[ Startseite ]  -   [ Wegbegleiter ]  -   [ Zurück ]  -   [ Weiter ]  -   Download -  Kontakt

Gesellschaft - Religion - Politik

Artikel von Rudolf Passian, erschienen in der Zeitschrift 'Wegbegleiter' Nr. 1/2003, S. 8-12.

"Ketzerische" Fragen zum Osterfest

Wiederum wird in der Christenheit das Osterfest begangen, zur Erinnerung an die Auferstehung Jesu, an seinen Sieg über den (leiblichen) Tod. In der Ostkirche begrüsst man sich am Ostersonntagmorgen noch heute mit dem Gruss: "Christus ist auferstanden!", worauf geantwortet wird: "Er ist wahrhaftig auferstanden!" Wie aber steht es heute, nach rund 2000 Jahren, um die österliche Frohbotschaft?

Das christliche Osterfest entstammt dem hebräischen Passahfest. Später wurde es mit dem germanischen Fest zu Ehren der Frühlingsgöttin Ostara zusammengelegt. Dies war durchaus sinnvoll, denn in jedem Frühling erleben wir ja eine "Auferstehung" in der Natur, einen Neubeginn nach dem physischen "Absterben" ihrer vielfältigen Ausdrucksformen.

Für modern sein wollende Theologen ist die Auferstehung Jesu nur ein Mythos. Und dennoch muss zu jener Zeit in Palästina etwas geschehen sein, was ungeheures Aufsehen erregte; wie sonst hätte sich eine Weltreligion entwickeln können aus nichts und wieder nichts, ohne jede Veranlassung? Das mag glauben, wer will, und damit dürfte klargestellt sein, dass die folgenden "ketzerischen" Fragen nicht von einem "Religions- und Kirchenfeind" stammen. Zu fragen wäre nämlich:

Wo steht heute die Christenheit?

Ist den Christen überhaupt klar, dass der Nazarener nicht nur "den Sieg über den Tod errungen", sondern das persönliche Überleben des körperlichen Todes unter Beweis gestellt hat? "Für die Auferweckung Jesu sind wir alle Zeugen", heisst es in der Apostelgeschichte 2,32. Was aber war bislang das Ergebnis dieser zum christlichen Glaubensgut gewordenen Zeugenaussage? Wie wirkte sie sich in der Vergangenheit aus, und wo stehen wir heute?

Nun, was uns alle wohl am meisten bedrückt und unsere Lebensfreude schmälert, ist - nach zwei entsetzlichen Weltkriegen und den Ängsten des nachfolgenden "Kalten Krieges" - die zunehmend konfliktgeladene Weltlage. (1) Vor allem, was den nahen Osten anbelangt, plus dem Verhalten der Verantwortlichen in den USA. Die Kriegsrüstung läuft auf Hochtouren, auch in Russland und China (das fünf Millionen Mann unter Waffen hat! Warum und wofür?), und neue Kriege sind in Vorbereitung. Gibt es noch nicht genug Elend auf der Welt? Die biblische Prophetie erfüllt sich jetzt: "Ihr werdet hören Kriege und Geschrei von Kriegen. Sehet zu und erschrecket nicht. Das muss zum ersten alles geschehen, aber es ist noch nicht das Ende da" (Matth. 24,6 nach Luther). Und zahllose Mitmenschen, die noch an Gott glauben, flehen zum Himmel, dass dem satanischen Treiben des gottfeindlichen Prinzips endlich Einhalt geboten werden möge.

Unaufhaltsames Unheil?

Das uns drohende Unheil scheint unaufhaltsam zu sein, zumal es kausalgesetzlich ja nur die logischen Folgen kollektiv falschen Denkens und Verhaltens zur Auswirkung bringt. Zwar regt sich da und dort Widerstand gegen den Wahnwitz mancher Regierungskreise, aber zu wenig. So forderten (als Anzeige in der Zeitung "Die Zeit") 400 Wissenschaftler in einem Offenen Brief den Bundeskanzler Schröder auf, umgehend "die deutschen Soldaten aus den Kriegsaufmarschgebieten der USA" zurückzuziehen. - Vergeblich!

Statt dessen beteiligt sich auch die BRD an der Kriegsrüstung, obwohl sie noch immer ohne Friedensvertrag und ein (von über 100.000 Amerikanern und 25.000 Briten) besetztes Land ist! Am 26.6.02 meldete z.B. die BILD-Zeitung, die Luftwaffe bekomme 600 moderne Raketen des Typs "Taurus" , wodurch "bundesweit 400 Arbeitsplätze gesichert" werden. Dümmer geht's nimmer, denn der Einsatz dieser Höllenprodukte wird das zehn- bis hundertfache an Menschenleben kosten, ganz abgesehen von den sonstigen Zerstörungen!

Liebe Leserinnen und Leser, als Schwerverwundeter des 2.Weltkrieges habe ich Angst, Hunger und Not zur Genüge kennengelernt, wie Millionen andere ebenfalls. Ist das alles schon vergessen? - Wie gross war doch 1945 das Geschrei:

Nie wieder Krieg!

