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Wegbegleiter-Forum

Beitrag von Felix Gietenbruch, CH-Basel, erschienen in der Zeitschrift 'Wegbegleiter' Nr. 2/2004, S. 2-6.

Engel, Geister & Dämonen

Eindrücke vom VI. Wegbegleiter-Forum

Als ich am Freitag, den 23. April 2004 zusammen mit einem Freund im Zug nach Schaffhausen zum VI. Wegbegleiter-Forum fuhr, war ich sehr gespannt darauf, was uns dort erwarten wird. Die Tagung lockte mit dem viel versprechenden Titel: »Engel, Geister & Dämonen… wer sie sind und wie sie um uns wirken.« Einerseits gespannt auf die Referenten, von denen ich jeweils schon das eine oder andere gelesen hatte, aber ihnen mit einer Ausnahme noch nie von Angesicht zu Angesicht begegnet bin; andererseits gespannt auf die anderen Teilnehmer: was sind das für Menschen, die sich auch für Fragen interessieren, die mich selber brennend bewegen? Nach und nach trafen die Gäste ein, nach einer Beobachtungsphase kam es dann auch schon zu ersten Gesprächen mit anderen Angereisten. Spätestens beim Abendessen wurde mir bewusst, wieviele Menschen den Weg nach Schaffhausen ins Hotel »Promenade« gefunden hatten, so viele, dass einige sogar in einem anderen Hotel übernachten mussten: das Thema »Engel, Geister & Dämonen« muss Brisanz haben.

Nach der Begrüssung durch den Organisator Martin Weber und die Frau von Alex Schneider (letzterer konnte wegen Krankheit nicht kommen), wurde das dichte Programm am Freitagabend mit einem Vortrag von Werner Schiebeler – »Engel als Boten Gottes und Helfer der Menschen« – eröffnet. Der Vortrag begann mit einer Einführung in die Welt der Engel Gottes anhand von biblischen Beispielen. Diese stellen aber nur die eine Seite der Geistigen Welt dar; die andere ist die des Satans als Widersacher Gottes, der auch seine Engel hat, die zum Unheil wirken. W. Schiebeler wies darauf hin, dass für viele moderne Theologen durch die Entmythologisierung weder die eine noch die andere Seite eine Realität hat. Aber die Parapsychologie mit ihren gesammelten Erfahrungen kann zeigen, dass auch der moderne Mensch geistige Wesen zu seinem Heil oder Unheil erfahren kann. Beispiele von Engelbegegnungen aus dem 19. und 20. Jh. zeigten dies eindrücklich. Leider war der abgelesene Vortragstext viel zu lang für die berechnete Zeit, sodass ein Sprung ans Ende des Manuskriptes zu einem letzten Beispiel nötig wurde. Dieses war sehr eindrücklich, da es eine eigene Erfahrung von W. Schiebeler wiedergab: eine Aufzeichnung des lebendigen Gespräches durch ein Medium mit einem in Finsternis gebundenen Verstorbenen, der sich nach langem Zögern schliesslich auf den Weg zum Gott des Lichts und Lebens macht. – In diesem Schluss wurde für mich der Vortrag lebendig, der zeitweise durch das Ablesen des Manuskriptes, das man nachher in Buchform kaufen konnte, monoton wirkte.

Der nächste Morgen wurde von Armin Risi bestritten, dem einzigen Referenten unter achtzig Jahren: »Gott sprach: Ihr alle seid Götter (Joh. 10,34) – Inkarnierte und nicht-inkarnierte Lichtwesen aus vedischer und holistischer Sicht«. A. Risi führte lebendig in die spannende Welt vedischer Weltsicht hinein, wobei auch hier die Dualität von Licht und Finsternis betont wird: wir leben in der Zeit der Spaltung, in alles ist ein Keil der Trennung gerammt. Die Wissenschaft ist sich zwar der horizontalen Vielfalt des Lebens bewusst (die Artenfülle dieser Welt), aber nicht der vertikalen, die die Wesen in der geistigen Welt je nach ihrer inneren Liebe in den Kosmos einordnet – zwischen den Polen von innigster Nähe und äusserster Ferne zu Gott. Im zweiten Teil des Vortrags kam A. Risi auf die Verwobenheit der Weltpolitik mit dem Bösen zu sprechen, was er am Anschlag vom 11. September 2001 auf das WTC aufzuzeigen suchte. Unter anderem zeigte er das Foto eines roten Drachens, der an der Einzäunung des Katastrophenortes hing; diesen Drachen bezog er auf die Johannes-Offenbarung (vgl. Apk 12). Zum Schluss legte er noch sein Verständnis zum Alten Testament dar, an dessen Historizität er in vielem zweifelt. – Für mich war v.a. der erste Teil spannend, auch wenn mir der Bezug zu »inkarnierten und nicht-inkarnierten Lichtwesen« nicht ganz klar wurde. Gegenüber den »Verschwörungstheorien« vom 11. September verspüre ich eine grosse Vorsicht vor zu raschen Schlüssen: der rote Drache erwies sich z.B. später schlicht als Wappen von Wales (red. Hier wäre zu klären, was dieses Wappen an diesem Ort sollte?). Ich will damit nicht verneinen, dass bestimmte Dinge sonderbar gelaufen sind – was die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses in den USA im Moment ja auch zeigen. Auch zum Verständnis des Alten Testaments habe ich Anfragen: einerseits handelt es sich bei der referierten Ansicht um eine auch in der kritischen Forschung nicht unumstrittene; und andererseits rechnen sämtliche von diesen modernen Forschern nicht mit der Realität von »Engeln, Geistern & Dämonen« – es handelt sich also um historische Rekonstruktionen, die die Hälfte der Wirklichkeit ausblenden… – Leider blieb in diesem Vortrag – wie in den meisten anderen auch – anschliessend keine Zeit mehr für Fragen und Kritik; dies ist zugleich eine Aufforderung an alle Referenten, diesen Raum ernsthaft mit einzuplanen: nur dann kann es zu einer wirklichen Auseinandersetzung mit dem Gesagten kommen.

