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Religion - Gebetserhörung

Gekürzte Geschichte von Dr. Elisabeth Lukas, erschienen in der Zeitschrift 'Wegbegleiter' Nr. 1/2004, S. 58 + 59.

Gebetskonto einer sterbenden Frau

Sinnvolle Möglichkeiten bis zum Ende unseres Lebens

Ich hatte in meiner psychotherapeutischen Praxis eine Frau mittleren Alters kennen gelernt. Eines Tages erkrankte sie an einer fortschreitenden Muskellähmung, die nicht aufzuhalten war und sich rasch verschlimmerte. Ich begleitete sie, und im gemeinsamen Suchen nach Akzeptanz des Unabänderlichen wuchs die menschliche Nähe zwischen ihr und mir. Schliesslich lag sie im Krankenhaus auf "Endstation" und es kam der Tag meines letzten Besuches. Sie konnte sich nicht mehr bewegen und kaum noch sprechen. Als ich mich über sie beugte, flüsterte sie mir ein paar Worte zu: "Ich habe ein Konto für Sie eröffnet, ein Konto bei unserem Herrgott. Darauf zahle ich Gebete für Sie ein." Das Sprechen strengte sie ungemein an, und ich schwieg vor lauter Ergriffenheit. Nochmals raffte sie sich zum Sprechen auf: "Wenn Sie einmal in Not sind, in grosser Not, dann heben Sie von diesem Konto ab..."

Die Frau starb und mein beruflicher Alltag ging weiter. Eine Zeitlang dachte ich noch an sie zurück, aber bald war ich von den aktuellen Anforderungen so stark beansprucht, dass mir ihre Worte entglitten. Ich vergass sie.

Zwei Jahre später fand mein Erlebnis seine Fortsetzung. Es war an einem Herbstabend bei uns zu Hause. Mein Mann und ich warteten auf unseren 12jährigen Sohn, der von seiner Violinstunde zurückkehren sollte. Die Zeit verstrich und er kam nicht. Wir warteten und unsere Sorge stieg, wie es allen Eltern ergehen würde, deren Kinder sich abends nicht pünktlich einfinden. Mein Mann versuchte beim Konservatorium anzurufen, aber da war schon geschlossen. Was sollten wir tun? Wir erwogen verschiedene Aktionen, doch letztlich schien es uns am vernünftigsten, daheim zu bleiben. Auch hofften wir immer noch auf eine harmlose Erklärung der Verspätung unserer Sohnes.

Diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Es läutete und aus der Sprechanlage ertönte die Stimme: "Hier spricht die Polizei. Bitte öffnen Sie." Das kalte Entsetzen packte mich und wollte mir das Herz abdrücken. Der Boden unter meinen Füssen verlor seine Festigkeit, und die Angst verschlug mir den Atem. Da tauchten aus den tiefsten Schichten meines Bewusstseins die ehemaligen Worte der todgeweihten Frau auf, und ich dachte mir: "Jetzt hebe ich vom Konto ab, alles was drauf ist, jetzt rufe ich die ganz Gnade ab, die ein fremder Mensch für mich erbetet hat." In derselben Sekunde war ich innerlich wieder gefasst. Die Angst war nicht verschwunden, aber ich konnte sie ertragen. Ich konnte dem ins Gesicht sehen, was auf uns zukam, der Boden unter meinen Füssen war wieder fest.

Die Geschichte hat glücklicherweise ein "Happy End", denn unser Sohn war zwar von einem Auto angefahren worden, hatte jedoch nur einen offenen Schienbeinbruch davongetragen, der innerhalb eines Vierteljahres heilte.

Gekürzte Geschichte aus: Dr. Elisabeth Lukas, Heilungsgeschichten – Wie Logotherapie Menschen hilft, Herder Freiburg i.Br. 1998.


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"Letzte Änderung dieser Seite am 10. Juni 2014"