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Parapsychologie - Spiritismus/Spiritualismus

Artikel von Prof. Dr. Werner Schiebeler erschienen in der Zeitschrift 'Wegbegleiter' Nr. 1/2003, S. 15-41.
Anmerkungen des Autors stehen in [ ]-Klammern.

Die Entstehung menschlichen Lebens und frühkindlicher Tod

Von Prof. Dr. rer. nat. Werner Schiebeler

Die Entstehung menschlichen Lebens, wie des Lebens überhaupt, ist ein grosses Geheimnis. Das betrifft sowohl das biologische Leben unserer Erde, als auch das geistige Leben aus spiritualistischer Sicht. Und nur die letzte Frage soll hier behandelt werden. Woher kommt das menschliche Individuum, seine Seele oder wie man das immer nennen mag? Und wo bleibt sie, wenn sie unsere Erde wieder verlässt und sogar sehr schnell wieder, als kleines Kind schon, verlassen muss?

In dieser Abhandlung wird davon ausgegangen, dass unsere irdische, grobmaterielle Lebensform nicht die einzige ist, sondern dass unser feinstofflicher Leib, der Astralleib, die Seele, sich beim irdischen Tod vom materiellen Körper trennt und in einem jenseitigen, feinstofflichen Lebensbereich weiterlebt, weiterexistiert. Weiter wird davon ausgegangen, dass Menschen (nicht unbedingt alle) mehrmals auf diese Erde durch erneute Geburt zurückkehren müssen, dass es also so etwas wie eine irdische Wiedergeburt, eine Reinkarnation gibt. Letzteres wird von den meisten christlichen Kirchen gerne als eine heidnische Lebensauffassung abgetan. Dabei wird vergessen, dass für das frühe Christentum auch der Kirchenvater Origenes (geb. um 185, gest. 254) und seine Schule die Reinkarnationslehre vertreten haben. Origenes war der erste bedeutende frühchristliche Theologe des griechischen Ostens. Er sichtete und bewertete die Schriften des Neuen Testamentes auf Fälschungen und Fehler und fertigte eine wissenschaftliche Übersetzung des Alten Testamentes aus dem Hebräischen ins Griechische an. [Ausführlicher Bericht darüber in (7, S. 11 - 17)]

Wenn man davon ausgeht, dass der irdische Tod nicht das Ende des menschlichen Lebens ist (9; 10; 11; 12), stellt sich natürlich die Frage, was dann weiterhin alles geschieht. Über die unterschiedlichen nachtodlichen Schicksale gibt es durch die Verbindung mit der jenseitigen Welt seit 150 Jahren umfangreiche Schilderungen. Eine Auswahl davon habe ich in dem Buch "Leben nach dem irdischen Tod. Die Erfahrungen von Verstorbenen" (11) dargestellt. Doch ergibt sich die weitere Frage: Ist die irdische Geburt überhaupt der Beginn unseres Daseins, und wie und von wem wird unser Verhalten auf dieser Erde beurteilt? Sind Wohlverhalten oder begangene Verbrechen völlig folgenlos?

Über diese Fragen haben sich die Menschen schon sehr früh, bereits vor Jahrtausenden, Gedanken gemacht, die dann auch in die jeweiligen religiösen Vorstellungen eingegangen sind. Diese waren derart, dass das menschliche Dasein durch einen Schöpfungsakt der Gottheit in Erscheinung getreten ist. Die den Menschen mitgegebene Willensfreiheit führte aber dazu, dass die Geschöpfe nicht immer nach den Wünschen und Gesetzen des Gottes oder der Götter ihr Leben verbrachten. Begangene Vergehen oder Untaten erforderten aber gemäss dem Gerechtigkeitssinn der Menschen eine Bestrafung, Wiedergutmachung und Reue. Wo und wie aber sollte oder konnte das erfolgen?

Die Bestrafung oder Belohnung wurde in manchen religiösen Systemen (auch im christlichen) im Jenseits, im Himmel, Fegefeuer und Hölle angesiedelt. Im Himmel oder Paradies erfolgt die ewige Belohnung, im Fegefeuer eine zeitlich befristete Freiheitsstrafe mit anschliessender Begnadigung und in der Hölle oder Tartarus die "lebenslängliche" Freiheitsstrafe unter erschwerten Bedingungen mit eingeschalteten Folterungen durch Feuertorturen. Hier war Reue zwecklos und Umkehr unmöglich. In diesem System hatten Einsicht in begangene Fehler, der Wille und die Möglichkeit zur Wiedergutmachung und die Rückgliederung auch des Schwerverbrechers, wenn er erst einmal gestorben war, keinen Platz. Ausserdem sollte die jenseitige Einstufung nicht nur vom irdischen Lebenswandel des Verstorbenen, sondern in starkem Masse auch von der Wirksamkeit priesterlicher Zeremonien und bestimmter Opferriten abhängen.

Eine solche Regelung widersprach dem Gerechtigkeitsempfinden vieler Menschen und dem Glauben an eine liebende Gottheit. Aus diesem Grund entwickelte sich schon sehr früh eine andere Anschauung, nämlich die, dass das menschliche Erdenleben nicht einmalig und unwiederholbar ist. Je nach moralischem Erfolg oder Misserfolg eines beendeten Erdenlebens wird ein Verstorbener entweder sofort oder nach einer mehr oder weniger langen Übergangszeit im Jenseits in ein neues Erdenleben hineingeboren. Man spricht von Wiedergeburt oder Reinkarnation. Die Form der Wiedereinverleibung, z.B. in den Körper eines hoch- oder tiefgestellten Menschen mit mehr oder weniger schwerem Schicksal, hängt von der Vorbelastung des Verstorbenen bzw. Neugeborenen ab.

Indizien für die Wiederverkörperungshypothese

Ganz allgemein lässt sich zur Wiederverkörperungshypothese sagen: Es gibt eindeutige und vielfältige Jenseitsmitteilungen, z.B. in den Büchern von Johannes Greber (1) oder Allan Kardec (2), die auf ein mögliches mehrfaches Erdenleben für viele Menschen hinweisen, unterbrochen jeweils durch kürzere oder meist längere Zwischenaufenthalte in einer jenseitigen Welt. Weiterhin gibt es dafür stützende Indizien von dieser Erde, die zwar nicht so stark und zahlreich sind wie die Indizien und Erfahrungsbeweise für das persönliche Fortleben nach dem irdischen Tod.

Es kommt vor, dass kleine Kinder, wenn sie im Alter von 1½ bis 2 Jahren anfangen zu sprechen, behaupten, dass sie eigentlich ein ganz anderer seien, dass sie andere Eltern hätten und ganz woanders zu Hause seien. Zunächst drücken sie sich dabei noch unbeholfen und nur in kurzen Sätzen aus, sprechen Worte falsch aus und benutzen Gesten, um das zu unterstützen, was sie sagen wollen (14, S. 24). Je älter sie aber werden und je umfangreicher ihr Wortschatz wird, desto genauer werden die Schilderungen der von ihnen empfundenen früheren Lebensläufe. Diese Kinder berichten in ausgeprägten Fällen ihre früheren Namen, die ihrer Eltern und sonstiger Anverwandten und ihren früheren Lebensverlauf mit Todesart ganz genau. Sie schildern ihre damalige Umgebung in vielen Einzelheiten und geben oftmals Orts- und Strassennamen exakt an. Die Kinder verlangen meist, zu ihren früheren Eltern gebracht zu werden oder zumindest die ehemalige Umgebung einmal wiederzusehen. Und was besonders seltsam ist: Es kommt hin und wieder vor, dass ein solches Kind, das behauptet, in einem früheren Leben gewaltsam zu Tode gekommen zu sein, beispielsweise durch Unfall oder Mord, in seinem neuen Leben ein auffälliges Muttermal an der Körperstelle aufweist, an der die frühere Verwundung stattgefunden haben soll. Und derartige Fälle sind nachprüfbar und nachgeprüft worden (3; 14).

Beispielsweise bemerkte die Mutter des indischen Knaben Ravi Shankar 1951, als er drei oder vier Monate alt war, an seinem Hals erstmals ein Muttermal, das einer Narbe von einer Verletzung mit einem langen Messer sehr ähnlich sah (14, S. 111). Als der Knabe grösser geworden war und sprechen konnte, behauptete er, in einem früheren Leben Sohn eines Friseurs Sri Jageshwar Prasad im Distrikt Chhipatti der Stadt Kanauj in der Nähe von Kampur gewesen zu sein. Im Alter von sechs Jahren sei er von zwei Männern, die er genau beschrieb und deren Namen er angab, mit einem Messer ermordet worden. Es konnte später festgestellt werden, dass tatsächlich sechs Monate vor der Geburt des Ravi Shankar der sechs Jahre alte Sohn des Friseurs Sri Jageshwar Prasad Kanauj am 19. Januar 1951 ermordet worden war, wobei ihm die Mörder mit einem Messer den Kopf abgeschnitten und den Leichnam verbrannt hatten. Der verstümmelte Kopf wurde später gefunden. Auch die sonstigen Angaben des Knaben Ravi Shankar erwiesen sich als zutreffend.

Der amerikanische Psychiater Prof. Jan Stevenson hat zusammen mit Kollegen etwa 200 derartige Fälle untersucht und daraus einen repräsentativen Querschnitt von 20 Berichten, die er aus erster Hand erforscht hat, 1973 in zweiter Auflage (14) veröffentlicht. Er sagt, dass in der von ihm bis 1973 aufgestellten internationalen Statistik sich nahezu 600 Fälle befinden, die für die Reinkarnationshypothese sprechen (14, S. 17). Etwa die Hälfte von diesen stammt aus Südostasien, aus Indien, Ceylon, Thailand und Burma, also aus Ländern, wo der Glaube an die Reinkarnation verbreitet ist. Die andere Hälfte der Fälle entstammt grösstenteils der Türkei, Syrien, Libanon, Europa, Brasilien und Alaska, also Ländern wo (ausgenommen Brasilien) der Glaube an die Reinkarnation nicht Allgemeingut ist. Nur wenige Fälle kommen aus den U.S.A. und Kanada (14, S. 18).

Prof. C. J. Ducasse, em. Professor der Philosophie an der Brown University auf Rhode Island und Vorsitzender des Publikationsausschusses der American Society für Psychical Research, der das Geleitwort zu Stevensons Buch über die Reinkarnation geschrieben hat, sagt (14, S. 7):
"Wenn man dann fragt, was ein echter Beweis für die Wiederverkörperung sein würde, ist die einzig mögliche Antwort wohl die gleiche wie auf die Frage, wie einer von uns denn jetzt wissen könne, dass er schon einige Tage, Monate oder Jahre vorher gelebt hat. Die Antwort lautet, dass er sich jetzt noch erinnert, zu einer früheren Zeit an dem und dem Ort und unter diesen oder jenen Umständen gelebt, damals gewisse Dinge getan und gewisse Erlebnisse gehabt zu haben.
Aber behauptet denn jemand heute, er erinnere sich in ähnlicher Weise daran, dass er auf Erden ein Leben vor seinem jetzigen geführt habe? Obwohl Berichte über solche Behauptungen selten sind, gibt es sie. Die Person, die eine solche Behauptung aufstellt, ist fast immer ein kleines Kind, aus dessen Gedächtnis diese Erinnerungen nach einigen Jahren wieder verschwinden. Und wenn es fähig ist, detaillierte Tatsachen aus seinem früheren Leben anzugeben, von denen es versichert, es könne sich daran erinnern und die durch Nachforschungen als richtig bestätigt werden, von denen es aber auf normalem Wege in seinem gegenwärtigen Leben keine Kenntnis erhalten konnte, dann werden wir mit der Frage konfrontiert, ob wir uns die Richtigkeit seiner Erinnerungen anders erklären können als durch die Annahme, dass es tatsächlich das frühere Leben geführt hatte, an das es sich erinnert."

