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Geisteswissenschaften - Religion - Okkultismus
(Anm.d.Erf.: Der Artikel stammt aus der Zeitschrift "Wegbegleiter", September 1997, Nr. 5, II. Jahrgang)

Aus welchem Grunde lehnen viele die okkulten Phänomene ab?

Es gibt kein Forschungsgebiet, das sich so wenig allgemeiner Anerkennung erfreut, von dem alle Zeitschriften und Zeitungen so vollständig schweigen, wie das Gebiet der okkulten Phänomene. Die meisten wissen überhaupt nichts von diesem Forschungsgebiet, und viele lehnen es grundsätzlich ab.
Es lohnt sich gewiss, einmal die Gründe darzulegen, weshalb gerade die experimentelle Erforschung der metaphysischen Phänomene so wenig Beachtung findet. Man kann unter den Gegnern der okkulten Forschung zwei Kategorien unterscheiden, nämlich die prinzipiellen Gegner und die gedankenlosen. Die prinzipiellen Gegner kämpfen für eine bestimmte Weltanschauung, nämlich für den philosophischen Materialismus.
Der Hauptvertreter dieser Weltanschauung, der frühere Jenenser Professor Ernst Haeckel, sagte: "Was ich am meisten bekämpfe, ist die falsche Metaphysik". Er hält die vonKant undSchopenhauer in klarer Weise dargelegte Metaphysik für falsch, weil er genau weiss, dass diese Metaphysik den fundamentalen Irrtum der materialistischen Weltanschauung darlegt. Der transzendentale Idealismus, die Lehre Kants und Schopenhauers, erbringt den Beweis, dass die Erfahrungswelt oder die empirische Welt nur ein Spiegelbild im Kopfe des Menschen ist, also den Menschen schon voraussetzt. Sie ist die Welt, welche sich in unserem Kopfe spiegelt. Ihr Aussehen ist bedingt durch die Beschaffenheit unseres Intellekts und unserer Sinnesorgane. Raum und Zeit haben keine absolute Gültigkeit, sondern sind Anschauungsformen unseres Verstandes. Wir können uns keinen Anfang und kein Ende der Zeit vorstellen, auch keinen Anfang und kein Ende des Raumes, sondern wir können nur von einem Mittelpunkt der Zeit und des Raumes sprechen. Im Mittelpunkt der Zeit und des Raumes befindet sich in jedem Augenblick seines Lebens jedes erkennende Wesen. Vor ihm liegt endlos die Zukunft, hinter ihm die Vergangenheit, um ihn dehnt sich endlos der Raum aus. Nur in der Erscheinungswelt gibt es ein Werden und Vergehen, nur in der Erscheinungswelt gilt das Kausalitätsgesetz, d. h. das Gesetz, dass alles, was geschieht, einen zureichenden Grund hat, warum es geschieht.
Die Vertreter der materialistischen Weltanschauung lassen nur die Erscheinungswelt, die in unserem Kopfe sich spiegelt, gelten. Das ist für sie die einzig wirkliche Welt. Kant und Schopenhauer, die grössten Denker aller Zeiten, haben für sie überhaupt nicht existiert. Da nun, wie Schopenhauer richtig bemerkt, der sogenannte Okkultismus die Experimentalmetaphysik bedeutet, so lassen sie auch das okkulte Forschungsgebiet nicht gelten, sondern lehnen grundsätzlich alle okkulten Vorgänge ab, auch wenn sie tausendfach durch völlig einwandfrei ausgeführte Experimente dargelegt werden.
Es ist also ein naives Vorurteil, das sie hindert, die Tatsächlichkeit der okkulten Phänomene anzuerkennen. Sie gleichen jenen Verstockten, die ich vor einigen Jahrhunderten weigerten, die Erkenntnis des Kopernikus und des Galilei, nämlich die Lehre, dass sich die Erde um die Sonne bewege, anzuerkennen.
