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Geisteswissenschaft - Theologie
(Anm.d.Erf.: Der Artikel von Prof. Dr. Werner Schiebeler stammt aus der Zeitschrift "Wegbegleiter" vom Juli 1998, Nr. 4, III. Jahrgang, S. 163 ff.
Anmerkungen des Erfassers stehen in [ ] - Klammern.)

Die Möglichkeit wiederholter Erdenleben

Übersicht: Wenn man auf Grund der zahlreichen in Jahrhunderten gesammelten Erfahrungsbeweise davon ausgeht, dass der irdische Tod nicht das Ende des Lebens ist, stellt sich natürlich die Frage, was dann weiterhin alles geschieht. Über die unterschiedlichen nachtodlichen Schicksale gibt es durch die Verbindung mit der jenseitigen Welt seit 150 Jahren umfangreiche Schilderungen. Eine Auswahl davon habe ich in dem Buch Leben nach dem irdischen Tod Die Erfahrungen von Verstorbenen dargestellt. Doch ergibt sich die weitere Frage: Ist die irdische Geburt überhaupt der Beginn unseres Daseins, und wie und von wem wird unser Verhalten auf dieser Erde beurteilt? Sind Wohlverhalten oder begangene Verbrechen völlig folgenlos?

Geschichtlicher Überblick

Über diese Fragen haben sich die Menschen schon sehr früh, bereits vor Jahrtausenden, Gedanken gemacht, die dann auch in die jeweiligen religiösen Vorstellungen eingegangen sind. Diese waren derart, dass das menschliche Dasein durch einen Schöpfungsakt der Gottheit in Erscheinung getreten ist. Die den Menschen mitgegebene Willensfreiheit führte aber dazu, dass die Geschöpfe nicht immer nach den Wünschen und Gesetzen des Gottes oder der Götter ihr Leben verbrachten. Begangene Vergehen oder Untaten erforderten aber gemäss dem Gerechtigkeitssinn der Menschen eine Bestrafung, Wiedergutmachung und Reue. Wo und wie aber sollte oder konnte das erfolgen?
Die Bestrafung oder Belohnung wurde in manchen religiösen Systemen (auch im christlichen) im Jenseits, im Himmel, Fegefeuer und Hölle angesiedelt. Im Himmel oder Paradies erfolgt die ewige Belohnung, im Fegefeuer eine zeitlich befristete Freiheitsstrafe mit anschliessender Begnadigung und in der Hölle oder Tartarus die "lebenslängliche" Freiheitsstrafe unter erschwerten Bedingungen mit eingeschalteten Folterungen durch Feuertorturen. Hier war Reue zwecklos und Umkehr unmöglich. In diesem System hatten Einsicht in begangene Fehler, der Wille und die Möglichkeit zur Wiedergutmachung und die Rückgliederung auch des Schwerverbrechers, wenn er erst einmal gestorben war, keinen Platz. Ausserdem sollte die jenseitige Einstufung nicht nur vom irdischen Lebenswandel des Verstorbenen, sondern in starkem Masse auch von der Wirksamkeit priesterlicher Zeremonien und bestimmter Opferriten abhängen.
Eine solche Regelung widersprach dem Gerechtigkeitsempfinden vieler Menschen und dem Glauben an eine liebende Gottheit. Aus diesem Grund entwickelte sich schon sehr früh eine andere Anschauung, nämlich die, dass das menschliche Erdenleben nicht einmalig und unwiederholbar ist. Je nach moralischem Erfolg oder Misserfolg eines beendeten Erdenlebens wird ein Verstorbener entweder sofort oder nach einer mehr oder weniger langen Übergangszeit im Jenseits in ein neues Erdenleben hineingeboren. Man spricht von Wiedergeburt, Reinkarnation, Metempsychose oder Seelenwanderung, wobei den verschiedenen Bezeichnungen oft etwas unterschiedliche Bedeutung zugemessen wird. Die Form der Wiedereinverleibung, z. B. in den Körper eines Tieres (im Hinduismus möglich) oder den eines hoch- oder tiefgestellten Menschen mit mehr oder weniger schwerem Schicksal, hängt von der Vorbelastung des Verstorbenen bzw. Neugeborenen ab. Man spricht von "Karma". Das Wort kommt aus dem Sanskrit und heisst zunächst "Tat, Werk, Handlung", bedeutet dann aber auch die Frucht oder Folge der Tat. Unter Karma versteht man eine Kette von Auswirkungen früherer, in anderen Existenzen begangener Taten. Karma ist die gute oder böse Vergeltungskraft moralischer oder unmoralischer Handlungen, ein Prinzip allgemeiner Ursächlichkeit, das unser gegenwärtiges Schicksal aus den guten Taten oder Verfehlungen früherer Existenzen auf dieser Erde oder in der jenseitigen Welt herleitet.
Diese Auffassung begann sich, soweit man das heute historisch noch nachweisen oder erschliessen kann, zu Beginn des ersten vorchristlichen Jahrtausends in etwas unterschiedlichen Formen auszubilden und war um 500 vor Chr. voll entwickelt. Bedeutende Vertreter dieser Lehre waren der Religionsstifter SIDDHARTHA GAUTAMA, genannt BUDDHA (um 560-480 v. Chr.), der griechische Philosoph und Mathematiker PYTHAGORAS (580-500 v. Chr.) und seine Schule und der griechische Philosoph PLATON (427-347 v. Chr.). Zur Zeit Christi war der Glaube an die Reinkarnation in allen damaligen Kulturvölkern bekannt, so im ganzen römischen Reich einschliesslich Palästina und Griechenland, in Ägypten, Persien und Indien. Das bedeutet allerdings nicht, dass alle Menschen dieser Völker auch daran glaubten oder dass er Bestandteil der jeweiligen Staatsreligionen war. Z. B. ist in der überlieferten Mosaischen Religion von Reinkarnation keine ausdrückliche Rede. Doch hielten die Juden es zumindest für möglich, dass jemand, der schon einmal als Mensch auf dieser Erde gelebt hatte, in einer neuen Menschengestalt wiederkehren könne.
( ... ) Nun werden Kritiker der Wiedergeburtslehre sofort einwenden, das seien ja alles, wie der Gottesglaube überhaupt, nur menschliche Hilfskonstruktionen, also reines Wunschdenken. Nach Meinung des deutschen Philosophen LUDWIG FEUERBACH (1804-1872), der einer der Wegbereiter des Marxismus war, ist Religion nur Schein an Stelle von Wirklichkeit, gegründet auf ein natürliches Abhängigkeitsgefühl. Die Vorstellung von Gott und einem ewigen Leben ist nichts als menschliche Einbildung, ein Produkt unserer schöpferischen Phantasie. Das jedenfalls geht aus seinen beiden Hauptwerken Das Wesen des Christentums (1841) und Das Wesen der Religion (1845) hervor. Diese Auffassung hat dann massgeblich die Einstellung des Marxismus und Kommunismus zu Religion und Christentum geformt.
Dagegen haben die zahlreichen Jenseitskontakte, welche zu allen Zeiten erfolgten, die besonders aber in den letzten 140 Jahren durch Parapsychologie und Spiritualismus (die religiöse Ausprägung des Spiritismus) zustande kamen, gezeigt, dass tatsächlich eine jenseitige Welt und eine göttliche Ordnung vorhanden sind. Insofern ist es auch gut möglich, dass bereits im Altertum in Indien und Griechenland die Mitteilungen über eine mögliche mehrfache irdische Wiedereinverleibung über Jenseitskontakte erfolgten und nicht rein menschliche Erfindung sind.
Für das frühe Christentum wird von dem Kirchenvater ORIGENES (geb. um 185, gest. 254) und seiner Schule überliefert, dass sie die Reinkarnationslehre vertreten haben. Origenes war der erste bedeutende frühchristliche Theologe des griechischen Ostens. Er sichtete und bewertete die Schriften des Neuen Testamentes auf Fälschungen und Fehler und fertigte eine wissenschaftliche Übersetzung des Alten Testamentes aus dem Hebräischen ins Griechische an. ( ... )
Wie ORIGENES darauf gekommen ist, entzieht sich unserer Kenntnis. War es die Wiederaufnahme alten Gedankengutes aus seiner griechisch geprägten Umwelt (er selbst war Ägypter aus Alexandrien), waren es eigene gedankliche Schlussfolgerungen, oder war es Wissen, das er oder Freunde oder Vorgänger von ihm aus einem Jenseitsverkehr gezogen hatten? Wir wissen es nicht. Auf jeden Fall war das Thema "Wiedergeburt" seit 553 für die Christenheit äusserlich für 1300 Jahre vom Tisch. Erst der Mitte des 19. Jahrhunderts aufkommende neuzeitliche Spiritismus und Spiritualismus belebte für Christen das Thema erneut.