Und jetzt? Wo bleiben sie denn alle, die wackeren "Ostermarschierer"? Kaum waren sie politisch am Ruder (SPD und Grüne), da vergassen sie ihren Pazifismus und traten für die Entsendung deutscher Soldaten in den Kosovo und andere US-Krisengebiete ein. Schliesslich bot ein deutscher Bundeskanzler, dessen Vater im 2.Weltkrieg gefallen war, den Amerikanern deutsches Kanonenfutter an! - Frage eines schwerstverwundeten und heimatvertriebenen Mannes, der auch eine unschuldig erlittene sowjetische Strafgefangenschaft (1948 - 1955) mit Gottes Hilfe überlebte: Haben Leute wie die Herren Schröder oder Bush jemals Kriegsschrecken am eigenen Leibe verspürt? Haben sie jemals um ihr Leben zittern müssen, wenn von den Granaten-Einschlägen ringsum die Erde bebte oder wenn Bomben und Phosphor auf die Zivilbevölkerung herabregneten? Ist bei den Verantwortlichen wirklich schon alles vergessen?

Ist die Lehre Jesu politikuntauglich?

Ostern 2003 und die Weltlage: Es gibt zwar politische Parteien, die sich als christlich ausgeben und damit den Eindruck erwecken, dass ihr Handeln nach christlichen Prinzipien erfolge. In der Praxis aber bemerkt man hiervon kaum etwas. Bismarck erklärte einmal: "Die Realisierung der christlichen Lehre ist der Zweck des Staates". Freilich scheiterte auch er. Dennoch muss die "ketzerische" Frage erlaubt sein, warum die christliche Lehre, trotz der C-Parteien, in der Politik und im öffentlichen Leben so gut wie gar nicht zum Tragen kommt? (Im Gegensatz zum Islam). Wo bleibt denn die Respektierung der Leitlinien der Zehn Gebote und der Bergpredigt? Wo ist der christlich geprägte Staat? Haben wir nicht vielmehr einen Dämonenstaat? Jesus wollte seine Prinzipien gewiss nicht bloss auf eine sonntägliche Andachtsstunde beschränkt wissen; sie gelten (wie im Islam) für alle Lebensbereiche, also auch für die Politik und deren Repräsentanten. Oder etwa nicht? Muss etwa vermutet werden, dass Christen als politische Verantwortungsträger zwar auch täglich beten: "Dein Reich komme", aber heilfroh sind, dass dies nicht wirklich passiert?

Bestätigt wird diese Annahme leider durch Aussagen von führenden C-Partei- und sogar Kirchenleuten, indem sie kühn erklären, dass die Bergpredigt für die politische Praxis untauglich sei. So erklärte der Christ und ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt beim Evang. Kirchentag 1981: "Schliesslich kann man die Welt nicht mit der Bergpredigt regieren." Rita Süssmuth, ehemals Bundestagspräsidentin und CDU-Mitglied meinte, "Es wäre fatal, aus der Bergpredigt unmittelbare Handlungsanweisungen abzuleiten" ("Rheinische Post", vom 10.10.1988). Den Vogel aber schoss der vormalige C-Bundeskanzler Helmut Kohl ab mit der Bemerkung, die politischen Konsequenzen der Bergpredigt seien gefährlich! (Franz Alt, "Frieden ist möglich"). Gefährlich, für wen?

Als die Menschen auf dem Gebiet der vormaligen DDR wieder von vorn beginnen mussten, bestand die reale Möglichkeit, ein wirklich von christlichen Grundprinzipien geprägtes Staatwesen aufzubauen. Ein solcher Versuch hätte weltweit Aufsehen erregt und Millionen Sympathisanten aktiviert. Helmut Kohl wäre als wahrhaft Grosser in die Geschichte eingegangen. Doch er liess diese historisch-einmalige Chance ungenutzt und zog es vor, seine Landsleute den "Segnungen" eines skrupellosen Raffkapitalismus auszusetzen.

Und was sagen Theologen?

Was die Anwendbarkeit christlicher Prinzipien in der Realpolitik anbelangt, so haben Gläubige offenbar auch von den Kirchen keine Hilfe zu erwarten. Der "Osservatore Romano", das offizielle Organ des Vatikans, schrieb am 9.2.1990, im Text der Bergpredigt ginge es um das Geheimnis des Reiches Gottes in Jesus Christus. Doch könne man eine Botschaft wie diese "nicht durchschauen, zerlegen, anwenden...". Noch deutlicher sagte es der Mainzer Bischof Karl Lehmann im Jahre 1984: "Ich glaube, dass es nicht zulässig ist, die Bergpredigt unmittelbar im politischen Alltag umsetzen zu wollen."

Aus dem Lager der protestantischen Kirchen erklärte Hans-Dieter Reimer von der Evang. Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (am 8.3.1985 in Würzburg), dass die Bergpredigt nicht eine Ordnung dieser unserer Welt sei. Selbst Jesus sei ja in der Verwirklichung seines eigenen Lebens praktisch gescheitert. - Gewiss, Jesus betonte ausdrücklich, sein Reich sei nicht von dieser Welt; aber glaubt man denn ernstlich, Jesu Lebensregeln hätten nur privatim Gültigkeit, und nicht auch für Politik, Wirtschaft und Kultur?