Wenn man nun in Erwägung zieht, dass Menschen u.U. mehrfach auf dieser Erde leben müssen, fragt man sich natürlich, wie das eigentlich physiologisch ablaufen könnte. Wir wissen ja, dass der Astralleib, der sich beim irdischen Tod vom materiellen Körper trennt und in dem das geistige und sonstige Leben seine Fortsetzung findet, der äusseren Form nach dem irdischen Körper ähnlich gestaltet ist. Er unterliegt aber im Jenseits keinem Alterungsprozess, sondern im Gegenteil nach kürzerer oder längeren Zeit einer Umgestaltung zu einer unversehrten Körperform "mittleren Lebensalters". - Wie könnte nun aber die Umformung in einen neuen säuglingshaften Körper möglicherweise ablaufen? Wer bestimmt das überhaupt, und wer führt es durch?

Ablauf der Wiedereinverleibung

Bei Greber und Kardec findet man darüber keine Angaben. Doch durch ein Züricher Medium, Frau Beatrice Brunner (1910-1983), erfolgten zu jener Frage 1975, 1976 und 1982 gleichgeartete Durchsagen. Über dieses Medium gab sich unter anderen ein Geistwesen kund, das sich uns Menschen gegenüber 'Lene' nannte. Seine vielseitigen Jenseitsschilderungen trug dieser weibliche Geist über viele Jahre bis zum Tode des Mediums einem grossen Teilnehmerkreis vor. Seine Berichte können als weitere Ausgestaltung der Lehre angesehen werden, die Pfarrer Johannes Greber aus der jenseitigen Welt mitgeteilt wurde. Diese Lene erörterte z. B. am 19. Februar 1975 im Verlauf eines längeren Vortrages auch die irdische Wiedereinverleibung von Geistwesen und sagte damals (15, S. 252; die Worte in Klammern sind jeweils erläuternde Einfügungen des Verlegers und Ehemannes des Mediums):

"Ich habe davon gesprochen, dass es göttliche Wesen gibt, deren Aufgabe es ist, gemeinsam mit ihren Geistgeschwistern sich der jenseitigen Wesen (der Abgefallenen) anzunehmen und zu beurteilen, ob sie so weit gekommen sind, um sie in ein neues Erdenleben geleiten zu können, oder ob sie noch eines längeren Aufenthaltes in der geistigen Welt bedürfen. Damit möchte ich dies aber bewenden lassen und nun noch darauf zu sprechen kommen, wie sich der Geist zu einer Wiedereinverleibung verhält. Ihr habt euch schon selbst gefragt, wie es denn möglich ist für den Geist, sich in der materiellen Hülle mit der neuen Welt der Erde vertraut zu machen. Ich will versuchen, dies so gut als möglich zu erklären.

Ich sagte, dass man Geister, die von ganz unten heraufkommen, nicht einmal davon unterrichtet, dass sie der Weg jetzt ins Erdenleben führt. Man sagt es ihnen nicht, weil man weiss, dass sie Widerstand leisten würden. Es liegt aber in der Ordnung Gottes, dass sie auf diese Weise gelenkt werden, weil es darum geht, ihren Aufstieg zu fördern. Andere Geister geben, wie ich sagte, gerne ihr Einverständnis zur Menschwerdung, um so höher aufsteigen zu können. Sie alle holt man, und dann führt man diejenigen Geistwesen, die auf gleicher geistiger Entwicklungsstufe stehen, zusammen. Diese haben nun aber doch eine ganz verschiedene Geistgestalt. Sie sind ebenso verschieden gross wie ihr Menschen hier. Die einen sind grösser, die anderen kleiner, die einen sind von Gestalt zarter, die anderen kräftiger – sie sind also ganz verschieden.

Ich muss mich jetzt eines menschlichen Vergleichsbeispieles bedienen. Wenn ihr als Menschen krank seid oder wenn ihr fastet, nehmt ihr an Umfang, an Körpergewicht ab. Im Geistigen nun geht es so vor sich: Die Wesenheiten werden in einen Schlaf versetzt. Während dieses Schlafes muss ihr geistiger Leib umgestaltet werden, denn er muss ja zu gegebener Zeit in den kleinen irdischen Leib eines Kindes eintreten. Während der Zeit dieses Schlafes wird der geistige Leib einer Wesenheit - ich möchte es so ausdrücken: - immer etwas durchsichtiger. Er verliert an Substanz. Ist der Geistesleib dann so weit, dass er in einen Kindesleib einziehen kann, dann begleitet man den betreffenden Geist zu der betreffenden Mutter - einige Stunden vor der Geburt, vielleicht sogar einige Tage, um den Geistleib in ihrer Nähe zu halten.

Die Substanz des Geistleibes geht aber bei dieser 'Durchsichtigwerdung' nicht etwa verloren, sondern sie zieht in die Seele ein. Nichts geht verloren, denn in dieser Substanz liegt ja die Kraft, liegen die Aufbaustoffe für das künftige Wachsen des Kindes-Leibes, der doch gegenüber dem ursprünglichen Geistleib so an Umfang und Grösse eingebüsst hat. Die ganze Substanz wird von der Seele aufbewahrt; es ist ihr Eigentum und bleibt in ihr wie ein Samen, der aufgeht, sobald ihm die Möglichkeit dazu gegeben wird. Also gibt es aus der Seele heraus ein Wachsen (des Geistleibes).

Ist der irdische Kindesleib organisch ganz in Ordnung, entstehen für den Geist keinerlei Schwierigkeiten, in ihn einzutreten, und die Geisteswelt tut das Ihrige dazu. Der 'Kindesgeist' arbeitet sich (bei der Geburt) in den kleinen menschlichen Leib (des Neugeborenen) hinein.

Ihr mögt nun denken, dass doch manchmal der kleine Körper organisch nicht gesund ist. Ich habe euch gesagt, dass die werdende Mutter Stunden oder schon Tage vorher von dem zur Einverleibung bestimmten Kindesgeist begleitet wird, der sie zusammen mit einem Engel Gottes gewissermassen umschwebt. Dieser und auch weitere Geister erkennen rechtzeitig, ob die Mutter, die man umschwebt, dem Geist auch die richtige körperliche Wohnung bieten kann (durch ein gesundes Neugeborenes). Auch kann die Geisteswelt erkennen, ob sich - aus dem menschlichen Willen heraus oder durch sonstige Ursachen - unvorhergesehene Schwierigkeiten ergeben werden. Vorsorglich wählt man daher nicht nur eine bestimmte Mutter aus, sondern eine ganze Gruppe von werdenden Müttern, die ebenfalls die Möglichkeit bieten, diesen Geist sich verkörpern zu lassen. Fällt also die eigentlich vorgesehene Mutter plötzlich aus, so wird der betreffende Geist dahin verbracht, wo die für ihn nächste beste Möglichkeit besteht und wo sich alles in ähnlicher Weise schicksalhaft vollziehen kann, das heisst, wo dieser Geist in ganz vergleichbare Verhältnisse hineingeboren werden kann. Mit anderen Worten: Man setzt nicht von allem Anfang an nur auf eine einzige, bestimmte werdende Mutter, sondern man hält sich Ausweichmöglichkeiten offen. Fällt die erste werdende Mutter aus, sucht man eine zweite auf, welche für dieses Menschenkind die ähnlichsten Möglichkeiten für dessen Aufstiegsentwicklung bietet. So also geht dies vor sich."

Bei einer späteren Gelegenheit am 16. März 1976 äusserte sich das Geistwesen Lene in ähnlicher Weise zu diesem Thema und insbesondere zu der Frage, wann der Geistkörper in den irdischen Kindesleib eintritt (16, S. 92): "Oft wird gefragt: Wann tritt das Leben in das Kindlein ein? Tritt es erst dann ein, wenn es den ersten Schrei ausstösst, oder ist dieses Leben schon vorher vorhanden? Beides kann zutreffen, doch in dem Fall, wo das Leben schon vor dem ersten Schrei des Kindleins eingetreten ist, handelt es sich stets nur um eine ganz kurze Zeit vorher."

1975 fuhr Lene wie folgt fort: "Der Geist hat sich nach seiner Einverleibung allmählich mit diesem Kindesleib vertraut gemacht. Ihr könnt euch aber selbst ein solches Kleinkind vorstellen: in ihm hat der Geist zunächst noch keine Möglichkeit zu wirken. Er ist vielmehr eingeengt, und es beginnt nun ein langsames Wachsen dieses irdischen Körperchens. Von Tag zu Tag wächst die Wahrnehmungsfähigkeit des ihm innewohnenden Geistes. Inwendig in diesem Kindesleib wächst und entfaltet sich der inkarnierte Geist. Denn der Geist ist das Ewige, das diesen Menschen lebendig macht.

Andererseits übt die Umwelt ihren Einfluss auf dieses heranwachsende Kind aus. Es muss genährt und erzogen werden, wobei wir annehmen wollen, dass es eine sorgfältige Erziehung erfährt. Mit dem Wachstum des Körpers wächst auch der ihm einverleibte Geist heran. Dabei gibt die Seele ihrerseits von ihrer Substanz. Nur so ist es möglich, dass nicht nur der irdische Leib des heranwachsenden Menschen seine von der Erde genommene Nahrung erhält, sondern zugleich auch die Seele ihm die Nahrung für seinen geistigen Leib, für dessen geistige Gestaltung gibt.

Denn der geistige Leib eines Menschen hat genau dieselbe Gestalt wie dessen irdischer Leib. Doch besitzt dieser irdische Körper seit dem Zeitpunkt, da ein geistiger Leib in ihn eingezogen ist, eine über ihn hinausreichende Aura. Die seelische Substanz geht also über den Erdenleib hinaus, weil der geistige Leib sozusagen grösser ist als der irdische. Das ist beim Kind so, beim Heranwachsenden wie auch beim älteren Menschen. Ein jeder besitzt eine solche Aura, selbst das Tier, ja sie ist auch in der Natur überall vorhanden, und sie ragt über die äussere Gestalt des betreffenden Wesens hinaus.

Das Wachstum des Menschen geht, wie ich es euch schilderte, von innen nach aussen bis zur Gestalt des Erwachsenen. Wenn nun ein Kind stirbt, wird sein Geist im Kinderparadies erzogen, in das er mit einem Geistleib einzieht, wie er eben einem Kinde entspricht. Manche Freunde können das nicht so recht verstehen, doch hoffe ich, es durch meine heutigen Darlegungen erklärt zu haben. Denn es ist Gesetz, dass die Seele alle 'Substanz' an sich zieht, um sie dann beim Wachstum allmählich wieder herzugeben, bis das betreffende Wesen erwachsen ist. Wenn also ein Wesen im Kindesalter stirbt, so hat es in seinem Geistleib genau Alter und Aussehen der Zeit seines menschlichen Lebens. Stirbt ein Kind schon wenige Tage oder Wochen nach der Geburt, so ist es eben wirklich noch ein Kleinkind und muss also im geistigen Reiche dementsprechend gehegt und gepflegt werden. Es wird dort heranwachsen und auch erzogen. Wiederum gibt seine Seele von ihrer Substanz, damit das kleine Wesen in der geistigen Welt heranwachsen kann. Dort wird es von Stufe zu Stufe geführt, und entsprechend seinem Heranwachsen erhält es die notwendigen Belehrungen.