Spiritualismus und Reinkarnationsidee

Von Nordamerika ausgehend breiteten sich spiritistische Praktiken in wenigen Jahren über die ganze Kulturwelt aus. Darunter ist zu verstehen, dass über besonders veranlagte Menschen, sogenannte Medien, Verbindung zur jenseitigen Welt aufgenommen wurde. Eines diese Medien war eine Französin CÉLINA JAPHET, die ab 1845, als sie ihre schreibmediale Tätigkeit aufnahm (AKSAKOW 1875, 1882, 1898), den Decknamen CÉLINA BÉQUET annahm. Unter Betreuung eines Herrn ROUSTAN gab sie medial empfangene medizinische Ratschläge, die ihr von ihrem verstorbenen Grossvater, welcher Arzt gewesen war, übermittelt wurden.
Vom Jahre 1846 an empfing sie auch mediale Mitteilungen über die Reinkarnationslehre, die von ihrem Grossvater, der HL. THERESIA und anderen Geistwesen stammen sollten. Ab 1849 bildete sich um CÉLINA BÉQUET ein aus insgesamt neun Personen bestehender spiritistischer Kreis, der einmal in der Woche in der Wohnung von CÉLINA in der Rue des Martyrs, Nr. 46, zusammenkam. 1856 gesellte sich zu diesem Kreis ein Herr DENIZARD RIVAIL (1804-1869), der später den Namen ALLAN KARDEC führte, von dem er meinte, ihn in früherer Inkarnation auf dieser Erde getragen zu haben. RIVAIL bzw. KARDEC nahm sich alsbald der inzwischen zahlreichen medialen Schriften CÉLINAs an, sichtete die vorhandenen Themen, stellte selbst an die durchgehenden Geistwesen eine Anzahl Fragen (AKSAKOW 1898, S. 261) und fügte alles in eine systematische Ordnung ein. Daraus entstand zunächst das am 18. April 1857 in Paris veröffentlichte Buch Le livre des Esprit, zu deutsch Das Buch der Geister (KARDEC 1964). Den Namen des Mediums verschwieg er darin und gab diesem später auch nicht trotz wiederholter Rückforderungen die überlassenen medialen Manuskripte zurück.
Die Lehre KARDECS ist gemäss den von den Geistern übermittelten Durchgaben in Auszügen folgende (KARDEC 1964, S. 21): [ die folgenden Absätze sind kursiv im Original ]
" Gott ist ewig, unwandelbar, unmateriell, einig, allmächtig, allgerecht und allgütig. Er hat das Weltall erschaffen, das alle belebten und unbelebten Wesen, materielle und immaterielle, umfasst. Die materiellen Wesen bilden die sichtbare Welt, die Körperwelt, die immateriellen Wesen die unsichtbare Welt, die Geisterwelt. Die geistige Welt ist die normale, ursprüngliche und ewige Welt, die vor allem physischen Sein war und alles Materielle überdauern wird. Die Körperwelt ist von untergeordneter Bedeutung. Sie könnte in ihrer Existenz aufhören und bräuchte nie existiert zu haben, ohne die Wesenheit der geistigen Welt zu verändern. Die Geister legen für gewisse Zeit eine vergängliche, materielle Hülle an, deren Zerstörung, für gewöhnlich Tod genannt, sie wieder in Freiheit setzt.
Unter den vielerlei Arten körperlicher Wesen ist die Ordnung 'Mensch' zur Verkörperung solcher Geister bestimmt, die eine gewisse Entwicklungsstufe erreicht haben. Dies bedingt sittliche und intellektuelle Überlegenheit über die anderen Ordnungen. Die menschliche Seele ist ein verkörperter Geist, der Körper ist des Geistes Hülle. Der Mensch besteht aus drei Teilen:
1. Aus dem Körper, dem materiellen Wesen, das dem Tier entspricht und durch das nämliche Lebensprinzip belebt wird.
2. Aus der Seele, dem immateriellen Wesen, dem in den Körper inkarnierten Geiste.
3. Aus dem Bande, das Seele und Körper eint, dem zwischen Materie und Geist vermittelnden Prinzip.
Somit hat der Mensch zwei Naturen: Durch den Körper nimmt er an der Natur der Tiere teil, deren Instinkte er besitzt, und mit seiner Seele nimmt er an der Natur der Geister teil. Das Band, der Perispirit, das Körper und Geist verbindet; ist eine Art halbmaterieller Hülle. Mit Tod bezeichnen wir die Zerstörung der gröbsten Hülle, der Geist besitzt aber noch eine zweite, die für ihn einen ätherischen Körper bildet. Im normalen Zustande ist er uns unsichtbar, bei Geistererscheinungen aber kann er sichtbar und sogar fühlbar gemacht [werden]. "
[ Ende des kursiven Teils ]
Bei allen Schilderungen KARDECS muss man bedenken, dass es sich hierbei nicht um unfehlbare göttliche Offenbarungen handelt, sondern um Berichte Jenseitiger, die entweder ihrem Wissensstand oder ihrer persönlichen Meinung entsprachen. Neben wahren Kerninhalten können daher auch durchaus eigene Mutmassungen eingeflochten sein. Ausserdem weiss man nicht, wie KARDEC selbst die Durchgaben noch überarbeitet hat.
Die Lehren KARDECS und seiner jenseitigen Informanten fanden im romanischen Sprachbereich durch riesige Buchauflagen grösste Verbreitung. Ihre Anhänger zählen in Brasilien nach vielen Millionen. Dagegen wurde im angelsächsischen Sprachbereich in manchen Jenseitsdurchgaben die Möglichkeit einer irdischen Wiedergeburt heftig bestritten.
Das kann natürlich darauf beruhen, dass diese Jenseitigen darüber noch nicht unterrichtet waren, und sie ausserdem über keine eigenen erinnerbaren Erfahrungen verfügten.

