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Parapsychologie

Artikel von Prof. Dr. Werner Schiebeler erschienen in der Zeitschrift 'Wegbegleiter' Nr. 2/2005, S. 7-49.
Anmerkungen des Erfassers stehen in [ ]-Klammern.

Die Macht des Bösen

Das paranormale Eindringen von Materie in menschliche Körper

von Prof. Dr. Werner Schiebeler

In der Parapsychologie sind die sog. physikalischen Erscheinungen von besonderer Bedeutung. Darunter versteht man Vorgänge, die ihre Ursache oder ihren Ausgang in paranormalen geistigen Vorgängen haben, sich jedoch in rein physikalisch-materiellen Auswirkungen bemerkbar machen. Das betrifft zum Beispiel die mechanische Bewegung von materiellen Gegenständen ohne sichtbaren Urheber oder physikalischen Wirkungsmechanismus. Man spricht dann je nach der Art und dem Auftreten der Bewegung von Psychokinese, Telekinese, Levitation, Apport oder Transport. Weiter gehören Erscheinungen dazu, bei denen Materie scheinbar aus dem Nichts entsteht oder im Nichts verschwindet.

In diesem Beitrag soll vor allem geschildert werden, dass es Vorkommnisse gibt, bei denen materielle Gegenstände, z.B. Metallnadeln, Drahtstücke oder Nägel, in menschliche Körper paranormal hineinbefördert wurden. Dabei handelte es sich in der Regel um Vorgänge der Schwarzen Magie oder um Besessenheitsfälle.

Otilia Bertoldi

Im Jahre 1975 gestaltete der Schauspieler und Filmregisseur Rolf Olsen (1919-1998) einen Film über paranormale Geschehnisse, den er "Die Reise ins Jenseits" nannte. Hierfür machte er auch Filmaufnahmen in Brasilien, einem Land, in dem magische Praktiken und der Glaube an derartige Dinge weit verbreitet sind. Insbesondere filmte er auch religiöse Zeremonien und Tieropfer innerhalb des Umbanda-Kultes. Bei ihm handelt es sich um eine synkretistische Religionsform aus christlichen und heidnisch-afrikanischen Elementen, die besonders unter der farbigen Bevölkerung Südamerikas Verbreitung gefunden hat. In diesem Kult wird in starken Masse auch die Verbindung mit der Welt der Verstorbenen und der Dämonen betrieben.

In der Nacht vom 21. zum 22. April 1975, der Nacht, die dem bösen Dämonen Eschu geweiht ist, wohnte Rolf Olsen mit seiner Filmgruppe einem schwarzmagischen Ritual bei. Eine Umbanda-Priesterin des Dämonen Eschu zelebrierte einen Schadzauber im Auftrage einer Amerikanerin. Deren Sohn hatte sich einige Jahre zuvor aus enttäuschter Liebe zu einer Brasilianerin das Leben genommen. Um sich nun an dieser zu rächen, hatte die Amerikanerin bereits in vier vorangegangenen Jahren das Ritual in Auftrag gegeben. Der Filmbesucher konnte später sehen, wie vor der Filmkamera die Eschu-Priesterin einer einfachen Stoffpuppe (Bild 1) unter gemurmelten Verwünschungen Nadeln in den Stoffkörper (Bild 2) stach. Dabei fiel Rolf Olsen auf, dass mehrfach der Name „Otilia, Otilia“ ausgesprochen wurde. Im übrigen empfand er den ganzen Vorgang als einen obskuren Hokuspokus, dem keine ernste Bedeutung beizumessen war. Am übernächsten Tag wurde Herr Olsen durch den Jesuitenpater Quevedo darauf aufmerksam gemacht, dass seit der Nacht zum 22. April eine Señora Otilia Bertoldi in Indaiatuba wieder einmal über ganz seltsame Beschwerden klage.

Sie behaupte, dass auf geheimnisvolle Weise eine Vielzahl von Nadeln in ihren linken Unterarm hineingezaubert worden seien, die ihr nun grosse Beschwerden bereiteten. Das sei auch schon in früheren Jahren in der gleichen Nacht geschehen, und sie hätte dann die Nadeln, so gebe sie an, immer operativ von einem Arzt entfernen lassen müssen. Pater Quevedo meinte, Herr Olsen solle, weil er sich für derartige Dinge interessiere, die Frau doch einmal aufsuchen und befragen. Als dieser den Namen Otilia hörte, wurde er sehr aufmerksam und wissbegierig. Er begab sich sofort zu Señora Bertoldi, überzeugte sich von der Tatsächlichkeit der Angaben und bewog sie, mit ihm das Krankenhaus in Indaiatuba aufzusuchen. Dort veranlasste er eine Untersuchung mit Röntgenaufnahmen (Bild 3) durch den chirurgischen Chefarzt Dr. Ramos.

Die Röntgenaufnahmen, die ich später selbst im Original gesehen und abfotografiert habe (Bild 4 und 5), zeigte in zwei Ebenen, dass 17 Nadeln oder Metallstifte in den Längen von 15-25 mm tief in den Weichteilen des linken Unterarmes eingebettet waren. Der Chefarzt schloss völlig aus, dass die Stifte wegen ihrer tiefen Lage zwischen den Kochen von aussen manuell eingestochen sein könnten. Darüber aber, wie sie nun hineingekommen waren, wollte er sich nicht auslassen. In einer anschliessenden Operation wurden die Stifte dann entfernt. Die Bilder 6 und 7, zeigen diesen Vorgang, der ebenfalls gefilmt wurde. Das Bild 6 lässt zugleich die tiefen Narben von vorangegangenen Operationen am rechten Unterarm der Patientin erkennen, der diesmal allerdings nicht betroffen war.

Herr Olsen hat Señora Bertoldi nicht über das unterrichtet, was er zwei Tage zuvor nachts erlebt hatte und hat sie auch nicht über ihre möglichen Beziehungen zu einem Amerikaner befragt. Die Señora und ihre Familie waren sich aber darüber klar, dass es sich um schwarzmagische Akte handelte. Aus Angst vor besonderen Racheakten wollten daher die zwei Brüder der Otilia Bertoldi mit allen Mitteln verhindern, dass Herr Olsen die Filmaufnahmen mit nach Europa nahm. Nur durch einem Trick konnte dieser samt seinen Filmen den Brüdern entwischen.

Der Ablauf, die Anzahl und der Zeitpunkt der parallelen Geschehnisse deuten darauf hin, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem schwarzmagischen Ritual und dem tatsächlichen Auftauchen der Nadeln in einem menschlichen Körper bestand. Derartige Fälle sind schon mehrfach beobachtet worden.

Doña Lucretia

Mir liegt weiteres Filmmaterial von der provobis film, Berlin, vor, welches das vielfache Auftauchen von Nähnadeln in der Brust einer anderen Brasilianerin zeigt. Es handelt sich um eine Doña Lucretia M. J. aus Lorena (Sao Paulo), die 1969 gefilmt wurde. Sie war damals 46 Jahre alt. In ihrem Busen tauchten mehrfach eine Vielzahl von Nähnadeln unbekannter Herkunft auf. Nach etwa drei Wochen verursachten diese Nadeln bei der Frau Vereiterungen. Sie wanderten mit den Spitzen nach aussen und mussten dann mit einer Zange herausgezogen werden.

Durch welchen Vorgang die Nadeln in den Busen der Doña Lucretia gelangten, war unbekannt. Als sie 1969 gefilmt wurde, fertigte man auch Röntgenaufnahmen an. Diese zeigten damals mehr als 120 zum Teil stark verrostete Nähnadeln. (Bilder 8; 9; 10). Ein Arzt hat damals 1969 die Nadeln mit einer Kneifzange herausgezogen.

(Bilder 11 und 12). Er gab an, dass sie fest im Gewebe unter der Haut sassen und nur mit Kraftanstrengung herausgezogen werden konnten. Die Doña Lucretia sagte, dass diese Erscheinungen bei ihr seit dem 15. Lebensjahr aufträten. Wenn die Nadeln kämen, fühle sie sich schläfrig, verspüre aber keine Schmerzen dabei. Beim Herausziehen der Nadeln dagegen habe sie Schmerzen. Sie machte keine Angaben darüber, warum diese Nadeln in ihren Körper hineingekommen sein könnten.

Anna Göldi

Der folgende Fall gilt als der letzte Hexenprozess, der in Europa stattfand und am 18.6.1782 in der Schweiz mit einer Hinrichtung endete. Die folgende Darstellung folgt weitgehend den Veröffentlichungen (1) und (2).

Anna Göldi war die Tochter sehr armer Eltern, die schon in früher Jugend ihren Lebensunterhalt als Dienstmagd verdienen musste. Mit 28 Jahren war sie im Pfarrhaus von Sennwald beschäftigt. Dort lernte sie einen jungen Burschen Namens Jakob Rhodurner (red. oder Rhoduner) kennen. Dieser schwängerte sie, liess sie dann aber sitzen. Anna verbarg die Schwangerschaft und gebar das Kind ohne jeden Beistand. Es starb aber sehr schnell. Als das tote Kind entdeckt wurde, stellte man Anna öffentlich an die Schandsäule. Drei Jahre später fand sie Dienst im Haus eines Dr. Zwicky in Mollis. Wieder wurde sie schwanger, und zwar diesmal von ihrem Dienstherrn. Wieder wurde die Geburt verheimlicht, aber das Schicksal dieses Kindes ist unbekannt.

Nach weiteren mehrfachen Stellungswechseln, sie war inzwischen 42 Jahre alt, trat sie 1780 ihren Dienst bei dem angesehenen Arzt und Richter Johann Jakob Tschudi an. Er lebte mit Frau und fünf Kindern in Glarus in der Schweiz. Die zweitälteste Tochter des Ehepaars hiess Annemaria, genannt Annemigli. Sie war acht Jahre alt, dumm, verwöhnt, unartig und der Liebling der Mutter. Dieses Kind riss der Magd 1781 einige Male die Haube vom Kopf und bekam dafür einen Klaps. Die Mutter rügte daraufhin die Magd.

Einige Tage darauf fand das Kind in seiner Milch eine Stecknadel (Gufe). Und in den folgenden Tagen jeweils wieder eine, und dann sogar eine im Brot. Nun wurden die Eltern stutzig. Ein erster Verdacht fiel auf die Magd Anna, welche die Milch kochte und in der Küche in die Tassen goss. Am nächsten Tag untersuchte die Mutter die Milchtassen der Kinder und fand wirklich Nadeln in den Tassen der Annamaria und der Susanna. Daraufhin wurde die Magd hart zur Rede gestellt. Diese antwortete amüsiert, woher sie wohl Nadeln nehmen sollte, wenn sie doch überhaupt keine besässe. Als aber am folgenden Tag wieder eine Gufe in Annemarias Tasse und eine in einem Brotstück gefunden wurden, jagte man Anna noch am selben Tag aus dem Haus.

Wenn aber Dr. Tschudi und seine Angehörigen gehofft hatten, dass durch den Fortgang der Göldi die leidigen Vorfälle beendet seien, so sahen sie sich hierin getäuscht. Fast gleichzeitig mit der Entlassung der Magd stellten sich bei der kleinen Annamaria höchst sonderbare Anfälle krankhafter Art ein: Das Kind wurde beim Aufstehen von heftigem Zittern befallen, stöhnte und begann wie im Fieber unverständliches Zeug zu sprechen, wie: Man solle ihm zu Hilfe kommen; es seien Männer da; man wolle es erschlagen und dergleichen. Auch verweigerte es tagelang feste Nahrung und musste mit Tee ernährt werden. In der Zeit zwischen den Anfällen lag es stumm und mürrisch da. Kurze Zeit nachher traten auch heftige und erschöpfende Hustenanfälle auf, bis das Kind eines Tages mitten in einer solchen Hustenkrisis mit blutigem Schleim einige Stecknadeln (Gufen) ausspie.

Das fassungslose Staunen der Eltern und der andern Augenzeugen steigerte sich noch, als das "Gufenspeien" Tag für Tag fortdauerte. Sofort wurde die kleine Annamaria das Tagesgespräch von ganz Glarus. Man drängte sich, das unheimliche Wunder zu sehen. Man empfand tiefes Mitleid mit dem kranken Kind, das nach seinen Anfällen röchelnd und zu Tode erschöpft auf seinem Bette lag. Die ausgespieenen Gufen, deren es bald hundert an der Zahl waren, grosse und kleine, gerade und verbogene, wurden sorgfältig untersucht und aufbewahrt (Bild 13)

Sogleich war man sich darüber einig, dass das seltsame neue Ereignis mit jenen Vorfällen vor der Entlassung der Anna Göldi zusammenhängen müsse. Zwar waren seit dem Weggang der Magd bis zum ersten Gufenspeien volle achtzehn Tage verflossen; aber es schien den meisten offensichtlich, dass die Person, die heimtückischerweise Nadeln in die Milch des Kindes habe legen können, denn dies sah man als erwiesen an, obschon Anna ihre Unschuld beteuert hatte diese auch auf irgendeine Weise dem Kind in den Leib gebracht haben müsse. Dabei wusste man aber, und auch die Eltern behaupteten nichts anderes, dass Annemiggeli damals keine Nadeln verschluckt habe; überdies wäre es auch unerklärlich gewesen, wie solche Nadeln erst nach achtzehn Tagen vom Körper ausgeschieden worden wären. Es konnten also unmöglich dieselben Nadeln sein; und doch so schien es den Glarnern musste ein Zusammenhang zwischen den beiden Ereignissen bestehen. So kam man allgemein zur Überzeugung, dass die Göldi das Kind mit ihren Nadeln "verderbt", also verzaubert habe.

Der Vorfall schien ernst genug, um die Obrigkeit davon zu benachrichtigen. Die "Gnädigen Herren und Oberen" beschlossen denn auch auf Veranlassung Dr. Tschudis die unverzügliche Verhaftung der Göldi. Zu diesem Zweck wurde dem Amtsläufer befohlen, sich sogleich nach dem Werdenbergischen im Rheintal aufzumachen und die Göldi festzunehmen.

