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Parapsychologie - Paranormale Kunst

Artikel von Prof. Dr. Werner Schiebeler, erschienen in der Zeitschrift 'Wegbegleiter' Nr. 3/2006, S. 23-32.

Die mediale Durchgabe dichterischer Werke

Von Prof. Dr. Werner Schiebeler

Medien, das heisst irdische Menschen mit vermittelnden Fähigkeiten, sind Bindeglieder zu einer jenseitigen Welt. Sie übertragen Mitteilungen aus einer nichtirdischen, feinstofflichen Welt an uns Menschen hier auf dieser Erde. Die Frage, die sich dabei stellt, ist: Sind das wirklich Botschaften aus einem Jenseits, von verstorbenen Menschen, oder sind es nicht doch nur Phantasieprodukte der Medien, die ihrem Wissen, ihren Wünschen oder ihrem Unterbewusstsein entspringen? Wenn es sich wirklich um das Wissen von Verstorbenen handeln sollte, die geistig weiterexistieren, können wir das nur an dem Fortbestand deren Persönlichkeitsstruktur und deren Erinnerungen prüfen, die durch die Medien wiedergegeben werden. Bei parapsychologischen Versuchen und medialen Durchgaben müssen die ganz persönlichen Eigentümlichkeiten, das ganz spezielle Wissen des Verstorbenen und angeblich Fortlebenden zum Ausdruck kommen, die das Medium nicht weiss, wusste oder wissen konnte. Zu den besonderen Eigentümlichkeiten können nicht nur ausserordentliche malerische Fähigkeiten gehören, wie im vorangegangenen Kapitel behandelt, sondern auch Fähigkeiten der Dichtkunst. Auch Schriftsteller haben meist ihre eigene Ausdrucksform entwickelt, an der sie erkennbar sind und durch die sie sich von anderen Berufsgenossen unterscheiden.

Bei dem Beispiel, welches nun behandelt werden soll, war das Medium schriftstellerisch völlig unbegabt, verfügte nur über einfachste Bildung und lieferte trotzdem hochstehende literarische Werke. Das erfolgte ausserdem in einer Sprachform, die es zuvor nie gehört und demzufolge auch nie gelernt hatte. Es handelt sich um eine Amerikanerin namens Pearl Leonore Curran, geb. Pollard aus St. Louis im Staate Missouri (Bild 1). Sie wurde am 15. Februar 1883 als Kind britischer Eltern im Mound City im Staate Illinois geboren (1, S. 11). Ihr Vater George Pollard war Angestellter verschiedener Eisenbahngesellschaften und zeitweise auch bei einer Tageszeitung beschäftigt gewesen.
Mrs. Curran war ein durchschnittlich begabtes Kind. Nach einer oberflächlichen Ausbildung verliess sie die Schule als Vierzehnjährige. Mit 31 Jahren, zu einer Zeit, als ihre medialen, dichterischen Durchgaben schon in vollem Fluss waren, hatte sie die Staaten des Mittelwestens noch nie verlassen und noch nie das Meer gesehen. Sie besass nur eine sehr beschränkte Allgemeinbildung und sprach lediglich das amerikanische Slang-Englisch der örtlichen Umgebung.
Diese Tatsachen hat der Executive Research Officer der Boston Society for Psychic Research Dr. Walter Franklin Prince äusserst genau nachgeprüft, als Mrs. Curran durch ihre mediale literarische "Produktion" sehr bekannt und berühmt geworden war. Im Februar 1926 veranstaltete er mit ihr eine ausführliche Befragung (1, S. 15) über den Stand dessen, was sie bislang an Gedichten und Schriftstellern gelesen und gelernt hatte und was sie sonst an geschichtlichen Kenntnissen aufweisen konnte. Es war nicht viel und wird von Dr. Prince einzeln aufgeführt. Auch enge Freunde und Verwandte wurden von Dr. Prince als Zeugen vernommen (1, S. 21). Sie alle bestätigen, dass Mrs. Curran keine nennenswerten literarischen Vorkenntnisse und Interessen gehabt hatte und dass sie auch nicht religiös eingestellt war. Sie gehörte zwar formal der Episkopalkirche an, nahm aber an Gottesdiensten höchst selten teil und las nicht in der Bibel. Auch ihre Eltern gingen nicht zur Kirche. Mrs. Curran war ausschliesslich den Dingen des täglichen Lebens zugewandt. Zeitweise hatte sie den Wunsch gehabt, Sängerin zu werden.