Die Reinkarnation in der öffentlichen Meinung

Viele Ungereimtheiten in den offiziellen kirchlichen Lehren haben schon immer einzelne Menschen dazu geführt, eine mehrfache irdische Wiedergeburt in Betracht zu ziehen, und zwar nicht nur Menschen, die von KARDEC, GREBER oder anderen Verkündern beeinflusst waren. So wurde im Dezember 1985 bei der katholischen Bischofssynode in Rom eine Statistik vorgelegt, nach der 23% der befragten Katholiken, 21% der Protestanten und 12% der Atheisten sich zur Wiederverkörperungslehre bekennen (HOHEISEL 1986, S. 188). Eine wirklich erstaunlich grosse Zahl. Auch bekannte Dichter haben gelegentlich ihre wohlwollende Einstellung zur Wiederverkörperungslehre durchblicken lassen. Am besten kommt sie in einer Äusserung des bedeutenden belgischen Dichters und Philosophen MAURICE MAETERLINCK (1862-1949, Nobelpreis für Literatur 1911) zum Ausdruck. Er schreibt (zitiert nach SCHWARZ 1978, S. 10):
"Nie gab es einen Glauben, der schöner, gerechter, reiner, moralischer, fruchtbarer, tröstlicher und wahrscheinlicher ist, als der an die Wiederverkörperung. Er allein gibt mit seiner Lehre von der allmählichen Sühne und Läuterung allen körperlichen und geistigen Ungleichheiten, allem sozialen Unrecht, allen empörerischen Ungerechtigkeiten des Schicksals einen Sinn."

