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Geisteswissenschaft - Kunst
(Anm.d.Erf.: Der Artikel stammt von Willy Hess aus der Zeitschrift "Wegbegleiter" vom November 1996, Nr. 6, I. Jahrgang, S. 277 ff.)

Kunstgesetze sind Naturgesetze

red. - Mit freundlicher Erlaubnis des bekannten Musikwissenschaftlers Willy Hess bringen wir nachstehend seinen Beitrag über Kunstgesetze und ihre schöpfungsbedingten Aspekte. Der Aufsatz erschien in der Monatsschrift FORM + GEIST, Zürich, Nr. 550/1996 (Zeitschrift für psychophysiognomische Menschenkenntnis nach Carl Huter, herausgegeben von unserem Freund Walter Alispach, Helioda-Verlag, Hardturmstr. 284, 8005 Zürich). Der Beitrag deckt sich ergänzend mit dem Kapitel "Musik wird oft nicht schön empfunden" (betr. den Satanismus in der Rockmusik) in R. Passian, "Licht und Schatten der Esoterik" (Knaur-Taschenbuch, ISBN 3-426-04266-5). Wichtig vor allem für Eltern und Erzieher, aber auch für die Betroffenen selbst, d. h. unsere Jugend.

"Kunstgesetze sind Naturgesetze." Dieser lapidare Ausspruch, den einst mein verehrter Lehrer Dr. Volkmar Andrea im Kompositionsunterricht tat, offenbart das Wirken von Bildungskräften im ganzen Kosmos, handle es sich nun um die Physis oder die Psyche. Die Kräfte schaffen sich ihre Formen. Das gilt für die physische Gestalt der Erde, der Pflanzen und aller sonstigen Lebewesen; es gilt für das Antlitz des Menschen wie für die Formenwelt in der Kunst. Es sind immer dieselben ewigen Gesetzmässigkeiten, die hier schöpferisch tätig sind. Dem Psychophysiognomiker offenbaren sie sich im Menschenantlitz, dem Naturforscher in den Wundern unserer physischen Welt dem Musikforscher in den Formen der Tonkunst. Die Schöpfung ist ein unteilbares Ganzes und umfasst beide Hemisphären, die sinnliche und die übersinnliche.
Ich möchte nun versuchen, meinen Lesern einige dieser Naturgesetze aufzuzeigen, so, wie sie im täglichen Leben und in der Musik wirksam sind. Um diese Dinge zu verstehen, ist kein musikalisches Fachwissen nötig. Es geht lediglich um das Grundsätzliche. Da ist die Symbolik der Zahl Drei. Diese Zahl hat im Denken aller höher stehenden Völker und Kulturen eine Rolle gespielt. Ich erinnere an die heilige Dreifaltigkeit der Katholiken. Die Drei symbolisiert das kleinste noch mögliche in sich abgeschlossene Gebilde. Die Zwei erscheint da noch unfertig. Zwei Gleiche können ebenso wenig ein Ganzes schaffen wie zwei Ungleiche. Es fehlt das verbindende Dritte. Die Zahl Vier aber greift bereits über den Urkreis hinaus. Sehr schön zeigt das der Ton oder Klang. Er ist primär dreifaltig, ist charakterisiert durch seine Höhe (bedingt durch die Schwingungszahl), seine Farbe (Schwingungsform) und seine Stärke (Schwingungsweite). Kommt aber als viertes die Zeitdauer, d. h. der Rhythmus der Musik hinzu, so greift dies über das rein physikalisch Gegebene hinaus.
Die alten Völker kannten vier Elemente: Luft, Wasser, Erde und Feuer. Es waren dies die Symbole für das Gasförmige, Flüssige, Feste und die Wärme. Nur die drei ersten entsprechen den drei möglichen Aggregatzuständen der Materie. Die Wärme als das vierte ist wiederum etwas für sich, kann der Materie in jeder Form eigen sein.
