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Informationstechnologie

Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift c't Computer & Technik Nr. 3 / 2004, S. 46
Die Zeitschrift ist ein bekanntes (renommiertes) alle 14 Tage erscheinendes deutsches Computer-Magazin. Sehr empfehlenswert, da unabhängig, kritisch, technisch fundiert, mit weitgefächertem IT-Informationsangebot (Hard- und Software, mehrere Betriebssysteme). Bringt auch interessante Berichte über soziale Aspekte der IT-Technologie.

RFID - Lückenlos dokumentiert

RFID-Technik löst Barcode-Etiketten ab

Funkchips und ein neuer Produktcode sollen die Logistik revolutionieren. Während die Handelskonzerne mit ersten Feldversuchen die baldige Einführung vorbereiten, prüfen Datenschützer kritisch mögliche Nebenwirkungen.

Auf den ersten Blick leuchtet es nicht ganz ein, wieso Datenschützer gerade jetzt mahnend ihre Stimme gegen die Nutzung der RFID-Technik erheben: Mit den auf allen Produkten aufgedruckten Barcodes gibt es bereits seit Jahren ein weltweites, in allen Branchen nutzbares Kennzeichen, um Warenströme zu digitalisieren, sodass sie sich leicht verfolgen lassen. Und auch die bei der RFID-Technik (Radio Frequency Identification) verwendeten per Funk auslesbaren Transponder sind schon geraume Zeit unter anderem in Lagern und Bibliotheken, beim Paketdienst und der Abfallentsorgung sowie als Zutrittskontrolle im öffentlichen Nahverkehr oder als Wegfahrsperre in Kraftfahrzeugen im Einsatz [1]. Ein prominentes Beispiel im Ticketing sind die Pläne für die Nutzung so genannter RFID-Tags bei der Weltmeisterschaft 2006 (siehe S. 26). Bisher haben die RFID-Hersteller für all diese Einzelanwendungen proprietäre, in sich geschlossene Systeme angeboten.
Jetzt wird diese Technik mit dem 96 Bit langen Electronic Product Code (EPC) gekoppelt, der Nachfolger des im Handel üblichen 13-stelligen EAN-Barcode werden soll. Jedes einzelne Produkt - oder was sonst gekennzeichnet werden soll - kann dann über einen daran befestigten RFID-Tag mit einer weltweit einmaligen Nummer versehen werden.

RFID-Technik

Ein RFID-Tag, der als Massenprodukt in absehbarer Zeit nur noch wenige Cent kosten soll, besteht aus einem kleinen, mit einer Antenne gekoppelten Speicherchip. Bei der billigeren und damit für den Massenmarkt interessanten passiven Variante kann ein Lesegerät je nach verwendeter Technik zu ihm passende Chips in einer Entfernung von einigen Zentimetern bis wenigen Metern ansprechen. Anders als beim Barcode werden die Daten nicht über einen optischen Scanner, sondern per Funk ausgelesen. Dies funktioniert auch ohne unmittelbaren Sichtkontakt zum ID-Tag und geht erheblich schneller.
In der einfachsten Version kann ein Radiofrequenz-Tag nicht viel mehr als den 96 Bit langen EPC speichern. In der Entwicklung sind aber auch komfortablere Modelle: Diese sind beispielsweise vielfach wiederbeschreibbar, verschlüsselbar und in mehrere, mit unterschiedlichen Schreib- und Leserechten versehene Speichersegmente unterteilt, die verschiedenen Teilnehmern einer Warenkette zugeordnet werden können.
Bei einer flächendeckenden Einführung der RFID-Technik liesse sich die Warenerfassung noch stärker als bisher automatisieren. Zeitaufwendige Aktionen wie die Suche des Lagerverwalters nach jedem einzelnen Barcodelabel beim Wareneingang könnten entfallen und auch die Kassiererin im Supermarkt müsste nicht mehr jedes Teil einzeln am Scanner vorbeiziehen.
Entsprechend hoch ist das Interesse bei allen Unternehmen mit umfangreicher Logistik. Immer mehr Pilotprojekte zwischen Produzenten und Handelsketten starten und die Liste der Konzerne, die an der breiten Einführung der RFID-Technik interessiert sind, liest sich streckenweise wie das Who is Who des Einzelhandels: Gillette, Procter & Gamble, Unilever, Nestlé, Kraft Foods, Wal-Mart, die Metro Group (Cash&Carry, Real, Extra, Galeria Kaufhof), die britische Tesco, die französische Carrefour, Best Buy, Home Depot, CVS und Ahold gehören zu den gut 100 Sponsoren, die die Arbeit des Auto-ID Center, einem inzwischen abgeschlossenen Forschungsprojekt am Massachusetts Institute of Technology (M.I.T.), unterstützt haben.
Seit November soll die von den Standardisierungsorganisationen UCC und EAN International gegründete Firma EPCglobal Inc. die kommerzielle Nutzung der dort entwickelten Techniken für das EPCglobal Network vorantreiben und in Zukunft auch die Electronic Product Codes (EPC) vergeben. Hierzu hat EPCglobal mit dem Internet-Domainverwalter VeriSign vereinbart, dass dieser den globalen Verzeichnisdienst für das RFID-basierte EPC-Netzwerk stellt.

