandesgerichts vorhielt. Es kam zu einem heftigen Schlagabtausch, der dem Moderator Wieland Bakes gar nicht passte. Er beendete ihn schliesslich mit den Worten: "Und die Spielregeln hier bestimme ich." Diese Szene hat er hinterher, wie zu erwarten, aus der Aufnahme herausgeschnitten, so dass sie nicht zur Aussendung kam. Ich habe sie aber mit einem kleinen Tonbandgerät aufgenommen und später bei zwei Vorträgen meinen Zuhörern als Beispiel dafür vorgespielt, wie Fernsehmoderatoren ihre Sendungen manipulieren.
Ein weiterer Gegner alles Paranormalen war der Wissenschaftsjournalist, Neurologe und Psychiater Prof. Dr. med. Hoimar von Ditfurth (gest. 1989). Er war der Moderator des ZDF-Wissenschaftsmagazins "Querschnitt". Diese Sendung gab ihm die Möglichkeit, gegen alles, was er als Aberglauben erachtete, zu Felde zu ziehen. Dazu zählte er u.a. die Astrologie, die Phänomene von Uri Geller und die Geistheilung, besonders die auf den Philippinen. Im Oktober 1982 brachte er einen Film mit dem Titel "Das Geschäft mit dem Wunder" zur Ausstrahlung. Darin versuchte er die philippinischen Heiler durchweg als Betrüger hinzustellen. Ich war dadurch mit betroffen, dass er zwei Szenen aus meinem Film "Paranormale Heilmethoden auf den Philippinen" raubkopiert und in seinen Film eingebaut hatte. Alle Einzelheiten habe ich in meiner Broschüre "Paranormale Heilmethoden auf den Philippinen" dargestellt und können dort nachgelesen werden. Ich habe seinerzeit Strafanzeige gegen Ditfurth wegen Urheberrechtsverletzung gestellt, bin damit aber nicht durchgedrungen, sondern wurde nur auf den Weg der Privatklage verwiesen.
Als letzter der Gegner soll hier der Beauftragte für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Bayerischen Landeskirche der Pfarrer Friedrich-Wilhelm Haack (1935 - 1991) vorgestellt werden. Er war derjenige, der dafür auslösend war, dass der Rektor der Fachhochschule Ravensburg zeitweise meine hochschulöffentliche Vorlesung über Parapsychologie zu unterbinden versuchte. Sein Haupt-Arbeitsgebiet war der Kampf gegen Sekten, insbesondere gegen die Scientology Church. Mit dieser setzte er sich dann auch gerichtlich auseinander und sie sich ebenfalls mit ihm. Sie beschimpften sich gegenseitig.
Er schrieb eine Reihe von Büchern, u.a. "Hexenwahn und Aberglaube in der Bundesrepublik" und "Rendevous mit dem Jenseits". In diesem Buch berichtet er relativ sachlich über die verschiedenen spiritistischen Gruppierungen. Er sagt z.B. auf S. 155: "Wenn wir erwarten, vom Gesprächspartner in unserem Glauben und in dessen Bezeugung ernst genommen zu werden, müssen wir dieselbe Haltung bieten. Mit Beschimpften kann man nicht reden, eine christliche Gesprächsempfehlung müsste in jedem Fall (für Christen) lauten: 'Hören, beten, denken, reden'. Sie kann nicht in vorschnellen Verdammungsurteilen gefunden werden." Das klingt doch recht sachlich. Aber insgesamt war seine Einstellung spiritistischen Phänomenen gegenüber völlig ablehnend. Sein Urteil war: sie lassen sich alle rational erklären, und Botschaften aus dem Jenseits werden nur durch die Medien produziert und laufen auf Schwindel und Einbildung hinaus. Durch sein bulliges Auftreten war er aber auch in der eigenen Kirche nicht ganz unumstritten.