Ergebnisse der modernen Parapsychologie

Nun wird mancher vielleicht einwenden, dass das ja alles nur religiöse Theorie sei und fragen, ob denn dafür Beweise beigebracht werden können oder wenigstens Indizien vorhanden sind. - Darauf ist zu antworten, dass es zwingende wissenschaftliche Beweise nicht gibt, wohl aber Indizien, wenn auch nicht so stark und zahlreich wie die Indizien für das persönliche Fortleben nach dem irdischen Tod.
Es kommt vor, dass kleine Kinder, wenn sie im Alter von 1,5 bis 2 Jahren anfangen zu sprechen, behaupten, dass sie eigentlich ein ganz anderer seien, dass sie andere Eltern hätten und ganz woanders zu Hause seien. Zunächst drücken sie sich dabei noch unbeholfen und nur in kurzen Sätzen aus, sprechen Worte falsch aus und benutzen Gesten, um das zu unterstützen, was sie sagen wollen (STEVENSON 1976, S. 24). Je älter sie aber werden und je umfangreicher ihr Wortschatz wird, desto genauer werden die Schilderungen der von ihnen empfundenen früheren Lebensläufe. Diese Kinder berichten in ausgeprägten Fällen ihre früheren Namen, die ihrer Eltern und sonstiger Anverwandten und ihren früheren Lebensverlauf mit Todesart ganz genau. Sie schildern ihre damalige Umgebung in vielen Einzelheiten und geben oftmals Orts- und Strassennamen exakt an. Die Kinder verlangen meist, zu ihren früheren Eltern gebracht zu werden oder zumindest die ehemalige Umgebung einmal wiederzusehen. Und was besonders seltsam ist: Es kommt hin und wieder vor, dass ein solches Kind, das behauptet, in einem früheren Leben gewaltsam zu Tode gekommen zu sein, beispielsweise durch Unfall oder Mord, in seinem neuen Leben ein auffälliges Muttermal an der Körperstelle aufweist, an der die frühere Verwundung stattgefunden haben soll. Und derartige Fälle sind nachprüfbar und nachgeprüft worden (MÜLLER 1970; STEVENSON 1976).
Beispielsweise bemerkte die Mutter des indischen Knaben RAVI SHANKAR 1951, als er drei oder vier Monate alt war, an seinem Hals erstmals ein Muttermal, das einer Narbe von einer Verletzung mit einem langen Messer sehr ähnlich sah (STEVENSON 1976, S. 111). Als der Knabe grösser geworden war und sprechen konnte, behauptete er, in einem früheren Leben Sohn eines Friseurs SRI JAGESHWAR PRASAD im Distrikt Chhipatti der Stadt Kanauj in der Nähe von Kampur gewesen zu sein. Im Alter von sechs Jahren sei er von zwei Männern, die er genau beschrieb und deren Namen er angab, mit einem Messer ermordet worden. Es konnte später festgestellt werden, dass tatsächlich sechs Monate vor der Geburt des RAVI SHANKAR der sechs Jahre alte Sohn des Friseurs SRI JAGESHWAR PRASAD in Kanauj am 19. Januar 1951 ermordet worden war, wobei ihm die Mörder mit einem Messer den Kopf abgeschnitten und den Leichnam verbrannt hatten. Der verstümmelte Kopf wurde später gefunden. Auch die sonstigen Angaben des Knaben RAVI SHANKAR erwiesen sich als zutreffend.
Der amerikanische Psychiater Prof. IAN STEVENSON hat zusammen mit Kollegen etwa 200 derartige Fälle untersucht und daraus einen repräsentativen Querschnitt von 20 Berichten, die er aus erster Hand erforscht hat, 1973 in zweiter Auflage veröffentlicht. Er sagt, dass in der von ihm bis 1973 aufgestellten internationalen Statistik sich nahezu 600 Fälle befinden, die für die Reinkarnationshypothese sprechen (STEVENSON 1976, S. 17). Etwa die Hälfte von diesen stammt aus Südostasien, aus Indien, Ceylon, Thailand und Burma, also aus Ländern, wo der Glaube an die Reinkarnation verbreitet ist. Die andere Hälfte der Fälle entstammt grösstenteils der Türkei, Syrien, Libanon, Europa, Brasilien und Alaska, also Ländern, wo (ausgenommen Brasilien) der Glaube an die Reinkarnation nicht Allgemeingut ist. Nur wenige Fälle kommen aus den U.S.A. und Kanada (ebd., S. 18).
Einer dieser Berichte soll hier in Kurzform dargestellt werden. Es handelt sich um einen arabisch-libanesischen Jungen IMAD ELAVAR aus einer islamischen (drusischen) Familie in dem Dorf Kornayel, 20 km östlich von Beirut. Er behauptete, in einem früheren irdischen Dasein in dem Dorf Khriby, 30 km südöstlich von Beirut, gelebt zu haben. Sein Name sei IBRAHIM BOUHAMZY gewesen (gest. 1948). Die beiden Dörfer sind in der Luftlinie 22 km voneinander entfernt. Die extrem kurvenreiche Strassenverbindung (ebd., S. 289) durch die Berge beträgt jedoch fast 40 km.
Prof. STEVENSON suchte die Familie ELAVAR im August 1964 persönlich auf und berichtet (ebd., S. 287): [ die folgenden Absätze sind kursiv im Original ]
"Beim ersten Interview mit der Familie IMADs erfuhr ich, dass er am 21. Dezember 1958 geboren worden war. IMAD war also etwas über fünf Jahre alt, als ich ihn das erste Mal besuchte. Im Alter zwischen anderthalb und zwei Jahren hatte er begonnen, Anspielungen auf ein früheres Leben zu machen. Er erwähnte dabei eine beträchtliche Anzahl von Personennamen und einige Ereignisse aus diesem Leben; er berichtete aber auch über zahlreiche Gegenstände, von denen er behauptete, sie hätten ihm gehört. Manchmal führte er Selbstgespräche über die Leute, deren Namen er nannte und fragte sich laut, was mit diesen Menschen wohl sei. Abgesehen von solchen Träumereien für sich gab er seine Erklärungen über das frühere Leben da und dort zu beliebiger Zeit von sich, wenn irgend etwas eine solche Äusserung auslöste. Er schien, auch im Schlaf von diesen Dingen zu sprechen. Äusserungen über das frühere Leben machte er auch noch zur Zeit meiner Besuche. IMAD hatte den Namen des Dorfes (Khriby) angegeben, wo er behauptete, gelebt zu haben. Ferner nannte er die Familie (BOUHAMZY), von der er angab, er gehöre zu ihr. Er hatte seine Familie dringend gebeten, ihn nach Khriby mitzunehmen.