Ein Wesen, das als Kindesgeist in ein Kinderparadies eintritt, bleibt zwar auf derselben Stufe der geistigen Welt, von der es zur Menschwerdung ausgegangen war; aber jetzt wird es von Engeln Gottes erzogen. Auch zieht man Geistwesen aus derselben Stufe heran, damit sie mithelfen, dieses Kindlein zu pflegen. Eine solche Tätigkeit bewirkt für manche Geistwesen - seien sie weibliche oder männliche Wesen - eine Beschleunigung ihres geistigen Aufstieges, nämlich dann, wenn sie solche Kind-Geistchen lieben und es ihnen liegt, sich mit ihnen abzugeben. Denn auf diese Weise kommen sie in nähere Beziehung zu Engeln Gottes, und dadurch hebt sich allmählich auch ihr eigenes inneres Wesen und Denken, was ihren Aufstieg beschleunigt.

Wenn also ein Kind von der Erde abscheidet, hat sein Geist - ich wiederhole es - in der Geisteswelt die Möglichkeit heranzuwachsen, und zwar von innen heraus, weil seine Seele die Substanz wieder abgibt, die sie vordem in sich zusammengezogen hatte, als der Geistkörper vor der Einverleibung in die kleine Gestalt eines Erdenkindes eingeengt, gewissermassen verkleinert worden war. Genau entsprechend ist es, wenn ein erwachsener Mensch stirbt. Dann sind in seinem irdischen Körper noch viele odische Kräfte vorhanden. Sie werden nun sogleich von der Seele angezogen, aufgesogen. Alle Substanzen nimmt die Seele in sich auf, sie entzieht sie dem irdischen Körper, so dass dieser jetzt wirklich der Erde und damit der Vergänglichkeit anheim gegeben werden kann. Der verwesliche Leib besitzt also nichts mehr von diesen durchdringenden Kräften, welche die Seele zu Lebzeiten auf den ganzen Körper hatte ausfliessen lassen. Auch beim Tod eines (erwachsenen) Menschen nimmt die Seele alle diese Kräfte in sich hinein."

So weit ein Auszug aus den Darlegungen des Geistwesens Lene. Wir können diesen Bericht zwar nicht nachprüfen oder gar beweisen, aber es ist doch der Überlegung wert, ob es nicht so oder so ähnlich bei einer Inkarnation tatsächlich ablaufen könnte, ja ablaufen müsste, denn irgendwie muss der jenseitige Geistkörper in den eines Säuglings umgewandelt werden, wenn es so etwas wie Reinkarnation wirklich gibt.

Der frühe Tod eines missgebildeten Kindes

Als nächstes Beispiel berichte ich über den jenseitigen Entwicklungsgang eines Kleinkindes, das mit einer seltenen Missbildung geboren und nur 10 Tage alt wurde. Es ist der Bericht einer Engländerin, die ihre zehn Tage alte Tochter durch den Tod verlor und diese danach über mehrere Jahre hinweg vielmals voll ausgebildet auf dieser Erde wiedersehen konnte. Da hierbei die verschiedenartigsten paranormalen Vorgänge in Erscheinung traten und die Berichterstatterin ihre Erlebnisse eingehend beobachtet und sehr genau aufgezeichnet hat, ist die Schilderung besonders eindrucksvoll und soll hier fast vollständig wiedergegeben werden.(9, S. 125 f) Die Berichterstatterin Florence Marryat (1) lebte 1860 mit ihrem Mann und Kindern in Indien. Das Ehepaar war mit einem in der britisch-indischen Armee dienenden jungen Offizier John Powles eng befreundet. Unter tragischen Umständen starb dieser am 4. April 1860. Mrs. Marryat sagt dazu: "Sein Tod und die Art, wie er starb, riefen in mir eine grosse Erschütterung hervor. Er war mir und meinem Mann über Jahre hinweg ein echter Freund gewesen, so dass wir seinen Tod sehr betrauerten." Weiterer Kummer kam hinzu und beeinträchtigte ihre Gesundheit. Die folgenden Begebenheiten werden nun durchgehend mit Mrs. Marryats Worten (aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt) wiedergegeben:

"In demselben Jahr 1860, in dem John Powles starb, hatte ich den grössten Kummer meines Lebens. Es ist für meinen Bericht unwesentlich, worin der Kummer bestand, aber ich litt schrecklich, sowohl geistig als auch körperlich. Hauptsächlich wegen des Rates meiner Ärzte kehrte ich nach England zurück, wo ich am 14. Dezember ankam.

Am 30. Dezember 1860 gebar ich eine Tochter, die ihre Geburt nur zehn Tage überlebte. Das Kind wurde mit einer seltsamen Missbildung geboren, die sehr wesentlich für das ist, was ich zu schildern vorhabe. Auf der linken Seite der Oberlippe befand sich ein Mal, als ob ein halbkugelförmiges Stück Fleisch mit einer Gewehrkugelgiessform herausgeschnitten worden sei. Dadurch wurde ein Teil des Zahnfleisches freigelegt. Auch war der Schlund (2) im Hals versenkt (3), so dass das Kind während seines kurzen Lebens künstlich ernährt werden musste. Der Kiefer seinerseits war so deformiert, dass die Backenzähne nach vorne gestanden hätten, wenn das Kind bis zum Zahnen am Leben geblieben wäre. Die Missbildung wurde als so bemerkenswert angesehen, dass Dr. Frederick Butler von Winchester, der mich behandelte, mehrere Kollegen aus Southampton und anderen Orten einlud, um zusammen mit ihm das Kind genau zu untersuchen. Sie stimmten alle darin überein, dass sie einen ähnlichen Fall vorher noch nicht gesehen hatten. Das ist ein sehr wichtiger Punkt in meinem folgenden Bericht.

Ich wurde eingehend befragt, ob ich irgendeinen physischen oder seelischen Schock erlitten hätte, der zur Missbildung meines Kindes geführt haben könnte. Man entschied sich dafür, dass der Kummer, den ich gehabt hatte, ausreichend war, sie hervorzurufen. Der Fall wurde unter Pseudonym als etwas ganz Ausserordentliches in der medizinischen Zeitschrift 'Lancet' ausführlich berichtet.

Mein kleines Baby, das auf den Namen 'Florence' getauft wurde, lebte bis zum 10. Januar 1861. Dann verschied es ganz ruhig, und als mein erster ganz natürlicher Kummer vorüber war, dachte ich nur noch an sie als etwas, was gewesen sein könnte, was aber nie wieder sein würde. In diesem Zustand grosser Not ist der Verlust des Kindes bald versunken in einer mehr aktiven Unruhe. Trotzdem vergass ich mein armes Baby niemals völlig, da es zu jener Zeit glücklicherweise das einzige 'tote Lamm' meiner kleinen Kinderschar war. –

Bezüglich der Ereignisse meiner ersten Sitzung mit (dem Medium) Mrs. Holmes habe ich erwähnt, wie ein junges Mädchen erschien, das Mund und Kinn verhüllt hatte und zu verstehen gab, dass es für mich käme, obwohl ich es nicht wiedererkennen konnte. (4) Ich war in jener Zeit so unwissend über das Leben jenseits des Grabes, dass es mir überhaupt nicht in den Sinn kam, dass mein Baby, das mich im Alter von zehn Tagen verliess, seit unserer Trennung herangewachsen war und jetzt ein Alter von zehn Jahren erreicht hatte.

Diese erste Sitzung machte einen solchen Eindruck auf mich, dass ich zwei Abende später wieder in Mrs. Holmes Raum zugegen war, diesmal allein (5), um einer weiteren Sitzung beizuwohnen. Es waren ungefähr 30 Personen anwesend, die einander alle unbekannt waren. Daher waren die Erscheinungen oder Vorgänge verhältnismässig einfach. Es war aber noch ein anderes professionelles Medium anwesend, eine Mrs. Davenport, ebenso wie ihr Kontrollgeist, den sie 'Bell' (Glocke) nannte. Dieser hatte ihr versprochen, ihr, wenn möglich, sein Gesicht zu zeigen.

Deshalb rief Mrs. Davenport, sobald das erste Phantomgesicht erschien (es war das desselben kleinen Mädchens, das ich zwei Tage zuvor gesehen hatte): 'Das ist Bell.' 'Aber wieso!', sagte ich, 'das ist die kleine Nonne (6), die wir am Montag sahen.' 'O nein', beharrte Mrs. Davenport, 'das ist meine Bell.' Aber Mrs. Holmes ergriff meine Partei und war sicher, dass die Wesenheit meinetwegen kam. Mrs. Holmes sagte mir, dass sie versucht habe, mit der Wesenheit seit der vorherigen Sitzung in Verbindung zu kommen. Sie sagte: 'Ich weiss, dass sie sehr eng mit ihnen verbunden ist. Haben sie nicht einen Verwandten in diesem Alter verloren?' 'Auf keinen Fall', antwortete ich. Auf diese Äusserung hin verschwand das kleine Geistwesen, traurig wie schon zuvor.

Florence Cook
Bild 1: Florence Cook, 1856-1904, englisches Materialisationsmedium

Einige Wochen später erhielt ich eine Einladung von Mr. Henry Dunphy (der Herr, der mich bei Mrs. Holmes eingeführt hatte), einer Privatsitzung in seinem Hause am Upper Gloucester Place beizuwohnen, die von dem sehr bekannten Medium Florence Cook (7) (Bild 1) gegeben wurde. Die zwei Wohnzimmer waren durch Samtvorhänge getrennt, hinter welchen Miss Cook in einem Lehnstuhl sass. Die Vorhänge waren in halber Höhe zusammengesteckt und liessen eine grosse Öffnung in V-Form frei. Ich war für Miss Cook völlig fremd. Daher war ich überrascht, die Stimme ihres Kontroll-Geistes zu hören, der anordnete, dass ich nahe den Vorhängen stehen und, während oberhalb die Phantome erschienen, die unteren Teile zusammenhalten sollte für den Fall, dass die Nadeln sich lösten.

Infolge meines Standortes konnte ich jedes Wort verstehen, das zwischen Miss Cook und ihrem Kontrollgeist gewechselt wurde. Das erste Gesicht, das sich zeigte, war das eines mir unbekannten Mannes. Dann folgte eine entsetzte Unterhaltung zwischen dem Medium und seinem Kontroll-Geist. Ich hörte Miss Cook ausrufen: 'Nimm es weg! Geh weg! Ich mag dich nicht. Berühre mich nicht. Du erschreckst mich. Geh weg!' Die Stimme des Kontroll-Geistes entgegnete: 'Sei nicht albern, Florrie (8) sei nicht herzlos. Sie will dir keinen Schaden zufügen.' Unmittelbar danach sah ich dasselbe kleine Mädchen in der Öffnung der Vorhänge erscheinen, das ich schon bei Mrs. Holmes gesehen hatte, verhüllt wie zuvor, aber mich mit seinen Augen anlächelnd. Ich richtete meine Aufmerksamkeit auf die Verbindung mit ihm und nannte es wieder 'meine kleine Nonne'. Ich war überrascht darüber, wie Miss Cook ihre offensichtliche Abneigung gegenüber dem Geistwesen zu erkennen gab.