Am Samstagnachmittag kamen Rudolf Passian und die Engelmalerin Angela Rossi zu Wort. A. Rossi erzählte durch ihre eindrückliche Biographie, wie sie durch eigene Erlebnisse mit Engeln dazu kam, diese auch zu malen. Ihre Bilder konnten anschliessend betrachtet werden.

R. Passians Vortrag – »Parapsychologische Leckerbissen für Fortgeschrittene und Begebenheiten, welche die Frage nach den Schutzengeln aufwerfen« – glänzte nicht nur durch die lebendige Vortragsweise, sondern auch durch Selbsterlebtes. Die erzählten »Leckerbissen« hatten oft einen eher düsteren Hintergrund. So war es etwa beim sog. Od-Vampirismus, dem Phänomen, dass bestimmte Menschen anderen bewusst oder unbewusst ihre Lebenskraft entziehen. Auch die dunkle Geschichte eines Fluches endete hoffnungslos. In der anschliessenden Diskussion warf dies unter anderem die Frage auf, ob denn ein Fluch tatsächlich seine unentrinnbare Wirkung hätte. W. Schiebeler warf zurecht ein, dass in diesem düsteren Beispiel niemals gebetet wurde, gerade aber das intensive Gebet eine befreiende Wirkung haben kann.

»Engel des Lichts und Engel der Finsternis aus biblischer Sicht« hiess das Thema des Theologen Erich Lubahn am Sonntagmorgen. Er führte in seiner eigenen, biblischen Systematik in die unsichtbare Welt ein, in der es Licht, Zwischentöne und Finsternis gibt – eine wesentliche Differenz zu gängigen christlichen Modellen, die oft mit einem absoluten Dualismus von Himmel und Hölle rechnen. Der Himmel Gottes als »Himmel der Himmel« (Ps 148,4) umfasst diese gestufte unsichtbare Welt als höhere Dimension nochmals als ganzes. Auch E. Lubahn machte deutlich, dass für viele moderne Theologen diese unsichtbaren Welten keine Realität mehr haben – und sie so aber auch Menschen, die mit diesen in nicht immer angenehmer Art und Weise in Berührung kommen, auch nicht weiterhelfen können. In erzählten Beispielen wurde E. Lubahns reiche seelsorgerische Erfahrung deutlich. Solches Konfrontiertwerden mit dem Unsichtbaren führt letztlich immer zur Frage der Geisterunterscheidung: wirkt da jemand zum Heil oder zum Unheil? – Der mit vielen Erfahrungsbeispielen durchzogene Vortrag liess leider auch keinen Raum mehr für Fragen übrig.

Der letzte Vortrag dieser Tagung wurde von Roberto Helbling aus Brasilien gehalten: »Die Engel- und Geisterwelt nach Allen Kardec, dem Begründer des romanischen Spiritismus«. R. Helbling ist praktizierender Spiritist, einer der 50 Millionen Anhänger des Kardec-Spiritismus in Brasilien. In seinem Vortrag hat er weniger aus seiner Praxis erzählt, die u.a. der Hilfestellung verirrter Verstorbener gilt, sondern in die spiritistische Lehre von Allen Kardec eingeführt. Er erzählte Biographisches aus dem Leben des Gründers und führte u.a. in Lehre von der Einteilung der Geisterwelt ein. Der kardecsche Spiritismus zeichnet sich insbesondere auch durch eine hohe praktische Ethik aus, was seine zahlreichen sozialen Hilfswerken (u.a. Schulen, Spitäler) in Brasilien zeigen. – Man merkte dem Vortrag die Schwierigkeit an, in einer fremden Sprache gehalten werden zu müssen; zu einer gewissen Langfädigkeit trug aber auch die Theorielastigkeit bei. Leider blieb auch hier kaum mehr Zeit für Fragen – mich hätten v.a. Erlebnisse des Vortragenden aus seiner eigenen spiritistischen Praxis interessiert.