Wir kennen ferner in der Physis drei Formen des Gleichgewichtes: das Stabile, das Labile und das Indifferente. Dem entsprechen in der Musik Konsonanz, strebende und schwebende Dissonanz. Die Konsonanz ist der Zustand der Ruhe (stabiles Gleichgewicht). Bei der strebenden Dissonanz drängt der Fluss der Musik weiter und zwar nach einem ganz bestimmten Akkord hin. Tritt nun das von uns Erwartete nicht ein, sondern etwas völlig anderes, so sprechen wir von einem Trugschluss. Auch in unserem alltäglichen Leben tritt oft nicht das Erwartete ein. Die schwebende Dissonanz endlich gleicht dem Gleichgewicht einer Kugel; man weiss nicht, wohin sich die harmonische Spannung auflösen will. Im übrigen: Dissonanzen und Spannungen treiben ein Tonstück vorwärts, und im Abrollen unseres Lebens wechseln auch ständig Spannung und Entspannung, Dissonanz und Konsonanz, Strebung und Ruhe. Wir erkennen daraus, wie grundfalsch es ist, in der extrem modernen Musik alle diese Begriffe über Bord zu werfen und ein nie in eine Konsonanz sich auflösendes Tönechaos auf die Menschen loszulassen, das nicht nur Unlustgefühle weckt, sondern Krankheiten auslösen kann (Fussnote 1). Ungestraft sündigt der Mensch nie gegen von einer Höheren Hand aufgestellte Gesetze.
Es ist typisch, dass die harmonische Urzelle ein Dreiklang ist, nicht etwa ein Zwei- oder Vierklang. Auch die einfachsten primären Formtypen sind dreiteilig (Fussnote 2). Und so, wie im Leben nichts da ist ohne seinen Gegensatz, gibt es auch zwei harmonische Urzellen, den Dur- und den Moll-Dreiklang. Beim ersteren ist die grössere Hälfte unten, beim letzteren oben. Man spricht von den beiden Tongeschlechtern. Diese Bezeichnung ist tief symbolhaft. Dur und Moll sind wirklich zwei Gegensätze, Leben zeugend und musikalischen Ausdruck schaffend. Im atonalen Werk wird diese lebenzeugende Gegensätzlichkeit zertrümmert. Es ist dies so, als würden sämtliche Menschen kastriert, was einen allgemeinen Menschheitstod zur Folge hätte. Die "Kastrierung" der Musik hat genau dieselben Folgen. Sie bedeutet das Ende einer beseelten und schönheitserfüllten Musik. Der Bund Geschlechtsloser oder Gleichgeschlechtlicher ist immer unfruchtbar. Ein elektrischer Strom entsteht nur zwischen zwei entgegengesetzten Polen. Ohne Kälte wüssten wir nicht, was Wärme ist, ohne Dunkel nicht, was Licht ist, ohne gelegentliches Leid nicht, was Freude ist. Auch hier dämmert wieder das Spiel von Konsonanz und Dissonanz, von Entspannung und Spannung auf.
Gehen wir einen Schritt weiter! Sicher wissen die meisten meiner Leserinnen und Leser, dass es verschiedene Tonarten gibt und dass ein in sich geschlossenes Stück nur einer einzigen Tonart angehören kann, die aber von anderen Tonarten umkreist wird, etwa so, wie die Planeten um die Sonne kreisen. Nun kann dieses Umpendeln auf zweierlei Arten erfolgen. Wir können die Haupttonart kurz verlassen, aber so, dass sie für unser Empfinden Haupttonart bleibt. Man kann das mit einem Besuch bei guten Freunden vergleichen: man verlässt sein Zuhause für eine kurze Weile und kehrt dann wieder heim (wieder zur Haupttonart zurück). Ganz anders wird die Sache, wenn wir vorübergehend wirklich in eine andere Tonart wechseln, so dass diese zur Haupttonart wird. Wir vergleichen das mit einem regelrechten Umzug mit Möbelwagen und allem Drum und Dran. Das braucht begreiflicherweise mehr Vorbereitungen als ein blosser Besuch, auch im Tonstück! Nur mit dem Unterschied, dass der Komponist gegen den Schluss wieder zur ursprünglichen Haupttonart zurück "zügeln" muss, weil wir sein Werk sonst nicht als wirklich in sich abgeschlossen empfinden würden.