Als die Sitzung beendet war und Miss Cook wieder in ihren normalen Zustand gelangt war, fragte ich sie, ob sie die Gesichter, die sie in ihrem Trance-Zustand gesehen habe, in ihr Bewusstsein zurückrufen könne. Sie antwortete, dass das manchmal möglich sei. Ich erzählte ihr nun von der kleinen Nonne und fragte sie, warum sie sich denn vor dieser so fürchte. 'Das kann ich ihnen eigentlich nicht sagen', antwortete Miss Cook: 'ich weiss ja gar nichts von ihr. Sie ist für mich völlig fremd. Aber ihr Gesicht ist nicht voll ausgebildet, glaube ich. Da ist etwas mit ihrem Mund nicht in Ordnung. Sie beängstigt mich.' Obwohl diese Bemerkung mit grösster Gleichgültigkeit gemacht worden war, machte sie mich sehr nachdenklich. Nachdem ich nach Hause zurückgekehrt war, schrieb ich an Miss Cook und bat sie, ihre Kontroll-Geistwesen zu fragen, wer dieses kleine Geistwesen gewesen sei. Sie antwortete folgendermassen: 'Liebe Mrs. Ross-Church, ich habe 'Katie King' (9) gefragt, aber sie kann mir nichts Genaueres über das Geistwesen sagen, das neulich abends durch mich erschien, als dass es ein junges Mädchen ist, das mit Ihnen eng verbunden ist.'

Ich war jedoch von der Identität des Geistwesens immer noch nicht überzeugt, obwohl 'John Powles' (10) mir beständig versicherte, dass es mein Kind sei. Ich versuchte angestrengt, bei mir zu Hause mit ihm in medialen Kontakt zu kommen, aber ohne Erfolg. Ich finde in den Aufzeichnungen dieses Zeitabschnittes mehrere Durchgaben von 'Powles', die sich auf 'Florence' bezogen. In einer sagte er: 'Der Wunsch deines Kindes, mit dir in Verbindung zu treten, rührt nicht daher, dass es zu fehlerfrei ist, sondern daher, dass es zu schwach ist. Es wird aber eines Tages mit dir sprechen. Es ist noch nicht im Himmel.'

Diese letzte Feststellung verwirrte und betrübte mich, da ich so wenig von unserem zukünftigen Zustand wusste. Ich konnte nicht glauben, dass ein unschuldiges Kind sich nicht in einem Zustand der Glückseligkeit befinden könnte. Auch konnte ich nicht verstehen, welchen Beweggrund mein Freund haben könnte, mich in die Irre zu führen. Ich hatte noch zu lernen, dass ein Geistwesen, das erst einmal in den Himmel (11) aufgestiegen ist, nicht zur Erde zurückkehren kann, und dass jedes Geistwesen sich einer Schulung (12) unterziehen muss, selbst wenn es niemals eine Todsünde begangen hat.

Ein weiterer Beweis, dass mein totes Kind in Wirklichkeit gar nicht gestorben war, erreichte mich an einem Ort, an dem ich es am wenigsten erwartet hätte. Ich war damals Herausgeberin einer Zeitschrift 'Londoner Gesellschaft' (London Society), und unter meinen Mitarbeitern war ein Dr. Kenningale Cook. Er war verheiratet mit Mabel Collins, der bekannten Verfasserin spiritualistischer Romane. Eines Tages überbrachte mir Dr. Cook eine Einladung seiner Frau (mit der ich vorher noch nie zusammengetroffen war), sie von Sonntag bis Montag in ihrem Wochenendhaus bei Redhill zu besuchen. Ich nahm die Einladung an, wusste aber weder etwas über ihre Neigungen noch sonst etwas von ihnen. Sie wussten ebenso wenig von meinen privaten Verhältnissen, wie ich von ihnen. Ich muss bemerken, dass ich zu jener Zeit mein verlorenes Kind niemals zum Thema einer Unterhaltung machte, selbst mit meinen engsten Freunden nicht. Die Erinnerung seines Lebens und Todes und der Kummer, der dadurch verursacht wurde, waren nicht sehr glücklich für mich und gingen niemand etwas an, ausser mich selbst. Ebenso wenig wurde dieser Punkt in unserer Familie erörtert, bis 'Florence' wieder zum Leben zu erwachen schien. Meinen älteren Kindern war unbekannt, dass ihre Schwester im Unterschied zu ihnen in irgendeiner Weise gezeichnet war. Es kann daher die Wahrscheinlichkeit unterstellt werden, dass völlig Fremde oder die öffentlichen Medien keine Andeutung der Angelegenheit bekommen konnten.

Ich fuhr also nach Redhill und sass nach dem Dinner mit den Cooks zusammen. Dabei kam das Thema des Spiritismus zur Sprache, und ich erfuhr, dass Frau Cook ein leistungsfähiges Trance-Medium war. Das interessierte mich sehr, denn zu damaliger Zeit hatte ich noch keine Erfahrung mit dieser besonderen Art der Mediumschaft.
An jenem Abend veranstalteten wir zusammen eine Sitzung, und Mrs. Cook fiel dabei in Trance. Ihr Mann stenographierte das mit, was sie sagte. Mehrere alte Freunde der Familie sprachen durch sie. Ich hörte dem allen völlig uninteressiert zu, wie man die Unterhaltung von Fremden anhört. Meine Aufmerksamkeit wurde aber aufgerüttelt, als das Medium plötzlich von seinem Stuhl aufstand, vor mir auf die Knie fiel und mir meine Hände und mein Gesicht küsste. Dabei schluchzte es eine Weile heftig. Ich harrte erwartungsvoll zu hören, was das alles bedeuten sollte. Doch das Medium hörte plötzlich mit seinem Tun auf und kehrte zu seinem Stuhl zurück. Einer seiner Kontroll-Geister sagte, dass das vorher eingetretene Geistwesen infolge starker Gemütsbewegung nicht in der Lage gewesen sei zu sprechen. Später aber, im Verlaufe des Abends, wolle es das erneut versuchen.

Ich hörte nun den anderen Durchgaben zu und hatte die vorherigen Einzelheiten schon fast vergessen, als ich stutzig wurde, wie ich das Wort 'Mutter' hörte, mehr geseufzt als gesprochen. Ich war daran, eine erregte Antwort zu geben, als das Medium seine Hand erhob und Schweigen gebot. Die folgende Unterhaltung wurde, sobald das Medium die Worte aussprach, von Mr. Cook niedergeschrieben. Die Sätze in Klammern sind meine Antworten der Wesenheit gegenüber.

'Mutter! Ich bin Florence. Ich muss ganz still sein. Ich möchte so gerne spüren, noch eine Mutter zu haben. Ich bin so einsam. Warum muss ich so sein? Ich kann nicht gut sprechen. Ich wäre so gerne wie einer von euch. Ich würde so gerne spüren, eine Mutter und Schwestern zu haben. Ich bin jetzt so weit weg von euch allen!'
('Aber ich denke immer an dich, mein liebes, verstorbenes Baby.')
'Das ist es ja gerade – dein Baby. Aber ich bin jetzt kein Baby mehr. Ich soll näherkommen. Sie sagen mir, ich soll. Ich weiss nicht, ob ich kommen kann, wenn du allein bist. Es ist alles so dunkel. Ich weiss, dass du da bist, aber so verschwommen. Ich selbst bin gewachsen. Ich bin nicht wirklich unglücklich, aber ich möchte gerne näher zu dir kommen. Ich weiss, dass du an mich denkst. Aber du denkst an mich als ein Baby. Du weisst nicht, wie ich bin. Du hast mich gesehen, aber in meiner Liebe habe ich mich dir aufgedrängt. Ich bin noch nicht inmitten der Blumen gewesen, aber ich werde es jetzt sehr bald sein. Ich wünschte, ich könnte meine Mutter dorthin mitnehmen. Alles, was möglich war, ist mir gegeben worden, doch ich kann es nicht in Empfang nehmen, ausser in so weit...' Hier schien sie nicht fähig zu sein, sich auszudrücken.
('Hat der Kummer, den ich vor deiner Geburt hatte, deinen Geist in Mitleidenschaft gezogen, Florence?')
'Nur wie Dinge einander beeinflussen, Mutter, ich war mit dir während der ganzen Zeit des Kummers. Ich wäre gerne näher bei dir als jedes deiner anderen Kinder. Wenn ich doch nur ganz nahe bei dir sein könnte!'
('Ich kann es gar nicht ertragen, dich so traurig sprechen zu hören, Liebling. Ich habe immer geglaubt, dass du wenigstens im Himmel glücklich wärst.')
'Ich bin nicht im Himmel, aber es wird ein Tag kommen – und wenn ich das sage, kann ich sehr froh sein –, an dem wir zusammen in den Himmel gelangen werden. Dann pflücken wir blaue Blumen – blaue Blumen. Sie (13) sind hier so gut zu mir, aber wenn dein Auge das Tageslicht nicht ertragen kann, kannst du auch nicht die Butterblumen und die Gänseblümchen sehen.' –

Ich lernte erst später, dass in der geistigen Sprache blaue Blumen kennzeichnend für Glück sind. Die nächste Frage, die ich ihr stellte, war, ob sie durch mich schreiben könne, falls sie die Absicht dazu habe.

'Es hat nicht den Anschein, dass ich das kann, aber warum, weiss ich nicht.'
('Kennst du deine Schwestern Eva und Ethel?')
'Nein, nein', sagte sie mit einer müden Stimme. 'Das Band der Schwesternschaft besteht nur über die Mutter. Diese Art der Schwesternschaft hat keine Dauer, weil es etwas Höheres gibt.'
('Hast du jemals deinen Vater gesehen?')
'Nein, er ist weit, weit entfernt. Ich ging nur einmal zu ihm, nicht mehr. Mutter, Liebes, er wird mich auch lieben, wenn er hierher kommt. Das haben sie mir hier gesagt, und sie sagen hier immer die Wahrheit! Ich bin nur ein Kind, aber nicht mehr so sehr klein. Ich scheine aus zwei Teilen zusammengesetzt zu sein, aus einem unwissenden Kind und einer erwachsenen Frau. Warum kann ich nicht an anderen Orten sprechen? Ich habe es gewünscht und versucht. Ich bin dir sehr nahegekommen, doch jetzt scheint das Sprechen sehr leicht zu sein. Dieses Medium erscheint mir ganz anders als die anderen.'
('Ich wünschte, du könntest zu mir kommen, wenn ich allein bin, Florence.')
'Du wirst mich kennen lernen. Ich werde kommen, liebe Mutter. Es wird mir immer möglich sein, hierher zu kommen. Ich komme zu dir, aber nicht in derselben Weise!'

Sie sprach mit solch einer traurigen, melancholischen Stimme, dass Mrs. Cook, die dachte, sie stimme ihr Geistwesen traurig, sagte: 'Mache deinen Zustand nicht trauriger, als er wirklich ist.'