Diese Befragungen und Untersuchungen waren erforderlich, um die Hypothese zu entkräften, dass die ganzen Spezialkenntnisse und Fähigkeiten, die für Mrs. Currans dichterische Erzeugnisse erforderlich waren, schon vorher latent in ihrem Unterbewusstsein geschlummert hätten und durch die "spiritistischen Praktiken" nur freigesetzt worden seien. Für solche Vermutungen ergab sich jedoch nicht der geringste Anhaltspunkt.

Mrs. Curran hatte eine Freundin, Mrs. Emily Grant Hutchings. Diese beiden besuchten im Juli 1912 einen Nachbarn (1, S. 31), der ein sogenanntes Ouija-Brett besass. Es handelt sich dabei um ein Gerät zum Nachrichtenempfang von jenseitigen Wesenheiten, eine Art Zeigertelegraph. Bei ihm sind auf einer Papptafel oder einem Holzbrett die Buchstaben des Alphabetes und die Zahlen aufgezeichnet. Darauf wird ein leicht verschieblicher Gegenstand, ein Holz- oder Pappzeiger oder ein Likör- oder Weinglas, gelegt bzw. gestellt. Anschliessend berühren eine oder mehrere Versuchspersonen leicht mit einem oder mehreren Fingern diesen Anzeigegegenstand. Wenn unter ihnen eine oder mehrere medial veranlagte Personen vorhanden sind, kann sich nach einer gewissen Zeit der Gegenstand unter dem Einfluss der aufliegenden Finger und einer jenseitigen Wesenheit in Bewegung setzen und nacheinander einzelne Buchstaben anzeigen.
Diese müssen dann abgelesen und aufgeschrieben werden. Wenn der Vorgang ordnungsgemäss abläuft, können sinnvolle Nachrichten empfangen werden. Dabei liegen die eigentlichen Aufnahme- und Empfangsorgane bei der oder den medialen Versuchspersonen. Für sie unbewusst werden diese Organe von aussen unsichtbar angesteuert und bewegen dann die Finger der medialen Personen und damit das Anzeigegerät.

Als die Damen Curran und Hutchings bei dem Nachbarn waren, lieferte das Ouija-Brett eine Nachricht, die angeblich von einem verstorbenen Verwandten von Mrs. Hutchings stammte. Diese, durch das Erlebnis neugierig gemacht, kaufte ebenfalls ein Ouija-Brett und brachte es zu gemeinsamen Versuchen in Mrs. Currans Haus. Bei dem Brett bestand allerdings das Anzeigegerät nicht aus einem Pappzeiger, sondern aus einem dünnen, herzförmigen Holzbrettchen mit drei kurzen Beinen, auf denen es geschoben wurde. Die Stellung der Herzspitze zeigte jeweils den abzulesenden Buchstaben an. Die Benutzung des Ouija-Brettes und auch das sogenannte Tischrücken oder Tischklopfen waren um die Jahrhundertwende 1900/01 ein vielgeübtes Gesellschaftsspiel. Man ergötzte sich damit, trivialste Fragen von "Geistern" mehr oder weniger gut beantwortet zu bekommen. So war es auch bei den Damen Curran und Hutchings. Das Ouija-Brett brachte lesbare Texte hervor, aber nur belanglosen Inhalts. Doch trotzdem beschäftigten sich die Damen während eines ganzen Jahres mit diesem "Spiel".

Am 8. Juli des Jahres 1913, als sie wieder einmal abends ihrem Zeitvertreib nachgingen, erfasste den Zeiger plötzlich eine ungewohnte Lebhaftigkeit, und mit grosser Schnelligkeit buchstabierte er in altertümlichem Englisch (1, S. 33; 2, S. 9):

"Many moons ago I lived. Again I come - Patience Worth my name."
"Vor vielen Monden lebte ich. Ich komme zurück. Ich heisse Patience Worth."