In diesem Zusammenhang eine zentrale Frage: Warum muss ein in sich geschlossenes Tonstück in einer bestimmten Tonart stehen, um welche sich fremde Tonarten gleich Trabanten drehen? Ich brachte bereits den Vergleich mit den um die Sonne kreisenden Planeten, hatte ebenso gut das Miniatursonnensystem des Atoms erwähnen können, wo auch ein Kern von Trabanten umkreist wird. Ist es nicht tief bedeutsam, dass im Makro- wie im Mikrokosmos die gleichen Bildungskräfte am Werke sind? Stets muss ein in sich abgeschlossenes Ganzes harmonisch in sich ruhen. Die schönheitserfüllte Kunst vergangener Zeiten und die wirklichen Meisterwerke der Architektur beweisen das zur Genüge. Bei der psychophysiognomischen Beurteilung von Menschen wird mit Recht Harmonie als schön, Disharmonie als hässlich und abstossend beurteilt. Wenn ein Mensch physisch das Gleichgewicht verliert, so fällt er eben um. Passiert dies psychisch, so erklären wir ihn als gemütskrank. Die Zerstörung des Gleichgewichtes der Kräfte im Atom entfesselt satanische Gewalten. Sollte nun wirklich das Zerstören des Gleichgewichtes im Kunstwerk nicht ebenfalls ungute und zerstörende Kräfte wecken? Das Zerstören ist etwas Negatives und zieht entsprechende Kräfte an, die nun eben Hässlichkeit schaffen. Wie kalt und abstossend wirken nicht nur solche "Kunstwerke", sondern auch die Gesichter von unguten und verbrecherischen Menschen! Auch hier haben sich die Kräfte ihre Formen geschaffen.
Wir können noch weiter gehen! Jeder braucht ein Zuhause, in welchem er sich geborgen fühlt. Welch erbarmungswürdiges Geschöpf ist ein Heimatloser! Auch ein echtes Kunstwerk wurzelt harmonisch in seinem Heimatboden, und dies ist nun eben in der Musik die betreffende Haupttonart. Selbst Wagners "Ring des Nibelungen", dieses Riesenwerk in vier vollständigen Dramen hat seine einheitliche Grundtonart, um welche sich alles harmonische Geschehen quasi gruppiert, genau so, wie sich in einer Dichtung alle Nebenhandlungen um die Haupthandlung lagern. Auch ein Gemälde muss harmonisch in sich abgeschlossen sein, um als ein Ganzes und nicht als ein Bruchstück empfunden zu werden. Auch hier hat die Moderne im Zertrümmern göttlicher Urgesetze jeden Kompass verloren. Die Folgen zeigen sich auf Schritt und Tritt.
Unser Thema könnte leicht zu einer Broschüre, ja, zu einem Buch erweitert werden, denn es ist unerschöpflich und unbegrenzt wie die Schöpfung selber. Aber auch diese meine wenigen Hinweise können wohl eine Ahnung wecken von der Gemeinsamkeit allen Seins und Lebens, und sie sind auch eine Bekräftigung der Erkenntnis, die auch unserer Psychophysiognomik zugrunde liegt: Die Kräfte schaffen sich die Form.

Willy Hess


Fussnote 1: Zwei Ärzte, Marie-Luise Fuhrmeister und Eckart Wiesenhütter, haben in ihrem Buch "Metamusik" (München 1973) anhand zahlreicher Untersuchungen nachgewiesen, wie schwerwiegend aharmonische Musik Leib und Seele von Orchestermitgliedern schädigen kann. Es ist ein erschütterndes Tatsachenmaterial und eine schwere Anklage an jene, welche solche Entgleisungen fördern und finanzieren (oft mit Steuergeldern!)
Fussnote 2: Selbstverständlich gibt es auch zwei- und mehrteilige Formtypen, die aber bereits sekundäre Gebilde sind. Dies hier zu erläutern, würde jedoch zu sehr in fachliche Einzelheiten führen.


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Letzte Änderung am 8. Juli 2000