Der Angriff der Baden-Württembergischen Polizei gegen die Parapsychologie

Ein ganz besonders heftiger Angriff gegen die Parapsychologie und Parapsychologen wurde im April 1981 durch die Polizei-Zeitung Baden-Württemberg geführt. In dieser Zeitung, die für Polizeibeamte herausgegeben wird, erschien in Nr. 4/1981 "Die neue dpz-Serie: Grenzwissenschaften - Ermittlungen hinter Nebelvorhängen". In ihrer neuen Serie wird die dpz versuchen, über jene 'Grenzwissenschaften', über die 'Welt des Übersinnlichen' zu berichten, die angesehenen Buchverlagen inzwischen zu Kassenschlagern verholfen haben und oft etwas leichtfertig als 'nicht-relevanter Quatsch' abgetan werden. – In dieser ersten Abhandlung wird zunächst Stellung gegen die Geistige Heilung bezogen..."
Aber dann heisst es, wobei abwechselnd Dr. Wimmer und Dr. Schäfer zitiert werden: "Hier die Affinität einer Ulrike Meinhof zum Okkultismus. Oder die Tatsache, dass Gudrun Ensslin und später auch mehrere Mitglieder der Gruppen, die in Berlin den Kammergerichtspräsidenten von Drenckmann erschossen und den Politiker Peter Lorenz entführten, interessierte Käufer okkultistischer Literatur in einem Westberliner Buchgeschäft für Geisteswissenschaften waren. – Dort der Massenselbstmord der amerikanischen 'Volkstempel-Sekte' in Guayana auf Anweisung des Sektenführers Jim Jones, dem mehr als 900 Menschen in den Tod folgten. – Hier die in Varietés auftretenden Hypnosekünstler. Dort der Fall der 23jährigen Pädagogikstudentin Anneliese Michel aus Klingenberg, die – nur noch gut 60 Pfund schwer – am 1. Juli 1976 starb, nachdem an der Teufelsgläubigen noch das 'Rituale Romanum' (Exorzismus) vollzogen worden war. ... – ... Die permanent volksverdummende Öffentlichkeitsarbeit der Parapsychologen, z.B. jener Hohepriester einer technifizierten neuen Theologie, hat während der letzten 25 Jahre den verhängnisvollen Einfluss solcher scheinbarer Seelenprothesen bewiesen."

Artikel aus Nr. 6/1981 der Polizei-Zeitung Baden-Württemberg

Zwei Monate später kam in Nr. 6/1981 der zweite Teil dieser Serie zum Abdruck unter der Überschrift: "Seher - Heiler - Hexer: Okkulttäter und ihre Opfer:" Wieder wurde über die Parapsychologie unsachlich hergezogen: "Die Parapsychologie erweckt und nährt den Afterglauben bei den Opfern, dies wiederum nährt die Okkulttäter, die ihrerseits den Aberwitz weiter verbreiten und festigen." – "So liefert die Parapsychologie den Okkultbetrügern mit den Täuschungstatsachen auch die okkulten Ausreden gleich mit." – "Der ehemalige Staatsanwalt Dr. Wimmer bezweifelt, ob der okkultistische Augiasstall jemals vom Mist wird gereinigt werden können. Und er warnt dringend vor der Parapsychologie. Dabei scheint ihm wichtig festzustellen, dass die Freiheit der Wissenschaft keineswegs beeinträchtigt werden darf. Es soll jeder forschen und lehren können, was er für richtig hält. Nur wenn, wie bei der Parapsychologie, die anerkannten Kriterien der Wissenschaftlichkeit entfallen, dann können sich auch diese Vertreter nicht darauf berufen, sie seien Wissenschaftler. Ihnen legt er nahe, den Lehrstuhl mit der Sektenprediger-Kanzel zu tauschen, mit anderen Worten: die Wissenschaftsfreiheit mit der Glaubensfreiheit. Dort hat jeder die Freiheit, auch Blödsinn zu glauben oder zu reden."
Ein Polizeibeamter, der Hörer meiner Vorlesungen war, machte mir diese Zeitungsberichte zugänglich. Gleich nach der ersten Ausgabe wandte ich mich mit folgendem Brief an die Redaktion der Polizeizeitung:


An die Redaktion der Polizei-Zeitung Baden-Württemberg Stuttgart
Ravensburg, 14.5.1981

Sehr geehrte Herren!
In Nr. 4/1981 der Polizei-Zeitung von Baden-Württemberg haben Sie eine Artikelserie eines anonymen Verfassers unter dem Titel "Parapsychologie – krimineller Spuk oder Wissenschaft?" begonnen. In dem ersten erschienenen Artikel wird zwar nichts Sachliches über die Wissenschaft der Parapsychologie ausgesagt, dafür versuchen Sie aber durch Beispiele, die mit der Parapsychologie überhaupt nichts zu tun haben, wie der Massenselbstmord in Guayana, diese Wissenschaft in den Bereich des Abartigen zu stellen. Durch die völlig unbewiesene Behauptung, dass Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin eine Affinität zum "Okkultismus" gehabt hätten, was für Sie ja wohl so viel wie Parapsychologie bedeutet, versuchen Sie ausserdem noch eine Verbindung zwischen Parapsychologie und Terrorismus nahe zu legen.
Hierzu kann ich nur erwidern: Wer selbst im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Was würden Sie wohl sagen, wenn ich eine Artikelserie über die Polizei veröffentlichen würde unter dem Titel "Die Polizei, Dein Freund und Helfer oder eine kriminelle Gangsterbande?", und wenn ich in dieser Serie ausschliesslich Berichte verwenden würde, die Sie den beiliegenden Fotokopien entnehmen können? (Diese Fotokopien waren Zeitungsausschnitte über Berichte von Banküberfällen, Diebstählen und Morden von Polizeibeamten) Und diese Berichte sind ja wahr, während Ihre Geschichte mit der Ulrike Meinhof unwahr ist. Würden Sie eine solche negative Artikelserie von mir über die Polizei als gerecht und der Tätigkeit der Polizei als angemessen ansehen?
Ich halte es für gut, wenn Sie in der Polizeizeitung über die Aufgabe und die Bedeutung der Parapsychologie informieren. Aber das sollte durch einen Fachmann geschehen und nicht durch einen anonymen Laien, der bar jeder Sachkenntnis ist.
Wenn Sie sich als Polizei der Wahrheit und dem Recht verpflichtet fühlen, fordere ich Sie auf, den beigefügten und von mir verfassten Aufsatz "PSI ist keine Wahnidee" als Gegendarstellung zu Ihrer angefangenen Artikelserie in Ihrer Zeitung abzudrucken oder zumindest diesen Brief als Leserzuschrift samt einer Seite der Fotokopien mit den Zeitungsausschnitten zu veröffentlichen. Ich verweise hierbei auf das Recht zur Gegendarstellung.
Mit freundlichem Gruss!
W. Schiebeler