Die Verhaftung misslang zunächst, weil die Anna Göldi von ihrem zweiten Kindsvater Dr. Zwicki gewarnt worden war und sich verbergen konnte. Inzwischen hatte sich der Zustand der kranken Annamaria Tschudi weiter verschlechtert. Sie fuhr auch im Laufe des Dezembers fort, zahlreiche Stecknadeln auszuspeien. Sogar kleinere Nägel und drei Stückchen Draht waren darunter. Die Nadeln wurden gewöhnlich von dem Kind mit Schleim und Blut ausgespuckt. Manchmal musste man sie ihm auch mit Gewalt aus den Zähnen herausreissen.

Das gefährlichste Leiden aber war eine Art Verkrampfung des linken Beines. Die Muskeln waren, wie ein ärztliches Protokoll vermerkt, „erstarret und gleichsam wie eiserne Federn“. Besonders der linke Fuss war verkrümmt und gänzlich unbeweglich. Das Kind lag meist zu Bett oder im Lehnstuhl, war aber im übrigen seiner Sinne mächtig und ass mit gutem Appetit. Die unglücklichen Eltern versuchten alles Mögliche zu seiner Heilung. Da ärztliche Bemühung nichts fruchtete, wurde sogar ein Teufelsbanner hinzugezogen. Ein gewisser Irminger aus Pfaffenhausen erschien und gab dem Kind viele geheimnisvolle Tränke ein und erklärte, als seine Kur gänzlich erfolglos blieb, dass [nur] die Person, welche das Kind verderbt habe, es auch heilen könne.

Nun drängte Dr. Tschudi erneut die Ratsherren, eine ernstliche Verfolgung der Göldi in die Wege zu leiten. Nach einigem Zögern wurde ein Steckbrief an alle eidgenössischen Regierungen verschickt. Darauf konnte Anna Göldi in Degersheim verhaftet werden und wurde am 21. Februar 1782 nach Glarus überführt. Damit konnte ein Prozess begonnen werden.

Inzwischen traten aber neue Umstände zu Tage, die noch viel merkwürdiger als das bisher Geschehene waren. Sie liessen das Verhalten der Anna Göldi in einem noch unheimlicheren Licht erscheinen. Die kleine Annamaria hatte nämlich in ihren wirren Reden oft Andeutungen gemacht, dass sie noch ein Geheimnis wisse, es aber nicht sagen könne und dürfe. Nach endlosem Einreden auf das Kind und nach vielen Versicherungen, dass ihm nichts geschehen werde, was es auch erzähle, rückte Annemiggeli mit Folgendem heraus:

An einem Sonntag, als niemand von der Familie im Hause war, sei sie, Annemiggeli, von Anna Göldi mit in die Magdkammer hinaufgenommen worden. Dort habe der alte Schlosser Rudolf Steinmüller neben Anna auf dem Bett gesessen, und ausserdem sei Einer auf dem Boden herumgekrochen, der weder Beine noch Arme gehabt habe. Sodann habe ihr Anna aus einem Töpfchen ein verzuckertes Leckerlein gegeben und dabei eingeschärft, sie möge ja Vater und Mutter nichts davon sagen. Rudolf Steinmüller und „der am Boden“ hätten nichts gemacht. Weiter erzählte das Kind, auch an jenem Morgen, als es den ersten Anfall bekam, sei einer am Boden herumgekrochen und ausserdem habe ihr Anna mit der Hand an dem linken nachher erkrankten Bein heruntergestrichen.

Nachdem diese seltsame Erzählung des Kindes bekannt geworden war, stand das Urteil über die Göldi fest. Die Nadeln und Drahtstückchen – so hiess es nun in ganz Glarus – waren in das Leckerlein hineingebacken worden und die Göldi hatte sie aus Bosheit und Rachsucht auf diese Weise dem Kind eingegeben. Es lag nahe, die Magd selber, die ja nun verhaftet war, über diese neuen Umstände zu befragen.

Allein der Prozess konnte noch nicht beginnen, weil die Obrigkeit zuerst noch ein verwickeltes Problem staatsrechtlicher Art zu bereinigen hatte. Seit den Religionswirren bestanden nämlich im Lande Glarus drei Gerichtshöfe: Ein Rat für die Evangelischen, ein weiterer für die Katholiken, ein dritter Gerichtshof, "gemeiner Rat" genannt, für die gemischten Fälle und für landesfremde Personen. Während nun nach Gewohnheitsrecht Anna vor den gemeinen Rat hätte gewiesen werden müssen, stellte Tschudi, der sich auch hier wieder höchst betriebsam zeigte, die These auf, der Fall gehöre vor den evangelischen Rat, weil sich das Verbrechen in seinem Hause abgespielt habe. Die Verhöre der Göldi konnten nicht eher beginnen, als bis diese Vorfrage abgeklärt war.

Dr. Tschudi liess die Zeit jedoch nicht ungenützt verstreichen. Die vom Teufelsbanner Irminger geäusserte Meinung, nur die Verderberin des Kindes könne dieses auch wieder heilen, war bei ihm und seinen Leuten zur festen Gewissheit geworden und er stellte deshalb an den Rat das Ersuchen, die Göldi möchte an seinem kranken Kind Heilversuche vornehmen.
Der Rat war einverstanden und beauftragte den Landweibel, der auch die Dienste eines Gefängnisaufsehers versah, die Göldi zu dieser heiklen Aufgabe geneigt zu machen. Der Landweibel begab sich in den Turm, wo die Magd in Ketten lag und trug ihr das Anliegen des Dr. Tschudi vor; aber Anna lehnte ab. „Wie soll ich dem Kinde helfen“, sagte sie, „da ich ihm doch gar nichts zu Leide getan habe.“ Der Weibel hielt es daher für geboten, die störrische Person schärfer anzupacken. Dass sie die Übeltäterin sei, darüber gäbe es keine Zweifel, so sagte er, und wenn sie sich weigere, dem Kinde zu helfen, so werde man sie dem Scharfrichter übergeben. Die Göldi, durch drei Wochen Kettenhaft bereits zermürbt, erschrak und erbat sich einen Tag Bedenkzeit. Am nächsten Tag bestürmte sie der Weibel aufs Neue. Nachdem er sie erst erschreckt hatte, begann er ihr nun auch Hoffnung zu machen: Je schneller sie dem Ersuchen des Dr. Tschudi willfahre, desto eher werde sie die Freiheit gewinnen, versprach er, bis die verängstigte Magd schliesslich weinend einwilligte, das Kind „mit Hilfe Gottes und dem Beistand des Heiligen Geistes“ zu behandeln.

Sie wurde nun auf die Ratsstube geführt, wohin man das kranke Mädchen bereits gebracht hatte, und die Prozedur begann. Anna kniete vor dem Kind nieder und fing zaghaft an, das gekrümmte Füsschen zu streichen und zu drücken. Dabei weinte sie unausgesetzt und beteuerte, gänzlich unschuldig zu sein. Die Herren der Untersuchungskommission standen währenddessen um sie herum und ermahnten sie, recht eifrig zu sein; „denn dergleichen Leute könnten helfen, wenn sie nur wollten!“ Die Kur, die auch an den nächsten Tagen wiederholt wurde, hatte keinen sichtbaren Erfolg. Nur fiel es den Zuschauern auf, dass die kleine Annamaria, die zu Hause bei der leisesten Berührung des kranken Fusses aufschrie, bei der kräftigen Behandlung durch die Göldi keinerlei Schmerzempfindung zeigte. Auch berichtete die Mutter, sie habe beim Aufdecken ihres schlafenden Töchterleins bemerkt, dass das kranke Bein wieder so lang wie das gesunde gewesen sei, dass es sich aber nachher beim Erwachen des Kindes wieder verkrümmt habe.

Angesichts des mangelhaften Ergebnisses geriet man auf den Gedanken, die Heilungsversuche da vorzunehmen, wo das Kind von der Göldi "verderbt" worden war. So wurde Anna ins Tschudische Haus geführt und musste dort mit dem Kind die Prozedur wiederholen. Und diesmal mit dem überraschendsten Erfolg! Nachdem Anna den Fuss des Kindes wenige Minuten massiert hatte, konnte dieses plötzlich wieder ohne Hilfe aufrecht stehen. Daraufhin begab man sich in Annas frühere Kammer, wo sich jene Szene mit dem verzuckerten Leckerlein abgespielt haben sollte, und liess von Anna noch ein weiteres Mal die Behandlung des Fusses vornehmen. Nun war die Heilung vollkommen: Das Kind lief zur grössten Freude aller in der Stube auf und ab.

Die Wunderheilung erregte höchstes Aufsehen. Wenn aber Anna in ihrer Einfalt geglaubt hatte, sie habe sich durch ihre Bemühung die Freiheit oder doch zum Mindesten den Dank der Eltern verdient, so irrte sie völlig. Im Gegenteil, die Heilung wurde als ein überzeugender Beweis dafür angesehen, dass Anna mit mehr als natürlichen Kräften begabt sein müsse. Ob aber diese gewaltsame Kunstkraft mit dem Namen Zauberey oder Hexerey oder mit einer andern Benennung zu belegen sei, haben die Herren Examinatoren zu beurteilen nicht vor ihren Beruf gefunden, sondern solches dem höheren und weiseren Urteil ihrer Gnädigen Herren geziemendermassen überlassen wollen. Anna hatte also dadurch, dass sie den Bitten des Dr. Tschudi und des Rates nachgekommen war, den vollen Schuldbeweis geliefert. Denn, so lautete das unwiderlegliche Argument, wenn die Göldi das Kind nicht verzaubert hätte, so hätte sie es auch nicht heilen können! Auch die öffentliche Meinung in Glarus, die bis dahin ziemlich geteilt gewesen war, begann sich dieser Auffassung immer mehr anzuschliessen. Freilich waren damit noch nicht alle Dunkelheiten beseitigt. Auf welche Weise die Zauberei vor sich gegangen sei, ob Anna ihre Untat allein oder mit Helfern begangen habe, das waren Fragen, die noch durch den Prozess abgeklärt werden mussten.

Inzwischen waren die staatsrechtlichen Schwierigkeiten des Gerichtsstandes behoben worden. Der Göldiprozess wurde – mit Zustimmung der Katholischen, die sich von dem unklaren Handel klugerweise distanzierten – dem evangelischen Rat zugeteilt und die Gerichtsprozedur konnte somit ihren Anfang nehmen. Am 21. März 1782, genau vier Wochen nach ihrer Verhaftung, wurde Anna Göldi zum ersten Male einvernommen.

Dieses erste Verhör dauerte vier Stunden bis zur völligen Erschöpfung Annas. Aus dieser und den folgenden Einvernahmen ergibt sich der Eindruck, dass ihre seelische Widerstandskraft schon zu diesem Zeitpunkt gebrochen war. Die schwere Kettenhaft, der Zwang, der während der Heilungsprozedur auf sie ausgeübt wurde, hatten sie körperlich und geistig arg mitgenommen. Und nun stand sie, die unwissende, nicht einmal des Lesens und Schreibens kundige Magd, plötzlich vor einer Schar hochgelehrter Männer, denen ihre Schuld bereits als fest erwiesen galt. Ausserdem war ihr das ganze Geschehen auch selber ein Rätsel. Sie konnte sich das Gufenspeien der kleinen Annemiggeli so wenig erklären wie die sofortige Heilung, welche sie zu ihrer eigenen Überraschung bewirkt hatte. Was sollte sie somit den mächtigen Herren, die nun vor ihr sassen, entgegenhalten? Sie sah sich von Unbegreiflichkeiten umgeben, zu deren Aufklärung ihr dumpfes Hirn nicht ausreichte. Die sichere Überzeugung der Ratsherren und aller sonstigen Sachverständigen, dass sie eine grosse Verbrecherin sei, war wie eine feste Mauer, der sie ohnmächtig gegenüberstand. So trat sie, körperlich geschwächt, erfüllt von furchtbarer Angst und dem Bewusstsein ihrer Hilflosigkeit, vor ihre Richter.

Anna wurde zuerst über die Nadeln befragt, die seinerzeit in der Milch der Annemiggeli gefunden worden waren. Sie erklärte, sie wisse nicht, wie diese Nadeln in die Milch gekommen seien. Diese Antwort genügte nicht. Man drang so lange in Anna, bis sie schliesslich zugab, der böse Geist habe es getan. Hierüber des Langen und Breiten befragt, erklärte sie endlich: „Nun, in Gottes Namen, ich habe die Gufen in die Milch getan.“ Als Motiv gab sie an, sie habe sich dafür rächen wollen, dass ihr das Kind in der Küche die Haube vom Kopf gezerrt habe.

Am folgenden Tag fand ein zweites Verhör statt. Wieder wurde Anna stundenlang bis zur völligen Ermüdung ausgefragt. Jetzt brachten die Richter Anna so weit, dass sie auch zugab, dem Kind die Nadeln in einem Leckerlein eingegeben zu haben. Doch auf die Frage, woher sie das Leckerlein bekommen habe, wusste sie keine Antwort. Länger als eine Stunde bestürmte man sie, bis sie anfing zu schreien und zu jammern. Aber die Richter lassen nicht nach, bis sie bekennt, sie habe das Leckerlein vom Schlosser Steinmüller erhalten. Da man sie vorsichtigerweise fragt, ob sie Steinmüller damit nicht Unrecht tue, antwortet Anna mit kaum hörbarer Stimme, sie wisse überhaupt nicht, was sie tue. Als man ihr nachher das Protokoll vorliest, zieht sie die gegen Steinmüller erhobene Beschuldigung ausdrücklich zurück. Aber nun wird sie von neuem in die Zange des Kreuzverhörs genommen. Wer habe ihr dann das Leckerlein gegeben, wenn es nicht Steinmüller gewesen sei? So fragt man sie unaufhörlich, bis Anna halb von Sinnen antwortet: Der Teufel habe es ihr gegeben!
Nun sind die Richter zufriedengestellt. Das Teufelsbündnis, uraltes Requisit aller Hexenprozesse, ist durch das eigene Geständnis der Übeltäterin erwiesen. Sogleich fragen die Herren weiter: In welcher Gestalt ihr der Teufel erschienen sei? Aber jetzt ist Anna am Ende ihrer Kräfte. „In einer leiden Gestalt“ antwortet sie noch und droht zusammenzusinken. Das Verhör muss daher abgebrochen werden.