Wenn der Durchschnitts-Christ solcherlei Äusserungen "aus berufenem Munde" vernimmt, wird er religiös total verunsichert. Er sucht entweder in anderen Glaubensgemeinschaften Zuflucht, oder er wird desinteressiert gegenüber der Religion überhaupt. Damit droht der Verlust des einzigen, was in den Nöten und Stürmen des Lebens einen seelischen Halt zu bieten vermag: das Gottvertrauen. Wem es daran mangelt, dem bleiben in grösster Not nur Verzweiflung, und der Selbstmord als letzte Konsequenz.

Die meisten Theologen und Seelsorger wissen so gut wie nichts von der

Erfahrbarkeit religiöser Realitäten.

Ja noch nicht einmal beim Tode eines geliebten Menschen vermögen sie echten Trost zu vermitteln. Jeder Zauberpriester aus der Dritten Welt versteht mehr vom Tod und dem Jenseits als solche Theologen! Sie wissen nichts von erfahrbarer Mystik. Nach Karl Rahner wird der Christ der Zukunft Mystiker sein oder er wird nicht mehr sein! Man weigere sich kirchlicherseits nicht länger, die Ergebnisse der modernen Sterbeforschung ernst zu nehmen, denn Hunderttausende, die klinisch tot oder sonstwie "mit einem Fuss im Jenseits" waren, berichten übereinstimmend: Gott gibt es wirklich! Auch Jesus ist Realität, und Liebe ist das Grundgesetz der Schöpfung. Wer dagegen verstösst, bekommt es nach dem körperlichen Tode hart zu spüren. Das Leben geht danach weiter, und intensiver denn je! - Hier wäre meines Erachtens der Hebel anzusetzen für eine wirksame Neubelebung des Christenglaubens, denn hier könnte blindes Glaubenmüssen zu einem Gutteil ersetzt werden durch Wissen. Zu glauben im Sinne von Vertrauen bliebe noch genug!

Und eine letzte "ketzerische" Frage: Darf man sicher sein, dass die Schriften des Neuen Testaments absolut richtig übersetzt wurden? Die organisatorische Zersplitterung in der Christenheit beweist die vielfach fehlende Aussagen-Klarheit der vorliegenden Texte. Meine Frage lautet daher: Käme man hier der Wahrheit nicht bedeutend näher, wenn man das NT rückübersetzt in die Muttersprache Jesu, ins Aramäische? Aramäisch wird noch heute gesprochen. Einer der bedeutendsten Aramäisch-Experten der Welt, der protestantische Theologe Dr. Günther Schwarz, nahm diese Rückübersetzung vor und veröffentlichte die Ergebnisse in einem Buch, welches die grosse Wende bringen könnte in der Glaubensnot unserer Zeit: "Das Jesus-Evangelium", erschienen im Ukkam-Verlag ( ISBN 3-927950-04-1).

Wenn die ursprüngliche Bedeutung des Auferstehungsfestes besser erkannt würde, wenn endlich eine

Wiederbesinnung auf das Wesentliche.

auch kirchlicherseits erfolgen würde, dann könnte jener unheilvollen Entwicklung erfolgreich Einhalt geboten werden, die Johannes Dyba, weiland Erzbischof von Fulda (im SPIEGEL Nr. 52/22.12.1997) mit den Worten umriss: "Wir befinden uns im freien Fall ... Es gibt nur zwei Möglichkeiten, wenn die Entwicklung so weitergeht: Entweder unsere Gesellschaft fällt in eine politische Barbarei, oder aber sie erkennt, dass sie zu ihrem gemeinsamen Fundament, zum Christentum, zurückkehren muss. Die dritte Möglichkeit ist, dass der Islam uns überrennt." Diese mutige Klarstellung bedarf wohl keines weiteren Kommentars. -

Jene Beneidenswerten aber, die über ein krisenfestes Gottvertrauen verfügen, für die gibt es keinerlei Glaubensprobleme. Sie erfahren die energetischen Wechselwirkungen des ernsthaften Gebets im täglichen Leben. An ihnen liegt es gewiss nicht, dass den Verantwortungsträgern unserer Zeit, der Sinn nicht nur des Osterfestes unbegreiflich wurde, sondern auch der Sinn ihres eigenen Daseins!

Rudolf Passian


Fussnote:
(1) Dieser Beitrag wurde anfangs Februar [2003] verfasst: Sollte der Irak-Krieg ausbrechen, so wäre als Folge u.a. eine Christenverfolgung nie dagewesenen Ausmasses zu befürchten (vgl. Matth .24,9).


[ Startseite ]  -   [ Wegbegleiter ]  -   [ Home ]  -   [ Zurück ]  -   [ Weiter ]  -  Download -  Kontakt

"Letzte Änderung dieser Seite am 10. Juni 2014"