Als die Freundinnen verwundert überlegten, was das bedeuten sollte, fuhr das Ouija-Brett fort:

"Wait, I would speak with thee. If thou shalt live, then so shall I. I make my bread at thy hearth. Good friends, let us be merrie. The time for work is past. Let the tabby drowse and blink her wisdom to the firelog.
Good Mother Wisdom is too harsh for thee, and thou shouldst love her only as a foster-mother."

[Übersetzung:]
"Warte, ich möchte mit dir reden. Solltest du leben, so lebe auch ich. Ich backe mein Brot an deinem Herd. Gute Freundinnen, lasst uns fröhlich sein, Die Zeit der Arbeit ist vorüber. Lasst die Katze dösen und ihre Weisheit dem Herd zublinzeln.
Die gute Mutter Weisheit ist zu streng für dich. Du sollst sie nur als Pflegemutter lieben."

Diese Persönlichkeit "Patience Worth" machte schon bei ihrem ersten Besuch einen so tiefen Eindruck auf die beiden Freundinnen, dass sie Bleistift und Papier zur Hand nahmen und alles, was "Patience" von nun an mitteilte, sorgfältig niederschrieben, einschliesslich aller Fragen und Auslegungen, die durch ihre Bemerkungen hervorgerufen wurden.

Während der ersten Monate sassen nur die beiden Freundinnen Curran und Hutchings an dem Brett. Allmählich vergrösserte sich jedoch der Kreis, zuweilen auf fünf bis sechs Personen. Dabei war der Ehemann von Frau Curran, ein Einwanderungskommissionär von Missouri, der Schriftführer, der alles genau zu Protokoll nahm. Manchmal wurde er von Frau Currans Mutter, Frau Mary E. Pollard, vertreten. Es zeigte sich, dass Frau Curran die eigentliche Vermittlerin der Botschaften war. Die Mitteilungen fanden nur statt, wenn sie zugegen war und die Finger auf das Holz-Herz legte. Gelegentlich konnten bei ihrer Anwesenheit auch andere Besucher für kurze Zeit durch ihre aufgelegten Finger Botschaften erhalten. Wer sonst noch anwesend war, spielte keine Rolle.

Die Damen Curran und Hutchings interessierten sich schon beim ersten Auftreten der "Patience Worth" dafür, wer denn hinter dieser Wesenheiten steckte und wann und wo sie gelebt hatte. Aber in dieser Beziehung war das Wesen "Patience" sehr zurückhaltend. Auf die Frage nach der Lebenszeit gab es an "1649 94", wobei unklar blieb, ob damit Geburts- und Sterbedatum gemeint waren oder nur eines von beiden sein sollte. Auf die Frage nach dem Wohnort kam die unbestimmte Antwort "Across the sea", also jenseits des Ozeans. Und als man das etwas genauer wissen wollte, antwortete "Patience":

"About me you would know much. Yesterday is dead. Let thy mind rest as to the past."
[Übersetzung:]
"Ihr wollt viel über mich wissen. Aber das Gestern ist tot. Lass deine Erinnerung ruhen, was die Vergangenheit betrifft."

Im Laufe der Jahre bekam man aber doch noch stückweise einige Einzelheiten mitgeteilt, aus denen sich folgendes Bild ergab:

Patience lebte im siebzehnten Jahrhundert auf einer Dorsetshire-Farm in England. Sie arbeitete im Haus und auf dem Felde. Später wanderte sie nach Amerika aus und wurde bald darauf bei einem Indianerüberfall getötet. Von ihrem englischen Wohnort gab sie gewisse Einzelheiten und Erkennungszeichen an wie z.B. alte Gebäude, ein Kloster, ein gewundener Weg, der zu ihrem Geburtsort führe, die Meeresküste und Klippen (1, S. 34). Als später einer ihrer Berichterstatter, Herr Casper Yost, diese Angaben nachprüfen wollte, fand er in England eine Ortschaft Dorset, auf welche die oben angeführten Einzelheiten passten. Historisch liess sich aber eine "Patience Worth" nie nachweisen, da es ja im siebzehnten Jahrhundert noch keine Standesämter gab.

