[ Startseite ]  -   [ Wegbegleiter ]  -   [ Zurück ]  -   [ Weiter ]  -   Download -  Kontakt

Religion - Christentum - Allversöhnung

Ein Beitrag von Dr. theol. Erich Lubahn aus der Zeitschrift 'Wegbegleiter' Nr. 3/2004, S. 22-41.
Anmerkungen des Erfassers stehen in [ ]-Klammern.

Kommt Gott mit allen Menschen zum Ziel des Heils?

Dr. Erich Lubahn, Waiblingen

In diesem Zusammenhang wird im kirchlichen Raum über Allversöhnung und Wiederbringung gesprochen. Leider wird dazu seit dem Kirchenvater Origenes (185 - 254), der diese Lehre positiv vertrat, viel gestritten. Auf dem Konzil 553 n.Chr. ist jegliche Lehre, dass Gott mit allen Menschen das Ziel des Heils erreicht, zur Häresie (Ketzerei) erklärt worden. Seitdem ist in der christlichen Kirche "die Ewigkeit der Höllenstrafe" ein festes Dogma. Auch das Augsburgische Bekenntnis (1530) hält an der "ewigen Verdammnis" fest. (1)

Ich will erzählen, wie ich das erste Mal mit diesem Thema konfrontiert wurde. Als ich am Anfang meines Theologiestudiums in einem Seminar über das Thema "Apokatastasis ton panton" (das griechische Wort der Bibel für "Wiederbringung des Alls") eine Arbeit zu schreiben hatte, war ich überrascht, dass es zum Thema viel Streit in der Kirche (kath. u. evang.) gab. Im protestantischen Pietismus standen viele der geistlichen Väter auf dem Boden der Allversöhnung. Zu ihnen zählen: Ph. M. Hahn, Fr. Chr. Oetinger, J.M. Hahn [Johann Michael Hahn]. Albrecht Bengel war von dieser Lehre überzeugt, vertrat aber entschieden, dass man über dieses Thema öffentlich auf keinen Fall streiten sollte. In dem erwähnten Seminar wurde in der Diskussion der Studenten energisch gestritten. Der Leiter des Seminars, mein geschätzter Lehrer Prof. Karl Köberle, sagte überzeugend für alle: "Die Allversöhnung ist am Kreuz auf Golgatha durch Jesus Christus eine geschehene Tatsache, die kein überzeugter Christ in Frage stellen sollte. Dies sei die Grundlage für jeglichen missionarischen Auftrag der Kirche. Wer darüber streitet – auf welcher Seite auch immer – hat nicht wirklich begriffen, worum es geht."

Als neutestamentliche Belegstellen für die Allversöhnung, bzw. Wiederbringung seien einige Bibelstellen genannt: Röm. 11,32; 1. Kor. 15, 22-28; 2. Kor. 5,17 ff; Eph. 1,10; Kol. 1, 19-22.

Angesichts dieser klaren Zeugnisse der Bibel könnten erlöste Christen ihres Heils nicht wirklich froh werden, solange es noch eine ewige Verdammnis gäbe, in der die Verdammten wegen zeitlicher Vergehen und Fehlentscheidungen ohne Ende bestraft würden. Ich persönlich könnte meines Heils, welches mir aus der Gnade Gottes zuteil wurde, nicht glückselig sein, wenn die am Kreuz geschehene Tat Jesus nicht für alle Menschen zur Vollendung führen würde. Dass es Christen gibt, die die Allversöhnung verdammen, ist für mich eine traurige Tatsache.

Gott beurteilt jeden Menschen individuell, nicht pauschal nach der Zugehörigkeit zu einer Religion oder Konfession. Dabei geschieht alles nach dem biblischen Grundsatz: "Irret euch nicht! Gott lässt sich nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er ernten. Wer auf sein Fleisch sät, der wird von dem Fleisch das Verderben ernten; wer aber auf den Geist sät, der wird von dem Geist das ewige Leben ernten" (Gal. 6,7 f). Mit "Fleisch" ist nach hebräischem Verständnis der selbstherrliche, egoistische Trieb des Menschen gemeint; mit "Geist", die Herrschaft Gottes im Namen seines Sohnes Jesus Christus (vgl. dazu die ersten Verse von Röm. 8).