Ihre Antwort war sehr bemerkenswert: 'Ich bin, wie ich bin! Freundin, wenn du hierher kommst und wenn du diese Traurigkeit findest, wirst du nicht fähig sein, sie dadurch zu ändern, dass du dich in materielle Vergnügungen stürzt. Unsere Traurigkeit verursacht die Welt, in der wir leben. Es sind nicht die Taten, die uns schuldig machen, es ist der Zustand, in dem wir geboren werden. Mutter, du sagst, ich sei ohne Sünde gestorben! Das bedeutet nichts. Ich wurde in eine bestimmte Lage hineingeboren. Hätte ich weitergelebt, würde ich dir mehr Schmerzen bereitet haben, als du jetzt wissen kannst. Ich bin besser hier aufgehoben. Ich war nicht für den Lebenskampf geschaffen, und deswegen nahmen sie mich von der Erde weg. Mutter, lass dich das nicht traurig machen. Du darfst nicht traurig sein!'
('Was kann ich tun, um dich näher zu mir zu bringen?')
'Ich weiss nicht, was mich näher zu dir bringen kann. Aber mir wird schon geholfen, wenn ich jetzt mit dir sprechen kann. Da ist eine Stufenleiter voller Glanz – jede Stufe. Ich glaube, ich habe gerade jetzt eine Stufe erklommen. Oh, die göttlichen Lehren sind so geheimnisvoll! Mutter, scheint es dir nicht seltsam, dein Baby Dinge sagen zu hören, als ob sie es verstünde? Ich muss nun gehen. Lebe wohl!'

Und so ging Florence davon. Die nächste Stimme, die dann sprach, war die von einem Kontroll-Geist des Mediums. Ich bat ihn um eine Personenbeschreibung meiner Tochter, wie sie ihm erschienen sei. Er antwortete: 'Ihre Gesichtszüge sind niedergeschlagen. Wir haben versucht, sie aufzuheitern, aber sie ist sehr traurig. Sie ist in dem Zustand, in dem sie geboren wurde. Jede körperliche Missbildung ist das Zeichen einer entsprechenden Verfassung. Ein schwacher Körper ist nicht notwendigerweise das Zeichen eines schwachen Geistes, aber er ist sein Gefängnis, weil der Geist sonst zu leidenschaftlich sein könnte. Aus der Missbildung des Körpers kannst du aber nicht auf die Missbildung des Geistes schliessen. Ein Lippengeschwür des Körpers hat nicht ein Lippengeschwür des Geistes zur Folge. Aber ein Geist, der vielleicht zu überschwänglich ist, braucht möglicherweise ein Lippengeschwür, um ihn in Schranken zu halten!'

Ich habe diese Unterhaltung Wort für Wort abgeschrieben von den stenographischen Aufzeichnungen während der Zeit der Aussprache.

Es muss noch einmal in die Erinnerung zurückgerufen werden, dass weder Mrs. Kenningale Cook noch ihr Ehemann wussten, dass ich ein Kind verloren hatte, dass sie niemals in meinem Haus gewesen waren, noch dass sie mit einem meiner Freunde Verkehr hatten. Selbst der grösste Skeptiker muss es als ein sehr bemerkenswertes Zusammentreffen anerkennen, dass ich solch eine Mitteilung von den Lippen einer völlig Unbekannten erhielt. Später kam Florence nur noch einmal durch dieselbe Quelle mit mir in Verbindung. Sie fand gleich gute Medien näher bei meinem Wohnsitz, und natürlich waren sie ihr von Nutzen. –

Doch das zweite Ereignis war fast noch überzeugender als das erste. Ich ging eines Nachmittags in festem Vertrauen zu meinem Rechtsanwalt, um ihn zu fragen, was ich unter gewissen sehr unangenehmen Umständen tun sollte. Er gab mir dazu seinen Rat. Als ich am nächsten Morgen beim Frühstück sass, kam Mrs. Cook, die noch in Redhill lebte, in mein Zimmer geeilt und entschuldigte sich für ihre unübliche Besuchszeit wegen der Nachricht, die sie letzte Nacht für mich erhalten hatte. Florence hatte sie gebeten, diese ohne Verzug an mich zu überbringen. Die Nachricht besagte folgendes: 'Sagen Sie meiner Mutter, dass ich gestern Nachmittag mit ihr beim Rechtsanwalt war. Sie soll auf keinen Fall seinem Ratschlag folgen, denn es würde ihr schaden, anstatt zu nützen.' Mrs. Cook fügte hinzu: 'Ich weiss nicht, auf was sich Florence bezieht, aber ich dachte, es ist das beste, wenn ich sofort in die Stadt komme und Sie das wissen lasse.'

Die Überzeugungskraft dieses Berichtes liegt nicht in seinem Sinnzusammenhang. Das Geheimnis ist in der Tatsache begründet, dass eine verborgene Besprechung erlauscht und erläutert worden ist. Die Wahrheit ist aber auch, dass ich zu dem Ratschlag meines sichtbaren Ratgebers grösseres Vertrauen hatte als zu dem meines unsichtbaren Ratgebers. Ich blieb also dem ersten treu und bedauerte es später für alle Zeiten.

Meine erste Unterhaltung mit Florence hatte einen grossen Einfluss auf mich. Ich wusste zwar vorher, dass mein ungezügelter Kummer die Ursache für den vorzeitigen Tod ihres Körpers war, aber es ist mir nie eingefallen, dass ihr Geist die Auswirkungen mit in die unsichtbare Welt hinübertragen könnte. Es war eine Warnung für mich und sollte es für alle Mütter sein, nicht die schwerwiegende Verantwortung der Mutterschaft auf sich zu nehmen, ohne darauf vorbereitet zu sein, die eigenen Gefühle um der Kinder willen zu zügeln. Florence versicherte mir, dass der Gedankenaustausch mit mir in meinem jetzt gebesserten Zustand der Zufriedenheit auch ihren Geist bald aus dem Zustand der Niedergeschlagenheit emporheben würde. Ich ergriff folglich jede günstige Gelegenheit, um sie zu sehen und mit ihr zu sprechen.

Während der folgenden zwölf Monate wohnte ich zahlreichen Sitzungen mit den verschiedensten Medien bei, und mein Geist-Kind, so nannte es sich selbst, unterliess es nie, sich durch die wirkende Kraft jedes dieser Medien auf die verschiedenste Weise kundzugeben. Bei einigen berührte sie mich nur, immer mit einer Kinderhand, damit ich sie als die Ihre erkennen möchte, oder sie legte ihren Mund gegen meinen, damit ich die Narbe auf ihrer Lippe fühlen sollte. Durch andere Medien sprach sie oder schrieb sie oder zeigte ihr Gesicht. Aber niemals wohnte ich einer Sitzung bei, in der sie es versäumte, ihre Anwesenheit kundzutun.

Einmal war ich bei einer Dunkelsitzung, die von Mr. Charles Williams (14) abgehalten wurde. Dabei wurden ich und meine Nachbarin Lady Archibald Campbell mehrere Male an unserer Kleidung gezogen, um unsere Aufmerksamkeit zu erregen. Danach lichtete sich die Dunkelheit, und vor mir stand mein Kind und lächelte uns an wie in einem schönen Traum. Seine blonden Haare wellten sich über seine Schläfen, und seine blauen Augen waren auf mich gerichtet (15). Es war weiss gekleidet, doch wir sahen nur seinen Kopf und seine Brust, über welcher seine Hände das Tuch der Kleidung zusammen hielten. Lady Archibald Campbell sah es genau so vollständig wie ich.

Bei einer anderen Gelegenheit schlug mir William Eglinton (16) vor zu versuchen, eine Geister-Schrift auf seinem Arm zu erzielen. Er wies mich an, in ein anderes Zimmer zu gehen und den Namen eines besonders geliebten Freundes in der jenseitigen Welt auf ein Stück Papier zu schreiben. Das hatte ich dann mehrfach zusammenzufalten und ihm zurückzubringen. Ich folgte seinen Anweisungen und schrieb 'John Powles' auf. Als ich zu Mr. Eglinton zurückkehrte, entblösste er seinen Arm und hielt das Papier in eine Kerzenflamme, bis es zu Asche verbrannt war. Mit dieser rieb er dann seinen Arm ein. Ich wusste, was folgen sollte. Der auf das Papier geschriebene Name sollte in roten oder weissen Buchstaben auf dem Arm des Mediums erscheinen. Der Skeptiker wird sagen, dass es ein Trick von Gedankenlesen war und dass das Medium, welches wusste, was ich geschrieben hatte, während meiner Abwesenheit die Schrift auf seinem Arm vorbereitet hatte. Aber als er die letzte Asche von seinem Arm geschüttelt hatte, lasen wir zu seiner und meiner Überraschung in einer deutlichen und klaren Handschrift die Worte: 'Florence ist die Liebste', als wenn mir mein Geist-Kind einen leichten Tadel dafür geben wollte, dass ich einen anderen Namen als ihren aufgeschrieben hatte.

Es erscheint mir heute seltsam, wenn ich jetzt zurückblicke und mich erinnere, wie niedergeschlagen sie war, als sie das erste Mal zu mir kam. Sobald sich aber eine ununterbrochene Verbindung zwischen uns eingestellt hatte, entwickelte sie sich zu dem fröhlichsten kleinen Geistwesen, das ich je kennen gelernt habe. Obwohl ihre Kindheit nun vorüber ist und sie ernsthafter, nachdenklicher und fraulicher auftritt, erscheint sie immer froh und glücklich. Sie hat sich mir umfassend durch die Mediumschaft von Mr. Arthur Colman mitgeteilt. Ich erlebte sie während einer Dunkel-Sitzung in einem sehr kleinen privaten Kreis. Dabei wurde das Medium die ganze Zeit festgehalten und angebunden. Florence lief im Zimmer umher wie ein Kind, das sie ja war, küsste und sprach mit jedem Teilnehmer in der Runde, zog die Sofa- und Sessel-Bezüge herunter und stapelte sie in der Mitte des Tisches auf, tauschte das modische Beiwerk jedes Anwesenden aus, indem sie die Schlipse der Herren den Damen um den Hals legte und die Ohrringe der Damen in die Knopflöcher der Herren-Jacken hängte. Das tat sie alles gerade so, wie sie es getan haben könnte, wenn sie hier bei uns auf der Erde ein fröhliches und verwöhntes Kind gewesen wäre. Ich habe sie erlebt, wie sie kam und sich auf meinen Schoss setzte, mir dabei Gesicht und Hände küsste und mich den Defekt an ihrem Mund mit meinem eigenen fühlen liess.

An einem hellen Abend am 9. Juli, meinem Geburtstag, stattete mir Arthur Colman völlig unerwartet einen Besuch ab. Da ich einige Freunde bei mir hatte, kamen wir überein, eine Sitzung abzuhalten. Es war unmöglich, das Zimmer zu verdunkeln, da die Fenster durch Jalousien nur beschattet werden konnten. Wir liessen sie herunter und sassen dann im Halbdunkel. Zuerst hörten wir die Stimme von Florence flüstern: 'Ein Geschenk zum Geburtstag der lieben Mutter.' Dabei legte sie mir etwas in meine Hand. Dann ging sie auf die andere Seite zu einer anwesenden Dame und legte ihr ebenfalls etwas in die Hand mit den Worten: 'Und ein Geschenk für die Freundin meiner lieben Mutter.' Ich fühlte sofort, was Florence mir gegeben hatte. Es war ein Perlenkranz, ein Rosenkranz. Da ich wusste, wie oft unter ähnlichen Umständen Dinge nur von einem Zimmer in das andere getragen werden, folgerte ich, dass es der Rosenkranz war, der auf dem Kaminsims meines Wohnzimmers gelegen hatte und sagte das auch gleich. Ich erhielt jedoch sofort durch die Stimme von 'Aimée', des Mediums engstes Kontroll-Geistwesen, die Antwort: 'Du bist im Irrtum. Florence hat dir einen Rosenkranz gegeben, den du nie zuvor gesehen hast. Sie war ausserordentlich begierig, dir zum Geburtstag ein Geschenk zu machen. Daher gab ich ihr die Perlen, die mit mir begraben worden sind. Sie kommen aus meinem Sarg. Ich hielt sie in meiner Hand. Ich bitte dich aber darum, sie Arthur nicht eher zu zeigen, als bis ich dir die Erlaubnis dazu gebe. Er fühlt sich im Augenblick nicht wohl, und der Anblick der Perlen würde ihn jetzt aus der Fassung bringen.'