Die umfangreichen Durchgaben der "Patience Worth" ab 1913 zeigen aber, dass sie die altenglische Sprache und ihre Dialekte des siebzehnten Jahrhunderts beherrschte und umfassende Kenntnisse der Pflanzen- und Tierwelt, sowie der Haus- und Landwirtschaft und der Lebensgewohnheiten im England der damaligen Zeit besass. Das waren alles Kenntnisse, die weder Mrs. Curran noch ihre nähere Umgebung besassen oder besitzen konnten. "Patience Worth" gab im Verlauf einiger Jahre eine grosse literarische Produktion durch, meist in romanhafter Form, deren Umfang auf etwa drei Millionen Wörter geschätzt wird. Dazu gehören "The Sorry Tale", ein Roman aus der Zeit Christi, der das Schicksal des bösen Schächers am Kreuz behandelt, "Telka", eine Erzählung aus dem ländlichen Milieu des Mittelalters, in der Telka ein Bauernmädchen ist, und "Hope Trueblood", eine Geschichte aus dem englischen Dorfleben der Puritanerzeit. Weiter verfasste sie eine grosse Menge von Gedichten (die sie manchmal auch auf ein ihr gestelltes Thema improvisierte), von Sprichwörtern und Kurzgeschichten. Die bei den Durchgaben anwesenden Zuschauer konnten sich mit Patience auch über beliebige Themen religiöser, philosophischer und weltlicher Art regelrecht unterhalten, d.h. auf ihre Fragen erhielten sie sofort eine schriftliche und meist sehr geistreiche Antwort. Manchmal wurden auch bestimmte Aufträge erfüllt. So wünschte eine Zuschauerin, ein Kindergebet zu erhalten. Nach kurzem Probieren lieferte "Patience" folgendes Gebet (1, S. 273):

"I, Thy child forever, play About Thy knees at close of day; Within Thy arms I now shall creep And learn Thy wisdom while I sleep.
Amen."

[Übersetzung:]
"Ich, für immer Dein Kind, spiele tagsüber um Deine Knie herum; in Deine Arme werde ich nun kriechen und während ich schlafe Deine Weisheit erfahren.
Amen."

Das Gebet entfaltet allerdings nur im englischen Originaltext seine ganze Schönheit.

Die Durchgaben erfolgten ausserordentlich schnell. So wurde das Kapitel in dem Roman "The Sorry Tale", das die Kreuzigung Christi beschreibt und eine Dichtung von erstaunlicher Kraft und Lebendigkeit ist, in seinem Umfang von 5000 Wörtern an einem Abend diktiert. Nie zögerte Patience bei der Wahl eines Wortes. Es war, als flösse ein Wortstrom aus ihr heraus. Nur sehr selten erfolgten nachträgliche Änderungen. Selbst nach längeren Unterbrechungen fuhr sie ohne Zögern bei demselben Wort weiter fort, bei dem sie aufgehört hatte.

Der britische Physiker und zeitweilige Präsident der britischen Society for Psychical Reserarch, George Tyrell, beurteilt Mrs. Curran und ihre medialen Durchgaben folgendermassen (2, S. 154): "Ein interessantes Merkmal dieser Arbeiten besteht darin, dass sie in verschiedenen Dialekten geschrieben wurden, die aber alle eine Tendenz zum Archaischen aufwiesen. Hier sind drei Beispiele.

Aus der 'Sorry Tale': ,Und sein Bart hing auf seine Brust, und er sprach zu den römischen Männern: 'Der Friede Jehovahs sei über Euch!' Und sie spuckten auf seine Früchte, redeten laut und sagten: 'Siehe doch, Jerusalem ist voll von Heuschreckenschwärmen und Wüstenflöhen! Und die Männer Jerusalems essen sich satt an ihnen.'

Und sie lachten und gingen auf die Stufen des Tempels und standen im Regen und schrien, der König sei von Eseln geboren, und warfen Steine an die Türen des Tempels. Die Juden kamen von den Märkten, und neben den Bärten glitzerte der Stahl, und Schwerter durchschnitten die Luft. Und die Römer gebrauchten ihre Schwerter, und die Luft war voll mit den Spottgebeten von der Römer Lippen.'

Dann aus 'Telka': 'T'were the God that tireth o'good'pon earth and fashioneth out a man.'
Friar: 'Aye maid, and fearing lest the good be not'nuff, put more and fashioned maid.'
Friar: 'Aye, and the devil did laugh, for 'twere the save o'him for fashioning o'hell. Care, Friar, lest ye scorch.'