Bei jeglichen religiösen Bekenntnissen durch Institutionen und einzelne Menschen gilt der biblische Grundsatz: "Prüfet aber alles, und das Gute behaltet" (1. Thess. 5,21). "Ihr Lieben, glaubet nicht einem jeglichen Geist, sondern prüfet die Geister, ob sie von Gott sind, denn es sind viele falsche Propheten ausgegangen in die Welt" (1. Joh. 4,1). – Wer es mit dieser Prüfung ernst nimmt, beginnt bei sich selbst (1. Kor. 11,28; 2. Kor. 13,5). Jeder überzeugte Christ sollte mit dem Psalmisten beten: "Prüfe mich und erforsche, wie ich's meine" (Ps. 139,23). Wer das ernst nimmt, lernt mit Paulus die Selbsterkenntnis: "Ich weiss, dass in mir, das ist in meinem Fleisch, wohnt nichts Gutes..." (Röm. 7,18 ff). Diese Erkenntnis ist die Voraussetzung, die Allversöhnung Jesu für sich persönlich in Anspruch zu nehmen.

Alle Menschen sind "in Adam" fleischliche Egoisten und damit verlorene Sünder. Von dieser Belastung befreit zu werden, ist das Anliegen der Erlösung, der Allversöhnung Jesu Christi. Ein wirklicher Christ lebt Zeit seines Lebens in der Spannung zwischen Fleisch und Geist, zwischen der Existenz "in Adam" und dem Werden "in Christo". Wer das durch einen gelebten Glauben begreifen lernt, versteht Luther, wenn er von sich bekennt: "Ich bin nicht fromm, sondern ich werde fromm... Ich lebe nicht im Sein, sondern im Werden." (2)

Gott sieht nicht auf unsere Zugehörigkeit zu einer Religion und Konfession, sondern beurteilt jeden Menschen individuell nach der Gesinnung seines Herzens. "Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richtstuhl Christi, auf dass ein jeglicher empfange, nach dem er gehandelt hat bei Leibesleben, es sei gut oder böse" (2. Kor. 5,10; vgl. Röm. 2,16; 14,10). In diesem Zusammenhang fragten die Pharisäer Jesus: "Wann kommt das Reich Gottes?" (mit Reich Gottes ist die Herrschaft Gottes gemeint.) Da antwortete Jesus: "Das Reich Gottes kommt nicht mit äusserlichen Gebärden; man wird auch nicht sagen: Siehe hier! oder: da ist es. Denn sehet: das Reich Gottes ist inwendig in euch" (Luk. 17,20 f). Die Herrschaft Gottes beginnt durch den gelebten Glauben im Herzen derer, in deren Leben wirklich Jesus der HERR ist!

Das in diesem Zusammenhang gebrauchte und missbrauchte Wort "Kirche" ist aus der lateinischen Sprache entwachsen (küriake) und heisst wörtlich: Haus des Herrn. Dieses Haus ist nicht ein Gebäude oder eine Konfession, sondern das Herz des Menschen. Wer wirklich zur "Gemeinschaft der Heiligen" gehört, liegt in der Entscheidung jedes Einzelnen.

Wir wollen diesbezüglich keinen Menschen beurteilen oder richten. In diesem Zusammenhang sagt Jesus: "Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet. Denn mit welcherlei Gericht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden; und mit welcherlei Mass ihr messet, wird euch gemessen werden. Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge? Oder wie darfst du sagen zu deinem Bruder: Halt, ich will dir den Splitter aus deinen Augen ziehen; und siehe: Ein Balken ist in deinem Auge? Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, danach siehe zu, wie du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehest!" (Matth. 7,1-5; Joh. 8, 15 f; Röm. 2,1-3; Gal. 6, 1-5).