Zu ihnen gesellt sich in unseren Tagen die grosse Zahl derer, welche mehr aus praktischen Gründen jede Metaphysik ablehnt. Es sind die Vertreter des marxistischen Kollektivismus aller Schattierungen. Ihr Blick ist nur auf das Erdenleben gerichtet. Sie sind der Meinung, dass durch grundlegende soziale Reformen das Glück aller Menschen begründet werden könnte. Den Ewigkeitsgedanken lehnen sie ab. Demgegenüber betont der Individualismus das Recht der Persönlichkeit. Die Vertreter dieser Auffassung gehen aus von der Überzeugung, dass das Glück eine rein persönliche Angelegenheit ist, dass nur der sich glücklich fühlen kann, dem die Möglichkeit geboten wird, sich seiner Persönlichkeit gemäss frei zu entfalten. Man ist überzeugt, dass Höchstleistungen, welche er gesamten Menschheit zugute kommen, nur erzielt werden können, wenn tüchtigen Persönlichkeiten die Möglichkeit geboten wird, ich frei zu entfalten. Was hätten Geistesheroen wieSchiller undGoethe der Kant und Schopenhauer leisten können, wenn sie auf Schritt und Tritt belauert worden wären, ob sie auch linientreu waren.
Es besteht, so lange wir Kunde vom Leben der Menschen haben, der Unterschied von mehr oder minder Besitzenden. Dieser Unterschied ist kein konstanter, sondern ein fliessender. Da jedoch diese Ungleichheit der Verhältnisse häufig als Härte und Ungerechtigkeit empfunden wird, so ist es natürlich, dass die Menschen sie oft zum Gegenstand der Erörterung gemacht haben und bis auf den heutigen Tag nach Mitteln und Wegen suchen, sie auszugleichen. Man erstrebt eine Reform des sozialen Lebens. Da diese Reform nur dann befriedigend sein kann, wenn sie die Interessen aller berücksichtigt, stösst sie auf die grössten Schwierigkeiten, weil zwei Faktoren nicht auf denselben Nenner gebracht werden können, nämlich die von Natur gegebene Ungleichheit der Veranlagung hinsichtlich Fleiss und Begabung und der Wunsch nach Gleichheit und Gleichberechtigung.
Bereits der französische MoralphilosophVauvenargues, ein Zeitgenosse Voltaires, sagt in seiner Arbeit über diesen Gegenstand, dass ein Zustand der Gleichheit sich nur bei Naturvölkern finde und in gleicher Armut und Unwissenheit bestehe. Man erstrebt Glück und Zufriedenheit für alle Menschen hinieden auf Erden, man übersieht aber zwei Momente, man übersieht, dass das Glück eine rein persönliche Eigenschaft ist, dass es kein gemeinsames Glück für alle gibt, und man übersieht, dass man keinen Übelstand abschaffen kann, ohne dass ein neuer Übelstand sich einstellt. In diesem Sinne sagt auch der scharfsinnigeMachiavelli in seiner Abhandlung über die ersten zehn Bücher des Titus Livius, in den Discorsi im 6. Kapitel:"Ed in tutte le cose umane si vede questo, chi le esaminerà bene, che non si può mai cancellare uno inconveniente, che non ne suröa un altro. " (Und in allen menschlichen Angelegenheiten sieht man, wenn man sie gut prüft, dass man keinen Übelstand abschaffen kann, ohne dass ein anderer daraus hervorgeht.)
Wenn man alle Wünsche nach Lohnerhöhung erfüllen wollte, würden wir bald die Inflation haben, und wenn man den Kollektivismus nach dem marxistischen Vorbilde einfuhren würde, würde das kostbarste Gut, nämlich die Persönlichkeit, zerstört.
Die Vertreter des marxistischen Kollektivismus lehnen die Erforschung der okkulten Phänomene ab, weil sie von einem jenseitigen Leben nichts wissen wollen, sondern sich der trügerischen Hoffnung hingeben, dass man durch radikale soziale Reformen das Erdenleben in ein Paradies umwandeln kann. Zu ihnen gesellt sich die grosse Zahl der Gleichgültigen, jener Menschen, welche niemals etwas von der experimentellen Erforschung metaphysischer Phänomene gehört haben. Sie wollen auch nichts davon wissen.