Ich war darüber sehr erstaunt, aber ich folgte natürlich ihren Anweisungen. Als ich Gelegenheit hatte, die Perlen genauer zu untersuchen, fand ich tatsächlich, dass sie mir fremd waren und sie vorher nicht in meinem Haus gewesen sind. Das Geschenk, das meine Freundin erhielt, war ein grosser, ungefasster Topas. Der Rosenkranz war aus geschnitztem Holz und Stahl angefertigt. Als einige Monate vergangen waren, erhielt ich die Erlaubnis, ihn Arthur Colman zu zeigen. Er erkannte ihn sofort als denjenigen, den er selbst in die Hände von Aimée gegeben hatte, als sie im Sarg lag. Als ich sah, wie ihn der Anblick erschütterte, bedauerte ich, ihm etwas davon erzählt zu haben. Ich bot an, ihm die Perlen zurückzugeben, aber er weigerte sich, sie zurückzunehmen. Und so blieben sie in meinem Besitz bis zum heutigen Tag.

Der grösste Höhepunkt aber sollte noch kommen, der über alle Zweifelsfragen hinweg die persönliche Identität des Geistwesens, das mit mir Verbindung aufgenommen hatte, mit dem Körper bewies, den ich zur Welt gebracht hatte. Mr. William Harrison, der Herausgeber der Zeitschrift Spiritualist (der nach 17 Jahren geduldiger Forschung noch nie einen persönlichen Beweis der Rückkehr eines seiner verstorbenen Freunde oder Verwandten erhalten hatte), schrieb mir eine Nachricht, dass er eine Mitteilung seiner kürzlich verstorbenen Freundin Mrs. Stewart bekommen habe, mit dem Ergebnis, dass, wenn er eine Sitzung mit dem Medium Florence Cook und ein oder zwei gleichgesinnten Begleitern haben werde, sie ihr Bestes tun würde, um ihm in ihrer irdischen Gestalt zu erscheinen und es ihm zu ermöglichen, das zu untersuchen, wonach er schon so lange gesucht habe.

Mr. Harrison fragte mich nun, ob ich bereit sei, mit ihm und Miss Kidlingbury (die Sekretärin der Britischen Nationalen Spiritualisten-Vereinigung) an der Sitzung mit Miss Cook teilzunehmen. Ich stimmte zu, und wir trafen uns zu diesem Zweck in einem der Räume der Vereinigung. Es war ein sehr kleines Zimmer, ungefähr 8 Fuss mal 16 Fuss (17) ohne Teppich und ohne Möbel. Daher trugen wir für uns drei Rohrstühle hinein. Quer durch eine Ecke des Zimmers nagelten wir in ungefähr vier Fuss Höhe ein altes, schwarzes Umschlagtuch und legten dahinter ein Kissen, damit Miss Cook ihren Kopf darauf legen konnte.

Miss Florence Cook ist brünett, von schmaler, schlanker Figur mit dunklen Augen. Sie trug ihr Haar mit einer Fülle von Locken und hatte ein hochgeschlossenes Kleid aus grauer Merinowolle an, das mit karminroten Bändern verziert war. Sie unterrichtete mich vor der Sitzung, dass sie während der letzten Trancesitzung unruhig geworden sei und in diesem Zustand zwischen die Sitzungsteilnehmer gegangen sei. Sie bat mich als ihre Freundin (die ich inzwischen geworden war), sie ordentlich zu schelten, wenn sich so etwas wieder ereignen sollte. Ich möge sie wie ein Kind oder einen Hund anweisen, wieder in das Kabinett (18) zu gehen. Ich versprach ihr, das zu tun.

Florence Cook in Trance
Bild 2: Florence Cook in Trance mit einer materialisierten Phantomgestalt hinter sich. Das Phantom ist völlig verhüllt und möglicherweise noch in der Entwicklung begriffen. Das Bild ist 1874 von Prof. William Crookes aufgenommen und stellt eine ähnliche Situation dar, wie sie bei Mrs. Marryat vorlag, nur ist der Kopf des Mediums anstatt auf ein Kissen hier auf einen niedrigen Stuhl gebettet.

Nachdem Florence Cook sich auf den Boden hinter dem schwarzen Tuch gesetzt, welches ihren grauen Merino-Rock noch sichtbar liess, und ihren Kopf auf das Kissen gelegt hatte (Bild 2), drehten wir die Gasbeleuchtung etwas zurück und setzten uns auf unsere drei Rohrstühle. Das Medium erschien uns zuerst sehr unruhig. Wir hörten, wie es gegenüber den Wesenheiten, die es so grob gebrauchen wollten, Einwendungen machte. Einige Minuten später entstand eine zitternde Bewegung des Tuches, und eine grosse weisse Hand wurde mehrfach in unseren Blickwinkel gestossen und wieder zurückgezogen. Ich hatte Mrs. Stewart (deretwegen wir ja ausdrücklich diese Sitzung abhielten) in ihrem irdischen Leben niemals gesehen und konnte daher die Hand nicht identifizieren. Aber wir alle bemerkten, wie lang und weiss sie war. In der nächsten Minute wurde das Tuch emporgehoben und eine weibliche Gestalt kroch auf Händen und Knien nach vorne. Dann stand sie auf und betrachtete uns. Bei dem trüben Licht und der Entfernung, in der sie vor uns stand, war es unmöglich, ihre Gesichtszüge zu identifizieren. Daher fragte Mr. Harrison, ob sie Mrs. Stewart wäre. Die Gestalt schüttelte den Kopf. Da ich einige Monate zuvor eine Schwester verloren hatte, durchschoss mich der Gedanke, dass sie es vielleicht sein könnte. 'Bist du es, Emily?' fragte ich. Aber zur Verneinung wurde wieder der Kopf geschüttelt. Auf eine gleiche Frage von Miss Kidlingbury bezüglich einer ihrer Freundinnen erhielten wir die gleiche Antwort.

'Wer kann es sein?', sagte ich neugierig zu Mr. Harrison. – Da ertönte es mit Florence flüsternder Stimme: 'Mutter, erkennst du mich denn nicht?' Ich stand auf, um auf sie zuzugehen, wobei ich ausrief: 'Oh, mein liebes Kind! Ich habe nie geglaubt, dich hier zu treffen.' Sie aber antwortete: 'Geh zu deinem Stuhl zurück, ich werde zu dir kommen.' Ich nahm wieder Platz, und Florence kam durch das Zimmer und setzte sich auf meinen Schoss. Sie war bei dieser Gelegenheit weniger verhüllt als andere materialisierte Geistwesen, die ich jemals gesehen habe. Auf dem Kopf hatte sie nur ihre Haare, von denen sie eine grosse Menge zu haben schien. Sie fielen ihr hinten herunter und bedeckten ihre Schultern. Ihre Arme und Füsse und Teile ihrer Beine waren entblösst. Das Gewand, das sie trug, hatte keine besondere Form oder Machart, sondern es schien, als ob ihr viele Meter von weichem, dickem Musselin von der Brust bis unterhalb der Knie um ihren Körper gewickelt seien. Sie hatte ein schweres Gewicht, vielleicht 63 kg, und gut ausgebildete Gliedmassen. Sie schien demzufolge mehrere Jahre älter zu sein und glich in bezug auf Grösse und Gestalt so sehr ihrer ältesten Schwester Eva, dass ich immer die Ähnlichkeit zwischen beiden beobachtete. Diese Sitzung fand zu einer Zeit statt, in der Florence etwa 17 Jahre alt hätte sein müssen.

'Florence, mein Liebling', sagte ich, 'bist du es wirklich?' 'Mache das Gaslicht heller', antwortete sie, 'und sieh auf meinen Mund.' Mr. Harrison erfüllte ihren Wunsch. Wir sahen alle die eigenartige Missbildung an ihrer Lippe, mit der sie geboren war, ein Defekt, von dem mir einige der erfahrensten Mediziner versichert hatten, er sei so selten, dass sie ihn niemals vorher gesehen hätten. Sie öffnete dann auch ihren Mund, so dass wir sehen konnten, dass sie keinen Schlund besass.

Ich versprach zu Beginn meines Buches, mich auf die Tatsachen zu beschränken und die zu ziehenden Folgerungen meinen Lesern zu überlassen. Daher will ich meinen Bericht auch nicht unterbrechen, um weitere Bemerkungen über diesen unbestreitbaren Beweis der völligen Gleichheit (19) zu machen. Ich merkte, das Erlebnis war für mich umwerfend und rührte mich zu Tränen. Zu diesem Zeitpunkt rief Miss Cook, die hinter dem schwarzen Tuch viel gestöhnt und sich bewegt hatte, plötzlich aus: 'Ich kann das nicht länger aushalten' und ging in das Zimmer. Da stand sie nun in ihrem grauen Kleid mit karminroten Bändern, während Florence in weisser Kleidung auf meinem Schoss sass. Aber nur für einen Augenblick, denn sobald das Medium voll sichtbar war, sprang das Geistwesen auf und stürzte hinter den Vorhang.

In Erinnerung an Miss Cooks Anweisung für mich, schimpfte ich sie kräftig dafür aus, dass sie ihren Platz verlassen hatte, solange, bis sie wieder wimmernd an ihren früheren Platz zurück kroch. Kaum hatte sich der Vorhang hinter ihr wieder geschlossen, als Florence schon aufs neue erschien, sich an mich klammerte und sagte: 'Lass sie das nicht wieder tun. Sie erschreckt mich so.' Sie zitterte dabei richtig. Ich antwortete ihr: 'Florence, warum fürchtest du dich vor dem Medium? In dieser Welt fürchten wir armen Sterblichen uns vor den Geistwesen.' Florence flüsterte: 'Ich habe Angst, dass sie mich wegschickt, Mutter.' Nun, Miss Cook störte uns nicht wieder, und Florence blieb noch für geraume Zeit bei uns. Sie schlang ihre Arme um meinen Nacken, legte ihren Kopf an meine Brust und küsste mich Dutzende Male. Sie ergriff meine Hand, spreizte sie aus und sagte, sie sei sicher, ich könne ihre Hand erkennen, wenn sie diese aus dem Vorhang herausstrecke, da sie der meinen sehr gleiche.

Ich war in diesem Augenblick sehr bekümmert, und Florence nannte mir den Grund dafür: 'Gott hat es zugelassen, dass ich mich dir mit meiner irdischen Missbildung zeigen darf, so dass du sicher bist, dass ich es wirklich bin und dass der Spiritismus Wirklichkeit ist und dich tröstet. Manchmal zweifelst du, Mutter, und denkst, deine Augen und Ohren haben dich getäuscht. Aber jetzt darfst du nie mehr zweifeln. Glaube nicht, dass ich in dieser Gestalt auch in der jenseitigen Welt lebe. Die Missbildung habe ich schon lange nicht mehr. Aber heute Abend habe ich sie wieder angenommen, um dir Gewissheit zu verschaffen. Gräme dich nicht, liebe Mutter. Denke daran, dass ich dir immer nahe bin. Niemand kann mich von dir trennen. Deine irdischen Kinder mögen heranwachsen, in die Welt hinausgehen und dich verlassen, aber du wirst immer dein Geist-Kind ganz dicht bei dir haben.'