Am selben Tag, dem 14. Mai 1981, richtete ich ein ähnlich gestaltetes Schreiben auch an den Innenminister des Landes Baden-Württemberg Prof. Dr. Roman Herzog, der später Bundespräsident geworden ist. Auf beide Schreiben erhielt ich am 22. Juni 1981 vom Innenministerium Baden-Württemberg, Abt. III – Landespolizeipräsidium ein Antwortschreiben, das auf meine Briefe Bezug nahm: "Sie setzen sich darin kritisch mit dem Beginn der Serie über Grenzwissenschaften auseinander, die vor allem den Bezug der Kriminologie zu Okkultismus und zur Parapsychologie behandeln soll. Darüber wurde jedoch weder unsachlich oder gar falsch informiert, noch sollte die Parapsychologie in die von Ihnen genannte Richtung gerückt werden." Eine Veröffentlichung meines Aufsatzes "PSI ist keine Wahnidee" wurde abgelehnt.
In weiteren Schreiben vom 13.7.1981 und 6.12.1981 an das Landespolizeipräsidium und den Innenminister habe ich mich gegen die verharmlosende Auslegung des Artikelinhalts der Polizeizeitung gewandt und darauf hingewiesen, dass man doch von der permanent volksverdummenden Öffentlichkeitsarbeit der Parapsychologen und dem verhängnisvollen Einfluss solch scheinbarer Seelenprothesen geschrieben und behauptet habe: "Die Parapsychologie erweckt und nährt den Afterglauben bei den Opfern, die ihrerseits den Aberwitz weiter verbreiten und festigen (Poliz. Ztg. 6/81, S. 3). Man habe den Parapsychologen sogar geraten, "den Lehrstuhl mit der Sektenpredigerkanzel zu tauschen". Wenn das keine Verleumdungen und Beleidigungen seien, wisse ich nicht, was man sonst darunter verstehen könne.
In den Antwortschreiben auf meine Briefe wurde weiterhin behauptet, es sei alles korrekt formuliert worden, eine Beleidigung liege nicht vor und zu einer Rücknahme oder Entschuldigung bestehe keine Veranlassung. Eine Gegendarstellung von mir wurde abgelehnt. Nur eine Auswirkung hatten meine Briefe: Nach der zweiten Nummer der Serie wurde sie abgebrochen. Es erschien kein weiterer Bericht mehr.

Das Auftreten von Uri Geller

1974 brachte ein besonderes Ereignis ganz Deutschland und die angrenzenden Länder in Aufregung. Ein junger Israeli namens Uri Geller (geb.20.12.1946 in Tel Aviv) wurde am 17. Januar 1974 in der ZDF-Sendung "Drei mal Neun" von Wim Thoelke vorgestellt. Er bekam dort vor laufender Kamera eine Reihe von Gabeln und Löffeln vorgelegt und demonstrierte nun, wie er einzelne durch seine darüber gehaltenen Hände zum Zerbrechen brachte und andere durch ganz leichtes Reiben mit Daumen und Zeigerfinger zum Biegen brachte. Ausserdem brachte er defekte Uhren durch Darüberhalten seiner Hände wieder zum Laufen. Weiter forderte er auch die Fernsehzuschauer auf, ihrerseits Besteckteile und defekte Uhren hervorzuholen und vor sich auf den Tisch zu legen, mit dem Gedanken, dass sich diese verbiegen möchten oder dass die Uhr wieder in Gang komme.
Und das Seltsame und Wunderbare trat ein: bei einer Vielzahl von Zuschauern bogen sich die Gabeln und tickten die Uhren wieder. Die Fernseh- und Zeitungsredaktionen bekamen Tausende von Anrufen über erfolgreiche Versuche. Besonders drastisch erlebte das eine Familie Scheid in Karlstadt am Main. Die Frau Barbara Scheid (63) sass mit ihrer Tochter Elfriede und zwei Enkelkindern vor dem Fernsehapparat. Während der Sendung sagte die Tochter im Spass: "Hoffentlich ist nicht auch unser Silberbesteck kaputt." Darauf gingen die Mutter und ein Enkel in das Nebenzimmer und zogen zwei Schubladen des Buffets auf. Der Schreck war gross: In beiden Schubladen hatten sich schon 42 Besteckteile verformt, Esslöffel, Teelöffel, Kuchengabeln, eine Kuchenschaufel und ein Schöpflöffel. Zwei Teile waren zerbrochen. Frau Scheid war so erschrocken, dass sie die Polizei anrief und um Hilfe bat. Tatsächlich kamen sehr schnell der Polizeiinspektor Horst Kessler und der Polizeimeister Horst Hammer in die Wohnung.