Manche halten auch wohl die Beschäftigung mit okkulten Phänomenen für einen Rückfall in den Aberglauben vergangener Zeiten. Sie möchten aber als aufgeklärt gelten. Es ist begreiflich, dass auch all der Unfug, der mit dem Gebiet der okkulten Phänomene getrieben wird, besonders von gewinnsüchtigen Menschen, viel dazu beiträgt, dies Forschungsgebiet in Misskredit zu bringen. So ist die Zahl derer, welche sich mit dem schwierigsten aller Forschungsgebiete, mit der experimentellen Erforschung metaphysischer Phänomene, ernstlich beschäftigt, gering. Natürlich ist dies zu bedauern, weil dadurch ein sehr wertvolles Forschungsgebiet, das einen tieferen Einblick in das grosse Rätsel des Lebens gewährt, nicht die Beachtung findet, die ihm gebührt, besonders nicht in unserem deutschen Vaterlande, während andere Länder, besonders England und Amerika, weit aufgeschlossener dafür sind. Ein Wandel in der Beachtung und Wertung des okkulten Forschungsgebietes ist nur zu erwarten, wenn wissenschaftliche Institute, Unterrichtsanstalten und Zeitschriften ihre unverständliche Zurückhaltung aufgeben und endlich den Mut finden, Tatsachen, die offen zu Tage liegen, anzuerkennen. Vielleicht dient die jetzt einsetzende Atomforschung dazu, den bislang in diesen Kreisen herrschenden Materialismus zu überwinden und den Weg frei zu machen für eine tiefere und wertvollere Weltanschauung.
Wenn wir das Gesagte zusammenfassen, so können wir sagen: Um ein Verständnis für die okkulten Phänomene zu gewinnen und um sich überhaupt in dem Irrgarten des Lebens zurechtzufinden, muss man sich vier Tatsachen vor Augen halten:
  1. Die Welt ist meine Vorstellung.
  2. Raum und Zeit sind Anschauungsformen des Verstandes.
  3. Es gibt physische und metaphysische Kräfte.
  4. Das Kausalitätsgesetz gilt nur für die Erscheinungswelt.
  1. Die meisten Menschen sind der irrigen Ansicht, dass sie bei der Geburt in eine fertige Welt hineintreten und die Welt so anschauen, wie sie wirklich ist. Sie übersehen, dass die Welt sich in ihrem Kopfe spiegelt, dass das Aussehen der Welt abhängig ist von der Beschaffenheit des menschlichen Intellekts und der Sinnesorgane, dass also die Welt, wie wir sie sehen, nur unsere Vorstellung ist. Deshalb nennt auch Schopenhauer sein Hauptwerk: "Die Welt als Wille und Vorstellung." Hinter der Welt als Vorstellung steckt die Welt als Ding an sich, die Welt des Metaphysischen.
  2. Raum und Zeit gehören nur der Erscheinungswelt, die in unserem Kopfe sich spiegelt, an. In den okkulten Phänomenen werden im Hellsehen in die Ferne und in die Zukunft oder Vergangenheit diese Anschauungsformen des Verstandes oft aufgehoben.
  3. Man muss scharf unterscheiden zwischen den uns bekannten physischen Kräften und den metaphysischen Kräften, welche in Levitationen, Telekinesen und Apporten wirksam sind.
  4. Das Kausalitätsgesetz, also das Gesetz, dass alles, was geschieht, einen zureichenden Grund hat, warum es geschieht, gilt nur für die Auslösung physischer Kräfte, also nur für die Erscheinungswelt, aber nicht für die Auslösung der metaphysischen Kräfte. Hier hat die Frage nach dem Warum keine Bedeutung.
Wenn heutzutage noch viele die okkulten Phänomene ablehnen, obwohl sie offen zu Tage liegen, so ist der Grund dafür in dem Umstande zu sehen, dass sie häufig die im Vorstehenden dargelegten vier Tatsachen übersehen. Man hört die törichte Redewendung: Ich glaube nicht an den Okkultismus. Die Menschen, welche so reden, sind so einfältig, dass sie nicht imstande sind, einzusehen, dass es sich hierbei gar nicht um einen Glauben oder Nichtglauben handelt, sondern um Tatsachen, die offen zu Tage liegen. Mit demselben Recht könnten jene einfältigen Menschen sagen: Ich glaube nicht, dass es im Winter schneit und friert oder dass es im Sommer manchmal blitzt und donnert.

Dr. Carl Nebel


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Letzte Änderung am 24. Feb. 2000