Dieses Rahmenprogramm von Vorträgen war nur die eine Hälfte dieser Tagung. Die andere bestand in den persönlichen Begegnungen, die geschehen konnten. Nicht nur beim Essen traf man immer wieder auf verschiedene Menschen, sondern manchmal auch bei Spaziergängen durch den kleinen Waldpark hinter dem Hotel, hinauf in eine kleine Parkanlage. Menschen erzählten mir von erfahrener Heilung durch einen Geistheiler oder der Erscheinung eines Verstorbenen. An den Abenden wurden teilweise noch Fragen an die Referenten gestellt; zugleich erzählten aber einzelne Teilnehmer von ihren eigenen paranormalen Erfahrungen, die z.T. sehr eindrücklich waren: man spürte, dass diese Menschen wirklich Unsichtbarem begegnet waren. Dass »Engel, Geister & Dämonen« ihre eigene Realität haben, wurde nicht zuletzt dadurch deutlich. Diese Begegnungen im kleineren und grösseren Rahmen zeigten auch, dass Menschen aus verschiedenen geistigen Richtungen den Weg nach Schaffhausen gefunden hatten (auch geographisch strömten die Menschen aus allen Ecken Deutschlands und der Schweiz zusammen). Eine solche Vielfalt spürte man auch bei den Referenten selbst: man war sich keineswegs in Allem einig. Ein gesunder Humor trug mit dazu bei, eine Atmosphäre der Toleranz zu wahren. Am Samstagabend zu später Stunde fand unter der Begleitung und Leitung M. Webers noch ein gemeinsames Singen statt, was einlud zur Besinnung auf Gott. Auch die freiwilligen Morgenimpulse mit E. Lubahn erfüllten diesen Dienst. – All dies zusammen machte die Tagung zu einer Weg-Begleitung durch dieses Leben mit all seinen Aufgaben und Begegnungen, die immer wieder zur Entscheidung zwischen Gut und Böse, zwischen Licht und Finsternis rufen. In den Referaten wurde trotz verschiedenen Ansätzen immer wieder das Ziel dieses Weges deutlich: Gott als Inbegriff von Liebe, Wahrheit und Leben. Denn: »Wer vom Ziel nicht weiss, kann den Weg nicht haben« (Christian Morgenstern).

Als Fazit für eine weitere Tagung möchte ich folgendes festhalten: 1. Der Zeitraum für Fragen nach den Vorträgen sollte strenger eingehalten werden. 2. Das Rahmenprogramm war sehr dicht; vielleicht wäre es sinnvoll, mehr Zeit für freie Begegnung in verschiedenen Formen einzuplanen – auf jeden Fall sollten Formen wie gemeinsames Beten, Meditieren und Singen nicht verloren gehen. 3. Für die Gemeinschaftsatmosphäre wäre sicher ein Hotel für alle Teilnehmenden sinnvoller.

Als am Sonntagnachmittag diese Tagung zu Ende ging, spürte man, dass die Menschen etwas mitnehmen konnten und zugleich das Bedürfnis da ist, dass noch vieles in ähnlicher Form zu Gehör kommen sollte. Eine ältere Frau z.B. trug am Schluss noch einzelne Gedichte zum Leid der Tiere in dieser Welt vor. Nach und nach löste sich der versammelte Kreis durch viele Verabschiedungen wieder auf, die Menschen reisten wieder an ihre Herkunftsorte zurück. Als ich schliesslich wieder nach Basel kam, war es wie ein Auftauchen aus einer anderen Welt in die vertraute alltägliche: noch eine geraume Zeit ist man umsponnen von eindrücklichen Bildern und Gefühlen, die nur langsam verblassen. Dieses Alltägliche hatte damit durchaus etwas fremdes und profanes, und es wurde mir deutlich, dass es die Aufgabe ist, diese alltägliche Welt von der unsichtbaren durchdringen zu lassen, nicht zu vergessen, dass unser Ziel nicht in dieser, sondern in jener Welt liegt.

Felix Gietenbruch, CH-Basel


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"Letzte Änderung dieser Seite am 10. Juni 2014"