Verbogene Besteckteile der Familie Scheid
Ein Teil der 53 verbogenen Besteckteile der Familie Scheid

Vor den Augen dieser beiden Polizeibeamten bogen sich dann noch weitere neun Besteckteile. Innerhalb von 90 Minuten hatten sich 53 silberne Besteckteile verformt. Ein Fernsehzuschauer in der DDR betrat nach einer gleichartigen Sendung am 19.1.1974 sein Schlafzimmer und hörte aus dem Wandsafe heraus ein kurzzeitiges Pfeifen und Fauchen. Als er den Safe öffnete, bemerkte er, dass ein dort aufbewahrtes Album mit Silbermünzen die doppelte Dicke bekommen hatte. Er schlug das Album auf und sah, dass sämtliche Münzen einen leichten Knick aufwiesen, wodurch das Album doppelt so dick geworden war. Den Schaden, der dem Zuschauer dadurch entstanden war, bezifferte er auf 50.000,- DM. – Ein Uhrmacher in Hamburg hatte dagegen Glück. Von 13 zur Reparatur angenommenen Weckern liefen nach der Sendung fünf wieder einwandfrei und brauchten nicht mehr repariert zu werden.
Gleichartige Sendungen mit Uri Geller wurden auch in der Schweiz, Österreich und England ausgestrahlt. Überall ergab sich das gleiche Ergebnis. Ich selbst habe Uri Geller einmal bei einer Veranstaltung in Düsseldorf erlebt, bei der es um Telepathie und Geistige Heilung ging. Auch dort zeigte er sich beeindruckend.
Bei anschliessend einsetzenden Forschungen stellte sich heraus, dass bei einer Vielzahl von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen gleichartige Phänomene hervorgerufen werden konnten, beispielsweise das Verbiegen von Metallteilen in beidseitig verschlossenen Glasröhren in Gegenwart eines entsprechend begabten Kindes.
Zeitungskommentatoren, Psychoanalytiker, Juristen (Wimmer u. Schäfer) und Bühnenzauberer sahen sich darauf veranlasst, das durch Uri Geller verbogene Weltbild wieder geradezubiegen. Sie erklärten alles als Taschenspielertricks, gepaart mit Wunderhysterie. Damit war für sie der Fall abgetan. Aber sogar der Deutsche Bundestag befasste sich auf Betreiben eines SPD-Abgeordneten mit diesem Problem.

Deutscher Bundestag - 7. Wahlperiode - 79. Sitzung. Bonn,
Donnerstag, den 14. Februar 1974, Seite 5048


Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie und für das Post- und Fernmeldewesen. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Hauff zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 76 des Herrn Abgeordneten Dr. Meinecke (Hamburg) auf:
"Welche Bedeutung misst die Bundesregierung der Parapsychologie bei?"
Der Fragesteller ist anwesend. Zur Beantwortung Herr Parlamentarischer Staatssekretär, bitte!

Dr. Hauff, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Forschung und Technologie und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Präsident, ich bitte, beide Fragen mit Zustimmung des Fragestellers im Zusammenhang beantworten zu dürfen.

Vizepräsident von Hassel: Keine Bedenken.

Auch die Frage 77 des Abgeordneten Dr. Meinecke (Hamburg) ist aufgerufen: Sieht sich die Bundesregierung durch die Ereignisse der letzten Zeit veranlasst, die parapsychologische Forschung in erheblichem Umfange zu unterstützen?

Dr. Hauff. Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Forschung und Technologie und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege Meinecke, wie Sie wissen, gibt es an den Universitäten mehrere Forscher und Institute, z. B. das Freiburger Institut für Grenzgebiete der Psychologie, die sich mit Parapsychologie ernsthaft befassen. Die Entscheidungen über die Förderungen werden in den Selbstverwaltungsorganen der Wissenschaft getroffen. So genannte Grenzfragen der Wissenschaft wie die Parapsychologie gehören unzweifelhaft zur Grundlagenforschung. In diesem Bereich sind, wie Bundesminister Ehmke in seiner Rede vor der Max-Planck-Gesellschaft am 29. Juni 1973 betont hat, staatliche Stellen gut beraten, wenn sie nicht versuchen, auf Detailentscheidungen Einfluss zu nehmen. Dazu reichen ihre Kapazitäten – vielleicht sollte man, dem Gegenstand etwas angemessener, sagen: ihre hellseherischen Kapazitäten – nicht aus.