Aus 'Hope Trueblood': 'Warum erlaubt dir deine nichtsnutzige Mutter, in nächtlicher Stunde christliche Häuser zu besuchen? Du stehst mit nackten Füssen auf dem Boden, wo sind deine guten Schuhe?' - 'Ich habe keine, danke. Man hat sie mir zum Mai versprochen.'

Dies schien Miss Patricia in stürmische Erregung zu versetzen, denn sie bäumte sich auf, schrie und schlug an ihren Busen und schrie heraus, dass die Zungen des Dorfes Stichelreden führten, und dass kein Christ unter ihnen wohnen könne, und hörte nur auf, um zu rufen: 'Weg mit ihr, weg mit ihr!'

Jede Stilform wird während des ganzen Romans durchgehalten, dabei ist zugegebenerweise der archaische Dialekt in der mittelalterlichen Erzählung 'Telka' ein Artefakt. Obwohl er nach Altenglisch aussah, war er kein englischer Dialekt, der jemals gesprochen wurde.

Caspar S. Yost, der Herausgeber des St. Louis Globe-Democrat, unternahm eine Analyse der Sprache in 'Telka' in dem Buch: 'Patience Worth: a Psychic Mystery'. Er fand heraus, dass 90% der Wörter angelsächsisch sind, 10% altfranzösisch mit gelegentlich eingestreuten skandinavischen Wörtern und selten ein Wort keltischen oder lateinischen Ursprungs. Er sagt, dass kein Wort verwendet wird, das später als in der Mitte des 17. Jahrhunderts in Gebrauch kam. Grundlage ist das Englisch des 17. Jahrhunderts, aber man muss bis zu der Zeit von Wyclif zurückgehen, um ein solches Übergewicht angelsächsischer Wörter zu finden.

Für das persönliche Verhältnis Mrs. Currans zu dem so ganz andersgearteten Wesen Patience Worth sind folgende Äusserungen der paranormalen Schreiberin interessant. Sie sei, sagt sie, dadurch 'zu tieferem geistigem Verständnis und Wertgefühl erzogen worden, als ich es jemals durch irgendein Studium hätte erreichen können'. Es scheint, dass man hier die schwache Spiegelung eines mystischen Erlebnisses auf einer viel niederen Stufe berührt. Als sich das Schreiben weiter entwickelte, wurde die Schrift von anschaulichen bildhaften Visionen begleitet. 'Wenn die Geschichten kommen, dann werden die Szenen lebendig anschaulich, die Gestalten bewegen sich, spielen ihre Rollen und unterhalten sich auch. Das Bild bezieht sich nicht nur auf die gerade erzählte Geschichte, vielmehr ist auch alles im Umkreis dieser Vision inbegriffen. Wenn z.B. zwei Leute erscheinen, die an einer Strassenecke miteinander sprechen, so sehe ich nicht nur sie, sondern auch die ganze Umgebung der Strasse mit den Häusern, Steinen, Hunden, Leuten und allem, gerade so, wie es in einer wirklichen Szene gewesen wäre. Wenn die Leute wie in der 'Sorry Tale' eine fremde Sprache sprechen, höre ich das Gespräch, aber darüber liegt die Stimme von Patience, die sie entweder übersetzt oder mir die Stelle angibt, die sie in der Erzählung zu verwenden wünscht. Wenn ich zum Beispiel genau wissen wollte, welche Frucht eine Marktfrau verkauft, oder wenn ich den Geruch einer Blume riechen oder die Qualität eines mir unbekannten Stoffes fühlen wollte, dann nahm meine eigene unscheinbare Gestalt kühn an dem Schauspiel teil, und ganz natürlich ging ich vielleicht zu dem Stand der Marktfrau, nahm die Frucht auf und kostete sie oder roch an der Blume in einem Garten oder fühlte den Stoff an. Und dieses Erlebnis war sofort mein Eigenbesitz, so als ob ich es tatsächlich erlebt hätte; denn es war für mich genauso wirklich wie jede andere normale persönliche Erfahrung. So sind mir aus fremden Orten viele Blumen, die ich niemals sah, vertraut geworden, und ich erkenne sie wieder, wenn ich sie auf Bildern sehe. Ich habe bei giftigen Gerüchen geschaudert oder war von der Schönheit eines Gegenstandes ganz begeistert, oder voll Freude, wenn ich eine Blume erblickte, die ich noch niemals vorher gesehen hatte. Es ist genauso, als ob man in neue und unbekannte Gefilde reist.'"

