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Religion, Christentum, Bibelübersetzung

Artikel von Rudolf Passian, erschienen in der Zeitschrift 'Wegbegleiter' Nr. 1/2004, S. 53-58.

Was sagte Jesus wirklich?

Beruhen kirchliche Lehren auf falschen Textübersetzungen? Sensationelle Ergebnisse der Rückübersetzung von Jesus-Worten ins Aramäische.

Die gesamte Christenheit beruft sich als Glaubensquelle auf die Schriften des Neuen Testaments. Dennoch ist sie in Hunderte von Richtungen gespalten. Paradoxerweise focht sie deshalb so manchen Krieg gegeneinander aus, statt einig zu sein in der Botschaft und der Liebe ihres Meisters. Viele Stellen im NT werden in ihrer Aussage unterschiedlich aufgefasst. Jede Gruppierung ist von der Unfehlbarkeit ihrer Auslegung überzeugt und grenzt sich damit gegen alle anderen ab. Ökumenische Bestrebungen haben da bislang nur wenig ändern können.

Diese bis heute andauernden Glaubensstreitigkeiten schaden der Lehre Jesu und damit der Christenheit ungemein; sie lassen sie unglaubwürdig erscheinen für all jene Menschen, die ihre Glaubensbereitschaft auch verstandesmässig untermauert wissen möchten. Denn nur da, wo Verstand und Gemüt (Herz) sich die Waage halten, kann religiöser Glaube zu krisenfestem Gottvertrauen führen.

Religion und Theologie sind bekanntlich zweierlei Dinge: Religion ist keine theologische Erfindung, sondern beruht auf uraltem Erfahrungswissen. Theologen sollen lediglich die Diener und Bewahrer religiöser Werte sein; der Religion, deren Bekenner sich zwangsläufig in organisatorischer Form zusammenschliessen wollen und müssen. Nun haben uns christliche Theologen in ihrer irrtumsreichen Geschichte zwar hunderttausende Buchtitel beschert (allein über Jesus sollen es um die 20.000 sein!), aber nur einige herausragende Vertreter haben Wesentliches zur "Ecclesia semper reformandal" beigetragen, zur

immerwährenden Erneuerung der Kirche

bzw. ihrer Botschaft (die an sich ja eine Froh-botschaft sein sollte). Zu unserem Thema selbst jedoch, ob die Worte Jesu zuverlässig überliefert wurden, sei kurz folgendes gesagt: Den wenigsten Christen wird klar, dass es sich bei den neutestamentlichen Schriften um keine Originale handelt, sondern um sehr fehlerhafte Übersetzungen ins Griechische. Deren Originale waren bereits im 2. Jahrhundert u.Z. verschollen (vgl. R. Passian, "Neues Licht auf alte Wunder", Kap. "Das Elend mit der Bibel" (Otto Reichl-Verlag, D-St. Goar)). Heute liegen uns lediglich Abschriften von Abschriften vor, wovon keine zwei völlig miteinander übereinstimmen. In griechischer Sprache existieren mehr als 800 Evangelien-Handschriften aus dem 2. bis 13. Jahrhundert. Eine der ältesten und bekanntesten ist der von Konstantin Tischendorf (1815-1874) in den Jahren 1844 und 1859 entdeckte "Codex Sinaiticus" aus dem 4. Jahrhundert, der die Abschrift einer unbekannten Vorlage aus dem 2. Jahrhundert darstellt. (Die Zahl der Abweichungen und Verschiedenheiten in den cirka 1.500 mehr oder weniger vollständig erhalten gebliebenen Texten ist Legion, wie der verdienstvolle Theologe Julius Wellhausen in seiner "Einleitung zu den ersten drei Evangelien" sagt. Hinzu kommt, dass die ältesten dieser Dokumente als so genannte Uncial- oder Majuskel-Handschriften nur in Grossbuchstaben geschrieben sind, fortlaufend, ohne Satzzeichen, ohne Unterbrechung, wie bei den Texten des AT. Nicht in jedem Fall kann mit letzter Sicherheit bestimmt werden, wo ein Satz aufhört oder beginnt.)