Dass Anna die Beschuldigung Steinmüllers zurückgezogen hat, erscheint den Richtern als eine erhebliche Lücke in ihren Geständnissen. In der Darstellung der kleinen Annamaria Tschudi spielt Steinmüller eine Rolle. Anna wird daher noch einmal ins Verhör genommen und in der Tat gibt sie jetzt die Mittäterschaft Steinmüllers wieder zu. Daraufhin schreitet der Rat zur Verhaftung Steinmüllers. Der alte Mann erscheint zitternd vor den Richtern. Aber die Herren haben es bei ihm nicht so leicht, wie bei der unwissenden Magd. Steinmüller bestreitet auf das Bestimmteste, mit der Sache etwas zu tun zu haben. Er kann sogar nachweisen, dass er an jenem Tag, an dem er mit Anna und dem Kind in der Kammer gewesen sein soll, sich anderswo befunden habe. Er wird Anna gegenübergestellt und sie behauptet dem fassungslosen Mann ins Gesicht hinein seine Mittäterschaft.

Da somit Aussage gegen Aussage bestand, entschloss sich der Rat zu einem Mittel, das allein noch tauglich schien, den Widerspruch zu beseitigen, zur Folterung, wie das "an einigen Orten der Schweiz gewöhnlich ist". Die erste und mildeste Stufe der Tortur war das sogenannte "Schreck-Examen", welches darin bestand, dass der Scharfrichter dem Angeklagten die Marterwerkzeuge nur zeigte und ihm ihre Anwendung erklärte. Von diesen "Schreck-Examen" gab es drei Grade mit steigender Eindringlichkeit der scharfrichterlichen Belehrung. Diese drei Grade wurden nun gegenüber Anna angewandt. Beim ersten Examen hielt sie ihre Beschuldigung gegen Steinmüller aufrecht. Dem zweiten Examen wohnte Steinmüller neben dem Scharfrichter bei; und hier brach Anna zusammen. Dem Flehen des verzweifelten alten Mannes, sie solle doch die Wahrheit sagen, konnte sie nicht standhalten. Noch einmal nahm sie alle gegen den Schlosser erhobenen Anschuldigungen zurück und flehte diesen schluchzend um Verzeihung an. Steinmüller, selber weinend, gewährte sie.

Nun waren die Examinatoren in Bezug auf Steinmüller so weit wie zuvor. Man führte daher die Göldi ins dritte "Schreck-Examen", liess sie vom Scharfrichter höchst nachdrücklich mit der Folterzange bedrohen und drang in sie, nun endlich zu sagen, wer ihr das Leckerlein gegeben habe. Nach langem Schweigen, da sie keinen Ausweg mehr weiss, gesteht sie: „Der Teufel in eigener Person sei zu ihr in die Küche gekommen und habe ihr mit den Klauen ein Papier überreicht, in welchem gelber Wurmsamen und weisses Gift eingewickelt gewesen sei. Diese Substanzen habe sie dem Kind in einem feuchten Stück Brot zu essen gegeben. Der Teufel habe die Gestalt eines wüsten, schwarzen Tieres gehabt.

Aber auch in diesem Geständnis fanden die Richter noch einen Widerspruch. Anna sprach jetzt von einem feuchten Stück Brot, während die kleine Annamaria behauptete, ein Leckerlein erhalten zu haben. Die Angeklagte erschien somit immer noch nicht als voll geständig. Man beschloss daher, mit der eigentlichen Folterung zu beginnen. Anna wurde in die Folterkammer gebracht und dort mit gebundenen Händen aufgezogen, wobei sie „ein starkes, fürchterliches Geheul“ erhob. Doch blieb sie bei ihrer Aussage. Zwei Tage später wurde die Tortur wiederholt, jedoch wurde nun an ihre zusammengebundenen Füsse ein schwerer Stein gehängt. In dieser Lage bekannte Anna, dass sie dem Kind ein Leckerlein und nicht ein feuchtes Stück Brot gegeben habe. Auch gab sie nunmehr auf weiteres Befragen – zum drittenmal! – zu, dass Steinmüller ihr dabei behilflich gewesen sei. Diesen Aussagen blieb sie auch bei der dritten Folterung treu, wo sie „auf das Allerschärfeste gepeinigt wurde“.

Jetzt war die Aufgabe der Richter in Bezug auf Anna erfüllt. Sie hatte gestanden und ihr Geständnis auf der Folter bestätigt. Da ausserdem ihre Aussagen genau mit denen der kleinen Annamaria Tschudi übereinstimmten, konnte an der Wahrheit des Geständnisses folglich nicht mehr gezweifelt werden!

Dagegen bereitete Steinmüller dem Rat um so grössere Schwierigkeiten. Der alte Mann, der nun schon seit mehreren Wochen im Verliess sass, gab nicht ein bisschen von dem zu, was die Göldi gestanden hatte. Hartnäckig blieb er dabei, gänzlich unschuldig zu sein. Der Rat scheute sich aber, ihn der Folter zu unterwerfen. Er war ja bislang unbescholten und hatte einflussreiche Verwandte in Glarus. So blieb man bei hart gestalteten Verhören und brachte auch seine Verwandtschaft gegen ihn auf. Diese seelische Marter wurde für den alten Mann schliesslich unerträglich. Er erkannte, dass das Gericht nicht die Wahrheit erfahren sondern nur sein Geständnis haben wollte. So machte er ein phantasievolles Geständnis, das er aber nach wenigen Stunden widerrief. Nach erneuten stundenlangen Verhören "gestand" er erneut und diesmal alles, was man von ihm hören wollte. In der folgenden Nacht, der Nacht vor dem Schlussverhör, beging Steinmüller in seiner Zelle Selbstmord durch Erhängen am Fenstergitter. Auf Anordnung der Obrigkeit wurde dem Toten die rechte Hand abgeschlagen und an den Galgen genagelt. Sein Körper wurde unter dem Hochgericht verscharrt.

Für das Gericht ergab sich nun die Frage, ob man die Göldi zu einer lebenslänglichen Zuchthausstrafe oder zum Tode verurteilen sollte. Da Glarus aber kein Zuchthaus besass, hätte eine Zuchthausstrafe nur in Zürich vollzogen werden können. Nun sahen aber die Glarner Richter die Gefahr, dass die Göldi in Zürich alles widerrufen könnte und damit alles wieder von vorne beginnen würde. Daher wurde die Anna Göldi als Vergifterin zum Tode durch das Schwert verurteilt und am 18. Juni 1782 durch den Henker enthauptet. Ihr Leichnam wurde unter dem Galgen verscharrt. In dem Urteil wurden zwar die Worte "Zauberei" und "Hexerei" vermieden und stattdessen von der „ausserordentlichen und unbegreiflichen Kunstkraft“ der Göldi gesprochen. Gemeint war natürlich die Zauberei.

Im schweizerischen Umland und im europäischen Ausland sprach man bald von einem Justizverbrechen und erstmals von einem Justizmord. Dass der Glarner Hexenprozess der letzte in Europa blieb, ist hauptsächlich der ausgedehnten und kritischen Berichterstattung durch die auswärtige Presse zu verdanken.

Wie aber hat man dann später und in der Neuzeit das ganze Geschehen gedeutet? Medizinisch hat man die seltsamen Erscheinungen zu einer schweren Hysterie der Annemarie Tschudi erklärt. Diese habe sich selbst die Gufen beigebracht, um sich an der Göldi zu rächen. Auf welche Weise die Annemiggli überhaupt an die vielen Gufen gekommen sein könnte, wurde nicht weiter erörtert. Erst die Parapsychologie bringt etwas Licht in die ganze Angelegenheit, da sie vergleichbare Vorgänge (Durchdringung der Materie, Apport und Deport, Materialisationen) seit langem kennt. Aber auch sie lässt noch viele Fragen offen.

Betrachten wir zuerst den Fall der Otilia Bertoldi. Hier ist die Kausalkette klar erkenntlich. Die Mutter eines Sohnes, der aus enttäuschter Liebe Selbstmord begangen hat, will sich an der früheren Geliebten rächen. Sie findet eine bösartige Macht, die ihr dabei behilflich ist. Wie das Geschehen dann im Einzelnen physikalisch, technisch und paranormal abgelaufen ist, wissen wir nicht. Wir können nur zur Kenntnis nehmen, dass es solche Vorgänge gibt und dass sich Menschen das zunutze und anderen zuschaden machen können.

Bei der Doña Lucretia sieht die Sache schon etwas anders aus. Äusserlich ist der Vorgang gleichartig wie bei der Otilia Bertoldi: Es ist das paranormale Eindringen von Metallnadeln in den Körper eines Menschen. Aber hier ist kein Verursacher ersichtlich. Warum geschieht das Ganze? Welchen Grund hat diese bösartige Macht, so etwas zu tun? Wir wissen es nicht.

Und ganz kompliziert wird es bei der Anna Göldi. Wer sollte hier eigentlich geschädigt und vernichtet werden? Die Anna Göldi? Wenn ja, warum? Oder die Annemaria Tschudi? Wenn ja, warum? Oder der alte Schlosser Rudolf Steinmüller? Wenn ja, warum? Oder sollten alle drei geschädigt bzw. vernichtet werden? Aber weshalb? Hat hier eine bösartige Macht blindwütig zugeschlagen? Wir müssen es fast annehmen. Oder sollten vorgeburtliche Rechnungen beglichen werden? Wir kommen jetzt nicht hinter das Geheimnis. Doch sehen wir uns die nächsten zwei Fälle an.

Den Fall der Annemaria Tschudi kann man in gewisser Weise als personengebundenen Spuk ansehen oder auch als jenseitige Umsessenheit, wenn man davon ausgeht, dass eine jenseitige, bösartige Macht der Urheber war. Das folgende Geschehen ist auf jeden Fall als dämonischer Spuk und als dämonische Besessenheit einzuordnen.
Es wurde von dem evangelischen Pfarrer Johann Christoph Blumhardt beobachtet, seelsorgerisch betreut und beschrieben.

Die Besessenheit der Gottliebin Dittus

Blumhardt (Bild 14) wurde 1805 in Stuttgart geboren und studierte von 1824 – 1829 in Tübingen evangelische Theologie. Von 1829 – 1830 wirkte er als Vikar in Dürrmenz bei Mühlacker und kam danach für sechs Jahre als Lehrer an das Missionshaus in Basel. 1837 wurde er Pfarrverweser in Iptingen und erhielt am 31. Juli 1838 die Pfarrei in Möttlingen bei Calw im Schwarzwald, die 535 Seelen umfasste. In dieser Gemeinde wohnte eine Gottliebin Dittus, die am 13. Oktober 1815 als zwölftes von 13 Kindern geboren worden war. Ihr Vater war Bäcker und Bauer, verarmte jedoch und starb im Januar 1839. Die Mutter war bereits im Jahr zuvor verstorben.
Im Hause der Familie Dittus hatte auch noch eine Schwägerin der Eltern, Barbara Dittus, geb. Künstle (1766 – 1823), gewohnt. Da von ihren neun Kindern nur eines am Leben geblieben war, nahm diese 1822 ihre Nichte Gottliebin ganz in ihre Pflege und Obhut.

Von ersterer schrieb Pfarrer Blumhardt (3, S. 56): „... die allgemein als böse Person gefürchtet war, und die zu dem siebenjährigen Kinde sagte: 'Wenn du einmal zehn Jahre alt bist (dies ist der auch sonst laut gewordene Termin der Möglichkeit einer Einweihung in die Zauberei), dann will ich dich etwas Rechtes lehren.' Ferner: 'Wenn du nur nicht Gottliebin hiessest und andere Paten hättest, so wollte ich dir grosse Macht in der Welt verschaffen.'“

Nach Beendigung ihrer Schulzeit 1829 nahm Gottliebin für eine Reihe von Jahren die Stellung einer Dienstmagd an. 1836 erkrankte sie an einem schweren Nierenleiden, wurde dadurch schliesslich arbeitsunfähig und kehrte in des Elternhaus zurück. Dieses Haus war noch zu Lebzeiten ihres Vaters verkauft worden. Daher musste es Gottliebin im Februar 1840 räumen (4, S. 101) und zog mit ihren beiden unverheirateten Schwestern Katharina und Anna Maria, sowie deren Sohn Johann Georg und ihren Brüdern Andreas und Johann Georg in eine sehr kleine Erdgeschoss-Wohnung in der Mitte von Möttlingen. Unmittelbar nach diesem Umzug stellten sich bei Gottliebin Dittus Besessenheits- und Spukerscheinungen ein. Sie begannen damit (3, S. 12), dass Gottliebin am ersten Tag in der neuen Wohnung beim Tischgebet einen Ohnmachtsanfall erlitt. Von da an hörten die Geschwister und auch andere Hausbewohner in den Räumen mehrfach nachts fortdauerndes Gepolter und Geschlurfe. Gottliebin nahm visionär Gestalten und Lichterscheinungen und einmal auch eine Vielzahl von Geldstücken in ihrer Kammer wahr. Ausserdem nahm ihre Wesensart im Gegensatz zu vorher einen widerlichen und unerklärlichen Zug an.