Einstieg in den Umstieg

Damit rückt der Start des Systems immer näher. In Deutschland hat jetzt die Metro Group angekündigt, bereits im November 2004 mit der Umrüstung zu beginnen. Nach Angaben des US-amerikanischen IT-Analysten IDC hat der Einzelhandelsriese Wal-Mart, der den grossflächigen Einsatz ab 2005 plant, ebenso wie das US-Verteidigungsministerium bereits seine Zulieferer angewiesen, ihre Produkte mit den Funkchips auszustatten.
IDC prognostiziert allein bei den Einzelhandelszulieferern in den USA bis zum Jahre 2008 einen Anstieg der Investitionsausgaben durch RFID auf bis zu 1,3 Milliarden US-Dollar, dem 14fachen der Ausgaben im Jahr 2003. Teuer wird insbesondere die Ausstattung der Unternehmen mit der nötigen Hardware: Laut IDC steigt das US-Investitionsvolumen 2007 auf 875 Millionen US-Dollar.
Bei den Herstellern des notwendigen Equipments trifft man wie bei den Anwendern auf wohlbekannte Namen: Infineon, Intel, Sun, IBM, Microsoft, SAP - sie alle erhoffen sich in den kommenden Jahren steigende Umsätze durch die RFID-Einführung. Um die Technik sinnvoll zu nutzen, braucht man schliesslich wie bei dem bisher verwandten Barcode neben den Chips auch passende Lesegeräte, Software und Netzwerktechnik, um über das Internet auf die zum EPC-Network gehörenden Datenbanken zuzugreifen, in denen alle mit dem Produkt verbundenen Daten gespeichert werden.

Bedenken

Gerade diese für die Logistik vorteilhafte Vernetzung hat aber nicht nur Begeisterung, sondern auch die Furcht vor Missbrauch geweckt. In einem „Positionspapier über den Gebrauch von RFID auf und in Konsumgütern“ haben internationale Verbraucherschutz- und Bürgerrechtsorganisationen ihre Bedenken zusammengetragen [2].
So befürchten sie, dass die eindeutigen Nummern und die kontaktlose Auslesbarkeit dazu missbraucht werden könnten, um beispielsweise mit Hilfe von RFID-Tags in Kundenkarten und versteckt angebrachten Scannern Bewegungsprofile der Kunden zu erstellen. Mit anderen Daten abgeglichen könnten immer lückenlosere Datensätze entstehen, sodass es immer schwieriger würde, sich in der Öffentlichkeit anonym zu bewegen. Deshalb fordern sie klare Einsatzbeschränkungen der RFID-Technik, die eine auf einzelne Menschen bezogene Datensammlung ausdrücklich ausschliesst. (anm)

[ Angela Meyer ]


Literatur
[1] Dr. Adolf Ebeling, Etikettierungen, Vom Barcode zum Smart-Label, c't 9/02, S. 86

[2] Positionspapier zu RFID, http://www.foebud.org/texte/aktion/rfid/index.html


Bilder
Beispiel für einen RFID-Tag
Beispiel für einen RFID-Tag: Der winzige Chip ist von einer flexiblen Antenne im Scheckkartenformat umgeben.


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"Letzte Änderung dieser Seite am 10. Juni 2014"