IMADs Vater sagte mir, er habe IMAD als Lügner beschimpft, weil er solche Geschichten über ein anderes Leben erzähle. Der Junge verstand es dann, dieses Thema bei seinem Vater zu meiden, und sprach in der Folgezeit meist nur mit seiner Mutter und seinen Grosseltern väterlicherseits, die bei IMADs Vater und Mutter wohnten.
Eines Tages kam ein Einwohner (SALIM EL ASCHKAR) aus dem Dorfe Khriby, wo IMAD gelebt zu haben behauptete, nach Kornayel, und IMAD, der ihn auf der Strasse erblickte, erkannte ihn wieder in Gegenwart seiner Grossmutter väterlicherseits. Dieses unerwartete Wiedererkennen trug bei IMADs Eltern dazu bei, dass seinen Erklärungen über das frühere Leben mehr Glauben geschenkt wurde. Aber noch unternahm seine Familie keine Schritte, IMADs Ausführungen nachzuprüfen. Etwas später trafen sie zufällig eine Frau aus Maaser al Schouf, einem Dorf bei Khriby. Die Frau war zu Besuch gekommen. Sie bestätigte IMADs Eltern gegenüber, dass tatsächlich in Khriby einige Leute lebten oder gelebt hätten, welche die von IMAD erwähnten Namen trugen. Schliesslich, im Dezember 1963, etwa drei Monate vor meinem Besuch, erreichte eine Todesanzeige und die Einladung zum Leichenbegräbnis eines prominenten Drusen mit Namen SAID BOUHAMZY aus Khriby das Dorf Kornayel. Ein Onkel von IMADs Vater, selbst ein prominenter Mann in der Drusen-Gemeinde, entschloss sich, dieser Leichenfeier beizuwohnen, und IMADs Vater ging aus Neugier auf das, was er in Khriby erfahren konnte, auch mit. In Khriby traf er einige Leute, die ihn auf zwei Männer hinwiesen, welche Namen führten, die zwei der von IMAD genannten Namen entsprachen. Indessen lernte Mr. MOHAMMED ELAWAR jedoch bei diesem Besuch kein Mitglied der Familie kennen, zu der IMAD gehört zu haben behauptete. Dieser Besuch war überdies der erste, den er und sein Onkel jemals in Khriby machten. Im übrigen stellten beide in Abrede, irgend jemanden zu kennen, der mit jener anderen Familie bekannt war, abgesehen von den oben erwähnten Personen. "
[ Ende des kursiven Teils ]
STEVENSON berichtet nun ausführlich über 40 Seiten hinweg, was der Knabe IMAD über sein früheres Leben alles berichtet hat, wie er sich verhielt, als STEVENSON mit ihm zu seinem früheren Elternhaus fuhr, und was an Personen und Gegenständen er dort wiedererkannte. IMAD brachte es bei dieser Gelegenheit auf dreizehn Wiedererkennungen und gab weitere zutreffende Erklärungen ab, die sich auf das Leben von IBRAHIM BOUHAMZY bezogen, der er gewesen sein wollte (ebd., S. 293). Als man ihm z. B. eine mittelgrosse Photographie von IBRAHIM BOUHAMZY zeigte und ihm andeutete, sie sei von seinem Bruder oder Onkel, antwortete er, dass er selbst das sei (ebd., S. 313).
STEVENSON beurteilt die von ihm untersuchten Fälle derart, dass sie die Reinkarnation nahelegen, aber nicht beweisen (ebd., S. 9). Andere Erklärungsmöglichkeiten wären die der aussersinnlichen Wahrnehmung verbunden mit Personifizierung oder der Besessenheit.
Prof. C. J. DUCASSE, ein Professor der Philosophie an der Brown University auf Rhode Island und Vorsitzender des Publikationsausschusses der American Society for Psychical Research, der das Geleitwort zu STEVENSONs Buch über die Reinkarnation geschrieben hat, sagt (ebd., S. 7):
[ die folgenden Absätze sind kursiv im Original ]
" Wenn man dann fragt, was ein echter Beweis für die Wiederverkörperung sein würde, ist die einzig mögliche Antwort wohl die gleiche wie auf die Frage, wie einer von uns denn jetzt wissen könne, dass er schon einige Tage, Monate oder Jahre vorher gelebt hat. Die Antwort lautet, dass er sich jetzt noch erinnert, zu einer früheren Zeit an dem und dem Ort und unter diesen oder jenen Umständen gelebt, damals gewisse Dinge getan und gewisse Erlebnisse gehabt zu haben.
Aber behauptet denn jemand heute, er erinnere sich in ähnlicher Weise daran, dass er auf Erden ein Leben vor seinem jetzigen geführt habe?
Obwohl Berichte über solche Behauptungen selten sind, gibt es sie. Die Person, die eine solche Behauptung aufstellt, ist fast immer ein kleines Kind, aus dessen Gedächtnis diese Erinnerungen nach einigen Jahren wieder verschwinden. Und wenn es fähig ist, detaillierte Tatsachen aus seinem früheren Leben anzugeben, von denen es versichert, es könne sich daran erinnern und die durch Nachforschungen als richtig bestätigt werden, von denen es aber auf normalem Wege in seinem gegenwärtigen Leben keine Kenntnis erhalten konnte, dann werden wir mit der Frage konfrontiert, ob wir uns die Richtigkeit seiner Erinnerungen anders erklären können als durch die Annahme, dass es tatsächlich das frühere Leben geführt hatte, an das es sich erinnert. "
[ Ende des kursiven Teils ]