Vizepräsident von Hassel: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Meinecke.

Dr. Meinecke (Hamburg) (SPD): Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung meine Meinung und Befürchtung, dass parapsychische Epidemien, wie sie z.B. durch einen 'gewissen Menschen' in den Massenmedien ausgelöst wurden, wissenschaftlich untersucht und gesellschaftspolitisch erforscht werden müssten, insbesondere im Hinblick auf Massenbeeinflussungen durch Phänomene oder auch durch Tricks?

Dr. Hauff, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Forschung und Technologie und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Abgeordneter, ich nehme Ihre Zusatzfrage gern zum Anlass, um zu erklären, dass die von Ihnen angesprochenen Ereignisse sehr genau untersucht werden müssen, insbesondere im Hinblick auf die Tatsache, dass bei der Popularisierung solcher parapsychologischen Erkenntnisse und Praktiken, wie Sie sie angesprochen haben, berücksichtigt werden muss, dass dadurch zwar die deutsche Besteckindustrie eine erhebliche Absatzförderung erfahren könnte, dass es aber zugleich im Bereich der Uhrmacher zu erheblichen Beschäftigungseinbrüchen kommen könnte. Insofern hätte eine solche Entscheidung auch beschäftigungspolitische und strukturpolitische Auswirkungen, die mit zu berücksichtigen wären.
(Beifall bei den Regierungsparteien.)
Ausserdem, Herr Abgeordneter, ist für die jeweils Betroffenen die Frage der Haftung völlig ungeklärt. Es dürfte auch fragwürdig sein, ob es durch diesen Forschungsbereich tatsächlich zu einer Verbesserung der Qualität des Lebens kommen kann. Solange die damit zusammenhängende Frage nicht endgültig und abschliessend geklärt ist, geht jedenfalls das Bundesministerium für Forschung und Technologie davon aus, dass ein Bedarf der Gesellschaft an einer erheblichen Verstärkung dieser Art von parapsychologischer Forschung nicht vorausgesetzt werden kann.

Vizepräsident von Hassel: Eine zweite Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Meinecke.

Dr. Meinecke (Hamburg) (SPD): Herr Staatssekretär, wenn ich auch Ihre Auffassung und die der Bundesregierung teilen mag, möchte ich Sie trotzdem fragen: Wie kommt es, dass in den Vereinigten Staaten und in der Sowjetunion die Schwerpunkte der parapsychologischen Forschung in den letzten Jahren ausserordentlich verstärkt gefördert worden sind, und glauben Sie nicht, dass die Bundesregierung vielleicht in die Gefahr gerät, hier den internationalen Anschluss zu verlieren, insbesondere deshalb, da ja offenbar parapsychologische Phänomene auch im Zusammenhang stehen mit bestimmten Problemen der bemannten Raumfahrt?

Dr. Hauff, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Forschung und Technologie und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege Meinecke, soweit die Bundesregierung informiert ist, handelt es sich – jedenfalls im Fall Amerika – weitgehend um private Initiativen und Initiativen privater Stiftungen. Gerade angesichts des Gegenstandes der heutigen Verhandlungen im Deutschen Bundestag wird es nicht unangemessen sein, darauf hinzuweisen, dass die Bundesregierung nachdrücklich jede private Förderung von Forschungsaktivitäten begrüsst.

Vizepräsident von Hassel: Eine dritte Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Meinecke.

Dr. Meincke (Hamburg) (SPD): Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung denn wenigstens der Auffassung, dass in den Bereich dieser Forschung nicht nur das Aufklären und Verifizieren von Fragen und Phänomenen gehört, sondern auch der psychohygienische Aspekt, d. h. die Aufklärung über schädliche Auswirkungen derartiger Phänomene wie Wundergläubigkeit, Wunderheilungen, Jenseitskontakte oder die merkwürdige Aufnahmebereitschaft unserer Bevölkerung gerade zur Zeit bezüglich solcher Phänomene?

Dr. Hauff, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Forschung und Technologie und für das Post- und Fernmeldewesen: Herr Kollege Meinecke, ich vermag auf Ihre Frage keine Antwort zu geben, wobei ich nicht ausschliessen kann, dass es auch über mein Vermögen geht, Ihnen zu sagen, ob mich hieran möglicherweise geheimnisvolle Kräfte hindern.
(Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

Vizepräsident von Hassel: Eine letzte Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Meinecke.

Dr. Meinecke (Hamburg) (SPD): Kann ich denn vielleicht Übereinstimmung mit der Bundesregierung in der Auffassung herstellen – anlässlich dieses heutigen Tages –, dass das Nutzbarmachen von psychokinetischen Impulsen und Energien jedenfalls zur Lösung der Energiekrise nicht geeignet sein wird?