Der Kirchenvater John Wesley (1703 - 1791), der als anglikanischer Theologe, beeindruckt von den reformatorischen Schriften Luthers, die "methodistische Erweckungsbewegung" in der englischen Staatskirche auslöste, sagte einmal: "Wenn ich am Ziel meines Glaubens bei meinem Herrn Jesus sein darf, dann rühme ich allein die Gnade (sola gratia). Jedoch werde ich zwei Überraschungen erfahren: Ich treffe dort viele nicht an, von denen ich meinte, sie müssten dort sein; und ich treffe viele, von denen ich meinte, dass sie nicht dahin gehörten."

Keine religiöse Institution in unserer Welt kann für sich in Anspruch nehmen, sie allein sei zuständig für den Himmel Gottes. Überlassen wir die Beurteilung jedes Menschen allein unserem HERRN! Keine institutionale Kirche hat das Recht, den Menschen zu verdammen oder selig zu sprechen. Die christlich römische Kirche hat Martin Luther beim Reichstag zu Worms in die "ewige Verdammnis" verurteilt. Das gibt es nach dem Zeugnis der Bibel überhaupt nicht. "Ewig" ist ein unbiblischer Ausdruck. Leider wird dies Wort bei Übersetzungen da gebraucht, wo in der Bibel wörtlich von "Äon" (ein griechisches Wort) die Rede ist. Es ist auch von Äonen (Plural) die Rede. Sollte es viele Ewigkeiten geben? Gemeint ist nach dem biblischen Verständnis (im hebr. Jom) eine oder mehrere Heilszeiten. Am Ende der Heilszeiten (Äonen) wird sich die durch Jesus am Kreuz geschehene Allversöhnung für alle Menschen und alle gefallenen Geister durchsetzen. Dann existiert nicht unsere gegenwärtige Schöpfung (die an die Gesetze von Raum, Zeit und Materie gebunden ist) sondern der "neue Himmel und die neue Erde" (Offb. 21,1; u.a.m.). Diese Neuschöpfung, ist total verbunden mit dem "Gott über allen Himmeln" (Eph.. 4,10 u.a.m.)

"Die Himmel" (im Urtext im Plural) gehören, wie die Erde, zur Schöpfung Gottes (1. Mo. 1,1). "Der Himmel" ist die Allmacht Gottes, die keinen Anfang und kein Ende hat. Dieser Himmel ist das Ziel und Ende alles Geschaffenen. Diesem Ziel strebt der biblisch Glaubende nach in dem Vertrauen, dass "der das Werk begonnen hat, es auch vollenden wird" (Phil. 1,6). Paulus verstand sich als einer, der auf dem Weg des Glaubens mit dem Ziel der Vollendung war. In diesem Sinn sagt er: "...ich bin noch nicht vollkommen (das griech. Wort telekaiomai ist besser übersetzt mit vollendet). Ich jage ihm aber nach, ob ich's auch ergreifen möchte... Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich zu dem, was da vorne ist, und jage – nach dem vorgesteckten Ziel – nach dem Kleinod, welches vorhält die himmlische Berufung Gottes in Christo Jesu" (Phil. 3, 12 - 14). Aus diesem Verständnis jagt jeder Glaubende der Heiligung nach (als Folge der Rechtfertigung aus Gnaden), ohne welche niemand den Herrn sehen wird (Hebr. 12,14; 2. Tim. 2,22). Der Glaubende ist erlöst "zu guten Werken" (Eph. 2,10; 1. Tim. 5,10). Er steht – im Bild gesprochen – auf zwei Füssen: der Rechtfertigung und der Heiligung.
Die am Kreuze Jesu vollbrachte Allversöhnung wird sich am Ende der Äonen (Heilszeiten) durchsetzen, "...dass in dem Namen Jesu sich beugen werden aller Kniee der Himmlischen und der Irdischen und der Unterirdischen (gemeint ist das Totenreich). Und jede Zunge wird bekennen, dass Jesus Christus der HERR ist zur Ehre Gottes, des Vaters" (Phil. 2, 10 f). Jesus, als der auferstandene Gekreuzigte, ist der Sieger über alle finsteren Mächte. "...als letzter Feind wird zunichte gemacht der Tod..." (1. Kor. 15, 20-28). Mit diesem Tod ist nach dem hebräischen Verständnis (hebr.: mawäth) jegliche Trennung von Gott und unseren Mitmenschen (auch unseren Feinden) gemeint. Am Ziel der Erlösung Jesu wird "Gott sein alles in allem" (1. Kor. 15,28; Offb. 21 und 22).