Hypnotische Regression und "Reinkarnationstherapie"

Es gibt nun weiterhin Experimentatoren, die davon ausgehen, dass das Wissen und die Erinnerung an frühere Existenzen auf dieser Erde auch bei vielen anderen Menschen, vielleicht sogar bei allen, vorhanden ist. Nach deren Meinung ist es im Unterbewusstsein verborgen und kann durch geeignete Techniken vorübergehend in das Tagesbewusstsein heraufgeholt werden. Das hierfür hauptsächlich angewandte Verfahren ist die Alters-Regressionstechnik in der Hypnose. Dabei wird ein Mensch im hypnotischen Zustand durch Einrede (Suggestion) des Hypnotiseurs in ein früheres Lebensalter, beispielsweise von acht Jahren, zurückgeführt. In diesem Zustand empfindet die betreffende Versuchsperson, als wenn sie acht Jahre alt wäre, hat das längst "vergessene" Wissen dieser Zeit, und hat auf der anderen Seite alles "vergessen", was sie im späteren Leben gelernt hat. Sie benimmt sich also, als wenn sie acht Jahre alt wäre und kann sich, wenn es sich um eine geeignete Versuchsperson handelt, an alle längst "vergessenen" Namen der damaligen Zeit erinnern. Dieses Regressionsverfahren lässt das Bewusstsein der augenblicklichen Lebensphase weiter zurückverlagern, in eine Zeit bis kurz nach oder kurz vor der Geburt oder auch in ein früheres Leben, so hat es jedenfalls den Anschein. Bereits um die Jahrhundertwende wurde die Altersregression benutzt und beschrieben, z. B. von dem französischen Oberst ALBERT DE ROCHAS (1837-1914) in seinem Buch Die aufeinanderfolgenden Leben (DE ROCHAS 1914). Heute ist das Verfahren sehr verbreitet, zwar nicht so sehr unter Wissenschaftlern und Ärzten, als vielmehr bei sogenannten "Reinkarnationstherapeuten". Unter ihnen ist der Münchner Diplompsychologe, THORWALD DETHLEFSEN besonders bekannt geworden. ( ... )
Es stellt sich nun die Frage, woher diese "Erinnerungen" im hypnotischen oder hypnoseähnlichen Zustand kommen. Seit Ende der sechziger Jahre hat der finnische Psychiater DR. REIMA KAMPMAN, damals von der Universität Oulu, jetzt Universität Tampere, aufschlussreiche Versuche in dieser Richtung vorgenommen (KAMPMAN & HIRVENOJA 1972; KAMPMAN 1973; o. V. 1982). Er führte finnische Schulkinder und erwachsene Patienten in Hypnose zu "früheren Leben" zurück und erhielt bei etwa 2/5 von ihnen tatsächlich Auskünfte, die solchen Erinnerungen entsprachen. Als er diese Rückerinnerungsfähigen später wiederum unter Hypnose befragte, woher die Einzelheiten ihres vermeintlichen "Vorlebens" denn in Wirklichkeit stammten, insbesondere wenn Lebensläufe mit vielen Einzelheiten und genauen Namens- und Datumsangaben hervorgebracht waren, erlebte er eine grosse Überraschung. Diese Versuchspersonen konnten genau und nachprüfbar angeben, aus welchen Büchern oder anderen irdischen Bezugsquellen ihr vorgeburtliches Wissen stammte. Eine 19-jährige Studentin z. B. hatte in einer durchgehenden chronologischen Abfolge acht frühere Inkarnationen vom alten China bis in die Zeit des finnischen Winterkrieges geschildert, wo sie als KAARIN BERGSTROM 1939 bei einem Luftangriff ums Leben gekommen sein wollte. Eine der Inkarnationen sollte im 13. Jahrhundert im England als Tochter eines Gastwirts stattgefunden haben. Die Studentin schilderte eingehend die Einzelheiten des Lebens im England jener Epoche (O. V. 1982, S. 996) und konnte sogar ein Volkslied in Mittel-Englisch aus jener Zeit vorsingen. Dieses Lied wurde auf Tonband aufgenommen. Als die Studentin in einer späteren Hypnosesitzung nach der Quelle ihres "vorgeburtlichen" Wissens gefragt wurde, gab sie dazu einige Bücher an. In bezug auf das mittel-englische Lied "erinnerte" sie sich, wie sie im 13. Lebensjahr in einer Bibliothek zufällig ein Buch in die Hand genommen und nur darin geblättert hatte. Sie konnte auch die Autoren nennen: BENJAMIN BRITTEN und IMOGENE HOLST und war fähig, die genaue Stelle in dem Buch anzugeben, wo das Lied gestanden hatte. DR. KAMPMAN konnte tatsächlich das Lied in dem angegebenen Buch ausfindig machen, in der gleichen Art, wie sie es in einer vorangegangenen Sitzung vorgetragen hatte. Auch der "Tod im Winterkrieg" liess sich aus der Lektüre eines Buches und dazugefügten eigenen Abänderungen rekonstruieren.
Nicht in allen Fällen lässt sich auf derart "einfache" Art nachweisen, woher das Wissen aus "früheren Leben" stammt und wie und aus welchem Grund es von einem phantasievollen Unterbewusstsein zu einem kunstvollen "Roman" zusammengesetzt wurde. KAMPMAN meint, dass vielfach traumatische Erlebnisse dieses Lebens mit oder ohne Suggestion eines Hypnotiseurs als "Reinkarnationserinnerungen" getarnt werden, weil die unmittelbare Auseinandersetzung mit dem irdischen Erlebnis für einen Patienten viel zu unangenehm wäre.
Prof. STEVENSON beurteilt die Lage folgendermassen (STEVENSON 1976, S. 18): [ die folgenden Absätze sind kursiv im Original ]
"Die bei hypnotisch induzierten Regressionen gewöhnlich evozierten (hervorgerufenen) 'Persönlichkeiten' scheinen eine Mischung verschiedener Bestandteile zu enthalten. Zu diesen können die gegenwärtige Persönlichkeit des Versuchssubjektes gehören, seine Erwartungen von dem, was der Hypnotiseur wünscht, seine Phantasien darüber, wie sein früheres Leben nach seiner Meinung hätte sein müssen und schliesslich paranormal erlangte Elemente.
Wenn wir annehmen dürfen, dass wir eindeutig paranormale Elemente in der unter hypnotischer Regression evozierten 'früheren Persönlichkeit' identifiziert haben, müssen wir noch entscheiden, wenn wir das können, ob wir diese am besten mit unseren Begriffen von Telepathie oder Hellsehen erklären oder mit dem Einfluss einer entkörperten Persönlichkeit oder Reinkarnation. (Diese Entscheidung ist auch zu treffen bei spontanen Fällen unter Kindern.) Dass Benehmen und Verhaltensweisen der evozierten 'Persönlichkeit' echt wirken, gibt keinen sicheren Hinweis auf deren Ursprung oder die Herkunft ihrer verschiedenen Komponenten. Zudem erleben wir, abgesehen von sehr kleinen Kindern oder dem Fall der Mitteilung von Information nur wenig bekannter Art, grösste Schwierigkeiten beim Ausschliessen normaler Informationsquellen für den Inhalt des 'früheren Lebens'.
Nichtsdestoweniger enthalten einige der unter Hypnose entwickelten Fälle Material und Verhaltenszüge, die wir nicht leicht anders als durch eine paranormale Hypothese erklären können. Ich habe selbst einen Fall dieser Art untersucht, in dem die Versuchsperson eine fremde Sprache sprach, die sie ganz offenkundig auf normalem Wege nicht gelernt haben konnte. Auch können künftige Experimente, insbesondere mit Kindern und resultierend, in der Darstellung ungewöhnlicher und unerlernter Befähigungen wie z. B. fremder Sprachen, einen wertvollen Beitrag zu diesem Gegenstand leisten.
