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Spirituelle Literatur

Beitrag aus 'Das Geistige Reich', 1960, S. 306, erschienen in der Zeitschrift 'Wegbegleiter' Nr. 3/2005, S. 76-78.
Anmerkungen des Erfassers stehen in [ ]-Klammern.

Es naht das Fest des Lichtes

Beitrag von Philo (Wien), eingesandt von Rudolf Passian

Die grünen Naturkinder des Waldes, jene harzduftenden Symbole – traumhaft verwoben mit unseren fernsten Kindertagen – werden wie Jahr um Jahr, auch diesmal den Weg aus vertrauter Natureinsamkeit in die warmen Stuben der Menschen finden. Ja – Fichten und Tannen verwandeln sich in diesen Tagen in Symbole; sie erleiden den Tod, um in die finstere, menschliche Schwermut Licht zu tragen. Mit jedem Kerzlein, das ein gläubiges Menschenkind an ihre Zweige heftet, gewinnen die Weihnachtsbäume neues Leben, das eindringt in die Herzen der Erdenkinder, ihre Erstarrung lösend, sie endlich – wenn die feierliche Stunde gekommen ist – lichttrunken aufwärtshebend in die Welten des Heils.
Der Baum trägt den geheiligten Namen Christi; in seinem Lichterglanz feiern die Gläubigen den Geburtstag ihres Erlösers.
"Adventum" nannten die Lateiner das "Herannahende". Im Advent, den letzten vier Wochen vor dem Feste, schwingt bereits die Vorfreude mit: „Nun kommt sie wieder meine liebste Zeit, es öffnen sich die Tore in die Ewigkeit...“ Der Advent pocht an die Pforten der Menschenherzen, sich zu besinnen, sich vorzubereiten auf das Fest des Lichtes.
Alle Entwicklung strömt dem Lichte zu. Es ist bezeichnend für das Christfest, dass es in den Tagen der lastenden Finsternis, der längsten Nächte des Jahres gefeiert wird, dass Jesus zu einem Zeitpunkt zur Erde niederkam, da die Gefahr der seelischen Verfinsterung die Menschheit zu verschlingen drohte.
Weihnachten begünstigt eine geistseelische Verbindung mit überirdischen Sphären. Der dämonische Gedankenring, den die Menschheit mit ihrem negativen Gedankenleben um ihre Erde gezogen hat, lichtet sich in diesen Stunden an vielen Stellen und durch die Breschen strömen herein die Engelscharen zur dunklen Erde, um als geistige Boten das Heil zu künden. Das Himmlische wird auf Erden Realität, der Flügelschlag der lichtumflossenen Engel lässt beim Schein der Kerzen sanft die Luft erzittern. Auch die Seelen der Heimgegangenen stellen sich ein, herbeigerufen von den Sehnsuchtswünschen der irdisch Verbliebenen. Es ist die Stunde des Jahres, die auch dem verhärteten Herzen einen Ahnungstropfen der Schönheit geistseelischer Welten vermittelt. Die Seelen der Verstorbenen empfinden es stets als eine Wohltat, in unserem Gedankenring einbezogen zu werden; daher der schöne Brauch, jeder geliebten Seele zum Gedenken ein brennendes Kerzlein am Lichterbaum zu widmen. Fürwahr – kein anderer Tag könnte auserwählter sein – das Einströmen des Überweltlichen in sich aufzunehmen; es ist auch die fruchtbarste Zeit für geistige Impulse.
Noch manch anderes wäre an diesem Tage zu bedenken. Im Anblick des Lichterbaumes lösen sich beim Jubel der Kinderherzen auch die Tränen der Schicksalsgezeichneten. Wo liegt der Sinn dieses Mysteriums? Es ist wohl so, dass die Menschenseele durch all die schmerzhaften Kontraste hindurchgehen muss, gleichsam durch ein Fegefeuer auf Erden, damit die wahre Sehnsucht nach dem verlorenen Licht, nach der vergessenen Seelenheimat wachgerüttelt werde.
Weihnacht ist ein Fest der Besinnung, der Zeit der Gelöstheit der Gefühle, der heimsuchenden Erinnerung, da manche Träne quillt. Wenn aber in diesen Stunden aufs neue die bitteren Wunden aufbrechen, sollten wir wissen, dass die Heimgegangenen im gleichen Masse den Schmerz mitempfinden, auch wenn ihr Wesen dem Licht und der Freude zugetan ist. Im tiefsten Grunde ist Weihnacht ein hohes Fest der Freude und Liebe; da schweigt selbst die Dämonie, der die Liebe fremd ist.
Und Weihnacht ist ein Fest des Kindes. Wie weit haben wir uns doch im Getriebe des Alltags vom arglosen Kinderland entfernt, da wir der Verbindung mit jenseitigen Welten noch teilhaftig waren! Das mit übersinnlichen Kräften begabte, alltagsferne Kleinkind ist noch magisch mit seiner Seelenheimat verbunden; es hört die Engel sprechen und singen, es schaut all die Lichtwesen, die es behüten; aus den Augen dieser Kleinsten schimmert ein Abglanz himmlischer Welten.
Der Weihnachtsbaum hat die Kraft, Erinnerungen zu wecken; er zaubert noch in fernen Jahren die Kindheit herbei; so unauslöschlich waren die Eindrücke, die unsere feinfühlige Kinderseele von ihm empfangen hat. Es ist schon so: der Weihnachtsbaum duftet nach Heimat, jeder erlebt in ihm seine Heimat. Selbst das bescheidenste Bäumchen hatte uns in den unseligen Kriegsjahren [2. Weltkrieg] mit der Heimat verbunden; er allein konnte uns an diesem Tag eines glücklosen Lebensabschnittes das bittere Fernsein erträglich gestalten: solch zauberhafte Gewalt strahlt vom Weihnachtsbaum aus – für jeden empfindbar, der ein wenig Wissen um die tieferen, geistseelischen Zusammenhänge in sich trägt.
Freilich: das Zeitalter der Aufklärung sah im Weihnachtsfest eine romantische Angelegenheit, eine Flucht vor der Wirklichkeit, ein sich Einspinnen in ein erdfernes Traumland. Die gewisse Romantik aber, die in Weihnachtsbräuchen durch die Jahrhunderte weiter pulst, schliesst ihre tiefe, realistische Begründung in sich; das Fest des Lichtes und des Liedes erwuchs organisch im engen Zusammenwirken geistiger und materieller Kräfte.
Aus dem Kinde von Bethlehem erwuchs der unauflöslich mit dem Geschick der Welt verbundene Herr und geistige Führer der Menschheit. Immer wieder ist es Christus, der da helfen kann und will. Weihnachten ist die rechte Zeit, den Christusgedanken zu pflegen, die Verbindung mit unserer Seelenheimat anzustreben, als deren oberster König Christus gepriesen wird. Christus ist nicht weltfremd; keinen der hohen Geister kann sich der Gläubige lebendiger und erdennäher vorstellen. Vor allem in den Tagen der dräuenden Finsternis, da die Menschen im Banne der Zeitgewalten immer mehr einer ungeheuren Angstneurose anheimfallen, erweist sich aufs neue Christus, diese [heraus]ragende Lichtgestalt, wegweisend, helfend und eingreifend und den Blick der Menschen aus engbegrenztem Vergänglichem auf die ewigen Werte richtend. Wer ihm ins Antlitz sieht, empfängt den herzenswarmen Blick eines gütigen Bruders, der um das Geheimste in der Menschenseele weiss, der da ausdrücken will: Fürchte dich nicht! Alles Ungemach deines Lebens geht vorüber und am Ende steht wieder das Licht!


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