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Leben-Jesu-Forschung
Artikel von Walter Vogt (CH-Zürich), erschienen in der Zeitschrift 'Wegbegleiter' Nr. 2/2005, S. 50-52.

Unüberbrückbare Gegensätze zwischen der Lehre Jesu und den Qumran-Essenern

Eine kleine Laienstudie von Walter Vogt, CH-Zürich

Im Neuen Testament finden wir keine Erwähnung der Essener. Auch in der rabbinischen Literatur ist von ihnen keine Rede. Selbst in den Qumranrollen kommt ihr Name nicht vor. Der Grund? Nur von Aussenstehenden wurde ihre Bewegung so genannt.

Die Essener erwarteten zwei Messiasse und zwar einen königlichen aus dem Hause Davids und einen priesterlichen aus dem Geschlecht Aarons. Neben den beiden Messiasgestalten ersehnten sie sich noch einen Propheten, der wie Moses sein würde.

Jeder darf zu Jesus kommen. In Qumran war dies strengstens untersagt. Im Text 4QDb steht geschrieben, dass Dumme, Narren, Törichte, Wahnsinnige, Blinde, Krüppel, Hinkende und Taube nicht aufgenommen werden. Jesus dagegen ging zu den Kranken und Ausgestossenen; er war sogar zu Gast beim aussätzigen Pharisäer Simon. Für einen Essener wäre dies völlig undenkbar gewesen. Stets waren sie um ihre Reinheit besorgt.

Bei Jesus steht die Feindesliebe im Vordergrund. Die Essener aber mussten die Söhne des Lichts lieben und die Söhne der Finsternis hassen.

Die befreiende Botschaft von Jesus steht in scharfem Gegensatz zu den Lehren der Essener, bei denen Asketentum, Gesetzlichkeit, Ritualismus und Exklusivität im Vordergrund standen.

Im Gegensatz zu den essenischen Regeln ist die Armut im Neuen Testament keine absolut verbindliche Forderung.

Die Essener durften sich in kein Streitgespräch mit den Männern der Verderbnis einlassen. Es war ihnen nicht gestattet, von Aussenstehenden Speisen und Getränke anzunehmen. Jesus dagegen verkehrte mit Sündern und Zöllnern; er begab sich also auch in sogenannt "schlechte Gesellschaft".

In Qumran sammelte man die Erwählten und Gerechten. Jesus dagegen nahm sich der Kranken als Arzt und den Sündern als Heiland an.

Die Wüstenleute vom Toten Meer erfüllten die alttestamentarischen Speisegebote mit grösstem Ernst. Jesus aber hat die mosaischen Speisegebote praktisch ignoriert.

In diesem Orden bestand ein leidenschaftliches Interesse für Astrologie und Astronomie. Die Mitglieder hatten ihren eigenen Festkalender und versicherten, dass er auf den himmlischen Tafeln festgelegt sei. Über diese Spekulation erfuhren wir von Jesus nichts.

Die rituellen Waschungen beherrschten das ganze Leben der Ordensgemeinde. Jesus dagegen lehnte solche Reinigungszeremonien kompromisslos ab. Josephus: „Öl halten sie für Schmutz, und wenn einer wider Willen gesalbt worden ist, so wischt er seinen Körper ab, denn eine reine Haut zu haben, gilt ihnen als ehrenvoll.“ Jesus dagegen liess sich von einer stadtbekannten Dirne die Füsse mit Öl salben.

Der gleiche Autor berichtete auch über die äusserst rigorose Einhaltung des Sabbats. „Peinlicher als die übrigen Juden vermeiden sie am Sabbat, sich mit Arbeit zu befassen, und demzufolge bereiten sie nicht nur die Speise tags zuvor, um am Sabbat kein Feuer anzünden zu müssen, sondern sie wagen am Ruhetag nicht einmal ein Gefäss von der Stelle zu rücken oder ihre Notdurft zu verrichten.“ - Bei den Essenern war die Rettung eines Ochsens, der am Sabbat in eine Grube gefallen war, strengstens verboten. So streng waren nicht einmal die gesetzestreuen Pharisäer. - In einem Fragment, das man 1952 in der Höhle 4 direkt gegenüber der Qumranruine gefunden hat, steht: „Ein Mann soll kein Vieh, das ins Wasser gefallen ist, herausholen am Sabbattage. Wenn es aber ein Mensch ist, der am Sabbat ins Wasser gefallen ist, wird er ihm sein Kleidungsstück zuwerfen, um ihn damit herauszuziehen.“ Für Jesus war die Rettung eines Tieres oder die Heilung eines Menschen am Sabbat keine Frage. Über die Feststellung Jesu, dass der Sabbat um des Menschen willen geschaffen sei, und nicht der Mensch um des Sabbats willen, hätten die Essener bestimmt gemurrt.

Von Jahr zu Jahr prophezeiten die Essener das Ende der Welt. Jesus konterte: „Niemand kennt Tag noch Stunde, auch nicht die Engel im Himmel, auch nicht der Sohn, niemand als der Vater allein.“

Im strengen Männerorden liebte man die Rangordnung. Es gab tatsächlich verschiedene Dienstgrade. Bei Jesus war das Gegenteil der Fall. Er weigerte sich, den Brüdern Jakobus und Johannes die Ehrenplätze zu reservieren. Fazit: Die Letzten werden die Ersten sein.

Obwohl die Qumranleute an sich recht friedliche Menschen waren, so hatten sie doch eine Passion für militärische Dienstgrade. Für die apokalyptische Endschlacht entwarfen sie Kriegspläne und Felddienstordnungen. Jesus griff nie zur Waffe und verbot seinen Jüngern die bewaffnete Gegenwehr.

Der Grundbegriff der qumranischen Ethik war der Begriff des Gehorsams. In der Botschaft Jesu von der neuen Moral kommen die Worte Gehorsam und gehorchen überhaupt nicht zur Sprache.

Die Qumrangemeinde war eine Bruderschaft von extrafrommen Juden, die in der Wüste ein klösterliches Leben führten und die übrige Welt ihrem Schicksal überliessen. Jesus wendete sich mit seiner Botschaft an das ganze jüdische Volk und grundsätzlich an die ganze Welt.


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"Letzte Änderung dieser Seite am 10. Juni 2014"