Die Gegner der Allversöhnung wissen im Grunde genommen nicht, was sie mit ewiger Verdammnis meinen. Sie schmähen und reduzieren das Werk der Liebe Gottes in seinem Sohn Jesus Christus. Jeder Mensch ist versöhnt, aber muss sich als "verlorener Sünder" erkennen und die ausgestreckte liebende Hand Gottes ergreifen. Das versucht Jesus in der Parabel (Gleichnis) vom verlorenen Sohn zu verdeutlichen (Luk. 15,11 ff). Jesus kam in unsere Welt, selig zu machen, was verloren ist (Matth. 18,11; Luk. 19,10).

In einem theologischen Ferienseminar, welches ich leitete, wurde durch einige Teilnehmer die Allversöhnung hinterfragt. Dabei sagte einer: "Wenn das stimmt, habe ich mich umsonst bekehrt". – Bei einer Jugendfreizeit sagte ein junger Mann: "Wenn Jesus alle Menschen versöhnt hat, dann werde ich mich, wenn ich alt bin, zu ihm bekehren; jetzt will ich das Leben noch geniessen". Ähnliche Dummheiten habe ich vielfach gehört. In der Tat, über die Allversöhnung wird pro und contra viel Törichtes geschwätzt. Die Allversöhnung kann als "billige Gnade" (Dietrich Bonhoeffer) viel missbraucht und missverstanden werden!

Jesus hat bei seiner Erlösung "die Sünde" (griech.: hamartia), wörtlich "die Zielverfehlung" besiegt. Ein Sünder ("Zielverfehler") weiss nicht um das Ziel seines Lebens. Wer das nicht kennt, weiss auch nicht um den Sinn seines Lebens. Diese Frage wird oft erst angesichts von Nöten gestellt. Dann wird gefragt: "Warum hat Gott das zugelassen?" angesichts eines persönlichen Unglücks und erlittenen Unrechts. Hinter allem Unrecht und Elend in unserer Welt, dem gegenwärtigen Äon, steht "der Fürst", "der Gott dieser Welt", das ist der Teufel (Joh. 12,31; 14, und Joh. 16,11 ; 2. Kor. 4,4). Von unserer gegenwärtigen Welt (dem Äon, in dem wir leben), berichtet in besonderer Weise das letzte Buch des Neuen Testaments, die Offenbarung (griech. apokalypse, wörtlich: Enthüllung). In Offenbarung Kap. 13 wird der Höhepunkt der gegenwärtigen Weltzeit deutlich.

Die biblische Lehre der Allversöhnung schliesst freilich in keiner Weise das Gericht Gottes aus. Im Gegenteil. Es gibt kein Heil ohne Gericht. Aber auch umgekehrt: es gibt kein Gericht ohne Heil. Das Wort "Gericht" versteht sich nach biblischem Verständnis als "Zurechtbringung nach göttlicher Rechtsnorm" (3). Zusammenfassend und mit wenigen Worten kann das biblische Zeugnis von der Liebe Gottes und allem Elend in unserer Welt so gesagt werden:

Alles Gute kommt von Gott
und wird vom Teufel zum Bösen missbraucht.
Alles Böse kommt vom Teufel
und wird von Gott zum Guten gebraucht.