Dr. Hauff, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Forschung und Technologie und für das Post- und Fernmeldewesen: Hier befindet sich Ihre Einschätzung in voller Übereinstimmung mit der Meinung des Bundesministers für Forschung und Technologie."

Diese Debatte zeigt, dass die Abgeordneten die Angelegenheit doch mehr von der humoristischen Seite gesehen haben. Geschehen ist in den abgelaufenen 30 Jahren in Bezug auf parapsychologische Forschung in Deutschland jedenfalls nichts. Und wenn ein Politiker oder angesehener Forscher es wirklich ernsthaft wagen sollte, sich für öffentlich geförderte Forschung auf dem Gebiet der Parapsychologie einzusetzen, würde er von den zahlreichen Gegnern sofort publizistisch öffentlich hingerichtet werden. Die Wortwahl, die dabei verwendet wird, hat unser ehemaliger Bundespräsident und seinerzeitiger Innenminister von Baden-Württemberg Roman Herzog, der ja auch Jurist ist, damals 1981 für angemessen und nicht beleidigend angesehen. Daher wird kaum ein bedeutender Forscher sich der Gefahr aussetzen wollen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Selbstmord zu begehen.

Meinungsfreiheit in Deutschland?

Zum Schluss dieses Abschnitts soll noch die Frage behandelt werden, wie es in Deutschland mit der Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit bestellt ist. In der Parapsychologie werden nicht nur Erfahrungsbeweise für das persönliche Fortleben nach dem irdischen Tod gesucht und gefunden, sondern es wird auch die Frage behandelt, ob Menschen nicht auch mehrmals hier auf dieser Erde ein Leben verbringen müssen. Es geht also darum, ob so etwas wie eine Reinkarnation, eine irdische Wiedergeburt, gibt. Forscher, wie z.B. der amerikanische Psychiater Prof. Jan Stevenson, haben Fälle untersucht und dokumentiert, bei denen kleine Kinder, nachdem sie zu sprechen begonnen haben, behaupteten, schon einmal auf Erden vor gar nicht langer Zeit gelebt zu haben. Dabei vermochten sie den früheren Wohnort, ihre damaligen Eltern und andere Verwandte und die Art ihres Todes genau zu schildern. Prof. Stevenson ist diesen Angaben nachgegangen und konnte feststellen, dass sie den Tatsachen entsprachen. Die mitgenommenen Kinder erkannten sogar ihre früheren Eltern wieder. So etwas wird als Indiz für eine irdische Wiedergeburt angesehen. In einigen Religionen wie Hinduismus und Buddhismus nimmt die Wiedergeburtslehre eine zentrale Stellung ein. Auch im Christentum wurde die Reinkarnationslehre von dem Kirchenvater Origenes (185 - 254) vertreten. Sie wurde erst 543 von dem römischen Kaiser Justinian durch ein Edikt verboten. Einzelheiten habe ich in meiner Schrift "Das Fortleben nach dem Tode und irdische Wiedergeburt" dargestellt.
Auch heute wird die Wiedergeburtslehre von allen christlich-spiritualistisch eingestellten Menschen vertreten, also z.B. von allen Greber- und Kardec-Anhängern. Von letzteren gibt es in Südamerika viele Millionen. Die Wiedergeburtslehre ist der Gegensatz zur Lehre der ewigen Verdammnis der Grosskirchen. Diese haben damit keine befriedigende Antwort auf die Frage des Leides in dieser Welt. – Die Bedeutung der Wiedergeburtslehre schildert der bedeutende belgische Dichter und Philosoph Maurice Maeterlinck (1862 - 1949, Nobelpreis für Literatur 1911) folgendermassen:
"Nie gab es einen Glauben, der schöner, gerechter, reiner, moralischer, fruchtbarer, tröstlicher und wahrscheinlicher ist, als der an die Wiederverkörperung. Er allein gibt mit seiner Lehre von der allmählichen Sühne und Läuterung allen körperlichen und geistigen Ungleichheiten, allem sozialen Unrecht, allen empörerischen Ungerechtigkeiten des Schicksals einen Sinn."
Die Folgerungen der Wiedergeburtslehre bestehen darin, dass der Verlauf des jetzigen irdischen Lebens der Menschen, also Leid, Erfolg usw., weitgehend von der Schuld oder den guten Taten des vorhergehenden Lebens bedingt wird. Man bezeichnet das mit dem Begriff Karma.
