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Bücher - Rezension
(Anm.d.Erf.: Die Buchbesprechung stammt aus der Zeitschrift "Wegbegleiter" vom Mai 1996, Nr. 3, I. Jahrgang, S. 127 ff.
Anmerkungen des Erfassers stehen in []-Klammern.)

Buch von Evelyn Elsaesser Valarino über 'Erfahrungen an der Schwelle des Todes'

Evelyn Elsaesser Valarino: "Erfahrungen an der Schwelle des Todes. Wissenschaftler äussern sich zur Nahtodeserfahrung". 268 S., ISBN 3-7205-1889-2, Ariston-Verlag Genf/München, DM/SFr. 44,-

Ein überwiegend aus Interviews bestehendes Werk, das rasch noch mitschwimmen soll auf der lukrativen Esoterikwelle der Bücherindustrie? Die Verfasserin macht sich's leicht, dachte ich; musste aber bald die Nichtberechtigung meiner Voreingenommenheit feststellen. Das Buch ist wirklich lesenswert für an der Sterbeforschung Interessierte. Neben der prägnanten Einführung und einer ausgezeichneten Analyse der Nah-Todeserfahrungen (NTE), enthalten die Gespräche mit Wissenschaftlern verschiedener Sparten allerlei interessante Aussagen. An den für uns neuen Ausdruck "Experiencer" für jemanden, der eine NTE hatte, gewöhnt man sich bald, und über die unheilbar materialistischen Ansichten des Professors für Neurophysiologie Paul Chauchard darf gelächelt werden: "Das Spirituelle im Menschen ist eine elektrochemische Eigenschaft des Gehirns" oder "Ich weigere mich nachdrücklich, Seele und Körper voneinander zu trennen" (S. 224+225). Lasst ihn sich weigern!
Weit ergiebiger ist das ausführliche Gespräch mit dem bekannten Sterbeforscher Prof. Kenneth Ring. Der weiss, wovon er spricht. Bemerkenswert seine Aussage, dass laut einer Studie "78 % der Experiencer nach ihrer NTE in irgendeiner Form an Reinkarnation glauben" (S. 145) oder: "Der Lebensfilm ist ein äusserst wichtiges Charakteristikum der NTE. Vielleicht am wichtigsten ist das Gefühl der Liebe und dass wir alle Teil dieser Liebe sind" (S. 137) oder "Weil die Experiencer das Licht erlebt haben, bringen sie es mit sich zurück, und für sie ist das Licht Gott... Der Experiencer hat das universale Verständnis gewonnen, dass jede Religion ihre eigene Wahrheit, ihre eigene Schönheit und ihren eigenen Wert hat (S. 135).
Bemerkenswert ist auch das Gespräch mit dem Genfer Medizin-Professor Jean Pierre Girard, der selber eine NTE hatte. Auf die Frage der Autorin, ob er meine, dass das Phänomen der NTE wichtig sei für die Menschheit, antwortete Prof. Girard: "Ich glaube, dass darin vielleicht ein gewisser Determinismus (Vorbestimmtheit) liegt. Betrachtet man die Essenz der Religionen im Laufe der Menschheitsgeschichte, dann wurde der Tod nie als Unglück gewertet, als Ende an sich, ganz im Gegenteil. Die Erleuchteten, die auf ein Jenseits hin lebten, sahen den Sinn und Zweck des Lebens darin, sich optimal auf diesen Augenblick vorzubereiten. Es gab keine Furcht, der Mensch... war sich eines entsprechenden Jenseits gewiss. Mit dem Niedergang der Spiritualität in unserer sehr materialistischen Gesellschaft, die letztlich alles verwirft, was nicht sichtbar und beweisbar ist, ging eine massive Zunahme der Furcht vor dem Tode als unerklärtem Phänomen einher. Ich wage zu sagen, dass heute die Menschen... irgendwie von ihren wahren himmlischen Wurzeln völlig losgelöst sind. Ich glaube, dass die Todesfurcht durch die Kenntnis der NTE, die manche Menschen erlebt haben, gemindert werden kann" (S. 69/70).