Das biblische Zeugnis von dem Heil Gottes für alle Menschen hat drei Kennzeichen:

  1. Gott sucht den Verlorenen, bis er ihn findet (Luk.19,10; 5,32; 1. Tim. 1,15). Verloren ist, wer als "Zielverfehler" (Sünder) nicht um den Sinn seines Lebens weiss und damit seinen egoistischen Trieben ("getrieben vom Fleisch") nachjagt. Gott zwingt keinen Menschen, die von ihm geschaffene Erlösung anzunehmen. Die Möglichkeit, dem Bösen abzusagen und das Gute anzunehmen, schenkt Gott nur einige Male (Hiob 33,29). "So ihr seine Stimme höret, verstocket nicht euer Herz" (Ps. 96, 7 f).
  2. Gott lässt es dem Aufrichtigen gelingen (Spr. 2,7). Da muss sich jeder Mensch persönlich fragen: Bin ich mit mir selbst, mit meinen Mitmenschen und vor Gott aufrichtig? Gehe ich mit dieser Frage ehrlich um? Wer danach trachtet, fragt nach der Wahrheit (griech.: aletaia = Wirklichkeit). Nur die Wahrheit, bzw. die Wirklichkeit kann uns von sündigen Bindungen frei machen (Joh. 8,32; 14,6 u.a.m.).
  3. Dem Demütigen schenkt Gott seine Gnade (1. Petr. 5,5; Jak. 4,6). Das Gegenteil von Demut ist Hochmut. Wer die Demut in seinem Leben praktizieren will, muss gegen den eigenen Hochmut (4) kämpfen. Aus diesem Verständnis sagt Paulus denen, die mit Jesus leben wollen: "Kämpfe den guten Kampf des Glaubens" (1. Tim. 6,12). Es geht bei diesem Kampf darum, dass das "Gesetz des Geistes und des Lebens" gegenüber dem "Gesetz der Sünde und des Todes" (Röm. 8,1 f) sich durchsetzt.
Wer sich für die Demut entscheidet, darf an dem Sieg Jesu über alles Böse teilnehmen und rühmt dabei die Gnade, die der Vater durch seinen Sohn dem Menschen anbietet. Bei Jesus gilt der Grundsatz: "Wer sich selbst erhöht (durch Geldgier, Karriere und Wohlgefallen bei Menschen); der wird erniedrigt werden, und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden" (Matth. 23,12).

Ja, Gott kommt zum Ziel mit jedem Menschen! Aber er zwingt sein gnädiges Heil niemandem auf. Der Mensch muss mitmachen, indem er sich unter die Herrschaft Jesu stellt. Es ist eine leidige Tatsache, dass da, wo nicht Jesus der HERR ist, der Teufel und mit ihm das Böse den Menschen beherrscht. In diesem Zusammenhang sagte Martin Luther: "Der Mensch wird immer geritten, entweder von Gott oder vom Teufel". Glauben heisst: Ich sage mich vom Teufel und allem Bösen los und übergebe die Herrschaft meines Lebens Jesus. Darum ging es in dem altapostolischen Taufbekenntnis. Es lautet: "Ich sage ab dem Teufel und allen seinen Werken und übergebe mein Leben ganz Jesus als meinem Herrn". (5)

Jeder Mensch befindet sich zwischen Wiege und Grab auf der Reise; dabei sollte er, sobald er denkfähig wird, wissen, wohin die Reise führt, worin das Ziel der irdischen Wanderschaft besteht. Es ist eine traurige Tatsache, dass viele Menschen erst am Ende ihres irdischen Lebens verzweifelt nach dem Sinn ihres Lebens fragen. Dazu nur einige Beispiele von bekannten Persönlichkeiten: (6)

Voltaire, der berühmte Spötter, hatte ein schreckliches Ende. Seine Krankenschwester sagte: "Für alles Geld Europas möchte ich keinen Ungläubigen mehr sterben sehen. Er schrie die ganze Nacht um Vergebung. – Von Napoleon schrieb Graf Montholon: "Der Kaiser stirbt, von allen verlassen... sein Todeskampf ist furchtbar." – Nietzsche starb in geistiger Umnachtung. So auch Lenin; er betete seine Möbel an. Über das Ende von Stalin sagte seine Tochter Swetlana Allilujewa, die im März 1953 zu dem sterbenden Diktator auf seine Datscha in Kunzewo gerufen wurde: "Vater starb schrecklich und schwer. Gott gibt den Gerechten einen leichten Tod." – Churchill: "Welch ein Narr bin ich gewesen!"