Nun gibt es einen Schriftsteller Tom Hockemeyer, der seine Romane unter dem Künstlernamen Trutz Hardo schreibt. Ich kenne ihn seit fünfzehn Jahren persönlich. Er ist ein ausgesprochen liebenswürdiger, hilfsbereiter und friedfertiger Mensch. Er ist ein überzeugter Anhänger der Wiedergeburtslehre und veranstaltet sog. Rückführungsseminare. Bei diesen werden die Teilnehmer durch verbale Suggestionen in einen Zustand versetzt, in dem sie innere Erlebnisse haben, die aus einem früheren Erdenleben zu kommen scheinen. Herr Hockemeyer hat neben anderen Werken 1996 einen Roman veröffentlicht, dem er den Titel gab: "Jedem das Seine". Der Titel ist der Wahlspruch (Suum Quique) des seinerzeitigen preussischen Schwarzen Adler-Ordens, der höchsten Auszeichnung Preussens. In diesem Roman wird die Wiedergeburtsfrage von den in dem Roman auftretenden Personen eingehend erörtert mit dem Ergebnis, dass begangene Schuld in einem früheren Leben zu einem schlimmen Schicksal im jetzigen Leben führen kann. Und dies sei z.B. auch den Juden im Dritten Reich in Deutschland widerfahren, als sie in Massen in den Konzentrationslagern umgebracht wurden. Diese Folgerung ergibt sich ganz natürlich aus dem Karmagesetz, wie es in dieser Form von mindestens einer Milliarde Menschen auf dieser Erde als religiöses Glaubensgut für wahr gehalten wird.
Nun ist es erstaunlich, dass es auch im Judentum religiöse Richtungen gibt, die von einer irdischen Wiedergeburt ausgehen und damit das Karmagesetz bejahen. In diesem Sinn verkündete am 5.8.2000 der angesehene jüdische Oberrabbiner Ovadia Yussef (abgedruckt in der Zeitschrift Ha' arez vom 7.8.2000): "Die sechs Millionen Juden, alle jene armen Leute, die sich in der Hand all jener Bösen, den Nazis, befanden – geschah das alles sinnlos? Nein. Sie waren Reinkarnationen früherer Seelen, die sündigten und andere zum Sündigen veranlassten und eine ganze Reihe von verbotenen Dingen taten, jene armen Leute, welche alle Torturen, Mühsale und Tode erleben mussten, unter denen sie im Holocaust getötet wurden. Sie alle waren reinkarnierte Seelen. Dieses Leben ist nicht das erste, in welchem ihre Seele erschienen ist. Sie sind gekommen, um für ihre Sünden zu büssen. Wir müssen an diese Dinge glauben. Wer daran nicht glaubt, ist ein Ungläubiger." Die Zeitschrift Ha' arez fügte noch hinzu: Mit dieser Rede habe der einflussreichste Rabbiner des heutigen Israels die Reinkarnation von einem Thema der Kabbalisten zu einem Bestandteil der jüdischen Glaubenslehre verwandelt.
Diese Verlautbarung wurde in gekürzter Form auch in der deutschen Presse abgedruckt, und kein Mensch hat sich hier (im Gegensatz zu Israel) öffentlich darüber aufgeregt. Ganz anders dagegen erging es Herrn Hockemeyer. Am 26.3.1997 drangen, während Herr Hockemeyer auf einer Auslandsreise war, drei Polizeibeamte in seine Berliner Wohnung ein, durchsuchten diese und beschlagnahmten eine Reihe von Unterlagen. Gleichzeitig eröffnete das Amtsgericht Koblenz gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung und Beleidigung.
Schon vorher, am 27.11.1996, hatte die Grünen-Politikerin Jutta Dithfurt, die Tochter des Prof. Hoimar von Dithfurt, zusammen mit etwa 150 Teilnehmern in Darmstadt vor einer Esoterik-Buchhandlung eine Demonstration gegen Hockemeyer und sein Buch durchgeführt. Bei dieser Gelegenheit wurden auch Franz Alt, C. G. Jung und der Dalai Lama gleich mit angeprangert. Eine Woche später wurde auf Hockemeyer während einer Gruppenrückführung durch ein ebenerdiges, geschlossenes Fenster sogar geschossen.
Am 2.4.1998 kam es vor dem Amtsgericht Neuwied zur Verhandlung wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener. Der Staatsanwalt beantragte ein Jahr Gefängnis und 5000,-- DM Geldstrafe. Das Urteil wurde am 4.5.1998 gesprochen und lautete 4000,-- DM Geldstrafe und Verbot des Buches Jedem das Seine. Hockemeyer ging in Berufung. Fünf Tage vor dem Prozess in der zweiten Instanz wurde sein Auto in Berlin in Brand gesteckt und erlitt Totalschaden.
Am 23. Mai 2000 fand der erste Verhandlungstag vor dem Landgericht in Koblenz statt. Herr Hockemeyer trug dabei u.a. vor: "Wenn ich in meinem Roman Jedem das Seine auf neue Ergebnisse der Wissenschaft zurückgreife, so darf das nicht als Beleidigung aufgefasst werden, denn mir geht es auf keinen Fall darum, jemanden zu beleidigen. Aber es geht darum, erweitertes neues Verständnis für unser Sein auf Erden darzustellen, also dem Sinn unseres Daseins auf Erden neue Richtungen und Erklärungsmöglichkeiten zu geben, wie sie sich aus den neuesten Reinkarnationsforschungen abzeichnen."