Aufschlussreich sind ferner die Angaben des Biologieprofessors und Dipl.-Ing. für Elektromechanik Louis-Marie Vincent, der die NTE unter dem Aspekt der Informatik beurteilt. Er sagt (S. 184): "Je umfassender unsere Erkenntnisse in allen Bereichen werden, im Hinblick sowohl auf die Kosmologie (Lehre vom Weltganzen und der Weltordnung) als auch auf den Ursprung des Lebens, desto unwahrscheinlicher ist es, dass bei der Schöpfung nur Zufall gewaltet hat. Das heisst, dass die Hypothese einer Schöpfung (und somit eines Schöpfers. R. P.) wahrscheinlicher wird." Und schliesslich: "Die Kohärenz (allgemeiner Zusammenhang) der Tatsachen in Bezug auf NTE mit den verschiedenen Vorstellungen oder Hypothesen der Quantenphysik oder die Information veranlassen mich, die Interpretation der NTE als Zeugnis eines Lebens im Jenseits für wahrscheinlich zu halten." Das ist wissenschaftlich vorsichtig ausgedrückt, aber unmissverständlich. Zeichnet sich endlich ein neues Denken unter Wissenschaftlern ab? ... es wäre höchste Zeit!
Bezeichnend, wiewohl nicht durchweg falsch, sind die Antworten des Monsignore Jean Vernette, seines Zeichens Sektenbeauftragter der französischen Bischöfe und Berater im Vatikan. Auf die Frage der Autorin nach der offiziellen Haltung der katholischen Kirche zum Phänomen der NTE lautet die Antwort, eine solche gebe es nicht, aber eine ganze Reihe von Bezugspunkten, die zur Klärung dieser Frage beitragen würden. Msgr. Vernette hält es zwar für unwissenschaftlich, die NTE zu ignorieren, paukt aber auf dem Verbot des Totenbefragens nach 3. Mose 20, 6-27 (was mit NTE gar nichts zu tun hat) und ähnlichem dogmatischen Unsinn herum. Zwar weiss er vieles, bleibt aber in seinem freien Denken und Schlüsseziehen dogmatisch blockiert. Frau Elsaesser hätte sich besser an den Innsbrucker Theologieprofessor Dr. Dr. Andreas Resch (Lehrstuhlinhaber für Parapsychologie an der Universität des Vatikans) wenden sollen, da wäre Gescheiteres herausgekommen. Die meisten Theologen und andere "Experten" sind offenbar ausserstande zu begreifen, dass ohne nachtodliches Weiterleben alles sinnlos wäre!
Prof. Kenneth Ring sagt hierzu ganz richtig: (S. 141): "Wenn das Leben, wie es scheinen mag, mit dem Tod beendet ist, dann wären letztlich all unsere Handlungen nichtig. Das Leben wäre ein grausamer Spass, nichts hätte Bestand, und der Mensch empfände sein Dasein nicht als Wirklichkeit. Wenn Sie sich aber die Auffassung, die aus der NTE entsteht, zu eigen machen, dann gibt es keinen Tod. Was wir Leben nennen, ist nur ein Vorspiel zum w a h r e n Leben; was wir hier auf Erden tun, führt zu dem, was wir dort im Jenseits sind, und es gibt nur eine Unterbrechung, aber kein Ende, kein Nichts, nur einen Übergang." Ring sieht Anzeichen, dass sich weltanschaulich "ein Wandel anbahnt, der die spirituelle Dimension einbezieht."
Alles in allem: Das Buch, dem leider ein Stichwortverzeichnis fehlt, ist empfehlenswert. Besonders für Akademiker und Studenten. Politiker, Parteibonzen und Banker lesen so etwas leider nicht.
Hinsichtlich des Zeitproblems (S. 163) wäre der Autorin gewiss das Buch von Stewart E. White, "Das uneingeschränkte Weltall" von Nutzen (mit einem Vorwort von C. G. Jung, Origo-Verlag, Zürich 1963). Und um zu erfahren, was in punkto Seelenforschung schon vor einhundert Jahren an Ergebnissen vorlag, genügt das zweibändige Werk von Carl du Prel, "Die Entdeckung der Seele durch die Geheimwissenschaften" (Leipzig, 1895). Gern hätte ich dies Frau Elsaesser Valarino mitgeteilt aber der Verlag reagierte leider nicht auf meine Bitte um Angabe ihrer Anschrift.

R. P. [Rudolf Passian]


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Letzte Änderung am 13. Mai 2000