Als die Erscheinungen und Plagen immer stärker wurden, suchte Gottliebin im Herbst 1841 Pfarrer Blumhardt auf und bat ihn um Rat. Da sie aber nichts Konkretes berichtete und sich nur in allgemeinen Ausdrücken erging, fühlte sich Blumhardt nicht zu besonderen Massnahmen veranlasst. Von Dezember 1841 bis Februar 1842 erkrankte sie an einer schweren Gesichtsneurose und war dadurch bettlägerig. Blumhardt besuchte sie während dieser Zeit wenig (3, S. 12), da ihn ihr Benehmen abstiess. Sie erwiderte keinen Gruss, schenkte seinen Worten keine Aufmerksamkeit und nahm beim Gebet ganz betont die Hände auseinander.

Erst im April 1843 erfuhr Blumhardt Genaueres über den Spuk, als zwei Verwandte der Gottliebin ihn um Rat und Hilfe baten. Inzwischen war das Gepolter, das nun auch tagsüber auftrat, in dem Haus so stark geworden, dass die ganze Nachbarschaft davon erfuhr. Sogar Auswärtige kamen schon aus Neugierde in das Dorf, um das Spukgeschehen zu erleben. Daraufhin entschloss sich Blumhardt für den 2. Juni 1842 zu einer vorher geheimgehaltenen nächtlichen Untersuchung, zu der er den Schultheissen und einige Gemeinderäte (zusammen etwa sieben Personen) hinzuzog.
Er berichtet (3, S. 14):

„Wir verteilten uns je zwei in und um das Haus und kamen unerwartet gegen 10 Uhr abends. Ein junger verheirateter Mann, Mose Stanger, ein Verwandter der G., durch christliche Erkenntnis ausgezeichnet und auch sonst im besten Rufe stehend, später meine treueste Stütze, war vor uns dahin gegangen. Schon bei meinem Eintritt in die Stube kamen mir zwei gewaltige Schlagtöne aus der Kammer entgegen. In kurzer Zeit erfolgten ihrer mehrere; und Töne, Schläge, Klopfen der verschiedensten Art wurden gehört, meist in der Kammer, wo G. angekleidet auf dem Bett lag. Die andern Wächter draussen und im oberen Stock hörten alles und sammelten sich nach einiger Zeit im unteren Logis, weil sie sich überzeugten, dass alles, was sie hörten, hier seinen Grund haben müsse. Der Tumult schien grösser zu werden, besonders, als ich einen geistlichen Liedervers zu singen angab und einige Worte betete. In drei Stunden wurden gegen 25 Schläge auf eine gewisse Stelle in der Kammer vernommen, die so gewaltig waren, dass der Stuhl daselbst aufsprang, die Fenster klirrten und Sand von der Oberdecke niederfiel, und ferner Ortsbewohner an ein Neujahrsschiessen erinnert wurden. Daneben liessen sich schwächere und stärkere Töne, oft wie ein Spiel mit den Fingern oder ein mehr oder weniger regelmässiges Umhertüpfeln vernehmen, und man konnte dem Ton, der unter der Bettlade hauptsächlich zu entstehen schien, mit der Hand nachfahren, ohne im geringsten etwas zu bemerken. Wir versuchten's mit und ohne Licht, was keine Veränderung machte, doch erfolgten die stärksten Schläge in der Kammer nur, wenn wir alle in der Stube waren, wobei aber einer unter der Türe deutlich die Stelle, worauf sie fielen, unterscheiden konnte. Es wurde alles aufs genaueste untersucht, aber ein Erklärungsgrund konnte auf keinerlei Weise gefunden werden. Endlich gegen 1 Uhr, da wir gerade in der Stube waren, rief mich G. zu sich und fragte, ob sie, wenn sie eine Gestalt sehe, sagen dürfe, wer es sei; denn sie hörte bereits ein Schlurfen. Das schlug ich ihr rund ab; aber es war mir des Untersuchens schon zu viel geworden, und ich wollte es nicht darauf ankommen lassen, dass von so vielen Personen nun auch Unerklärliches gesehen werde. Ich hiess sie daher aufstehen, hob die Untersuchung auf und sorgte dafür, dass G. alsobald in einem andern Hause Unterkunft fand. So schieden wir vom Hause. Der halbsehende Bruder aber wollte nach unserem Abschied noch manches gehört und gesehen haben. Merkwürdig aber ist, dass gerade in jener Nacht die Unruhe am gesteigertsten war.

Der folgende Tag war ein Freitag und in dem Gottesdienst dieses Tages erschien auch G. Eine halbe Stunde darauf entstand vor ihrem Hause ein ungeheurer Zusammenlauf und ein Bote meldete mir, dass sie in einer tiefen Ohnmacht liege und dem Tode nahe sei. Ich eilte hin und fand sie ganz starr auf dem Bett liegend, die äussere Haut am Kopf und an den Armen glühend und zitternd, sonst dem Ansehen nach am Ersticken. Die Stube war gedrängt voll und ein Arzt von einem Nachbarorte, der eben im Dorfe war, war auch hergesprungen, versuchte etliches, sie zum Leben zu bringen, ging aber bald kopfschüttelnd weg. Nach einer halben Stunde erwachte sie, und ich vernahm im Stillen von ihr, dass sie nach der Kirche in der Kammer die Gestalt des Weibes mit dem toten Kinde gesehen habe, aber alsbald bewusstlos umgefallen sei.“

Blumhardt war die ganze Angelegenheit unangenehm. Vor allem störte ihn das öffentliche Aufsehen, das die Vorgänge erregten. Daher quartierte er die Gottliebin aus ihrer kleinen Wohnung aus und liess sie bis Mitte 1843 bei ihrem Taufpaten, dem Gemeinderat Johann Georg Stanger, wohnen. Damit hörten die Vorfälle aber nicht etwa auf, sondern liefen nun in Gottliebins neuer Umgebung ab. Blumhardt berichtet darüber (4, S. 18):

„Bald hörte ich, dass das Gepolter um die G. auch in dem andern Hause, das sie bewohnte, fortdaure und dass sie gewöhnlich, so oft man etwas hörte, bald darauf in heftige Konvulsionen [Schüttelkrämpfe] verfalle, die immer stärker und andauernder würden, so dass sie öfters kaum 5 Minuten dazwischen hinein frei wäre. Ich besuchte sie als Seelsorger, wobei sie erklärte, es schwebe etwas vor ihren Augen her, das sie starr mache; und wenn ich mit ihr betete, wurde sie bewusstlos und sank aufs Bett zurück. Einmal sah ich sie in den Krämpfen, da eben der Arzt anwesend war. Ihr ganzer Leib zitterte und jeder Muskel am Kopfe und an den Armen war in glühender Bewegung, wiewohl sonst starr und steif. Dabei floss häufig Schaum aus dem Mund. So lag sie schon mehrere Stunden da und der Arzt, der nichts ähnliches je erfahren hatte, schien ratlos zu sein. Doch erwachte sie plötzlich, konnte sich aufrichten, Wasser trinken; und kaum mochte man es glauben, dass sie die nämliche Person wäre. So ging es noch einige Tage fort.

An einem Sonntagabend kam ich wieder zu ihr, als mehrere Freundinnen anwesend waren, und sah schweigend den schrecklichen Konvulsionen zu. Ich setzte mich etwas entfernt nieder. Sie verdrehte die Arme, beugte den Kopf seitwärts und krümmte den Leib hoch empor, und Schaum floss abermals aus dem Munde. Mir war es klar geworden, dass etwas Dämonisches hier im Spiele sei, nach den bisherigen Vorgängen; und ich empfand es schmerzlich, dass in einer so schauderhaften Sache so gar kein Mittel und Rat solle zu finden sein. Unter diesen Gedanken erfasste mich eine Art Ingrimm; ich sprang vor, ergriff ihre starren Hände, zog ihre Finger gewaltsam wie zum Beten zusammen, rief ihr in ihrem bewusstlosen Zustande ihren Namen laut ins Ohr und sagte: „Lege die Hände zusammen und bete: ‚Herr Jesu, hilf mir! Wir haben lange genug gesehen, was der Teufel tut; nun wollen wir auch sehen, was Jesus vermag.'“ Nach wenigen Augenblicken erwachte sie, sprach die betenden Worte nach, und alle Krämpfe hörten auf, zu grossem Erstaunen der Anwesenden. Dies war der entscheidende Zeitpunkt, der mich mit unwiderstehlicher Gewalt in die Tätigkeit für die Sache hineinwarf. Ich hatte vorher auch nicht den geringsten Gedanken daran gehabt; und auch jetzt leitete mich ein unmittelbarer Drang, von dem ich den Eindruck noch so stark habe, dass eben er später oft meine einzige Beruhigung war, weil er mich überzeugte, dass ich nicht aus eigener Wahl und Vermessenheit eine Sache unternommen hätte, deren schauerliche Entwicklung ich mir damals unmöglich hätte vergegenwärtigen können.

Nachdem sie wieder bei sich war, sprach ich ihr Mut zu, betete noch etliche Worte und hinterliess beim Weggehen, dass man mich rufen solle, wenn die Krämpfe wiederkehrten. Nachts 10 Uhr desselben Tags kam eiligst ein Bote und sagte, sie habe einen ruhigen Abend gehabt, bis eben jetzt, da die Krämpfe stärker als je sie befallen hätten. Als ich zu ihr kam, schien die Wärterin in Ohnmacht fallen zu wollen, da der Anblick über die Massen schauerlich war. Ich versuchte alsbald obiges Verfahren und der Erfolg war in wenigen Augenblicken derselbe. Während ich indessen verzog, fiel sie plötzlich wieder rückwärts aufs Bett. Sogleich liess ich sie die Worte ausrufen: ‚Herr Jesu, hilf mir!', obwohl sie dieselben kaum herausbrachte; und so kam sie wieder zu sich, ohne dass die Krämpfe ausbrachen. Allein mit jedem Augenblicke wollte sich's wiederholen; und so dauerte es gegen 3 Stunden fort, bis sie ausrief: ‚Jetzt ist mir's ganz wohl!' Sie hatte nun die übrige Nacht und den ganzen folgenden Tag Ruhe, bis wieder gegen 9 Uhr abends die Anfälle sich wiederholten. Ich verweilte abermals, diesmal, wie später fast immer, mit dem Schultheissen und Mose Stanger etliche Stunden bei ihr, wobei bereits sich zu erkennen gab, dass sich etwas Feindseliges aus ihr gegen mich richtete. Sie bekam grell geöffnete Augen, eine grässliche Miene, die nichts als Zorn und Wut aussprach, ballte die Hände und machte gegen mich drohende Bewegungen. Sie hielt dann wieder die offenen Hände mir dicht vor die Augen, als wollte sie mir rasch beide Augen ausreissen usf. Ich blieb bei alledem fest und unbeweglich, betete in kurzen Worten meist nach biblischen Stellen und achtete keine Drohungen, die auch so erfolglos waren, dass sie niemals, auch wenn sie noch so drohend auf mich zufuhr, mich auch nur berührte. Am Ende ging alles damit vorüber, dass sie zu wiederholten Malen mit grosser Gewalt die Arme auf das Bett niederschlug, wobei es das Ansehen hatte, als ob eine geistige Macht durch die Fingerspitzen ausströmte. Sie wollte noch nachher allerlei Gestalten vor sich sehen, die sich erst nach und nach verloren. So ging es noch etliche Male zu, mit Unterbrechungen von einem bis drei Tagen; und am Ende liess diese Art von Konvulsionen ganz nach.“

Blumhardt versuchte, mit den Geistwesen, die sich durch Gottliebins Mund kundgaben, ins Gespräch zu kommen, sie auf Christus hinzuweisen, um ihnen dann zuletzt den Befehl zum Ausfahren zu geben. Dieser wurde in der Regel auch befolgt. Aber ein Nachlassen der Anfälle trat nicht ein. Blumhardt berichtet darüber (3, S. 23).

„Indessen war es, als ob die Szenen sich immer schrecklicher machten und als ob mein Einwirken die Sache nur verschlimmerte. Was ich im Geist und Gemüt damals ausgestanden habe, lässt sich mit keinen Worten beschreiben. Mein Drang, der Sache ein Ende zu machen, wurde immer grösser, und obwohl ich jedesmal befriedigt scheiden konnte, sofern ich fühlte, dass die dämonische Macht sich fügen müsse und sofern die Person jedesmal vollkommen recht war, so schien die finstere Macht sich doch immer wieder zu verstärken und mich zuletzt in ein grosses Labyrinth verstricken zu wollen, mir und meiner amtlichen Wirksamkeit zum Schaden und Verderben. Alle Freunde rieten mir zurückzutreten. Aber ich musste mit Schrecken daran denken, was aus der Person werden könnte, wenn ich meine Hand von ihr abzöge, und wie sehr ich vor jedermann, wenn es übel ginge, als der Ursächer dastehen müsste. Ich fühlte mich in einem Netze, aus dem ich mich ohne Gefahr für mich und andere unmöglich durch blosses Abtreten herauswinden konnte. Zudem schämte ich mich vor mir selbst und meinem Heilande, zu dem ich so viel betete und dem ich so viel vertraute und der mir drunter hinein so viele Beweise seiner Hilfe gab – ich gestehe es offen –‚ dem Teufel nachzugeben. Wer ist der Herr? musste ich mich oft fragen und mit Vertrauen auf den, der Herr ist, hiess es in mir immer wieder:
Vorwärts! Es muss zu einem guten Ziele führen, wenn es auch in die tiefste Tiefe hinuntergeht, es sei denn, dass es nicht wahr wäre, dass Jesus der Schlange den Kopf zertreten habe.“

Im August 1842 traten bei Gottliebin unerklärliche Blutungen auf. Auch wurde sie zum Selbstmord getrieben. Blumhardt suchte Hilfe durch das Gebet (3, S. 27):
„‚Wir beten, sei's was es wolle, wir probieren's, wir verspielen wenigstens nichts mit dem Gebet; und auf Gebet und Gebetserhörung weist uns die Schrift fast auf jeder Seite; der Herr wird tun, was Er verheisst!' So entliess ich sie mit der Versicherung, ihrer gedenken zu wollen, und mit der Weisung, mir wieder Bericht zu bringen. Der gefürchtete Freitag war schon der folgende Tag. Es war der Tag, nach welchem nach mehrmonatiger Dürre gegen Abend das erste Gewitter am Himmel erschien; für mich ein unvergesslicher Tag. Während die Kranke abends 6 Uhr unter der Haustüre ihres Vetters hinging, überfielen sie, wie sie erzählte, die Gestalten und starke Blutungen begannen. Um sich umzukleiden, eilte sie in ihre eigene Wohnung; und während sie auf dem Stuhle dort sass, war es ihr, als müsste sie unaufhörlich etwas einschlucken, das sie nach einigen Augenblicken ganz ausser sich brachte. Sie fuhr rasend durch beide Stuben und begehrte hitzig ein Messer, welches ihr aber die erschrockenen Geschwister nicht in die Hände kommen liessen. Dann eilte sie auf die Bühne, sprang auf das Gesimse des Fensterladens herauf und stand bereits ausser dem Laden in freier Luft, nur noch mit einer Hand nach innen sich haltend, als der erste Blitzstrahl des nahenden Gewitters ihr ins Auge fiel, sie aufschreckte und weckte. Sie kam zur Besinnung und rief: ‚Um Gottes willen, das will ich nicht!' Der lichte Augenblick verschwand; und im wiederkehrenden Delirium erfasste sie einen Strick (woher ist ihr heute noch unerklärlich) und band ihn künstlich um das Gebälke der Bühne mit einer Schlaufe, die sich leicht zusammenzog. Schon hatte sie den Kopf beinahe ganz in die Schlaufe hineingezwängt, als ein zweiter Blitzstrahl durch das Fenster ihr Auge traf, der sie, wie vorhin, wieder zur Besinnung brachte. Ein Tränenstrom floss ihr am folgenden Morgen von den Augen, als sie den Strick am Balken erblickte, den sie bei der besten Besinnung so künstlich umzubinden nicht imstande gewesen wäre.