Aldous Huxley schreibt im Vorwort zu seinem Buch "Schöne Neue Welt", dass man alle Dinge so beurteilen sollte, als sähe man sie vom Sterbelager aus. Ich selbst habe als Seelsorger viele Sterbende begleitet. Dazu nur zwei kleine Beispiele: Eine gläubige Frau sagte: "Es ist herrlich, ich gehe heim." Ein ungläubiger Mann schrie am Ende seines Lebens: "Der Teufel kommt und holt mich ab, helfen Sie mir."

Jesus hat dem Tod die Macht genommen (2. Tim. 1,10). Wer den biblischen Glauben lebt, darf das erfahren, auch in seiner Sterbestunde. Es ist eine Tatsache, dass viele Menschen erst auf vielen Umwegen nach Äonen ihr Unheil ohne Jesus und ihr Heil mit ihm erkennen. Aber Jesus sucht das Verlorene, bis dass er es findet (Luk. 19,10). Wer auf dem Weg des Glaubens ist, darf mit Paulus bekennen: "Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum, wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn" (Röm. 14, 7-9).

Beim Glauben geht es nicht um ein Fürwahrhalten von kirchlicher Dogmatik, sondern um ein gelebtes Verhältnis zu Jesus, unserem Herrn. Nach hebräischem Verständnis (ämuna) heisst Glauben: "Wurzeln" im Wort Gottes, Gehorsam dem Wort Gottes und Treue auf allen Wegen des Lebens mit der Grundeinstellung: "Nicht mein Wille geschehe, sondern dein Wille." Diesen Weg ist Jesus im Garten Gethsemane gegangen (Luk. 22,42).

Wer diesen biblischen Glauben zu begreifen beginnt, hat eine gewisse Hoffnung (griech.: elpis – wörtlich= gewisse Erwartung), nicht allein für sich, sondern für alle Menschen. Ohne diese Zuversicht könnte ich mit meinem Glauben nicht fröhlich sein.

Gott hat seinen Sohn aus Liebe in unsere Welt gesandt, damit alle, die sich ihm im Glauben unterordnen, nicht verloren werden, sondern das Leben mit Gott haben (Joh. 3,16). Dies zentrale Zeugnis des Evangeliums ist unumstösslich. Mit der Liebe Gottes zur Welt (griech.: kosmos) ist alles eingeschlossen, was Gott geschaffen hat. Der Höhepunkt seiner Schöpfung ist der Mensch (1. Mo. 1,26 f). Es ist für mich geradezu gotteslästerlich, auch nur einen Menschen von der Liebe auszuschliessen.

Gott hat durch seinen Sohn Jesus Christus, den auferstandenen Gekreuzigten, alle Menschen versöhnt. Wer nimmt wann an dieser Versöhnung, bzw. Erlösung teil? Der Glaubende. Wer ist gläubig? Der, der die Gesinnung Jesu durch seinen Geist annimmt. Darum beginnt die zentrale Aussage des Neuen Testaments im Philipperbrief, 2,5-11 mit den Worten: "Ein jeglicher sei gesinnt, wie Jesus Christus auch war." In der griechischen Sprache beginnt dieser Satz (tauto phroneite) wörtlich mit den Worten: dies denkt. Das Denkvermögen ist die zentrale Gabe Gottes für den Menschen. Wir sollen denken, wie Jesus gedacht hat (Röm. 15,5). Jeder Mensch denkt. Dabei ist die Frage: Wer bestimmt unser Denken? Dazu sagte Martin Luther: "Unser Denken wird bestimmt entweder durch den heiligen Geist von Gott, oder vom bösen Geist Satans."

Der Geist Gottes ist ein Geist der Liebe. Diesen dürfen wir durch den Glauben empfangen. "Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der ist von Gott!" (1. Joh. 4,7-16). Wer im Glauben lebt, weiss um die Wahrheit: "Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unser Herz durch den heiligen Geist". (Röm. 5,5). John Wesley sagte einmal: "Die Liebe ist das Kennzeichen des gelebten Glaubens". Der begnadete Evangelist Wilhelm Busch (1897–1966) sagte es ähnlich: "Die Liebe ist das Markenzeichen christlichen Glaubens."