Der literarische Wert der Werke von "Patience Worth" wurde von vielen Fachleuten als hervorragend beurteilt. Eines wurde sogar mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Ausserdem enthielten die Romane bei ihren historischen Hintergründen einen grossen Umfang an Wissen über die Verhältnisse der damaligen Zeiten. "Patience" ist zum Beispiel mit der Haushaltung, wie sie vor zwei Jahrhunderten oder noch früher Sitte war, eng vertraut. Sie kennt alle Hausgeräte jener Zeit, den Gebrauch des Webstuhls und des Spinnrades, die Kunst, auf offenem Herd zu kochen und das Besanden der Fussböden. Sie kennt die Trachten, Sitten und Geographie von Palästina und die Architektur von Jerusalem mit ihren Mauern, Palästen und Wasserstellen. Dabei ist die Sprechweise und die Form des Englischen den jeweiligen Zeitumständen angepasst. Viele verwendete Wörter mussten erst in alten Wörterbüchern nachgeschlagen werden, um ihren Sinn zu erkennen.

Zusammenfassend kann man sagen: Es ist unmöglich, dass Mrs. Curran aus ihrem Bewusstsein oder Unterbewusstsein die Werke eigenschöpferisch hervorbringen konnte. Sie hatte nicht das Wissen und die Fähigkeiten dazu und konnte sie auch nicht unbewusst erworben haben. Man muss davon ausgehen, dass andere, nichtirdische Wesenheiten durch sie wirkten. Wir finden in diesem Fall zwar keine Indizien für das Überleben einer bestimmten, historisch nachweisbaren, irdischen Persönlichkeit, aber doch Indizien für das Hereinwirken einer anderen, jenseitigen Welt in die unsere. Ob der Name "Patience Worth" nur ein jenseitiges Pseudonym oder ein "Künstlername" ist und ob sich dahinter nur eine Persönlichkeit verbirgt oder eine Gruppe von Geistwesen wie bei Rosemary Brown, bleibt unbekannt. Für die parapsychologische Bedeutung dieses Falles ist das jedoch unwesentlich.


Literaturangaben

1) W. F. Prince: “The Case of Patience Worth“, Boston Society for Psychic Research, Boston 1929

2) G. N. M. Tyrell: “Mensch und Welt in der Parapsychologie“, Broschek Verlag, Hamburg o.J. (etwa 1960)


Quelle

(Red.: Der Artikel stammt aus dem Buch "Das Geheimnisvolle in unserer Welt" von Prof. Dr. Werner Schiebeler (kürzlich verstorben), Copyright by Wersch Verlag Martin Weber, 1. Aufl. 2005, € 11,40. Das Buch ist der Schweizerischen Vereinigung für Parapsychologie und ihrem langjährigen früheren Präsidenten Dr. Theo Locher gewidmet. Es enthält eine Sammlung von Berichten über parapsychologische Themen, die teilweise von Herrn Schiebeler selbst untersucht worden waren; eine Art Vermächtnis. Das Buch kann bestellt werden bei:
Irmgard Herrmann, Verlag, Buchhandlung und Versand, Alte Dorfstr. 4C, D-21444 Vierhöfen
Telefon (0049) (0) 4172 / 90 00 878, Fax (0049) (0) 4172 / 90 00 877,
Für Bestellungen – E-Mail: archangelos@onlinehome.de, Website: www.buchhandel-irmgard-herrmann.de/
Für Informationen – E-Mail: info@greber-christen.de, Website: www.greber-christen.de  –  T.F.)


Bild
Pearl Leonore Curran, geb. Pollard, geb. 15.2.1883
Bild 1: Pearl Leonore Curran, geb. Pollard, geb. 15.2.1883, amerikanisches Medium für die jenseitige Wesenheit "Patience Worth". Entnommen (1)


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"Letzte Änderung dieser Seite am 10. Juni 2014"