Ich konnte und kann nicht angeben, wie lange Florence bei dieser Gelegenheit sichtbar bei uns blieb. Mr. Harrison sagte mir hinterher, dass sie ungefähr 20 Minuten geblieben sei. Doch ihre unzweifelhafte Anwesenheit machte einen überwältigenden Eindruck auf mich, dass ich nur denken konnte: Sie war da, ich hielt wirklich die in meinen Armen, die ich als kleines Kind mit meinen eigenen Händen in den Sarg gelegt hatte. Sie war nicht mehr tot, als ich es selbst war, aber sie war zu einer Frau herangewachsen.

So sass ich dort und hatte sie mit meinen Armen eng umschlossen. Mein Herz schlug so lange gegen ihres, bis die Kraft nachliess und Florence gezwungen war, mir einen letzten Kuss zu geben. Sie verliess mich in verblüfftem und verwirrtem Zustand, weil es so unerwartet geschah. Nachdem sie uns verlassen hatte, materialisierten sich und erschienen noch zwei andere Geistwesen, aber keines von beiden war Mrs. Stewart. Insofern war die Sitzung ein Misserfolg. –

Ich habe Florence seit diesem Ereignis noch bei zahlreichen anderen Gelegenheiten gesehen und gehört, allerdings ohne diese Missbildung ihres Mundes, von der sie uns versicherte, dass sie mit ihr keinen von uns mehr ängstigen wolle. Ich könnte Seiten füllen mit den Berichten über ihre reizende und einschmeichelnde Handlungsweise und manchmal eindrucksvollen Nachrichten.

Ich habe von dieser Geschichte so viel berichtet, wie den Leser interessieren mag. Es ist für mich wunderbar festzustellen, wie sich die Wege und Arten der Verbindung im Laufe der Jahre gewandelt haben. Als sie mir 1873 erschien, war sie ein schlichtes Kind, das nicht wusste, wie es sich ausdrücken sollte. Sie ist jedoch eine Frau voller Einsicht und besorgter Warnungen, die zu mir im Jahre 1890 kommt. Aber trotzdem erscheint sie mir äusserlich als Neunzehnjährige. Florence sagte mir, wenn sie dieses Alter erreicht habe, werde sie nicht älter an Jahren und äusserlicher Erscheinung und habe dann den Höhepunkt der weiblichen Entwicklung in der Geistigen Welt erreicht. Gerade am Abend vor Weihnachten, an dem ich diesen Bericht schreibe, kommt sie zu mir und sagt: 'Du darfst nicht traurigen Gedanken Raum geben. Die Vergangenheit ist vergangen. Lass es ruhen in der Gnade, die dir geblieben ist.' Und unter die grössten dieser Gnaden rechne ich die Existenz meines Geist-Kindes."

Zu diesen eindrucksvollen Erlebnissen und Schilderungen von Frau Marryat lässt sich nur die Frage stellen: Ist überhaupt ein überzeugenderer Beweis des Fortlebens eines verstorbenen Menschen denkbar, als er hier gegeben wurde? Meiner Meinung nach ist das nicht der Fall. Weiter ist beachtenswert, dass ein als kleiner Säugling gestorbenes Kind noch eine Weile seine Missbildung im Jenseits behalten hat und diese erst bei seinem weiteren Wachstumsprozess verlor, sie aber auch zeitweilig wieder annehmen konnte. Weiter hatte dieses Kind auch im Jenseits zeitweise noch seine Kümmernisse und ging nicht sofort in einen Zustand ungetrübter Seligkeit über.

Ein Selbstmörder hängt sich an einen medialen Menschen

Verstorbene Menschen, die den Tod ohne vorherige Kenntnis ihres jenseitigen Weiterlebens erleiden, irren oftmals in trostlosen Gegenden umher oder können sich auch nicht von der irdischen Erde lösen und hängen sich an mediale Menschen an. In Heft 2 des Wegbegleiter 2002 habe ich einen Verkehrsunfall mit tödlichem Ausgang geschildert, bei dem 1987 drei halbwüchsige Mädchen ums Leben kamen und sich in ihrer Not an die mediale Frau A. gehängt hatten und durch Gebet so beruhigt werden mussten, dass sie bereit waren, ihren jenseitigen Helfern zu folgen. (20)

Am 6. August 2002 rief mich eine Frau G. aus einem Nachbarort telefonisch an, die bislang von einer medialen Veranlagung nichts wusste. Sie war am 31. Juli 2002 auf der Beerdigung eines früheren Arbeitgebers von ihr gewesen. Dieser hatte sich am 28. Juli 2002 durch Erhängen das Leben genommen. Nach der Beerdigung spürte die Dame an ihrem Hals fortdauernde Schmerzen, wie wenn sie stranguliert worden wäre, Schmerzen, die bis in den Bereich der Brustwirbel ausstrahlten. Da sie in dieser Zeit wegen anderer Beschwerden bei einem hellsichtigen Heiler in Behandlung war, erzählte sie diesem auch von ihren Halsbeschwerden. Er sagte ihr, dass sie vor kurzem bei einer Beerdigung gewesen sein müsse. Als sie das bejahte und dass der Verstorbene sich umgebracht hätte, sagte der Heiler, dass dieser Selbstmörder sich an sie gehängt habe und die Schmerzen verursache.

Von mir wollte die Dame nun wissen, was sie dagegen tun könne. Ich erläuterte ihr, dass sie den früheren Arbeitgeber mit Worten laut ansprechen und ihn zum Gebet zu Gott um Vergebung auffordern solle. Sie möge ihm weiter sagen, dass er um jenseitige Helfer bitten möge, die ihn von dieser Erde und von ihr hinwegführen. Auch sie selbst solle für diesen Unglücklichen Gott um Hilfe bitten.

Die Dame hat sich dann aber nicht getraut, nach diesem Ratschlag zu verfahren. Sie hat dagegen ihren Heiler gebeten, diese Aufgabe für sie zu übernehmen. Ihm ist es auch gelungen, jenseitige Helfer herbeizurufen, die den Selbstmörder hinweggeführt haben, in den Bereich, der für ihn vorgesehen war. Anschliessend war die Dame beschwerdefrei.

Die Seelen abgetriebener Kinder zeigen sich einem medialen Menschen

Am 14. Mai 2002 rief mich eine andere Dame, Frau C. (geb. 1944), in ähnlicher Angelegenheit telefonisch an und bat um Beratung und einen Besuchstermin bei mir. Sie wohnt in der Nähe von Singen am Bodensee und hat seit 1996 ebenfalls Erlebnisse mit Verstorbenen. Sie spürt diese aber nicht nur, sondern sieht sie auch häufig hellsichtig mit ihrem inneren Auge, manchmal ganz deutlich, manchmal auch nur schemenhaft. Manchmal ängstigen sie die Erscheinungen, die sie spürt. Hin und wieder hat sie bei Frauen, denen sie begegnet, die Empfindung, dass diese ein Kind abgetrieben haben. Und dann wird ihr dieses kleine Wesen in den Arm gelegt. Sie sieht dieses Kind nicht gegenständlich, aber sie spürt es auf ihrem Arm.

Frau C. berichtet: "Im Sommer 1996 geschah es, während ich Berechnungen für eine Betonschalung machte, dass eine dunkelhäutige, grosse, schwarz gekleidete und freundliche Frau neben mir stand. Ich sah sie mit meinem inneren Auge, wie wenn sie materiell anwesend wäre. Sie blieb lange, sprach aber nichts. Ich arbeitete weiter, wendete mich um, aber die Erscheinung blieb. Später war sie dann nicht mehr da.

An einem anderen Tag im Sommer 1996 ging ich in der Mittagspause durch Schaffhausen in einer belebten Strasse. Ich schaute nach rechts, weil jemand neben mir ging. Es war ein freundlicher Mann mittleren Alters, gekleidet in einen Staubmantel im Stil der Dreissiger Jahre. Ich erfuhr seinen Namen, Heinz. Er ging eine Weile neben mir, sprach aber nichts und war später nicht mehr zu sehen. An beide Erscheinungen habe ich eine sehr intensive, nicht Furcht erregende Erinnerung. In der folgenden Zeit hatte ich immer wieder den Eindruck, nicht allein zu sein, sah aber niemanden. Ich persönlich hielt mich für multipel und versuchte, wieder eins zu werden. Zunehmend zog ich mich zurück, betete viel und hatte das Gefühl, auf den Friedhof zu müssen, um für irgend jemand zu beten, z.B. für meine Vorfahren.

Es kamen dann all die vielen Toten, für die ich etwas tun sollte. Leute aus der Familie und solche, die mir unbekannt waren. Auch hatte ich den Eindruck, immer öfter auch von Lebenden beeinflusst oder ausgesaugt zu werden. Dies alles hört sich phantastisch an, aber so ist es bis heute, und ich schreibe dieses am 24.5.2002 mit klarem Kopf."

Als ich am 03.07.2002 bei Ihnen war, besprachen wir, dass ich etwas aufschreiben werde, z. B. über die Kinder:

"Am Samstag, 29.06.2002 folgte ich der Einladung einer Organisation in Konstanz zu einer Veranstaltung hauptsächlich für Frauen. Die Veranstaltung begann um 10.00 Uhr. Ich hielt mich mit vielen anderen Frauen im Foyer auf. Nach ca. 30 Min. konnte ich es nicht mehr aushalten, ich fühlte mich seltsam bedrängt, und mein Kopf war wie benebelt, es gab aber keinen Alkohol. Ich musste den Raum verlassen und setzte mich in einen leeren Vortragsraum. Da war es etwas besser. Die Zeit danach konnte ich mich nur mühsam konzentrieren, und es war sehr anstrengend für mich, den interessanten Vorträgen zu folgen. Insgesamt waren ca. 300 Frauen jeglichen Alters anwesend, der überwiegende Teil aber war unter 40. Nach Ende der Veranstaltung, ca. um 16.00 Uhr, ging ich zu Fuss in die Innenstadt, wo mein Mann auf mich wartete. Den ganzen Weg über hatte ich den Eindruck, eine sehr schwere Last bei mir zu haben. Dieses Gefühl hielt den ganzen Tag und Abend an, ohne dass ich wusste, was diese Last war. Am folgenden Tag, Sonntag, 30.06.2002, hatte mein Mann Geburtstag, und ich war sehr beschäftigt.

Am Montag, 01.07.2002, hatte ich schon früh am Morgen so starke Rückenschmerzen, so dass ich mich kaum ankleiden konnte. Ich konnte mich fast nicht mehr bewegen und ging unter sehr starken Schmerzen zur Arbeit nach Konstanz. Im Laufe dieses Tages merkte ich und wusste es dann, dass sich bei mir sehr viele Kinder befanden, Embryonen, vielleicht abgetrieben. Sie gehörten zu Frauen, die mit mir in Konstanz bei der Frauenakademie gewesen waren. Sie hatten sich zu mir geflüchtet oder sich bei mir eingefunden. Ich sah sie nicht unmittelbar, sondern fühlte nur ihre Anwesenheit. Ich war sehr entsetzt und ratlos ob der grossen Anzahl. Bisher waren immer nur einzelne oder auch mehrere Kinder bei mir gewesen. Ich wusste nicht, was zu tun war, sie drängten sich überall in mir.