Sie blieb nun ein wenig wach und kroch, von den fortgesetzten Blutungen äusserst erschöpft, den kurzen Weg zur ihres Vetters Haus. Dass sie die Treppen hinaufkam bis zur Bühnenkammer, wo sie damals schlief, war alles, was sie vermochte, und bewusstlos sank sie aufs Bett. Jetzt wurde ich gerufen, da schon das Gewitter ausgebrochen war, gegen 8 Uhr abends. Ich fand sie ganz im Blute schwimmend, das überall durch die Kleider am Oberleibe sich drängte. Die ersten Trostworte, die ich zurief, hatten die Folge, dass sie ein wenig erwachte und ausrief: ‚Oh, die Gestalten!' – ‚Siehst du sie denn?' fragte ich; die Antwort war ein jammerndes Stöhnen. Da hob ich mit Ernst an zu beten, während draussen der Donner rollte. Was ich sprach, weiss ich nicht mehr. Doch wirkte es nach einer Viertelstunde so entscheidend, dass sie ausrief: ‚Jetzt sind sie weg!' Bald kam sie ganz zu sich; und ich entfernte mich auf etliche Augenblicke, bis sie ganz umgekleidet war. Es war unter uns nur ein Loben und Danken, als wir sie wieder so völlig verändert, auf dem Bette sitzend, antrafen. Von jenem Tage an hörte obige Plage auf; und nur etliche Male noch sah sie Gestalten vor sich, als wollten diese auf sie eindringen, jedoch ohne dass etwas Weiteres geschah, bis auch das aufhörte. Mochte nun an der Sache sein, was es wollte, geholfen war's.“

An jenem Abend war der Erfolg allerdings nur kurzzeitig. Blumhardt schickte sich schon zum Weggehen an, zögerte dann aber und betete noch einmal. Da meldete sich hohnlachend wieder ein Geistwesen und sagte (3, S. 29): „Du hast recht getan, dass Du nicht gegangen bist; Du hättest's verspielt und alles verloren.“ Ich achtete nicht sehr auf das Gesprochene und sprach und handelte auf die gewöhnliche Weise. Plötzlich brach mit ganzer Stärke der Zorn und Unmut der Dämonen los und es wurde eine Menge Äusserungen folgender Art vernommen, meist mit heulender und wehklagender Stimme: ‚Jetzt ist alles verspielt! Jetzt ist alles verraten! Du verstörst uns ganz! Der ganze Bund geht auseinander! Alles ist aus! Alles kommt in Verwirrung! Du bist schuld daran mit Deinem ewigen Beten! Du vertreibst uns doch noch! Wehe! Wehe! Alles ist verspielt! Unser sind 1067 und derer, die noch leben, sind auch viele!' – Von denen, die noch leben, hiess es: ‚Aber die sollte man warnen! O wehe ihnen! Wehe! Sie sind verloren!' Ich sagte hier dazwischen hinein: ‚Die noch leben, können sich noch bekehren; Gott vermag sie wohl noch zu retten! Denket ihr nur an euch!' – Da erhielt ich mit starker Stimme die Antwort: ‚Sie haben sich mit Blut verschrieben!' – ‚Wem denn?' – ‚Dem Teufel, dem Teufel!' – Von solchen Blutverschreibungen war später oft die Rede, besonders mit dem Beisatze: ‚Gott verschworen, ewig verloren', als ob solche Verschworene keiner Bekehrung und Rettung mehr fähig wären. Doch schienen sie das mehr nur von sich, den Verstorbenen zu sagen. Im gegenwärtigen Augenblicke zeigte sich bei den Dämonen nur Verzweiflung, weil der Weg in den Abgrund ihnen gewiss schien. Das Gebrüll der Dämonen, die zuckenden Blitze, die rollenden Donner, das Plätschern der Regengüsse, der Ernst der Anwesenden, die Gebete von meiner Seite, auf welche die Dämonen nach oben beschriebener Weise ausfuhren; das alles bildete eine Szene, die sich kaum wird jemand auf eine der Wirklichkeit entsprechende Weise vorstellen können.

Nach einigen Stunden jedoch wurde alles ruhig; und ich schied freudiger als je von der Kranken. Bereits konnte ich mich genügend überzeugen, dass der Kampf, in dem ich stand, ein ganz eigentümlicher war, über dessen Bedeutung mir schon jetzt einiges Licht aufging, die mir aber erst im Weiteren ganz klar wurde. Wenn übrigens die Dämonen unter anderem äusserten: ‚Niemand in der Welt hätte uns vertrieben; nur Du mit Deinem ewigen Beten und Anhalten setzest es durch', so war mir das nicht so ganz unerklärlich; denn nicht so leicht würde sich einer so hergegeben haben, als ich, und sicherlich die am wenigsten, die, indem ich ehrlich genug bin, auch solche Äusserungen niederzuschreiben, mich einer hochmütigen Selbsterhebung zeihen wollen.“

Blumhardt konnte inzwischen zwei verschiedene Gruppen von sich kundgebenden Geistwesen unterscheiden, nämlich bösartig verstockte und reuige, umkehrbereite Geister. Er berichtet darüber (3, S. 33):
„Die einen waren trotzig, voll Hass gegen mich, und sprachen oft Worte aus, die wert gewesen waren, aufgehalten zu werden. Sie hatten ein Grauen vor dem Abgrund, dem sie jetzt sich nahe fühlten, und sagten unter anderem: ‚Du bist unser ärgster Feind, wir sind aber auch Deine Feinde. Dürften wir nur, wie wir wollen!' Und dann wieder: ‚Oh, wenn doch nur kein Gott im Himmel wäre!' Daneben schrieben sie doch alle Schuld ihres Verderbens sich selber zu. Schauerlich war das Benehmen eines Dämons, der früher im Hause der G. von dieser gesehen worden war und jetzt als Meineidiger sich zu erkennen gab. Er rief zu wiederholten Malen die Worte aus, die an einem Fensterladen jenes Hauses gemalt stehen:

‚O Mensch, bedenk' die Ewigkeit,
Versäume nicht die Gnadenzeit,
Denn das Gericht ist nicht mehr weit!'

Dann verstummte er, verzog das Gesicht, hob starr drei Finger in die Höhe, schauerte plötzlich zusammen und stöhnte: ‚Hm!' Dergleichen Szenen, welchen ich gerne mehr Zuschauer gegönnt hätte, kamen viele vor. Die meisten Dämonen indessen, die sich vom August 1842 bis Februar 1843 und später kund gaben, gehörten zu solchen, die mit heissester Begierde nach Befreiung aus den Banden Satans schmachteten. Es kamen dabei auch die verschiedensten Sprachen mit dem sonderbarsten Ausdruck vor, meist dass ich sie mit keinen europäischen Sprachen vergleichen konnte. Aber sicher kam auch Italienisches (dem Klange nach) und Französisches. Sonderbar und mitunter komisch anzuhören waren in einzelnen Fällen die Versuche solcher Dämonen, deutsch zu reden, besonders auch, wenn sie Begriffe, deren deutschen Ausdruck sie nicht zu wissen schienen, umschrieben. Dazwischen hinein liessen sich Worte vernehmen, die ich keiner von beiden Arten Dämonen zuschreiben konnte. Denn sie klangen als aus einer höheren Region stammend. Dahin gehörte die über die Massen häufige Anführung der Worte (Hab. 2, 3. 4.): ‚Die Weissagung wird ja noch erfüllet werden zu seiner Zeit und wird endlich frei an den Tag kommen und nicht ausbleiben. Ob sie aber verziehet, so harre ihrer, sie wird gewisslich kommen und nicht verziehen. Siehe, wer halsstarrig ist, der wird keine Ruhe in seinem Herzen haben; denn der Gerechte lebet seines Glaubens.' Dann war's wieder, als ob dieselbe höhere Stimme sich zu den Dämonen wenden wollte, indem sie eine Stelle, die ich lange nicht finden konnte, bis ich sie in Jer. 3, 25 erkannte, ausrief. Statt der ersten Person "wir" wurde die zweite gebraucht, also: ‚Darauf ihr euch verliesset, das ist euch jetzt eitel Schande; und des ihr euch tröstet, des müsset ihr euch jetzt schämen. Denn ihr sündigtet damit wider den Herrn, euren Gott, beide, ihr und eure Väter, von eurer Jugend auf, auch bis auf diesen heutigen Tag, und gehorchtet nicht der Stimme des Herrn, eures Gottes.'

Diese und andere Bibelstellen begriff ich lange nicht, doch lernte ich allem mehr Aufmerksamkeit und Bedeutung schenken. Bei solchen Äusserungen, die bisweilen am Schlusse eines Kampfes vorkamen, war es mir zumute, als ob mir Stärkung und Trost von oben damit geboten wäre, wie ich denn auch nicht ohne den gerührtesten Dank auf die vielen Bewahrungen und Rettungen zurückblicken kann, die ich erfahren durfte. Denn dazwischen hinein kamen immer wieder grauenhafte Szenen vor. Die Kranke wurde unaufhörlich gequält. Namentlich wurde ihr Leib in jener Zeit oft ausserordentlich aufgedunsen, und sie erbrach ganze Kübel voll Wasser, was dem Arzte, der je und je dabei war, besonders rätselhaft war, da man gar nicht begreifen konnte, woher das viele Wasser käme. Sie bekam ferner öfters Schläge auf den Kopf, Stösse in die Seite, dazu heftiges Nasenbluten, Bluterbrechen, Not mit dem Stuhlgang und anderes; und bei allem, was mit ihr vorging, schien es eine lebensgefährliche Wendung nehmen zu wollen. Aber durch Gebet und Glauben wurde es unschädlich gemacht oder zurückgedrängt.“

Die Spuk- und Besessenheitserscheinungen setzten sich weiterhin fort und nahmen im Februar 1843 noch bedrohlichere Formen an. Der Bericht Blumhardts darüber erschien in späteren Zeiten als so unglaublich, dass z.B. der Biograph Blumhardts, Friedrich Zündel, es nicht wagte, ihn in seiner Lebensbeschreibung wiederzugeben. Er kleidete das in die Worte (4, S. 128):
„Die Erlebnisse, die Blumhardt hierauf erzählt, hatten für ihn einen hohen Wert, weil er da in einer sogar seine bisherigen Erfahrungen überbietenden Weise das hilfreiche Eingreifen der Schöpferhand Gottes erfuhr. Solchen Wert hatten sie für ihn, der diese Dinge unmittelbar und unfreiwillig erlebte. Fernerstehenden könnten aber die schauerlichen und qualvollen Kunststücke der Finsternis, die da zutage traten – um des sichtlichen Behagens willen, das einmal unsere Phantasie insgeheim an solchen Sachen empfindet –‚ den Eindruck grosser göttlicher Hilfe überragen und beeinträchtigen, so dass wir diesen Teil des Berichts Blumhardts überschlagen dürfen.“

Wegen der Bedeutsamkeit sollen die Ereignisse hier jedoch mit Blumhardts eigenen Worten berichtet werden (3, S. 42):
„Mit dem 8. Februar 1843 begann eine neue Epoche in der Krankheitsgeschichte. Denn von jetzt an kamen noch entschiedenere Erscheinungen und Wirkungen der verschiedenartigsten Zauberei zu meiner Beobachtung. Schauerlich war es mir, wahrzunehmen, dass alles, was bisher unter den lächerlichsten Volksaberglauben gerechnet wurde, aus der Märchenwelt in die Wirklichkeit übertritt. Ich fasse zunächst alle Erscheinungen zusammen, die im Laufe des Jahres 1843 aus dem Gebiete der Zauberei vorgekommen sind. Es zeigte sich, dass unzählig viele Dinge in die G., um das allein anwendbare Wort gleich zu gebrauchen, hineingezaubert waren, die alle den Zweck zu haben schienen, sie aus der Welt zu schaffen. Es fing mit Erbrechen von Sand und kleinen Glasstücken an. Allmählich kamen allerlei Eisenstücke, namentlich alte und verbogene Bretternägel, deren einmal vor meinen Augen nach langem Würgen nacheinander zwölf in das vorgehaltene Waschbecken fielen, ferner Schuhschnallen von verschiedener Grösse und Gestalt, oft so gross, dass man es kaum begriff, wie sie den Hals heraufkommen konnten, auch ein besonders grosses und breites Eisenstück, bei welchem ihr der Atem ausging, dass sie mehrere Minuten wie tot dalag. Ausserdem kamen in unzähligen Mengen Stecknadeln, Nähnadeln und Stücke von Stricknadeln, oft einzeln, da es am schwersten ging, oft auch in Massen, mit Papier und Federn zusammengebunden.