Tischendorf stellte unwiderlegbar fest, dass die NT-Texte schon während der ersten beiden Jahrhunderte "vielfachen Entstellungen" ausgesetzt waren. Diese Misere wurde später noch vermehrt "durch Abschreibfehler, Irrtümer, Zusätze, Auslassungen, Fehldeutungen, willkürliche Umdeutungen und dogmatische Änderungen", die alle in den uns heute vorliegenden Wortlaut der Texte des NT einflossen.

Man sollte annehmen, die christliche Theologenschaft (von ihrem Glauben her zur Wahrheitsliebe verpflichtet!) wäre begierig gewesen, um der Wahrheit willen nach möglichster Wiederherstellung der Urtexte zu forschen. Etliche ihrer namhaftesten Vertreter unternahmen verschiedentlich solche Versuche. Aber fast keiner kam auf die naheliegende Idee, die griechischen Vorlagen ins Galiläisch-Westaramäische rückzuübersetzen, in die Muttersprache Jesu.

In unserer Zeit wagt es gottlob einer: Der Aramäisch-Experte Dr. phil. Günther Schwarz aus D-49419 Wagenfeld. Seit Jahrzehnten studiert, forscht und publiziert er. Er schreibt: "Ist es nicht merkwürdig, dass die Kirchenführer und Neutestamentler unter den Theologieprofessoren es nie für nötig gehalten haben (und es auch heute nicht für nötig halten), dass die Studierenden der Theologie zumindest auch Aramäisch lernen, um wenigstens einigermassen sicher sein zu können, dass sie nicht das Gegenteil von dem verkündigen und lehren, was Jeschu (Jesus) verkündigt und gelehrt hat? (1)

Nach Günther Schwarz war der Name Jeschu der eigentliche Name jenes Mannes, auf dessen bruchstückhaft erhalten gebliebenen Aussagen das Fundament der christlichen Lehre beruht. Bei alledem muss oder sollte man jedoch wissen, dass Jesus/Jeschu, wie seinerzeit alle Lehrer, seine Unterweisungen – der leichteren Merkbarkeit wegen – in kurzgefasste einprägsame Sprüche kleidete. Erleichtert wurde die Einprägbarkeit durch bestimmte Versmasse.

Aus den Forschungen ergaben sich ferner so genannte "Amen-Worte" Jesu: "Amen, Amen. Ich soll euch sagen...". Hier handelt es sich um von ihm empfangene Offenbarungen aus höheren Welten, im Gegensatz zu all dem, was er aus eigenem Wissen lehrte. "Hätte Jeschu", schreibt Dr. Schwarz, "seine Verkündigung und seine Lehre – gegen den in seinem Volk und im gesamten Alten Orient selbstverständlichen Brauch – nicht poetisch geformt und hätte er seine Schüler nicht verpflichtet, sie auswendig zu lernen, so wären sie wahrscheinlich verloren gegangen." (2)

Einhundert rückübersetzte Jesus-Worte bringt der Autor in seinem neuesten, im Verlag Styria erschienenen Buch "Worte des Rabbi Jeschu. Eine Wiederherstellung". Dieses sensationelle Werk "öffnet das Schatzhaus der Evangelien mit deutlicher Liebe zur Sache und grosser Genauigkeit im Detail. Dabei bringt er das Vaterunser, die Bergpredigt, die letzten Worte Christi am Kreuz zu neuem Leuchten, befreit von Übersetzungsfehlern und späteren Ausschmückungen" (Buchrückentext). Durch die akribische Übertragung neutestamentlicher Texte in die Muttersprache Jesu offenbaren diese zumeist einen anderen oder zumindest verständlicheren Sinn. So beispielsweise

das Gebot der Feindesliebe:

Da heisst es nicht mehr: "Liebet eure Feinde", sondern "Erbarmt euch über die, die euch anfeinden!" Wir sollen also Mitleid mit jenen haben, die uns böswillig zu schaden versuchen. Und warum? "Weil Feinde zwar nicht liebenswert sind," meint Dr. Schwarz, "aber erbarmungswürdig; und zwar deswegen, weil sie weder wissen, noch wissen wollen, was sie ihrem Selbst antun, wenn sie so töricht sind, jemandes Feind zu sein" (S. 109). Wem die Ergebnisse der modernen Sterbeforschung bekannt sind (mit der ethisch bewerteten Lebensrückschau), der versteht das Gebot der Feindesliebe ohnehin besser. Auch die

Sündenvergebung

erscheint in der aramäischen Textfassung in einem anderen Licht. Nach Günther Schwarz handelt es sich bei Matth. 6,14-15 und Mark. 11,25 um ein Amen-Wort Jesu, also um die Wiedergabe einer von ihm empfangenen Gottesoffenbarung, die sich auf das Vergebungsgesetz bezieht. Am "Tage des Rechtsspruchs" (d.h. nach dem körperlichen Tode) werden die Richterengel im Namen Gottes nur denjenigen Absolution erteilen können, die ihrerseits anderen bewusst vergeben haben.

Schwarz bemerkt (S.135): "Der mögliche Einwand, in Joh. 20,23 habe er seinen Schülern doch die Vollmacht zur Sündenvergebung zugesprochen, ist nicht stichhaltig. Denn es lässt sich bereits am griechischen Text nachweisen, sogar ohne Rückübersetzung ins Aramäische, dass jener Teil manipuliert worden ist... ".

Keineswegs weniger belangreich sind die Angaben des Autors zur angeblichen

Untrennbarkeit von Geist und Körper:

Dr. Günther Schwarz kommt als Theologe aufgrund der Aussagen biblischer Autoren sowie seiner nahezu 50jährigen Forschungstätigkeit zu folgender Auffassung über die Wesensstruktur des Menschen:

Der Mensch ist "zwischen Geburt und Tod eine Vierheit, bestehend aus einem Grobstoffkörper, einem Feinstoffkörper, einem Geistkörper und einem Geistkern". Die interessanten Erläuterungen zu den genannten Organismen lese man nach auf den Seiten 179/80 seines Buches. Wenn z.B. Luk. 12,20 in der Einheitsübersetzung lautet: "Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern", so lautet der von Dr. Schwarz erarbeitete aramäische Text: "Noch in dieser Nacht werden sie (Engel) dein Selbst aus dir herausziehen." Jesus/Jeschu empfand also den Körper und das Selbst des Menschen nicht als untrennbare Einheit, "sondern als eine durch die Einkörperung des Selbst in den Körper vorübergehend verbundene Einheit". Jeschu wusste ferner, "dass das Selbst des Menschen nach seiner Entkörperung, nachdem es – im Normalfall – von Engeln aus seinem Körper herausgezogen worden ist, an einem ihm angemessenen Ort ohne ihn weiterlebt, nämlich als Geistwesen in einer geistigen Umwelt" (S.184/85). In Kenntnis der Forschungsarbeiten von Dr. Schwarz möchte ich ausrufen: Endlich mal ein Theologe, dessen geistiger Horizont über den Beginn und das Ende unseres Erdenlebens hinausreicht! Schwarz spricht vom Leben vor dem Sterben und vom Leben nach dem Sterben. Dabei betont er die Tragweite des Kausalitätsprinzips, des Gesetzes von der Tat und der Tatfolge, wobei letztere trotz des leiblichen Todes keine Unterbrechung erfährt.