Ich betete für sie und für mich. Am Montag Nachmittag stellte sich noch etwas anderes ein, das Gefühl drohenden Unheils, eine schlimme Ahnung, aber es war nicht heraus zu bringen, was es war. Meine Verfassung blieb so bis Dienstag morgen 02.07.2002. Ich hörte die Nachricht von dem Flugzeug-Absturz bei Überlingen, bei dem durch eine Verkettung unglücklicher Umstände zwei Flugzeuge in der Luft zusammenstiessen und 71 Menschen ums Leben kamen, darunter 49 Kinder aus Baschkirien. Ich brachte dieses Unglück aber nicht in Verbindung mit meiner Ahnung. Am 02.07., Dienstag morgen, bat ich Sie telefonisch um einen Gesprächstermin. Im Laufe des Morgens wurde mir klar, was ich für die Kinder vom letzten Samstag tun konnte. In der Mittagspause würde ich in den Wald gehen und darum beten, dass die Kinder von jemand Freundlichem aus dem Jenseits abgeholt würden, wie es schon früher geschehen ist. Ich hatte immer noch sehr starke Schmerzen im unteren Rücken und konnte mich nur sehr schlecht bewegen. Ich ging dann auf einem sicheren Waldweg ca. 1,5 km entlang und betete für die Kinder, die bei mir waren.

Erstaunlicherweise waren die Embryonen nun zu Kleinkindern herangewachsen und drängten sich an meinen Händen. Wir schauten uns gemeinsam im Wald um, auf dem Weg und im botanischen Garten, an dem wir entlang gingen. Es schien sie sehr zu freuen. Ich ging nun wieder zurück und bat um einen Platz im Jenseits für sie, während ich betete. Danach ging ich zurück zur Arbeit. Irgendwann, im Lauf des Nachmittags waren diese Kinder dann nicht mehr bei mir.

Am Mittwoch, 03.07.2002, kam ich dann zu Ihnen, Herr Prof. Schiebeler, nach Torkenweiler. Ich hatte immer noch grosse Schmerzen im Rücken und konnte nicht gut sitzen. Ausserdem war da das Gefühl, dass ich nicht allein gekommen war. Ich wusste aber nicht, wer da war. Wir sprachen miteinander, danach wurde gebetet, es gab auch Musik. Gegen Ende des Gebetes spürte und sah ich, wie sich bei mir an der rechten Seite des Körpers, in Taillenhöhe, wo es am meisten weh tat, eine Tür öffnete, wie von einem Flugzeug in grosser Höhe. Es machten sich Leute zum Absprung fertig. Zwei sah ich. Ich teilte dieses Ihnen, Herr Professor, mit. Zuerst war da für mich keine Assoziation zum Absturz der Tupolew/Boeing am 01.07.2002. Danach machte ich mich auf den Heimweg. Ich nahm den Bus bis Weissenau, Haltestelle Torplatz. Von dort ging ich zu Fuss zum Bahnhof, um mit dem Zug über Friedrichshafen nach Singen/Htwl. zu fahren.

Da spürte ich, dass ich etwas auf Englisch sagen musste. Dieses kann ich aber nur sehr schlecht. Ich musste den Wesen, die da um mich waren, sagen, dass sie mit den Flugzeugen auf die Erde gefallen seien, aus grosser Höhe. Dass sie nun tot seien und in die Ewigkeit gingen. Auf Grund dessen, dass sie auf Erden nichts mehr ausrichten könnten, wäre es ihnen möglich, einen neuen Anfang zu machen, wenn sie wollten. Sie alle waren sehr erschrocken, Jugendliche und Erwachsene. Sie nahmen es zur Kenntnis. Einige Minuten vergingen, da musste ich noch sagen, dass man es jenen, die kein Englisch verstünden, auf Russisch erklären müsste. Darauf fuhr ich heim nach W. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag liessen die Rückenschmerzen nach. Am Donnerstag, 04.07.2002 fuhr ich mit dem Zug wieder nach Konstanz zur Arbeit. Unterwegs, ca. 07.30 Uhr in der Höhe von Allensbach, merkte ich plötzlich, dass noch zwei Piloten anwesend waren. Ich sah sie in ihren Uniformen, aber wie durch einen Nebel. Ich teilte ihnen auf deutsch mit, dass sie sich in den jenseitigen Raum begeben sollten, sie seien abgestürzt, bei Überlingen in Süddeutschland. Das taten sie sofort. Damit war es zu Ende. Ich wusste, dass ich nun nichts mehr tun musste. Die handschriftlichen Notizen zu diesem Text machte ich am 04.07.2002, nachmittags."

Diese Berichte, wie auch andere, zeigen, dass bei Unglücksfällen Verstorbene häufig nicht sofort den Weg in die jenseitige Welt finden, sondern zunächst noch voller Entsetzen in der Nähe des Unglücksortes bleiben und sich bei medial veranlagten Menschen bemerkbar machen, sofern diese in der Nähe sind. Besonders eindrucksvoll aber ist, dass Geistwesen, die schon zur irdischen Geburt vorbereitet sind, diese aber durch Abtreibung nicht erleben können, manchmal auch noch eine gewisse Zeit an die Erde und ihre vorbestimmte Mutter gebunden bleiben, ehe sie zur Weiterentwicklung in einen Bereich für totgeborene Kinder geleitet werden. Daher sollte sich jede Mutter eine beabsichtigte Abtreibung reiflich überlegen und nicht davon ausgehen, dass der Fötus ja nur ein unbelebtes Gebilde ist, dessen man sich folgenlos entledigen kann.

Frau C. hat jetzt erkannt, dass sie ihre mediale Gabe, der sie anfangs recht hilflos und manchmal angstvoll gegenüberstand, nicht einfach ablegen kann. Sie hat gelernt, damit umzugehen und sieht es jetzt als ihre Aufgabe an, Verstorbenen, die sich bei ihr bemerkbar machen, geistige Hilfe zu leisten und sie auf den rechten Weg zu weisen. Die vorgetragenen Berichte beantworten nicht sämtliche Fragen über Geburt und Tod. Sie zeigen aber doch gewisse Verhältnisse und Möglichkeiten auf und können dadurch Anlass geben, das irdische Leben darauf einzurichten.


Fussnoten

(1) Florence Marryat, 1837-1899, verh. in erster Ehe "Ross-Church", in zweiter Ehe "Lean", englische Verfasserin mehrerer parapsychologischer Bücher. Sie kannte die meisten bedeutenden Medien des ausgehenden 19. Jahrhunderts

(2) Schlund = hinter dem weichen Gaumen und dem Gaumensegel liegende Höhle, die als Verbindungsstück zwischen Mundhöhle, Nasenhöhle und Speiseröhre dient.

(3) Also nach unten verschoben.

(4) Hier wird Bezug auf eine vorangegangene Schilderung von Mrs. Marryats Teilnahme an ihrer ersten Materialisationssitzung genommen, bei der die erschienene "Florence" wegen Nichterkennens zurückgewiesen wurde. Man sagte dieser damals, sie müsse sich geirrt haben, es sei kein Verwandter von ihr anwesend.

(5) D.h. ohne Begleitung, im Gegensatz zum vorhergehenden Mal.

(6) Wegen der seltsamen Vermummung nennt sie sie "Nonne".

(7) Florence Cook, 1856-1904, seit 1874 verh. Corner, bedeutendes englisches Materialisationsmedium, mit dem u.a. der hervorragende britische Chemiker Prof. Sir William Crookes eingehend experimentierte. In dem Band "Zeugnis für die jenseitige Welt" wird darüber ausführlich berichtet. Florence Cook war bei den Phänomenen nicht immer bewusstlos.

(8) Das ist die Kurzform von Florence.

(9) Eines der Kontrollgeistwesen, das von Prof. Crookes mehrfach photographiert wurde

(10) Der in Indien verstorbene Freund.

(11) Damit sind höhere Entwicklungssphären gemeint

(12) Im Sinne einer Läuterung oder Aufwärtsentwicklung.

(13) Sie' bezieht sich nicht auf die Blumen, sondern auf andere Geistwesen.

(14) Englisches Materialisationsmedium der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts

(15) Das Phantom war also selbstleuchtend, wie es oftmals bei Materialisationssitzungen beobachtet wurde.

(16) Englisches Materialisationsmedium ab 1874, geb. 1857.

(17) 1 Fuss = 30,48 cm

(18) Also hinter den Vorhang zu gehen.

(19) Gemeint ist die Gleichheit zwischen dem Geistwesen und der Verstorbenen.

(20) Siehe WB-Artikel von Prof. Dr. Werner Schiebeler - Plötzlicher unerwarteter Tod und das Erleben danach


Literaturangaben

(1) Greber, Johannes: "Der Verkehr mit der Geisterwelt Gottes, seine Gesetze und sein Zweck", J. Greber Memorial Foundation, 1.-11. Aufl., 1932-1989, Teaneck, N.J. 07666, U.S.A.; in unverändertem Nachdruck lieferbar über: Irmgard Herrmann, Buchhandlung und Versand, Alte Dorfstr. 4 c, D-21444 Vierhöfen, Telefon (0049) (0) 41 72 / 9 00 08 78, Fax (0049) (0) 41 72 / 9 00 08 77, e-mail: info@greber-christen.de, Website: www.greber-christen.de.

(2) Kardec, Allan: "Das Buch der Geister", Verlag Hermann Bauer, Freiburg 1964

(3) Müller, Karl E.: "Reincarnation - based on facts", Psychic Press Ltd., London 1970

(4) Netherton, M. u. Shiffrin, N.: "Bericht vom Leben vor dem Leben, Reinkarnationstherapie", Bern u. München 1979

(5) Passian, Rudolf: "Wiedergeburt. Ein Leben oder viele?", Knaur Verlag, München 1985

(6) Rochas, Albert de: "Die aufeinanderfolgenden Leben. Dokumente zum Studium dieser Frage", Verlag Max Altmann, Leipzig 1914

(7) Schiebeler, Werner: "Das Fortleben nach dem Tode und irdische Wiedergeburt. Eine Darstellung des Für und Wider", WerSch Verlag, 3. Aufl., Ravensburg 2000

(8) Schiebeler, Werner: "Der Mensch und seine Bindung an Gott, Parapsychologie und Religion", WerSch Verlag, , 3. Aufl., Ravensburg 1999

(9) W. Schiebeler, Werner: "Der Tod, die Brücke zu neuem Leben", WerSch Verlag, 3. Aufl., Ravensburg 1999

(10) W. Schiebeler, Werner: "Zeugnis für die jenseitige Welt", Verlag "Die Silberschnur", Melsbach/Neuwied 1989

(11) Schiebeler, Werner: "Leben nach dem irdischen Tod. Die Erfahrungen von Verstorbenen", Verlag "Die Silberschnur", Melsbach/Neuwied 1989

(12) Schiebeler, Werner: "Nachtodliche Schicksale, gegenseitige Hilfe zwischen Diesseits und Jenseits", WerSch Verlag, 4. Aufl., Ravensburg 1999

(13) Schwarz, Günter: "Reinkarnation und christlicher Glaube", Selbstverlag, Diepholz 1978

(14) Stevenson, Jan: "Reinkarnation. Der Mensch im Wandel von Tod und Wiedergeburt", Aurum Verlag, Freiburg 1976

(15) O. V.: "Wege der Menschwerdung", Geistige Welt, Nr. 32-33, S. 247-255, Zürich 1975

(16) O. V.: "Ein Gast des Himmels hat das Wort", Geistige Welt, Nr. 12, S. 92, Zürich 1976

(17) O. V.: "Vom Wirken der Engel", Geistige Welt, Nr. 17, S. 196, Zürich 1982


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"Letzte Änderung dieser Seite am 10. Juni 2014"