Inzwischen scheint das vielversprechende Beweismaterial für Reinkarnation, in den spontanen Fällen zu liegen, insbesondere bei Kindern. Allerdings ist die Untersuchung und Auswertung solcher Fälle ebenso schwierig wie bei anderen Arten spontaner Fälle in der parapsychologischen Forschung und zwangsläufig der gleichen Kritik ausgesetzt."
[ Ende des kursiven Teils ]
Trotz der Unsicherheit in der Bewertung der Regressionstechnik hat sie sich zu einem vielfach angewandten psychotherapeutischen Verfahren entwickelt. Patienten mit psychischen Fehlhaltungen, Ängsten und unnormalen Abneigungen (z. B. Flugangst) werden dabei in Hypnose in ein "früheres Leben" zurückgeführt. Dort erleben sie dann den "Grund" für ihre heutige Angst. Weil sie beispielsweise in einem früheren Leben ertrunken sind, haben sie in diesem Leben Angst vor dem Wasser. Wenn ihnen der Hypnotiseur das bewusst macht und sie daran glauben, verlieren sie oft die Angst vor dem Wasser. Eine Frau INGRID VALLIÈRES beschrieb am 10. November 1983 ihr eigenes Erleben in dieser Beziehung in einem Vortrag über die "Reinkarnationstherapie" folgendermassen (VALLIÈRES 1983): [ die folgenden Absätze sind kursiv im Original ]
"Als ich selbst 1973 zum ersten Mal mit der Reinkarnationstherapie konfrontiert wurde, wusste ich sofort, dass dieser Weg für mich ein absolut notwendiger Schritt war. Sechs Monate, nachdem ich davon gehört hatte, entschloss ich mich, nach Amerika zu Dr. NETHERTON zu fahren, um diese Therapie an mir durchführen zu lassen. Der Gedanke der Reinkarnation war mir nicht neu; als Kind schon war mir bewusst, dass ich schon oftmals auf der Welt gewesen war.
Bestimmte Problematiken, die ich durch andere Techniken wie Yoga und Meditation nicht lösen konnte, verschwanden nach und nach innerhalb weniger Stunden Therapie. Ich hatte einen Mutter-Konflikt, bestimmte Hemmungen im Umgang mit anderen Menschen, Versagensängste und Stimmungen der Niedergeschlagenheit. Durch das Auffinden der entsprechenden Geschehnisse in früheren Leben wich alle Angst und Hemmung von mir ab, und ich fühlte mich immer sicherer im Umgang mit anderen Menschen und mit mir selbst. Nach Abschluss der Therapie hatte ich das Gefühl, vorher gar nicht richtig gelebt zu haben, und dass das Leben jetzt erst richtig anfing.
Die Reise ins Unterbewusstsein, in die Vergangenheit, ist sehr aufregend und aufschlussreich, entdeckt man doch zahlreiche Parallelen zum heutigen Verhalten und kann sich heutige Charaktereigenschaften viel besser erklären. Die durchzuarbeitenden Geschehnisse sind oft mit Versagen, Trauer, Angst und Trauma besetzt; schliesslich sind es ja die negativen Erlebnisse von früher, die heutige Probleme verursachen; aber gerade die Aufarbeitung des Negativen bringt eine Erlösung und Erleichterung. Man wird erst frei von Problematiken, wenn man negative Erlebnisse durchlebt und integriert hat. Solange man diese verdrängt, können sich keine Probleme auflösen.
Da das Unterbewusstsein nur speichert und nicht analysiert und ausfiltert, werden unangenehme Ereignisse, Unfälle, Schockerlebnisse, Operationen usw. mit allen Sinneswahrnehmungen aufgezeichnet. Taucht im Heute nun eine Situation auf, die Ähnlichkeit mit der damaligen Situation hat, empfindet man gleiche Schmerzen, Emotionen, hat sogar ähnliche Gedanken wie damals. Dies trifft nicht nur auf Erlebnisse in früheren Leben zu; auch in diesem Leben gibt es genügend Schockerlebnisse und verdrängte unangenehme Ereignisse.
In der Reinkarnationstherapie arbeitet man nun diese verdrängten Situationen gründlich durch. Kommt man an die Ursache eines Problems in einem früheren Leben, so löst sich das Problem meist sehr rasch auf. Die Anwendungsbereiche der Reinkarnationstherapie sind ähnlich jeder anderen Psychotherapie auch: Eltern-Kind-Konflikte, Partner-Konflikte, Ängste und nicht angepasste Emotionen wie Aggression oder Depression, psychosomatische Beschwerden, die Bedeutung von Schicksalsschlägen und Sinnfragen.
Ein eindeutiger Hinweis auf das Zurückgehen eines heutigen Symptoms auf frühere Leben ist der Wiederholungseffekt - immer wieder gerät jemand in finanzielle Schwierigkeiten, oft auch noch auf dieselbe Weise; immer wieder landet man bei Partnern, die einen ausnützen; immer wieder bekommt man autoritäre Vorgesetzte usw. Das Unterbewusstsein fühlt sich vom Problem angezogen und zieht uns immer wieder in die gleiche Problemsituation hinein, so lange, bis sie gelöst ist. Die Wiederholungssituation will uns etwas lehren - was das aber ist, lässt sich selten von den Erlebnissen in diesem Leben herleiten. "
[ Ende des kursiven Teils ]
Bei dieser Art der Behandlung psychischer Leiden ist es völlig belanglos, ob es Reinkarnation tatsächlich gibt oder nicht, ob wirklich ein Vorleben die Beschwerden im jetzigen Leben verursacht oder nicht. Wesentlich ist nur, dass für den Patienten ein Zusammenhang erkennbar wird, er daran glaubt und dadurch seine Ängste und Schwierigkeiten verliert. Nur der Heilerfolg zählt hier. Andererseits ist aber auch zu sagen, dass es kein Gegenbeweis gegen eine mögliche Reinkarnation wäre, wenn man für diese therapeutischen Fälle insgesamt schlüssig nachweisen könnte, dass alle psychischen Beschwerden nur subjektiv in ein Vorleben hineinprojiziert wurden. Ein Grund hierfür könnte sein, dass es für den Patienten leichter erträglich ist, wenn ein früheres Leben Verursacher seiner jetzigen Beschwerden ist als Ereignisse oder Fehler in seinem jetzigen Leben.
Von manchen Reinkarnationstherapeuten wird eine andere Regressionsmethode angewendet. Sie versetzen ihre Patienten oder Probanden nicht in Hypnose, sondern durch zahlreiche Suggestionen, oft verbunden mit beruhigender Musik, in einen entspannten Zustand. Sie nennen ihn "Alpha-Zustand". Er ähnelt dem, wie er beim Autogenen Training oder bei manchen Meditationsübungen erreicht wird. Durch weitere Suggestionen wird der Proband angeregt, sich in ein früheres Leben zurückzuversetzen. Bei vielen steigen dann innerlich mehr oder weniger deutliche Bilder und Szenen auf, die als Rückerinnerungen an frühere Leben gedeutet werden. Ähnliche Bilder entstehen bei manchen Menschen auch bei gewissen Meditationsübungen und beim Autogenen Training. Ob diese inneren Bilder bei der Regressionstechnik wirklich etwas mit einem früheren Erdenleben zu tun haben, kann man mit Fug und Recht bezweifeln. Vielleicht mag es bei dem einen oder anderen tatsächlich zutreffen. Für die vielen anderen werden es aber wohl mehr phantasievoll ausgestaltete Rückerinnerungen an gelesene Bücher, gesehene Filme, zurückliegende Reiseerlebnisse, verborgene Wünsche und unangenehme oder angenehme Situationen des jetzigen Lebens sein, die als früheres Erdenleben präsentiert werden. Wenn ein solcher Mensch aber daran glaubt und es ihm in irgendeiner Weise bei der Bewältigung jetziger Schwierigkeiten weiterhilft, sollte man ihm seine Überzeugung nicht auszureden versuchen.