Es hatte öfters das Ansehen, als ob Stricknadeln mitten durch den Kopf gezogen wären, von einem Ohr bis zum andern; und es kamen das eine Mal einzelne fingerlange Stücke zum Ohr heraus; ein andermal konnte ich es unter der Handauflegung fühlen und hören, wie die Nadeln im Kopf zerbrachen oder sich drehten und zusammenbogen. Jenes waren stählerne Nadeln, die sodann langsam in kleineren Stücken sich gegen den Schlund hinspielten und zum Munde herauskamen; dieses eiserne, die sich biegen liessen und endlich, drei- bis viermal gebogen, doch ganz, ihren Ausweg gleichfalls durch den Mund fanden. Auch aus der Nase zog ich viele Stecknadeln hervor, die sich von oben herab, da ich sie über dem Nasenbein zuerst querliegend fühlte, allmählich, mit der Spitze abwärts gerichtet, herabspielten. Einmal kamen 15 solcher Nadeln auf einmal mit solcher Heftigkeit zur Nase heraus, dass sie sämtlich in der vorgehaltenen Hand der G. stecken blieben. Ein andermal klagte sie sehr über Kopfschmerz, und als ich die Hand aufgelegt hatte, sah ich überall weisse Punkte vorschimmern. Es waren 12 Stecknadeln, die bis zur Hälfte noch im Kopfe steckten und einzeln von mir herausgezogen wurden, wobei sie jedesmal durch ein Zucken die Schmerzen kundgab.

Aus dem Auge zog ich einmal zwei, dann wieder vier Stecknadeln heraus, die lange unter den Augenlidern umherspielten, bis sie ein wenig vorragten, um sachte herausgezogen zu werden. Nähnadeln zog ich ferner in grosser Menge aus allen Teilen des oberen und unteren Kiefers hervor. Sie fühlte dabei zuerst unerhörte Zahnschmerzen, und man konnte lange nichts sehen, bis sich endlich die Spitzen anfühlen liessen. Dann rückten sie immer weiter hervor, und wenn ich sie endlich anfassen konnte, brauchte es noch grosser Anstrengung, bis sie ganz herauskamen. Zwei alte fingerlange und verbogene Drahtstücke zeigten sich sogar in der Zunge, und es kostete Zeit und Mühe, bis sie völlig herausgenommen waren. Um den ganzen Leib ferner waren unter der Haut zwei lange, vielfach verbogene Drahtstücke eingewunden, und ich brauchte mit meiner Frau wohl eine Stunde dazu, bis sie ganz da waren, und mehr als einmal fiel sie dabei, wie dies überhaupt oft der Fall war, in Ohnmacht. Sonst kamen aus allen Teilen des Oberleibes ganze und halbe Stricknadeln so häufig zu verschiedenen Zeiten, dass ich im ganzen wenigstens zu 30 schätzen darf. Sie kamen teils quer, teils senkrecht heraus, nach letzterer Art namentlich öfters mitten aus der Herzgrube. Wenn die Nadeln oft schon zur Hälfte da waren, hatte ich doch noch eine halbe Stunde mit aller Kraft zu ziehen. Auch andere Dinge, Nadeln verschiedener Art, grosse Glasstücke, Steinchen, einmal ein langes Eisenstück, kamen aus dem Oberleibe.

Ich kann es wahrlich niemand übelnehmen, der misstrauisch gegen obige Mitteilungen wird; denn es geht zu sehr über alles Denken und Begreifen. Aber die fast ein ganzes Jahr hindurch fortgesetzten Beobachtungen und Erfahrungen, bei welchen ich immer mehrere Augenzeugen hatte, worauf ich, schon um üblen Gerüchten vorzubeugen, strenge hielt, lassen mich kühn und frei die Sachen erzählen, indem ich völlig versichert bin, was ich schon vermöge des Charakters der G. sein müsste, dass nicht der geringste Betrug obwaltet noch obwalten konnte. So oft ich sie in jener Zeit besuchte, gerufen oder ungerufen, regte sich wieder etwas; und nach einiger Zeit arbeitete sich ein Zauberstück aus irgendeinem Teile des Leibes hervor. Der Schmerz war jedesmal fürchterlich, und fast immer so, dass sie mehr oder weniger die Besinnung verlor. Ja, in der Regel sagte sie: ‚Das mache ich nicht durch, das ist mein Tod!' Alles aber wurde bloss durch das Gebet herausgebracht. Wenn sie zu klagen anfing, dass sie irgendwo Schmerzen fühle, so durfte ich nur die Hand, gewöhnlich dem Kopfe, auflegen; und, durch lange Erfahrung im Glauben geübt, war ich versichert, jedesmal sogleich die Wirkung des Gebets, das ich mit kurzen Worten aussprach, zu erfahren. Sie fühlte auch alsbald, dass die Sache sich bewegte oder drehte und einen Ausweg suchte. Durch die äussere Haut ging es am schwersten, und man fühlte es oft lange, wie sich von innen heraus etwas vordrückte. Blut floss niemals; auch wurde keine Wunde verursacht, und höchstens konnte man noch eine Weile den Ort erkennen, von dem sich etwas herausgearbeitet hatte, sobald alles durch blosses Gebet vor sich ging.

Bisweilen aber schnitt sie sich, vom Schmerze überwältigt, mit einem Messer ohne mein Beisein die Haut auf, und diese Wunden waren fast nicht mehr zu heilen. Der Gegenstände sind es zu viele, als dass ich sie alle aufzählen könnte; und ich erwähne nur noch das, dass auch lebendige Tiere, welche ich jedoch selbst zu sehen nicht Gelegenheit bekam, aus dem Munde kamen, einmal vier der grössten Heuschrecken, die sodann noch lebendig auf die Wiese gebracht wurden, wo sie alsbald forthüpften, ein andermal 6-8 Fledermäuse, deren eine totgeschlagen wurde, während die andern sich schnell verkrochen haben, wieder einmal ein mächtig grosser Frosch, der ihr durch eine Freundin aus dem Hals gezogen wurde, und endlich eine geheimnisvolle Schlange, eine Natter, wie es scheint, der gefährlichsten Art, die nur G., sonst niemand, flüchtig sah. (Doch glaubte ich einen rasch hinfahrenden blinkenden Schimmerstreifen vom Munde aus über das Bett hin wahrzunehmen.) Diese Natter verursachte ihr, nachdem sie aus dem Munde gekommen war, bald nachher eine Wunde an dem Hals, ein andermal stach sie sie, während sie mit der Familie zu Tische sass, so heftig in den Fuss, dass das Bluten fast nimmer aufhören wollte. Beide Wunden machten ihr wohl ein Vierteljahr lang Schmerzen, und es war deutlich zu sehen, dass es gefährliche Giftwunden waren.

Ich kann diese Seite des Kampfes nicht beschliessen, ohne wenigstens einen Fall der schauderhaftesten Art spezieller zu erzählen. Zu Anfang Dezember 1843 hatte G. ein Nasenbluten, das gar nimmer aufhören wollte. Wenn sie eben eine Schüssel voll Blut verloren hatte, so fing's wieder an; und es ist unbegreiflich, wie bei so ungeheurem Blutverluste das Leben erhalten werden konnte. Auffallend war, dass das Blut zugleich einen sehr scharfen Geruch hatte, aber immer besonders schwarz anzusehen war. Der Grund davon lag in der zauberischen Vergiftung, deren nachher gedacht werden wird. In dieser Not traf sie mehrmals der Arzt, der zwar etwas verschrieb, aber wohl selbst schwerlich viel Hoffnung von der Wirkung der Arznei hatte. Nun machte ich in jener Zeit nachmittags 1 Uhr auf einem Gang zum Filial, der mich an ihrem Hause vorbeiführte, einen kurzen Besuch bei ihr. Sie war frisch umgekleidet und sehr erschöpft auf einem Stuhle. Auch war die Stube eben vom Blut gereinigt worden, das den Morgen vorher reichlich geflossen war. Sie deutete mir auf dem Kopf mehrere Stellen und sagte, da stecke etwas; wenn das nicht herauskomme, so müsse sie sterben. Ich konnte eben nichts Besonderes fühlen, sagte aber, weil ich Eile hatte, nach meiner Rückkehr wolle ich wieder einkehren. Nach mir kam der Arzt, Dr. Spaeth, zu ihr, der 2 Stunden bei ihr verweilte und sich vieles erzählen liess, auch wirklich etwas Hartes an obigen Stellen fühlen konnte. Er merkte, dass etwas vorgehen werde, und wollte es auswarten, wurde aber zuletzt schnell zu einer Niederkunft nach Simozheim gerufen. Um 4 Uhr befand ich mich wieder in der Nähe des Orts, da sprang mir jemand entgegen, ich möchte doch schnell zu G. kommen. Ich eilte, und überall sah ich voll Schrecken die Leute zum Fenster heraussehen, die mir zuriefen: ‚Herr Pfarrer, es tut not!' Ich trat ein; aber ein Blutdunst erstickender Art wollte mich wieder heraustreiben. Sie sass in der Mitte der kleinen Stube, hatte vor sich einen Kübel, der wohl zur Hälfte mit Blut und Wasser gefüllt war, und die ganze Länge der Stube vor ihr und hinter ihr floss eine breite Blutlache. Sie selbst war über und über mit Blut so überzogen, dass man die Kleider kaum mehr erkannte. Denn man denke sich – das Blut rieselte lebhaft aus beiden Ohren, aus beiden Augen, aus der Nase und sogar oben aus dem Kopfe in die Höhe. Das war das Grässlichste, das ich je gesehen habe. Es hatten's verschiedene Leute zum Fenster herein bemerkt, obgleich diese sich scheuten, dazubleiben. Im Augenblick wollte ich ratlos sein. Doch fasste ich mich; und ein kurzer und ernster Seufzer brachte vorerst das Bluten zum Stillstand.

Dann liess ich ihr das Gesicht waschen, das nicht mehr zu erkennen war, und den Kopf, worauf ich die Stelle am Kopfe anfühlte, in der sich etwas befinden sollte. Auf dem Vorderkopfe oberhalb der Stirn gewahrte ich bald etwas, und ein kleiner, aber verbogener Nagel bohrte sich empor. Am Hinterkopfe drehte und arbeitete sich innerhalb der Haut etwas weiter herab, und endlich kam ein verbogener Bretternagel zum Vorschein. Das Bluten aber hatte von nun an ein Ende. Die erste Ohnmacht, in die sie bei meinem Eintritt fiel, konnte auch überwunden werden, wie die nachfolgenden, und am Abende fühlte sie sich wieder ziemlich wohl und gestärkt. Was könnte ich nicht alles erzählen, wenn ich Zeit gehabt hätte, ein Tagebuch zu führen!“

Die lebensbedrohlichen Erscheinungen bei Gottliebin wurden zusehends schauerlicher (3, S. 62), und ausserdem wuchs ihre Neigung zum Selbstmord. Zum Jahresende 1843 strebte alles einem Höhepunkt und glücklicherweise auch glücklichen Ende zu. Blumhardt schreibt drüber (3, S. 64):

„Der ersehnte Schluss der Geschichte erfolgte in den letzt verflossenen Weihnachtsfeiertagen (24. bis 28. Dezember 1843), da sich alles, was nur je früher vorgekommen war, noch einmal zusammenzudrängen schien. Das Misslichste war, dass sich in diesen Tagen die finsteren Einwirkungen auch auf den halbblinden Bruder und eine andere Schwester, Katharina, ausdehnten, ich also mit dreien zumal den verzweifeltsten Kampf durchzumachen hatte, wobei deutlich der innere Zusammenhang zu erkennen war. Den Verlauf des einzelnen kann ich nicht mehr erzählen. Es war zu mannigfaltig, als dass ich es hätte im Gedächtnis behalten können. Aber Tage waren es, wie ich keine mehr zu erleben hoffe; denn es war so weit gekommen, dass ich sozusagen alles aufs Spiel zu setzen wagen musste, wie wenn es hiesse: Siegen oder sterben! So gross übrigens auch meine Anstrengung war, so fühlbar war mir ein göttlicher Schutz, indem ich nicht die geringste Ermüdung und Angegriffenheit fühlte, selbst nicht nach vierzigstündigem Wachen, Fasten und Ringen. Der Bruder war am schnellsten wieder frei, und zwar so, dass er sogleich tätige Hilfe im Nachfolgenden leisten konnte.

Die Hauptsache kam aber diesmal nicht an G., welche im letzten Akt nach vorausgegangenen Kämpfen gleichfalls völlig frei zu sein schien, sondern an ihre Schwester Katharina, welche früher nicht das mindeste der Art erfahren hatte, nun aber so rasend wurde, dass sie nur mit Mühe festgehalten werden konnte. Sie drohte, mich in tausend Stücke zu zerreissen, und ich durfte es nicht wagen, ihr nahe zu treten. Sie machte unaufhörliche Versuche, mit eigener Hand, wie sie sagte, sich den Leib aufzureissen, oder lauerte sie listig umher, als wollte sie irgend etwas Grässliches an denen, die sie hielten, verüben. Dabei raffelte und plärrte sie so fürchterlich, dass man Tausende von Lästermäulern in ihr vereinigt sich denken konnte.