Von solchen Einlassungen hat sich das Gericht in keiner Weise beeinflussen lassen. Das Urteil am 30.5.2000 lautete wiederum: 4500,-- DM Geldstrafe und Verbot des Buches. Die Urteilsbegründung enthielt u.a.: "Der Angeklagte kann sich nicht auf die Freiheit der Lehre und des Glaubens, Gewissens und Bekenntnisses berufen. Nach der grundgesetzlichen Wertordnung treten diese Freiheiten zurück hinter die Ehre und Menschenwürde anderer, die es zu achten gilt."
Jetzt wissen wir es also: Das Karmagesetz, wenn es denn wirklich besteht, kann auf der ganzen Welt für jedermann gelten. Nur in Deutschland (aber nicht einmal in Israel) ist es in Bezug auf Juden durch Gerichtsbeschluss ausser Kraft gesetzt. In Deutschland kann man jede Gotteslästerung aussprechen und verkünden, dass Soldaten Mörder sind. Das alles ist durch die Freiheit der Meinungsäusserung legitimiert. Aber wenn etwas gesagt wird, was Juden als unangenehm empfinden könnten, steht man wegen Volksverhetzung hier in Deutschland sehr schnell vor Gericht.
Bei der Wiedergeburtslehre und dem Karmagesetz handelt es sich um ein religiöses Weltbild. Vor vierhundert Jahren gab es schon einmal Gerichtsprozesse, die damals ein astronomisches Weltbild betrafen, was aus der Welt geschafft werden sollte. Es handelte sich seinerzeit um die Entdeckungen des Frauenburger Domherrn und Astronomen Nikolaus Kopernikus (1473 - 1543). Dieser hatte das altertümliche geozentrische Weltbild durch das heliozentrische Weltbild ersetzt, d.h. er hatte erkannt, dass die Sonne der Mittelpunkt des Planetensystems ist und nicht die Erde. Das stand im Widerspruch zu dem, was die katholische Kirche als wahr ansah. Nun setzte sich 1613 der sehr berühmte italienische Physiker und Astronom Galileo Galilei (1564 - 1642) in einer Schrift über die Sonnenflecken für diese Lehre ein. Das trug ihm 1615/16 ein Verfahren vor dem Inquisitionsgericht in Rom ein. Dabei wurde durch Urteil die Kopernikanische Lehre insgesamt verboten und Galilei verboten, diese zu lehren oder zu verteidigen. Galilei hielt sich aber nicht daran, sondern veröffentlichte 1632 einen Roman, d.h. eine fiktive Erzählung, die er Dialoghi (Dialoge) nannte. In dieser diskutieren zwei Personen, ein Einfältiger und ein Gebildeter, über das kopernikanische Weltbild. Der Einfältige verteidigt das geozentrische Weltbild der Kirche, der Gebildete das heliozentrische Weltbild des Kopernikus. Sehr schnell kam Galilei 1632 wieder vor das Inquisitionsgericht und wurde zu Gefängnis von unbestimmter Dauer verurteilt. Ausserdem musste er am 22. Juni 1633 in einer feierlichen Sitzung des Heiligen Offiziums auf den Knien liegend der Kopernikanischen Lehre abschwören mit den Worten: "Ich schwöre ab, verwünsche und verfluche mit redlichem Herzen und nicht erheucheltem Glauben alle diese Irrtümer und Ketzereien, sowie überhaupt jeden anderen Irrtum und jede Meinung, welche der Heiligen katholischen und römisch-apostolischen Kirche entgegen sind; auch schwöre ich, in Zukunft weder mündlich noch schriftlich etwas zu sagen oder zu behaupten, was ähnlichen Verdacht der Ketzerei gegen mich begründen könnte; und sollte ich einen Ketzer oder der Ketzerei Verdächtigen kennen, so werde ich ihn dem Heiligen Offizium oder dem Inquisitor oder meinem Diözesanbischof anzeigen."
Heutzutage braucht man in vergleichbaren Fällen zwar nicht mehr auf den Knien liegend einen Schwur abzulegen, aber ins Gefängnis kann man immer noch kommen, oder zumindest eine saftige Geldstrafe einstecken. Und ein Verbot wird wie bei Galilei auch ausgesprochen.


Leider!
So ist's in alter Zeit gewesen,
so ist es, fürcht ich, auch noch heut:
Wer nicht besonders auserlesen,
dem macht die Tugend Schwierigkeit.
Aufsteigend musst du dich bemühen
doch ohne Mühe sinkest du.
Der liebe Gott muss immer ziehen,
dem Teufel fällt's von selber zu!
Wilhelm Busch


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"Letzte Änderung dieser Seite am 10. Juni 2014"