Dies können all jene unzähligen Menschen bestätigen, die sich im klinisch toten Zustand befanden und die das Fortwirken des Gesetzes von Ursache und Wirkung sehr eindrücklich erkannten: sie empfanden das Wieder-zurückgeholt-werden ins irdische Leben als Gnade und als willkommene Chance, "Busse tun" zu können, d.h. in ihrem Denken und Handeln einen gründlichen Gesinnungswandel zu vollziehen auf der Grundlage von Gott- und Ewigkeitsbezogenheit. Mit Frömmelei hat dies absolut nichts zu tun, aber mit reiner Vernunft! Spirituell ausgerichtete Gottgläubige finden in der Rückübersetzung von Günther Schwarz auch Hinweise auf den legendären

Engelsturz,

wonach wir vor Zeiten, durch das Abirren von unserem Entwicklungsziel, unser Absinken bis auf das entsetzlich niedere Niveau materieller Weltsysteme mitverursachten und infolgedessen mitschuldig wurden an allem Leid und Elend solcher Welten! Es ist verhängnisvoll, dass uns die Kirchen weder das Theodizee-Problem (d. i. die Unvereinbarkeit der Vorstellung von einem liebenden Gott mit Not und Tod und den harten Realitäten unseres Daseins) einleuchtend zu erklären vermögen, noch die grossen Sinnfragen unseres Lebens überhaupt. Falls bei den meisten Theologen und Seelsorgern wirklich eine ausgeprägte Lernblockade vorliegen sollte, so steht es schlecht um die Zukunft ihrer Kirchen. Noch nicht einmal der massenhafte Austritt von Mitgliedern vermag solche Leute aus ihrer Geistesträgheit aufzurütteln; offenbar ebenso wenig, wie die Bedrängnisse der verfolgten Christen in muslimischen Ländern!

Die überaus wichtige Forschungsarbeit von Günther Schwarz wäre hervorragend geeignet, die Lehren des Rabbi Jeschu wieder zu einer dynamisch-positiven, die Christenheit neubelebenden Kraft werden zu lassen. Er kam nämlich aus Liebe zu seinen gefallenen Menschengeschwistern aus für uns kaum vorstellbaren göttlichen Lichtwelten zu uns hernieder, um uns den "Heimweg ins Vaterhaus" aufzuzeigen und damit die Erlösung aus dem schrecklichen Machtbereich luziferisch-satanischer Herrschaft. – Nur: den Weg hat Er uns gewiesen, aber beschreiten müssen wir ihn selbst. Christus baute uns eine Brücke, aber darüber gehen müssen wir selbst. Es liegt ausschliesslich am eigenen Wollen! Wer jedoch diese Willenskraft aufbringt und "immer strebend sich bemüht" (Faust), dem wird mit Gewissheit all jene Hilfe zuteil, die man zu solcher "Selbstverwirklichung" benötigt.

Zur bitter notwendigen Neubelebung der christlichen Botschaft wären die grundlegenden Arbeiten des Reformators unserer Zeit, Dr. Günther Schwarz, hervorragend geeignet. Ob ihm dafür Dank werden wird? – Wohl kaum, denn (nach dem evang. Theologen Prof. Dr. Haraldur Nielsson, dem Bibelübersetzer in nordische Sprachen) ist es "nicht unbekannt, dass gerade die Geistlichen den grössten Widerstand leisteten, wenn Gott die Menschen einen Schritt vorwärts führen wollte." Auch der szt. berühmte evang. Theologe Adolf von Harnack klagte: " ... diese Kirchen sind gelähmt und finden nicht die Kraft und den Mut, der Wahrheit die Ehre zu geben; sie fürchten sich vor den Folgen eines Bruchs mit der Tradition".

Bedauernswerte Christenheit!

Rudolf Passian


Fussnoten
(1) G. Schwarz, "Worte des Rabbi Jeschu. Eine Wiederherstellung", Verlag Styria, Graz/Wien, 2003, S. 17 (ISBN 3-222-13132-5).
(2) Wie vor, S. 152


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"Letzte Änderung dieser Seite am 10. Juni 2014"