Gott kommt aus seiner Liebe mit allen Menschen zum Ziel! Wer in dieser Liebe lebt, sollte die Allversöhnung, bzw. Wiederbringung von Herzen bejahen und durch seinen Umgang mit Glaubensgeschwistern und allen Menschen praktizieren. Meine persönliche Heilsgewissheit ist unauflöslich verbunden mit dem Heil Gottes für alle Menschen. Darum vermag ich mit J. H. Blumhardt zu bekennen:

"Dass Jesus siegt, bleibt ewig ausgemacht;
sein wird die ganze Welt:
Denn alles, ist nach seines Todes Nacht
in seine Hand gestellt.
Nachdem am Kreuz er ausgerungen,
hat er zum Thron sich aufgeschwungen.
Ja, Jesus siegt!" (EKG Nr. 376)

Der Liederdichter P.F. Hiller sagt dasselbe mit seinen Worten:

"Jesus Christus herrscht als König,
alles wird ihm untertänig;
alles legt ihm Gott zu Fuss.
Aller Zunge soll bekennen,
Jesus sei der Herr zu nennen,
dem man Ehre geben muss!" (EKL 123)


Dass Gott mit allen Menschen zu seinem Ziel kommt, sollte kein Streitthema sein, sondern ein gelebtes Zeugnis der Liebe Gottes durch den Glauben. (7)



Ein Sufi-Heiliger begab sich auf eine Pilgerfahrt nach Mekka. Am Stadtrand legte er sich, von der Reise erschöpft, an den Strassenrand. Kaum war er eingeschlafen, weckte ihn ein wütender Pilger.
"Das ist die Zeit, da alle Gläubigen ihr Haupt nach Mekka verneigen, und du zeigst mit den Füssen in Richtung des Heiligtums. Was bist du nur für ein Muslim?"
Der Sufi rührte sich nicht; er schlug nur die Augen auf und sagte: "Bruder, würdest du mir einen Gefallen tun und meine Füsse so hinlegen, dass sie
nicht auf den Herrn zeigen?"



Fussnoten

(1) Siehe dazu ausführlich: "Die Religion in Geschichte und Gegenwart" RGG, Bd. VI, S. 1693 ff.; Phil. 2,10 f; 1.Tim. 2,4-6; 1. Joh. 2,2.
(2) Über den verderblichen Egoismus und der Erlösung davon, schreibe ich in dem Taschenbuch: "Wer seine Seele finden will... Der biblische Weg zur Selbstfindung", Ernst Franz Verl. Metzingen.
(3) Ausführlich dazu: H. Langenberg: "Die biblische Begriffskonkordanz", Ernst Franz Verl. Metzingen, S. 205. Ich empfehle dies Buch sehr für das Verständnis aller wichtigen biblischen Begriffe.
(4) Siehe dazu: Langenberg a.a.O., S. 65 ff und 257 ff.
(5) In der Formulierung gibt es kleine Varianten. Siehe dazu in vielen theol. Lexika. Ich schreibe dazu in meinem Taschenbuch: "Wer seine Seele finden will...", a.a.O., S. 82 ff.
(6) Die Beispiele habe ich entnommen: "Letzte Worte großer Männer", West Europa Mission, 6330 Wetzlar, Postf. 2907. In diesem kl. Traktat werden auch genaue Quellenangaben gemacht.
(7) Wer dazu eine ausführlichere Begründung haben will, der lese in der Reihe "Theologische Studienbeiträge", das Buch von mir: "Heilsgeschichtliche Theologie und Verkündigung", 6. Aufl. 1993, Christliches Verlagshaus Stuttgart. Dies Buch enthält Beiträge von meinem geschätzten Lehrer Prof. Otto Michel.



[ Anm. d. Erf.: Es wurden einige orthographische Fehler korrigiert. ]


[ Startseite ]  -   [ Wegbegleiter ]  -   [ Home ]  -   [ Zurück ]  -   [ Weiter ]  -  Download -  Kontakt

"Letzte Änderung dieser Seite am 10. Juni 2014"