Am auffallendsten war, dass sie ganz bei Besinnung blieb, indem man mit ihr reden konnte, sie auch bei scharfen Ermahnungen sagte, sie könne nicht anders reden und handeln, man möchte sie doch nur recht fest halten, dass nichts durch sie geschehe. Auch nachher hatte sie noch von allem, selbst von den grässlichsten Mordversuchen, bestimmte Erinnerungen; und diese wirkten so niederschlagend auf sie, dass ich mich mehrere Tage ihrer besonders annehmen musste, bis nach fleissigem und ernstlichem Beten ihr die Erinnerungen allmählich schwanden. Daneben liess sich dennoch der Dämon aus ihr ebenso bestimmt vernehmen, der sich diesmal nicht als ein abgeschiedener Menschengeist, sondern als ein vornehmer Satansengel ausgab, als das oberste Haupt aller Zauberei, dem vom Satan die Macht dazu erteilt worden sei, und durch den dieses Höllenwerk nach den verschiedensten Seiten hin zur Förderung des satanischen Reichs sich verzweigt hätte, mit dem aber nun, da er nun in den Abgrund fahren müsse, der Zauberei der Todesstoss gegeben werde, an dem sie allmählich verbluten müsse. Plötzlich, gegen 12 Uhr um Mitternacht, war es, als erblickte er den geöffneten Feuerschlund. Da dröhnte aus der Kehle des Mädchens zu mehreren Malen, ja wohl eine Viertelstunde andauernd, nur ein Schrei der Verzweiflung, mit einer erschütternden Stärke, als müsste das Haus zusammenstürzen. Grauenerregenderes lässt sich nichts denken, und es konnte nicht fehlen, dass fast die Hälfte der Bewohner des Ortes, nicht ohne besonderen Schrecken, Kenntnis von dem Kampfe bekam. Dabei befiel die Katharina ein so starkes Zittern, dass es war, als wollten sich alle ihre Glieder voneinander abschütteln. Schien so der Dämon in lauter Angst und Verzweiflung zu sein, so war nicht minder riesenhaft sein Trotz, indem er Gott herausforderte, ein Zeichen zu tun und nicht eher auszufahren vorgab, als bis ein den ganzen Ort erschütterndes Zeichen vom Himmel erfolgt wäre, damit er nicht so gemein wie andere Sünder seine Rolle niederlegen, sondern gewissermassen unter Ehren in die Hölle fahren müsse.

Solch schauerliches Gemisch von Verzweiflung, Bosheit, Trotz und Hochmut ist wohl schwerlich je irgendwo erblickt worden. Unterdessen schien in der unsichtbaren Welt immer rascher sein erwarteter Untergang vorbereitet zu werden. Endlich kam der ergreifendste Augenblick, welchen unmöglich jemand genügend sich vorstellen kann, der nicht Augen- und Ohrenzeuge war. Um 2 Uhr morgens brüllte der angebliche Satansengel, wobei das Mädchen den Kopf und Oberleib über die Lehne des Stuhls zurückbog, mit einer Stimme, die man kaum bei einer menschlichen Kehle für möglich halten sollte, die Worte heraus: ‚Jesus ist Sieger! Jesus ist Sieger!', Worte, die, so weit sie ertönten, auch verstanden wurden und auf viele Personen einen unauslöschlichen Eindruck machten. Nun schien die Macht und Kraft des Dämons mit jedem Augenblicke mehr gebrochen zu werden. Er wurde immer stiller und ruhiger, konnte immer weniger Bewegungen machen und verschwand zuletzt ganz unmerklich, wie das Lebenslicht eines Sterbenden erlischt, jedoch erst gegen 8 Uhr morgens.

Das war der Zeitpunkt, da der zweijährige Kampf zu Ende ging. Dass dem so sei, fühlte ich so sicher und bestimmt, dass ich nicht umhin konnte am Sonntag tags darauf, da ich über den Lobgesang der Maria zu predigen hatte, meine triumphierende Freude merken zu lassen. Es gab freilich hintennach noch mancherlei aufzuräumen, aber es war nur der Schutt eines zusammengestürzten Gebäudes. Mit dem halbblinden Bruder, einem bescheidenen und demütigen, auch christlich sehr verständigen Menschen, der viel Glauben und Gebetskraft hat, hatte ich fast nichts mehr zu schaffen; und die an ihn gekommenen satanischen Angriffe sind andern Leuten kaum bemerklich geworden. Die Katharina hatte noch eine Zeitlang je und je krampfartige Bewegungen infolge der ausserordentlichen Angegriffenheit des Gemüts, war aber bald wieder völlig hergestellt; und was mit ihr vorgefallen war, hat, möchte ich sagen, niemand erfahren. Etwas Mehreres stellte sich noch in der nächsten Zeit bei der G. ein; aber es waren mehr nur erneuerte, jedoch von selbst misslingende Versuche der Finsternis mit Früherem, die mich weiter nicht viel in Anspruch nahmen. Ja, unter diesen Nachzüglern geschah es allmählich, dass sie zu einer vollkommenen Gesundheit gelangte.

Alle ihre früheren Gebrechen, die den Ärzten wohl bekannt waren, wurden ganz aufgehoben, die hohe Seite, der kurze Fuss, die Magenübel usw. Dabei wurde ihre Gesundheit immer fester und dauerhafter; und jetzt steht es seit geraumer Zeit mit ihr so, dass sie in jeder Hinsicht als vollkommen hergestellt, als ein wahres Wunder Gottes angesehen werden kann. Ihr christlicher Sinn hat auch auf eine erfreuliche Weise zugenommen, und ihre stille Demut, ihre gediegene und verständige Rede, mit Entschiedenheit und Bescheidenheit gepaart, macht sie zu einem gesegneten Werkzeug an vielen Herzen. Was den Wert ihres Charakters am deutlichsten zu erkennen gibt, ist das, dass mir keine weibliche Person bekannt ist, die mit so viel Einsicht, Liebe, Geduld und Schonung Kinder zu behandeln wüsste, weswegen ich bei nötig werdender Aushilfe am liebsten ihr meine Kinder anvertraue; und wie sie schon im vorigen Jahre Industrielehrerin zu aller Zufriedenheit gewesen war, wobei ich nur mit dankbarem Erstaunen auf die bewahrende göttliche Vorsehung zurückblicken kann, infolge derer sie in der sonst so schweren Zeit auch nicht ein einziges Mal genötigt war, den Unterricht einzustellen, so konnte ich jetzt, da eine Kleinkinderschule errichtet werden sollte, keine Person finden, die so geeignet wie sie gewesen wäre, dieselbe zu übernehmen.
Möttlingen, den 11. August 1844
Pfarrer Blumhardt.“

Gottliebin Dittus blieb weiterhin über viele Jahre gesund. Zwei Jahre später nahm sie Blumhardt zur Unterstützung seiner Frau in der Haushaltsführung und Kindererziehung ganz in seiner Familie auf. Als er 1852 nach Bad Boll übersiedelte, wo er für 25.000 Gulden das dortige Kurhaus gekauft hatte, um darin seelisch Bekümmerte und Gemütsleidende aufzunehmen, folgte ihm auch Gottliebin dorthin, ebenso ihre Brüder Andreas und Jörg und ihre Schwester Katharina (4, S. 271). Am 9. Januar 1855 heiratete Gottliebin einen ehemaligen Patienten Blumhardts namens Theodor Brodersen. Sie bekam drei gesunde Söhne, die später wie ihr Mann tüchtige Gehilfen von Pfarrer Blumhardt wurden. Mit 57 Jahren starb Gottliebin nach langer Krankheit in Bad Boll.

Die paranormalen Phänomene der Gottliebin Dittus zeigen Ähnlichkeiten mit denen der Annamaria Tschudi, nur dass sie bei der Gottliebin noch viel ausgeprägter waren. Bei ihr tritt auch der dämonische Charakter noch viel stärker in Erscheinung. Wie bei Tschudis und Anna Göldi fragt man sich auch bei der Familie Dittus, warum sie das Ziel solch bösartiger, dämonischer Angriffe waren. War es die Verwünschung ihrer Tante? Wir haben darauf keine Antwort.

Wie bei Göldi-Tschudi wurde auch die Besessenheit der Gottliebin Dittus später in eine reine "Krankengeschichte", in eine Hysterie oder in eine psychosomatische Erkrankung umgedeutet. Auch die Nägel und Nadeln habe sich die Gottliebin selbst beigebracht. Das war es aber für mein Empfinden mit Sicherheit nicht. Alle Geschehnisse und paranormalen Vorgänge, die Blumhardt beobachtete, sind auch von anderen Forschern und Autoren in gleichen oder ähnlichen Zusammenhängen beschrieben worden. Die Anhäufung der Vorkommnisse bei Gottliebin Dittus ist allerdings sehr beachtenswert. Es liegt aber kein Grund zu der Annahme vor, dass Blumhardt nur Sinnestäuschungen zum Opfer gefallen sein könnte oder bewusst gelogen haben sollte. Als besonders verwerflich empfinde ich die nachträgliche Behauptung von Edgar Michaelis (in "Geisterreich und Geistesmacht", S. 102), dass Gottliebin Dittus sich über einen längeren Zeitraum selbst Nägel und Nadeln in den Körper eingeführt habe. Damit sollen die besonders eindrucksvollen Erscheinungen aus der Diskussion ausgeschaltet und der rein krankhaften Betrachtung Raum gegeben werden. Nach Blumhardts ausführlichen Beschreibungen, und nur diese allein sind authentisch, sind die Behauptungen als völlig aus der Luft gegriffen anzusehen.

Der Fall der Frau P. aus der Schweiz 1952

Einen ähnlichen Bericht wie Pfarrer Blumhardt gibt Dr. Peter Ringger, der Herausgeber der früheren Zeitschrift "Neue Wissenschaft" aus dem Jahre 1952 (5). Es handelt sich dabei um einen Besessenheitsfall aus der Schweiz. Er betraf eine Frau P., die schon einige Zeit unter ihren seltsamen Symptomen litt. Im Mai 1952 kam sie in das Erholungsheim des Pfarrers T. in S. Unmittelbar nach ihrer Ankunft verschlimmerte sich ihr Zustand in starkem Masse. Pfarrer T., seine Ehefrau und drei weitere Mitarbeiter waren Zeugen der seltsamen Vorgänge. Pfarrer T. machte sich darüber Aufzeichnungen und verwahrte die Gegenstände, die bei den paranormalen Vorgängen zutage traten. Dieses Material und die Aussagen der fünf beteiligten Beobachter standen Dr. Ringger für die Abfassung seines Berichtes zur Verfügung.

Folgende Angaben sollen den Fall kurz umreissen: Frau P. war 1952 37 Jahre alt, behauptete, unglücklich verheiratet zu sein und gab sich der Prostitution hin. Sie berichtete, dass ihre Grossmutter mit dem Teufel im Bunde gewesen sei und dass sie selbst von ihrer Mutter noch während der Schwangerschaft mit Blut dem Teufel verschrieben worden sei. Eine Überprüfung dieser Angaben war allerdings nicht möglich. Von Mai bis Dezember 1952 wurde Frau P. während ihres Erholungsaufenthaltes von Pfarrer T. seelsorgerisch betreut. Während dieser Zeit konnte der Pfarrer folgendes an ihr beobachten:

  1. Das Erbrechen von Wasser und Blut bis zu zehn Liter auf einmal.
  2. Das Erbrechen von Schrauben, Nägeln, Teilen von Hufeisen usw.
  3. Das Austreten aus dem Körper (aus Kopf und Leib) von Nägeln, Glasstücken, Schrauben und Gegenständen wie Schere, Säge, Taschenmesser, Stechbeitel usw.
  4. Spukartige Vorgänge in Form von Würfen von Gegenständen.
  5. Unter dämonischem Einfluss Selbstverletzungen mit heimlich versteckten Messern. Die entstandenen Wunden heilten ohne Vereiterung überaus schnell, während sich normalerweise bei ihr bei gewöhnlichen, unbedeutenden Wunden Eiterungen einstellten.
  6. Das Sprechen von nichtirdischen Wesenheiten durch den Mund der Frau P. in den unterschiedlichsten Dialekten. Es meldeten sich verstorbene Verwandte und Bekannte als unerlöste Seelen, die sich schwerer Sünden anklagten, z.B. des Kindesmordes. Weiterhin meldeten sich Dämonen ohne Namensnennung, die gotteslästerliche Reden führten und angaben, Frau P. umbringen zu wollen.
Pfarrer T. begegnete diesen Vorgängen mit dem Gebet. Zur Erläuterung des Geschehens soll die Wiedergabe folgender kurzer Auszüge der Aufzeichnungen des Pfarrers dienen (5, S. 197):

„Abends ca. 21.30 musste sie wieder "erbrechen", wenn man das noch so heissen will. Denn es kamen wieder 4 Nägel, diesmal alles grössere (von 9 - 12,5 cm Länge und entsprechender Stärke, rostig) und alle durch die Nase, natürlich unter grossen Schmerzen. Wie diese auf diesem Wege herauskommen konnten, ist ein Rätsel, das nicht leicht erklärt werden kann. Am 4. August ca. 13.15 Uhr kam die schon seit etlichen Tagen vermisste Schere von Frau P. wieder zum Vorschein, und zwar wurde sie unter viel Schmerzen etwa 2 cm oberhalb des Nabels durch die Bauchdecke hindurchgestossen. Blutwasser kam damit heraus, aber es entstand keine Blutung. Die Wunde war sehr rasch wieder geschlossen und kaum sichtbar. Etwa einen Tag nachher entzündete sie sich leicht, weil sie nicht bedeckt und deshalb in der Nacht im Schlaf gekratzt worden war. Schmerzen zeigten sich bald keine mehr, ausser bei starken Bewegungen. Sie konnte sich nur erinnern, dass eines Nachts durch irgendein Geisteswesen die Schere in ihren Leib gesteckt worden war. Sie hatte schon einige Tage vorher gespürt, dass sie etwas im Leibe habe, ohne zu wissen, was es sein könnte, und auch am Morgen jenes 4. August gesagt, dass sich etwas in ihrem Leibe bewege, das offenbar durch die Bauchdecke herauswolle. Als sie die Schere vergeblich gesucht hatte, bemerkte sie scherzeshalber, sie habe sie halt eben verschluckt.