Schluss

Abschliessend lässt sich zur Wiederverkörperungshypothese sagen: Es gibt eindeutige und vielfältige Jenseitsmitteilungen, z. B. in dem Buch von JOHANNES GREBER (GREBER 1987), die auf ein mögliches mehrfaches Erdenleben für viele Menschen hinweisen, unterbrochen jeweils durch kürzere oder meist längere Zwischenaufenthalte in einer jenseitigen Welt. Weiterhin gibt es dafür stützende Indizien von dieser Erde. Es gibt aber keine die Mehrheit der Menschen überzeugende oder zwingende Beweise. So bleibt es dem Einzelnen überlassen, ob er eine mögliche Reinkarnation in Erwägung zieht, darin eine sinnvolle Einrichtung seines Schöpfers sieht und sie als Gnade und Gerechtigkeit empfindet. Oder ist es ihm lieber, an die Ganztodtheorie mit Neuschöpfung von Nachfolgern zu glauben oder an die sofortige Aufnahme in den Himmel oder in die Ewige Verdammnis oder an andere theologische Konstruktionen? Für alle diese Anschauungen gibt es jedoch noch nicht einmal Indizien.
Bequemer und angenehmer ist natürlich der Glaube an die gnadenhafte automatische Vergebung aller Sünden gemäss mancher kirchlichen Verkündigungen und an die sofortige Aufnahme in den Himmel. Das erspart unnötige irdische Anstrengungen. - Aber hätten wir das wirklich verdient, und geht es nur nach unseren Wünschen und Vorstellungen?

Prof. Dr. Werner Schiebeler


Quellen
AKSAKOW, A.: Über die Entstehung des 'Buches der Geister' von Allan Kardec, Leipzig: Psychische Studien 1875, S. 422
AKSAKOW, A.: Untersuchungen über den historischen Ursprung der Reincarnations-Lehre in dem 'Spiritismus', Leipzig: Psychische Studien 1882, S. 262
AKSAKOW, A.: Untersuchungen über den historischen Ursprung des Reincarnations-Dogmas im französischen Spiritismus, Leipzig: Psychische Studien 1898, S. 258
DE ROCHAS, A.: Die aufeinanderfolgenden Leben. Dokumente zum Studium dieser Frage, Verlag Max Altmann, Leipzig 1914
GREBER, J.: Der Verkehr mit der Geisterwelt Gottes, seine Gesetze und sein Zweck, 10. Aufl. 1987, J. Greber Memorial Foundation, Teaneck, N.J. USA
HOHEISEL, K.: Glaube an die Seelenwanderung im frühen Christentum?, Materialdienst der EZW, H. 3, 1983, S, 68
KAMPMAN & HIRVENOJA: Research of latent multiple personality Phenomenon using Hypnosis, projective Tests and clinical Interview, Hypnose psychosom. Med., 1972, S. 106
KAMPMAN, R.: Hypnotically induced multiple Personality: An experimental Study, Acta Universitatis Ouluensis, Series D, Medica No. 6, 1973, Psychiat. No. 3, S. 7
KARDEC, A.: Das Buch der Geister, Verlag Herrmann Bauer, Freiburg 1964
MÜLLER, K. E.: Reincarnation - Based on Facts, Psychic Press Ltd., London 1970
O. V.: Fragwürdige Beweise. Neue Untersuchungen eines finnischen Psychiaters zum Ursprung der bei hypnotischen Rückführungen produzierten " Reinkarnationserinnerungen ", Esotera, H. 11, 1982, S. 994
SCHWARZ, G.: Reinkarnation und christlicher Glaube, Selbstverlag, Diepholz 1978
STEVENSON, I.: Reinkarnation, der Mensch im Wandel von Tod und Wiedergeburt, Aurum Verlag, Freiburg 1976
VALLIÈRES, I.: Reinkarnationstherapie, 44. Orientierungsblatt der SVPP, 1983


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Letzte Änderung am 1. August 2000