Am 5. August abends ca. 21.00 kamen wieder 2 stark gekrümmte Nägel aus der Nase und 4 andere Nägel aus dem Munde unter starken Schmerzen. Sie hatte erst die Absicht gehabt, an diesem Tage abzureisen, war aber dann noch hier geblieben.
Am 6. August reiste Frau P. wieder ab nach B., da sie dort noch allerlei erledigen müsse. Gerne hätten wir sie bei uns behalten, bis die Befreiung von den Geistern und von allerlei anderen Dämonen erfolgt wäre. Es scheint sich irgendwie um Häupter dieser Heere zu handeln, die mit unheimlicher Zähigkeit und Wut ihren Platz zu behaupten suchen und alles aufwenden, um Frau P. zu vernichten und uns wenn möglich mit dazu. Aber wir glauben, dass JESU Macht grösser ist und ER sie nicht von ungefähr zu uns gebracht hat, sondern an ihr ein Werk tun will, das zum Heile vieler dienen soll.

Vor der Verabschiedung meinte sie, es stecke wohl noch etwas in ihrem Leibe, das noch nicht herausgekommen sei. Auf meine Frage äusserte sie, dass es sich wohl um ein Rüstmesser handle. Ob das herauskommen wird, wenn sie in B., oder besser, von S. weg ist, wussten wir damals noch nicht. (Doch scheint sich, nach Frau P's Angabe, einige Tage später in B. auch dieses erfüllt zu haben.) Es ist ihr auf jeden Fall immer wieder gesagt worden, sie werde vor allen diesen Qualen und Nöten Ruhe haben, wenn sie fort sei von hier. Das kann sein, dass die Dämonen sie in Ruhe lassen, weil sie ihnen ja dann wieder nach ihrer, der Dämonen Auffassung, gehorsam sein und den Verderbensdienst in unserem Volke und darüber hinaus gründlich und raffiniert besorgen wird. Aber wir haben die Zuversicht zum HERRN, dass ER dieses auserwählte Werkzeug des Teufels, das besonders erfolgreich gearbeitet hat, zu Seinem auserwählten Werkzeug macht und darum völlig aus der Gewalt des Feindes befreien wird, damit es zu einem überwältigenden Zeugnis Seiner Gnade werde und dadurch noch Viele Mut bekommen, sich an den HERRN JESU zu halten als an den, der allein fähig ist, zu retten aus dem tiefsten Verderben.“

Im Anschluss an diesen eindrucksvollen Bericht, wie immer man denn die Tatsachen auch deutet, halten wir noch, in Anlehnung an gleichzeitig niedergeschriebene Notizen von Pfr. T., die Hauptereignisse einzelner Stichtage fest.

1. August, mittags: 1 Nagel (7,5 cm) durch den rechten Kiefer. Eine 6 cm lange Holzschraube und vier Nägel aus Mund und Nase.
26. August, 11.15 Uhr: Der grösste der Nägel (10 cm lang, verbogen) kam durch das untere linke Augenlid heraus, ein gerader aus der Nase, ein weiterer aus dem rechten Nasenflügel, ein kürzerer aus der Nähe des rechten Auges, der letzte aus dem Mund.
28. August, 14.00 Uhr: Austreten von 11 Nägeln, 1 Schraube und 1 Eisenstück (dieses war ca 6 cm lang und trat über dem rechten Auge aus), die anderen Gegenstände aus Nase und Mund.
1. September, abends ca 19.20 Uhr, kam eine alte Messersäge (von Taschenmesser) zum Munde heraus, grosser Nagel durch die Nase (9,5 cm), Hufnagel neben der Nase, kleine Schere (geöffnet 11 cm Breite) aus dem Mund.
15. September, abends zwischen 18.35 - 18.45 Uhr, wird unter grossen Schmerzen von Frau P. aus deren Anus ein 8 cm langer rostiger Nagel entfernt (grösster Durchmesser des Kopfes, der zuletzt herauskommt, 15 mm).
20. - 22. September: Hier liegt ein längerer Bericht von Pfarrer T. vor. „Samstag morgens wieder Blut- und Wasserbrechen, ca 8 Liter... Frau P. raste die Treppe hinauf, wurde auf den Boden unseres Stockes hingeworfen, erbrach eine ganze Lache von Blut und Wasser, aus dem linken Nasenflügel kam eine Schraube und anderswoher noch ein rostiger Nagel. Die Schraube habe ich ihr selber vollends herausgezogen... In der Nacht hatten sich wieder Schrauben und Nägel eingestellt (eine Schraube schraubte sich regelrecht aus dem Kopfe heraus, etwas rechts über dem Auge). Daneben war wieder viel Blut und Wasser geflossen. ... In der Nacht vom Sonntag auf den Montag ca. 1.30 Uhr begannen Wehen wie bei einer Geburt. Ca. 2.30 Uhr wurden die Wehen so heftig, dass sie merkte, es gehe vorwärts – der Eisenteil eines Stechbeitels (23 cm lang, 12 cm Schneide, das Heft an der dicksten Stelle 3 cm stark) kam aus dem Uterus. ... Anderntags musste sie wieder ca. 15 Liter Blut und Wasser brechen.“
23. September, ca. 3 Uhr früh: Fürchterliche Konvulsionen [Schüttelkrämpfe]. Aus dem Uterus werden Nägel und Stecknadeln "geboren" – Drei Stecknadeln aus der Sohle des linken Fusses. Später entfernten sich unter grossem Schmerz mit dem Urin 29 Stecknadeln.
24. September, 1.30 Uhr früh, traten 46 Stecknadeln aus Nase und Mund aus. Zwei Stecknadeln, Spitze voran, zog Pfr. T. aus der Zunge der Patientin, drei aus der Kopfhaut (in Stirnnähe). Drei Stecknadeln werden von Frau P. herausgehustet.
10./11. Oktober: In der Nacht trat aus dem Leib, in der Nähe des Nabels, eine geöffnete Schere heraus. Beim Mittagessen spuckt sie ein paar Bissen aus. Darin befinden sich Reissnägel. Nachmittags kleine Rundfeile (17,5 cm lang) aus Uterus "geboren", abends (20.45) Stecknadeln aus Kopf und Nase.
12. Oktober, nach dem Nachtessen, 18.20 Uhr: Ca. 50 Stecknadeln und ein Reissnagel aus dem Mund.
13./14. Oktober: In der Nacht traten ca. 60 Stecknadeln aus Hinterkopf, Nase und Brust aus.
16. Oktober: Nachts halb 2 Uhr traten 30 Stück Stecknadeln, mit etwa 3 Liter Blut und Wasser vermengt, aus der Nase und dem linken unteren Augenlid. Morgens 10.25 Uhr: Wiederholung desselben Vorgangs; 52 Stecknadeln treten aus.
17. Oktober: In der Nacht vom 16. auf den 17. Austreten von ca. 100 Stecknadeln, zum Teil aus dem Mund, zum Teil unter den Augen hervor.“

Dr. Ringger berichtet nichts über den Ausgang des Besessenheitsfalles. Möglicherweise war er bei der Abfassung des Berichtes im März 1953 noch gar nicht abgeschlossen. Ob ein glücklicher Ausgang wie bei Gottliebin Dittus eintrat, ist also unbekannt. Die übrigen Parallelen zu den Beobachtungen Blumhardts sind aber auffallend. Es ist keinesfalls anzunehmen, dass Pfarrer T. und seine Mitarbeiter nur phantasiert oder bewusst gelogen haben. Offensichtlich ist hier jedoch in der Vorgeschichte die Verstrickung mit der dämonischen Geisterwelt auslösend gewesen. Und erschreckend ist, zu welch schaurigen Taten diese fähig ist.

In den dargestellten Beispielen war das dämonische Ergebnis offensichtlich, also materiell nachweisbar. In vielen Fällen wird das Wirken einer bösen Geistermacht aber gar nicht so offen in Erscheinung treten, zum Beispiel wenn Lüge, Verleumdung und Hinterhältigkeit zur Anwendung kommen. Wie kann man sich dagegen schützen? Mit völliger Sicherheit wohl kaum. Aber man sollte sich darum bemühen, dass man ständig einen guten Schutzengel als Begleiter hat und sollte immer Gott und Christus um Beistand und Hilfe anrufen.


Literaturangaben

(1) Braunschweig, Max: "Schicksale vor den Schranken. Berühmte Schweizer Kriminalprozesse aus vier Jahrhunderten". Darin: "Die Magd von Glarus. Der letzte Hexenprozess in Europa 1782", Schweizer Druck und Verlagshaus, Zürich 1943

(2) Noll, Peter, Prof. Dr.: "Der Prozess gegen Anna Göldi", Beobachter (Schweizerische Zeitung in Basel), mehrere Ausgaben Februar 1971

(3) Blumhardt, Johann Christoph: "Blumhardts Kampf", 70 S., Verlag Goldene Worte, Stuttgart-Sillenbuch, 18. Aufl. 1993

(4) Zündel, Friedrich: "Johann Christoph Blumhardt – Zeuge der Siegesmacht Jesu über Krankheit und Dämonen", 352 Seiten, Brunnen Verlag, Giessen/Basel, 79. Tausend 1962

(5) Ringger, Peter: "Ein neuer Fall von Besessenheit", Neue Wissenschaft, H. 7, 1953, S. 191-199; H. 8/9, 1953, S. 231-240; H. 10, 1953, S. 285-296


(Red.: Wer mit der parapsychologischen Forschung wenig vertraut ist, dem erscheinen die geschilderten Ereignisse und Phänomene so unglaublich, dass sie nur schwer als wahr akzeptiert werden können. Auch die Frage nach dem Sinn der schauerlichen Vorgänge ist nicht leicht zu beantworten. All denen, die bei solchen Berichten gleich an Betrug, Fälschung und Desinformation denken, sei in Erinnerung gerufen, dass jeder Schwindel für den Betrüger einen klaren Nutzen haben muss, den man jedoch bei den vorliegenden Berichten nicht recht erkennen kann. Was bringt einem Pfarrer die Schilderung eines Besessenheitsfalles ausser Problemen mit "Ungläubigen" und sogar der eigenen Kirche ein? Wichtigtuerei? Das geht doch einfacher. Für besser informierte Menschen können die Beispiele hingegen lehrreich sein, weil sie die Existenz der positiven und negativen Geisterwelt bestätigen und auf die grosse Macht des gottbezogenen Gebets hinweisen. Liegt hier der tiefere Sinn der geschilderten Fälle? Aufklärung über und Bestätigung für die Existenz von Naturgesetzen, welche der heutigen Wissenschaft noch nicht oder nicht mehr bekannt sind? Nicht unwichtig mag die Erkenntnis sein, dass es sehr gefährlich ist, mit Zauberei und Hexerei "herumzuspielen". – T.F.)


Abbildungen
Stoffpuppe für Voodoo-Zauber
Bild 1: Eine Stoffpuppe zur Durchführung eines schwarzmagischen Voodoo-Zaubers. Ein Bild des Opfers wird an die Stoffpuppe geheftet und diese in eine kleine Kiste als Sargersatz gelegt. Puppe und Kiste werden dann verbrannt.
Durchführung eines Schadzaubers
Bild 2: Eine brasilianische Eschu-Priesterin bei der Durchführung eines Schadzaubers am 21.4.1975 durch Stechen von Nadeln in eine Puppe
Otilia Bertoldi im Krankenhaus
Bild 3: Die Brasilianerin Otilia Bertoldi im Krankenhaus von Indaiatuba neben der Röntgenaufnahme ihres linken Unterarmes
Röntgenaufnahme der Otilia Bertoldi
Bild 4: Röntgenaufnahme der Otilia Bertoldi von linker Hand und Unterarm
Röntgenaufnahme der Otilia Bertoldi
Bild 5: Röntgenaufnahme der Otilia Bertoldi von linkem Unterarm
Vorbereitung Operation der Otilia Bertoldi
Bild 6: Der Chirurg Dr. Ramos bereitet die operative Entfernung von 17 Nadeln aus dem Unterarm der Otilia Bertoldi vor
Vorgang der Nadel-Entfernung
Bild 7: Der Vorgang der operativen Nadel-Entfernung
Untersuchung der Doña Lucretia
Bild 8: Ein Arzt untersucht den Busen der Doña Lucretia.
Arzt betrachtet Röntgenaufnahme der Doña Lucretia
Bild 9: Der Arzt betrachtet die Röntgenaufnahme des Brustkorbes der Doña Lucretia.
Röntgenaufnahme mit eingebetteten Nadeln
Bild 10: Der Arzt sieht auf der Röntgenaufnahme die in den Körper eingebetteten Nadeln.
Röntgenaufnahme der Doña Lucretia mit vielen eingebetteten Nadeln
Bild 11: Röntgenaufnahme des Busens der Doña Lucretia mit den vielen eingebetteten Nadeln
Arzt zieht mit Kneifzange Nadeln aus Busen der Doña Lucretia
Bild 12: Der Arzt zieht mit einer Kneifzange die Nadeln einzeln aus dem Busen der Doña Lucretia
Auswahl der Gufen, erbrochen von Annamaria Tschudi
Bild 13: Eine Auswahl der Gufen, die von der Annamaria Tschudi erbrochen wurden
Pastor Johann Christoph Blumhardt (1805-1880)
Bild 14: Pastor Johann Christoph Blumhardt (1805-1880)


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"Letzte Änderung dieser Seite am 10. Juni 2014"